Viertes Buch: Das Sechste Saeculum

14. Kapitel:

Die Rehistorifizierung des Buches Richter
Teil IV: Die Zeit von 558 bis 606 ndFl

Wie ich zu Beginn des vorigen Richterbuch-Kapