Viertes Buch: Das Sechste Saeculum

5. Kapitel: Thera und die Flut des Ogyges

Platons Atlantis

Der Himmelsträger Atlas, dessen ägyptisches Pendant der Himmelsträger Schu ist, gilt bei Platon als der Herrscher von Atlantis, dessen Untergang von ihm in zwei Gesprächen geschildert wird, deren eines mit dem Namen Kritias, das andere mit dem Namen Timaios verbunden ist, in welchem wir unschwer den Namen Seth-Schu-Thum-Tem-Atum-Aton = Atlas erkennen können, den Pharao Sechem-ib (A)Tlas.

Platons Atlantis-Bericht ist typisch für den literarischen Stil des Altertums: Es werden mehrere Ebenen, und zwar sowohl der Realität als auch der zweckdienlichen Aussage, in eine einzige Erzählebene projiziert, so dass der Eindruck entsteht, es handele sich um eine in sich geschlossene Wiedergabe eines Einzelgeschehens bzw. einer zusammenhängenden Ereignisabfolge. Diese "Schichtung" sieht speziell bei Platons Atlantis-Bericht folgendermaßen aus:

1) Die Insel Atlantis liegt "jenseits der Säulen des Herkules, vor den Inseln, die dem eigentlichen Kontinent vorgelagert sind". Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass Platon von Amerika und den Antillen gewusst haben muss.

2) "Vor 9000 Jahren griffen die Atlanter Hellas an und wurden von den Griechen besiegt". Dieser sehr weit zurückliegende Vorfall könnte - möglicherweise um ein paar tausend Jahre reduziert - ein Überfall durch die Bewohner der Atlantikküste, deren "Atlantis" durch das Ansteigen des Meeresspiegels untergegangen war, auf die karischen Ureinwohner von Hellas gewesen sein.

3) "Die Söhne des Poseidon, unter ihnen Atlas, waren die Herrscher von Atlantis". Ohne auf die Einzelheiten hier einzugehen kann gesagt werden, dass dies der eigentliche Zweck der Atlantis-Erzählung Platons gewesen sein dürfte: Plato wollte zeigen, wie der "ideale Staat" aussehen könnte.

4) "Atlantis ging in einer einzigen Nacht und mit Schlamm im Meer unter". Hiermit ist zweifellos die Insel Kaph-Thera oder Kaphthor gemeint. Übrigens bedeutet der Name Kaphthor soviel wie Atlas oder Säule, also "Träger".

Der "Untergang von Atlantis" hat seit Platons Zeiten die Gemüter der Menschen bewegt. Eine umfangreiche Atlantis- Literatur gibt davon Zeugnis. Unzählige Atlantes sollen gefunden worden sein, und zwar rund um den Globus. Wie ich schon in einem früheren Kapitel sagte, handelt es sich bei den meisten Atlantes um untergegangene Küstenstädte, die nach dem Abschmelzen des nordamerikanischen Kontinentaleises unter den ansteigenden Meeresspiegel gerieten. Das Atlantis des Platon ist im engeren Sinne die Atlas-Insel Kaph-Thera, die in einer einzigen Nacht mit Schlamm im Meer unterging. Erst im folgenden Kapitel werde ich den Tod des Atlas-Seth-Schu = Thum, Tem, Timaios in der Flut des Ogyges schildern, die ihn allerdings nicht auf seiner Insel, sondern in Ägypten überraschte.

Wie es aber dazu kam, dass die Bewohner von Thera plötzlich in Palästina auftauchten und die Philister aus ihrem Land, dem Erzet-Dagan, vertrieben, und dass die Krethi (= Kreter) diese Plethi (= Peleset, Philister) ebenfalls bedrängten, das wird klar, wenn wir zum Thema kommen. Es trat nämlich im Jahre 537 ndFl (= 343 v.Chr.) etwas ein, was die Welt des östlichen Mittelmeeres tiefgreifend veränderte.

Die Thera-Katastrophe

Nicht alle Katastrophen, die sich im Altertum ereignet haben, sind Typhon zuzuschreiben. Schließlich gab es und gibt es auch heute noch Erdbeben und Vulkanausbrüche, ohne dass sich ein vagabundierender Himmelskörper in unserer Nähe aufhält. Die jetzt zu besprechende Katastrophe fand 86 bzw. 87 Jahre vor der letzten Nahbegegnung der Erde mit Typhon statt, was zu der Vermutung führt, es sei die Zeit für einen Periheldurchgang Typhons gewesen. Das ist durchaus möglich, doch es trat der Fall nicht ein, dass die Erde an derselben Stelle stand, und insofern konnte Typhon keinen Schaden auf der Erde anrichten.

Der Katastrophe 1. Akt

Zunächst gab es ein tektonisches Beben, das die Ägäis und die sie umgebenden Randgebiete erschütterte. Sein Epizentrum lag unter der Insel (Kaph-)Thera, die so schwer zerstört wurde, dass nur ein vollständiger Wiederaufbau aller Gebäude und Einrichtungen angebracht gewesen wäre, worauf man aber ganz offensichtlich verzichtete: denn neben den heute noch sichtbaren Zerstörungen muss es noch Schlimmeres gegeben haben. Ich vermute, dass aus Fumarolen - das sind heiße Wasser- oder Dampfquellen - schwefelhaltiges Wasser austrat, dessen Gestank die Luft verpestete. Außerdem waren die Felder durch Erdrutsche und Schlammlawinen derart verwüstet worden, dass an eine ordentliche Bestellung kaum zu denken war. Ob es auch Anzeichen dafür gab, was darüber hinaus der Insel noch bevorstand, vermag ich mit letzter Gewissheit nicht zu sagen.

Im Hinblick auf das Bevorstehende war es jedoch umso ratsamer, dass die Bewohner ihre Insel verließen und sich eine neue Heimat suchten; denn das Erdbeben war noch nicht die eigentliche Katastrophe für die Insel, wenngleich es sie doch auslöste.

Auf der 100 km vom Bebenzentrum Thera entfernten Insel Kreta wurden durch das Erdbeben ebenfalls viele Gebäude beschädigt, wie durch Ausgrabungen nicht nur am Knossos-Palast nachgewiesen ist. Die eigentliche Katastrophe aber bestand in einer weiteren Folge von Ereignissen und hatte ein ungleich größeres Ausmaß.

Die beiden Gelehrten Charles und Dorothy Vitaliano haben in bezug auf die Rekonstruktion dieser Vorgänge Hervorragendes geleistet. Dank ihrer Untersuchungen sowohl in geologischer als auch in archäologischer Sicht können wir uns heute ein genaues Bild der Einzeletappen machen, in denen sich die Katastrophe abspielte. Das Wichtigste, was bei ihren Arbeiten herauskam, scheint mir die Erkenntnis zu sein, dass durch das Fehlen jeglicher Trümmervegetation in den durch das Erdbeben verursachten Rissen an Gebäuden bzw. Ruinen auf Kreta eindeutig belegt wird, dass nur verhältnismäßig kurze Zeit nach dem Beben schon die Verfüllung der Risse durch Eruptiv-Material einsetzte:1

"Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass das Erdbeben unmittelbar vor (oder gleichzeitig mit) den ersten heftigen Bimsstein produzierenden Explosionen erfolgte. Dieser Beweis besteht aus Spalten, die nur mit Bimsstein gefüllt sind. Hätten sich diese Spalten auch nur kurze Zeit, bevor der Bimsstein herabfiel, geöffnet, müsste anderer Schutt zuvor hineingelangt sein."

Die Flucht der Kaphthoriter kann demnach auch schon unter dem Zwang erster Bimsauswürfe erfolgt sein. Sie konnten jedenfalls ihre Habe noch zusammenpacken, wie aus den leer geräumten Häusern hervorgeht, die in moderner Zeit ausgegraben wurden; dann war jedoch Eile geboten. Schon kurz darauf trat das ein, was der österreichische Gelehrte Hans Georg Wunderlich2 verständlich beschreibt; und das sieht folgendermaßen aus:

2. Akt

Eine Vulkanexplosion, also die "Pulverisierung" eines Berges, wobei der Lavaauswurf zweitrangig ist und sogar vollständig ausbleiben kann, beginnt mit einem tektonischen Erdbeben oder zumindest einer Ursache, durch die Wasser in das Gestein des Berges geführt wird. Durch unterseeische Spalten, die durch das Beben geöffnet worden waren, konnte Meerwasser auch in den "Fuß" des die Insel Thera bildenden Vulkans eindringen.

Man darf sich eine Vulkanexplosion nicht als eine simple Wasserdampfexplosion wie bei einem überhitzten Dampfkessel vorstellen. Dieser Vorgang muss subtiler gesehen werden, und zwar schon deshalb, weil eine Explosion in der Tiefe unter einem Berg niemals diesen vollständig pulverisieren, sondern ihn bestenfalls "in tausend Stücke reißen" würde. Beispiele für die totale Pulverisierung von Bergen gaben in jüngster Vergangenheit der Mount Helens (USA) und der Pinatubo (Philippinen) ab.

Der subtile Vorgang besteht darin, dass zunächst durch die Einwirkung von Wasser unter erhöhtem Druck im Zusammenwirken mit der Vulkanhitze die Kristallstruktur des anstehenden Gesteins in der Weise verändert wird, dass größere und wasserreichere Kristalle entstehen. Die vulkanische Eigenschaft des Berges ist mithin die erste Voraussetzung für die "Gesteinsmetamorphose". Die so entstandenen Kristalle beanspruchen natürlich mehr Raum als die vorherigen. Die Folge ist, dass der Innendruck des Berges bis zum Bersten erhöht wird. Kommt es nun zum Bersten, dann bewirkt der dadurch ausgelöste Druckabfall, der sich natürlich auch in den Kristallen bemerkbar macht, dass diese unter Abgabe großer Mengen Kristallwassers sich in nicht kristallines, in so genanntes amorphes (= gestaltloses) Gestein umwandeln. Typisch ist hierfür der starke Anfall von Wasserdampf und der als Tephra-Auswurf bezeichnete Aschenregen.

Der zweite Teil der Katastrophe nach dem Erdbeben war also die Explosion des Thera-Vulkans, die kurz darauf bereits erfolgt sein muss, da der mit der Explosion einhergehende Bimsauswurf in frisch geöffnete Spalten und Risse fiel, die das Beben verursacht hatte. Durch die Explosion selbst war die Insel Kaph-Thera weitgehend von der Landkarte verschwunden.

Bomben auf Orchomenos

Ein denkwürdiges Ereignis, das zweifellos in diesen Zusammenhang gehört, wird aus Orchomenos gemeldet, der alten minoischen Hafenstadt innerhalb des boiotischen Landes auf dem Boden von Hellas. Hier hatte Orion-Aktaion geherrscht, der Sohn des Poseidon-Aristaios, bis er kurz vor 520 ndFl von Dionysos-Pandion vertrieben worden war. Damals wandte er sich mit Athena-Gorgo-Me(tia)dusa, der Herrscherin von Athen, die seinen Vater im Jahre 507 ndFl getötet hatte, nach Asien, wo sie beide im Jahre 529 ndFl durch Perseus im Zuge der Befreiung von den Kimmerern = Gutäern getötet wurden. Hierüber ist in den einschlägigen Kapiteln ausführlich berichtet worden.

Es waren aber acht Jahre nach dem Tode des Aktaion vulkanische Bomben auf Orchomenos gefallen, weitgeworfene Eruptionsprodukte, die von der Explosion des Thera-Vulkans herrührten, der immerhin 300 km von der Einschlagstelle entfernt liegt. Hierin sahen die immer noch eingeschüchterten Bewohner von Orchomenos eine Untat des verhassten Aktaion, obwohl dieser längst tot war. Es heißt, ein Orakel habe den Bewohnern von Orchomenos den Rat gegeben, alles, was in ihrer Stadt noch an Aktaion erinnere, in einen eisernen Behälter zu schließen und diesen dann ans Laphystion-Gebirge anzuschmieden. Die Bewohner von Orchomenos hätten nun nicht Lapithen (= "Steinmänner") heißen dürfen, wenn sie diese vom Himmel gefallenen Steine nicht zu Heiligtümern gemacht hätten, die hier noch in späterer Zeit zu bewundern waren.

Asche auf Kreta

Eine Folge des ungeheuren Anfalls von Tephra-"Asche" war, dass der Ostteil der Insel Kreta, die nur etwa 100 km südlich von Thera (heute Santorin) liegt, mit einer hohen Aschenschicht zugedeckt wurde. Dadurch war das Acker- und Weideland auf Jahre hinaus unbrauchbar geworden. Begünstigt durch die Etesien-Winde, die damals von Nordwesten nach Südosten strichen, wurde der Aschenregen ins östliche Mittelmeer getrieben. Diese Ablagerungen lassen sich heute noch bis nahe an die ägyptische Küste nachweisen. Das bedeutet aber nicht, dass Ägypten selbst verschont geblieben wäre:

Bis in die stratosphärischen Schichten wurden - ähnlich wie nach der Krakatau-Explosion im Jahre 1883 - kleinste Staubpartikel getragen, die noch über Jahre hinaus die Sonneneinstrahlung verminderten. Am Anfang der Katastrophe herrschte sogar eine "ägyptische Finsternis", die aber in ihren Ausmaßen weit hinter der eigentlichen zurückstand, die im Jahre 624 ndFl während der Exodus-Katastrophe Ägypten heimsuchte.

Es versteht sich, dass die Bewohner der östlichen Hälfte Kretas keine Lust verspürten, länger auf der Insel zu verweilen. Es war nicht nur der Palast von Knossos zerstört, sondern es war die gesamte Zivilisation zusammengebrochen. Zwar erholte sich die Insel sehr schnell wieder, doch die Anzeichen dafür waren sogleich nach der Katastrophe noch nicht zu erahnen. Hermes hätte nicht der "Weisheitsgott" Thot und sein Sohn Epaphos-Apophis nicht der "Wohltäter" Apis-Ptah sein dürfen, wenn diese beiden untätig zugesehen hätten, wie die Kaphthoriter und Kreter mit ihren Problemen fertig wurden. Kurzentschlossen organisierten sie die Umsiedlung der betroffenen Insulaner nach Rezenu bzw. in den Erzet-Dagan an der palästinischen Küste, und zwar als erste die akut bedrohten Kapthoriter, während die Kreter - vermutlich erst nach der Explosionskatastrophe - in einer zweiten Welle evakuiert wurden.

Feststeht, dass durch diese Umsiedlungsaktion viele Philisterfamilien ihre seit den Tagen des Seth-Isaak angestammten Wohnsitze und Besitztümer verlassen mussten. Ich vermag die gegenseitigen Ursachen und Auswirkungen der hier nun stattfindenden Veränderungen nicht zu trennen. Immerhin hätte es einer Einwilligung der amoritischen Landesherren für diese Aktion bedurft. Das Jahr 537 ndFl, in dem sich die beiden ersten Etappen der Thera-Katastrophe abspielten, ist auch in anderer Weise bedeutsam für Edom-Israel-Kanaan. Es ist das Jahr, in dem Samuel unter seinem Namen Samla von Masrech (= Jaschmach-Adad von Mari) auf den edomitischen Königsthron stieg. Sein Sohn Saul war dem AT zufolge permanent in Kriege mit den Philistern verwickelt, die ihn auch zu Fall brachten. Selbst in der tatsächlichen Geschichte erstreckt sich die Zeit dieser Philister-Kriege genau von 537/538 ndFl bis 558 ndFl, also bis zwei Jahre nach dem Tode des Saul. Es sind dies die zwanzig Jahre der Richterschaft Simsons. Daher verweise ich bezüglich der historischen wie der alttestamentarischen Aspekte auf das nächste Richter-Kapitel in diesem Buch: 10. Kapitel: Die Rehistorifizierung des Buches Richter; Teil III: Die Zeit von 523 bis 558 ndFl.

Später, und zwar nachdem ein großer Teil des Stammesgebietes Juda durch die Siddim-Katastrophe (Untergang von Sodom und Gomorra) verwüstet worden war, lautete der ägyptische Name für dieses Gebiet udja-ru, woraus sich zweifellos die Bezeichnung Juda für das gesamte Kernland Israel-Kanaan- Palästinas entwickelt hat. Die Hieroglyphe für udja stellt einen Feuerbohrer dar und steht deshalb auch für heiß und Wüste. Die Wüste Juda bzw. das Land Udjaru hatte seinen Namen aber offensichtlich von den "semitischen" Königen in Ägypten, die sich von Uadj-chau-sebek-em-saf ableiteten.

Sem führte nie den Namen Juda, wenn dies auch aus der von mir sehr oft benutzten Kombination beider Namen hervorzugehen scheint. Umgekehrt hat das AT auf Sem = Sumu-abi = (Man-)Ischtu(schu)p-Ilum den Namen Juda übertragen, der in der Tat als der Ahnherr (nach Isaak) der hiesigen Könige zu betrachten ist. Im Gegensatz dazu hatte sein jüngerer Bruder Samuel den Namen Benjamin (= Ben-Oni) schon, bevor nach ihm das Gebiet auf dem Gebirge Ephraim als so genanntes "Stammesgebiet" Benjamin ausgewiesen wurde. Die beiden Gebiete Juda und Benjamin gehörten bis zuletzt, als die "zehn Stämme Israels" bereits in die Deportation geführt worden waren, eng zusammen. Das wird unter dem Aspekt, dass sie im Gegensatz zu vielen anderen Stammesgebieten, deren Namen auf ältere Zeiten zurückgehen und keineswegs von Söhnen Jakob-Israels abstammen können, wirklich "brüderlich" waren, überaus verständlich.

In Rezenu-Udjaru trafen Hermes, Ap(oph)is-Epaphos, Samuel, Saul und Perseus zusammen. Sie alle werden später in einem als "Naos-Inschrift" bezeichneten Text "die Begleiter des Apophis, die aus Udjaru und aus der Wüste kamen" genannt. Ich halte den Hinweis auf udja-ru für zeitgenössisch, da diese Ortsbezeichnung in der in Rede stehenden Zeit vermutlich noch gar nicht in Gebrauch war. Es sei denn, die Bezeichnungen rezenu und udja-ru wurden entweder gleichzeitig benutzt oder bezogen sich auf zwei verschiedene Gebiete (Rezenu für die Küstenregion des Erzet-Dagan und Udjaru für die binnenländische Wüste Juda?). Dann kann der im Namen einiger "semitischer" Könige ("Levi" = Sebek-em- saf, "Mose" = Kamose) enthaltene Bestandteil uadj = udja von der geographischen Bezeichnung für die vorübergehende Heimat ihres Vorfahren Seth-Isaak abgeleitet worden sein. Mit Sicherheit vermag ich das nicht zu entscheiden.

Der Zweck des Zusammentreffens der obigen Herren ist nicht eindeutig zu bestimmen. Es kann sich um eine Reaktion der Amoriter auf die Umsiedlungsaktion des Hermes und des Apis gehandelt haben. Feststeht lediglich, dass sie gemeinsam gegen Ägypten zogen. Die Frage, ob sie vorher gegeneinander Krieg geführt hatten, ist weder definitiv zu bejahen noch zu verneinen.

Ägypten war durch die Thera-Katastrophe offensichtlich in eine Schwächephase geraten; denn wie aus der oben erwähnten Naos-Inschrift zu entnehmen ist, war der Himmel über Ägypten verdunkelt, was durch eine Wolke aus Tephra-Asche, möglicherweise in Verbindung mit einer Beaufschlagung des Fruchtbodens zumindest der nördlichen Gebiete des Landes, zu erklären ist.

Seth-Schu-Thum-Atlas war jenes "von Poseidon gesandte Ungeheuer Cetus" (vgl. den Namen Zet für Seth in der ersten manethoschen Dynastie!), dem Andromeda, die Tochter des Kepheus von Äthiopien, geopfert werden sollte, weshalb der Sage nach Perseus auf den Plan gerufen wurde. Wie dies im einzelnen vor sich ging, berichtet die Sage nur in Anlehnung an die Wirklichkeit, die daher auch nur unzureichend zu rekonstruieren ist:

Phineus, der Onkel der Andromeda, war auch ihr Bräutigam. Perseus soll nun die Prinzessin, die er befreit hatte, zur Frau genommen haben. Das trug ihm verständlicherweise den Zorn des Phineus ein, und dieser verlor daraufhin außer der Braut auch noch sein Leben. Zum Onkel der Andromeda wird Phineus in der Sage aus der väterlichen Linie: er sei der Bruder des Kepheus gewesen. Die Agenoriden-Sage sieht die Abstammung des Phineus folgendermaßen:

+========================================================+
|                     Die Agenoriden                     |
+--------------------------------------------------------+
POSEIDON  =  AIOLOS --------------+---------- = SETH III
oo LIBYA                          |             |
|                                 |             |
|                                 |             |
AGENOR,  oo TELEPHASSA            ORION =       SETH IV =
König von                         BOREAS        ATLAS
Phönizien                         |             |
|                                 |             |
+------------+                    |             |
|            |                    |             |
EUROPE,      PHINEUS,    oo    I. KLEOPATRA     KASSIOPEIA
KADMOS,      König von                          |
PHÖNIX,      Salmidessos                        |
KILIX        (Thrakien)  oo   II. EIDOTHIA      ANDROMEDA
==========================================================

Tatsächlich war Phineus nach obigem Schema ein naher Verwandter der Andromeda, ein Enkel des Poseidon, der zudem noch mit einer Enkelin des Poseidon verheiratet war, also mit seiner Cousine. Da Andromeda selbst eine Urenkelin des Poseidon war, war Phineus ihr Onkel zweiten Grades. Damit ist nicht gesagt, ob dieser Phineus von Salmidessos am thrakischen Hellespont wirklich ihr Bräutigam war. Er wird auch als Großvater von Kalaïs und Zetes aufgefasst, obwohl letzterer mit Geb-Anubis-Phiops-Pheros identisch ist, dem Sohn des Seth-Atlas, des Bruders der Kassiopeia und somit des Onkels ersten Grades von Andromeda. In der Rolle des Großvaters von Zetes = Seth V, also von Geb-Anubis-Phiops, ist Phineus nicht unterzubringen.

Eine viel bessere Erklärung ergibt sich folglich, wenn an die Stelle des "blinden Sehers Phineus" der "blinde Pharao Pheros" (Titel und Name gehen auf das ägyptische per-o = großes Haus zurück) als der Bräutigam-Onkel der Andromeda tritt, den Herodot (II, 111) als "blinden König von Ägypten" erwähnt, und dieser hochbetagte blinde Pheros ist einwandfrei als der spätere Pharao Phiops-Pepi-Anubis = Ramses (III = VIII) zu identifizieren. Er wurde als sechsjähriges Kind von seinem Vater Seth(-Cetus) schon vorsorglich gekrönt, damit er nach dessen Tod nicht mit Horus um den Thron zu streiten brauchte. Auf diese Weise ist er, da er über 100jährig starb, der am längsten gekrönt gewesene König aller Zeiten geblieben.

Perseus hat ihn offensichtlich nicht getötet. Das war auch gar nicht erforderlich, da Geb-Anubis-Phiops-Phrix-Phineus von Hermes des Landes verwiesen wurde und erst nach etwa dreißig Jahren wieder ägyptischen Boden betrat. Schon aus diesem Grunde konnte er Andromeda gar nicht heiraten, was möglicherweise aber vorgesehen war.

Falls Phineus, der sagenhafte blinde König von Salmidessos am Hellespont, nicht mit Zetes identisch sein sollte, dann wurde auch er nicht von Perseus getötet; denn bereits nach zehn Jahren werden die angeblichen Brüder (in Wirklichkeit Vettern) Kalais und Zetes, angebliche Söhne des Boreas, mit Perseus auf ihrer Fahrt nach Kolchis durch Salmidessos kommen und den blinden Großvater von den lästigen Harpyen befreien, von Seevögeln, die seine Nahrung beschmutzten. Auch hier geht die Sage haarscharf an der Wirklichkeit vorbei.

Mag Kalais ein Sohn des Orion-Boreas gewesen sein; Zetes ist in diesem Falle nicht Zetus-Ketos-Seth IV, das von Poseidon gesandte Ungeheuer und Bruder Radamanthos-Atlas des Orion, sondern sein Sohn Geb-Anubis-Phrix, und dass dieser wiederum mit seinem eventuellen Vetter Kalais nach Kolchis gesegelt ist, kann als gesichert angesehen werden. Und wenn die Sage dann auch noch davon spricht, dass die Schwester Helle des Phrix vom Goldenen Widder herabgefallen sei in den nach ihr benannten Hellespont, dann hat sich der Kreis im hellespontischen Salmidessos wieder geschlossen. Möglicherweise hat Phineus-Anubis(-Seth V) hier einige Zeit gewohnt, bevor er 567 ndFl wieder zurück nach Ägypten ging. Seine beiden Frauen, Kleopatra, Tochter von Boreas und somit eine Schwester zumindest von Kalais, und Eidothia, sind schwer zu identifizieren. Letztere kann in dem Falle, dass Phrix mit Phineus identisch sein sollte, nicht seine Schwester Helle gewesen sein. Sie kann aber mit Eileithya identisch sein, der Ex-Frau Nefer-Dirke = Tausret = Thoëris des Achmose, die den aus Asien zurückgekehrten Anubis-Phiops-Phineus später geheiratet hat. Thoëris-Eileithya wurde als nilpferdgestaltige Helferin der Gebärenden noch lange göttlich verehrt. Dies ist ein weiteres Beispiel für die Ungenauigkeit der Sage, die doch andererseits so viele wertvolle Hinweise auf die wahren Sachverhalte zu liefern vermag.

3. Akt

Der dritte Teil der Katastrophe, der zumindest für die an der Küste gelegenen Gebiete immer der schlimmste ist, ließ nicht lange auf sich warten. Durch die Reste der ausgetretenen Lava war der Schlot des Thera-Vulkans wie mit einem Pfropf verschlossen worden, und unter dem Vulkan war eine Höhle entstanden. So eine Caldera genannte Höhle kann dem Gewicht des auf ihr lastenden Wassers nicht lange standhalten. Nach einer gewissen Zeit kommt es zum gefürchteten Caldera-Einsturz.

J. V. Luce beschreibt3 den Einsturz einer Caldera, wie wir ihn uns sowohl bei Krakatau als auch bei Thera vorzustellen haben. Danach wird durch den gewaltigen Sog bei der Explosion Magma aus den Tiefen herausgehoben, wodurch ein leerer Raum entsteht. Über diesem bleibt das Deckgebirge zunächst liegen und verschließt die Höhlung, so dass vorab kein Wasser darin eindringen kann. Beim Thera-Vulkan war bis zu tausend Meter unter dem Meeresspiegel eine derartige Caldera entstanden. Demnach wären an die zweitausend Meter Gestein (von -1000 bis zum Gipfel bei circa +800 m) in die Luft geblasen worden.

Das nach dem Caldera-Einsturz mit in die Tiefe gerissene Wasser erzeugt an seiner Oberfläche einen Strudel, da der Wasserspiegel bemüht ist, wieder eine horizontale Ebene zu bilden. Die aus der Umgebung der Einsturzstelle nachstürzenden Wassermassen füllen wirbelartig das Einsturzloch in der Meeresoberfläche aus und schaukeln sich dabei über das Normalniveau hinaus zu einem Wasserberg auf, der mehrere hundert Meter hoch werden kann. Sobald dieser Vorgang zum Abschluss gekommen ist, beginnt die zerstörerische, die tödliche Wirkung des Tsunami: Der Wasserberg bricht zusammen wie die Fluthügel bei den Typhon-Katastrophen, und die Wassermassen wälzen sich auf die Küsten zu. In dem oben bereits zitierten Artikel von Dorothy Vitaliano wird auch hierüber ausgeführt:

"Tsunamis (seismische Flutwellen) werden durch die plötzliche Verschiebung von sehr großen Wassermassen hervorgerufen. Verwerfung auf dem Meeresboden ist eine solche Verschiebung, eine noch üblichere ist ein submariner, durch ein Erdbeben ausgelöster Erdrutsch ... Der Zusammenbruch einer vulkanischen Insel in einen leeren Raum, der nach der Eruption ungeheurer Massen von Materie zurückgelassen wird, stellt noch eine andere Art von Störung dar, durch die Flutwellen verursacht werden können."

Wenn der Tsunami nach einem Caldera-Einsturz auch nicht so gewaltig daherkommt wie etwa bei der Sintflut (Typhon 3), so ist er trotzdem bedrohlich genug; denn die Wucht der mit ungeheurer Geschwindigkeit fortgetragenen Wassermassen reicht aus, dass diese an Steilküsten die Gebirge hinauf klettern (beim Krakatau bis zu 250 Meter über NN) oder an flachen Stränden kilometerweit ins Landesinnere donnern. Kommen nun der Flutwelle auch noch Flüsse oder wasserreiche Ströme entgegen, so kann eine Region wie das Nildelta völlig überschwemmt werden.

Auf Kreta erfolgte der Aufprall mit besonderer Heftigkeit, wie sich aus seiner Nähe zum Katastrophenherd unschwer erklären lässt. Die zurückflutende Welle, die eine ansehnliche Strecke bergauf getragen worden war, riss die Grundmauern der Häuser aus dem Boden oder ließ sie in auffallend "schiefer" Stellung zurück.

Zum Zeitpunkt der Entstehung des Tsunami nach dem Einsturz der Thera-Caldera merkt Dorothy Vitaliano folgendes an:

"Ein anderes Beweisstück dafür, dass die Eruption der endgültigen Zerstörung auf Kreta (Anm.: durch die Flutwelle) um eine gewisse Zeitspanne vorausgegangen sein musste, wenn auch die Dauer dieser Zeitspanne nicht ermittelt werden kann, ist der Fund von offensichtlichen Weihegeschenken aus Bimsstein im Palast von Kato Zakro und in der Villa von Niru Chani (Anm.: beide auf Kreta). Augenscheinlich war der Bimsstein, der in den ersten Steigerungen der Eruption hervorgebracht wurde und dem kurz danach die letzten, Asche produzierenden Explosionen folgten, bereits an Kretas Ufer getrieben und dort im Ritual verwendet worden (um die Götter zu versöhnen?)."

Ich berichtige Frau Vitaliano, deren Ausführungen für sich sprechen, in einem einzigen Punkt: Der Zeitpunkt lässt sich verhältnismäßig genau festlegen, wenn man eine berichtigte Chronologie zur Hand hat. Die Angabe, der Thera-Vulkan sei im 15. Jahrhundert v.Chr. explodiert, ist genauso falsch wie die Behauptung, der Pharao in Ägypten sei zu dieser Zeit Thutmoses III gewesen. In Wirklichkeit war Se-chem-ib (A)Tlas, "Seine Majestät Schu-Thum" = Seth IV Pharao, der Großvater des Thutmoses III, der unter mehreren Namen zwei Jahrtausende einer konventionellen ägyptischen Geschichte begleitet, die es in dieser Form niemals gegeben hat.

Ich halte den auf das Nildelta zubrausenden Tsunami an dieser Stelle an, was bei einer Geschwindigkeit von mehreren hundert Kilometern pro Stunde gewiss nicht leicht ist.

Der geschichtliche Hintergrund

Das politische Umfeld dieser Vorkommnisse gehört eindeutig in die Zeit des Seth IV = Atlas, des Sohnes von Seth III = Poseidon, des Sohnes von Seth II = Isaak. Letzterer hatte die Philister aus Mesopotamien mitgebracht, die jetzt in einem Gebiet an der Küste Palästinas wohnten, das Erzet- Dagan genannt wurde. Diese Bezeichnung enthält nicht nur den Namen des Philistergottes Dagan oder Dagon, sondern sie weist auch auf die Entstehung des Namens dieser Volksgruppe hin: Philister bzw. Perisiter (von hebr. perazim = Bauern) waren die Gefolgsleute des pa-Re-Zet-ef-Ra = Djed- ef-Re (4. Dynastie), aus dessen Name das AT nicht nur die Bezeichnung Perez(iter) herleitet, sondern auch den Namen Ef-Ra-im = Ephraim. Dass Pe-Re-Zit(-er) und Ef-Ra(-im) keinesfalls miteinander identische Volksgruppen sind, ist an anderer Stelle bereits erörtert worden. Die Ephraim (hebr. Söhne des Fruchtbaums) kamen unter pa-Re-Zet-ef-Ra = Isaak aus Ägypten und wohnten seit ihrer Ankunft auf dem Gebirge Ephraim, während die Philister dem ganzen Küstenstrich den später in römischer Zeit gebräuchlichen Namen Philistäa verliehen, woraus Palästina wurde.

Die Septuaginta nennt die Philister Allophyloi, was soviel wie "Ausländer" bedeutet. Damit kommt der Übersetzer der Wahrheit sehr nahe. Auch die Ansicht, es handele sich bei den Philistern um ein kanaanitisches Volk, ist beinahe richtig. Korrekter wäre es, die Verehrer des "semitischen" Gottes Dagon, der mit dem babylonischen Gott Marduk ebenso identisch ist wie mit dem universellen Fruchtbarkeitsgott Dumuzi, als Sabäer oder Frühkanaaniter zu bezeichnen. Sie waren Angehörige desselben Volkes, aus dem auch Milka von Haran und ihre Enkel Rebekka und Laban hervorgingen. Ob es sich bei den ersten Einwanderern um direkte Familienangehörige Rebekkas handelte, ist zwar nicht erwiesen, aber es ist zumindest nicht von der Hand zu weisen. Unrichtig ist dagegen die Behauptung, die Philister seien von der Insel Kaphthor (= Kaph-Thera) gekommen. Genauso unrichtig ist die Behauptung, die Philister seien von den Ephraimitern vertrieben worden. Richtig ist hingegen, dass die von der Insel (Kaph-)Thera gekommenen Kaphthoriter die Philister aus dem Erzet-Dagan vertrieben, die daher in das Gebiet der Ephraimiter ausweichen mussten. Daraus entstand der im AT viel Raum einnehmende Philisterkrieg.

Auf Kreta residierte der von Ägypten, mithin von seinem Onkel Seth-Schu-Thum-Atlas, abhängige Androgeus-Ogyges, der Sohn des Kretheus-Minos. Sein Palast wurde durch die Folgen des Thera-Ausbruchs zwar schwer in Mitleidenschaft gezogen, aber ihm selbst war nichts geschehen. Zumindest der Westen der Insel Kreta war noch einigermaßen intakt, so dass hier die Landwirtschaft weiter betrieben werden konnte. An welchen Stellen der Mittelmeerküste sonst noch Verwüstungen durch den Tsunami angerichtet wurden, wird nicht überliefert, ist aber vorstellbar. Uns interessiert jetzt, was aus dem Tsunami in Ägypten wurde.


1 Zitat Dorothy Vitaliano in Edwin S. Ramage, Herausgeber, ATLANTIS - Mythos, Rätsel oder Wirklichkeit?, Goldmann-Taschenbuch 11345
2 Hans Georg Wunderlich, Das neue Bild der Erde; Herausgeber Hoimar v.Ditfurth, Verlag Hoffmann und Campe 1975
3 J. V. Luce, ATLANTIS - Legende und Wirklichkeit, Gustav Lübbe Verlag
Die Geschichte des Altertums in neuer Sicht Band 1 bis 3 der Geschichte des Altertums in neuer Sicht
gibt es inzwischen auch gedruckt.

Sie können sie hier beim Lulu-Marktplatz bestellen:
 Band 1
 Band 2
 Band 3 (einschließlich 6. Buch)

Oder bei Amazon:
 Band 1
 Band 2
 Band 3 (einschließlich 6. Buch)



Zurück zum Inhaltsverzeichnis   Weiter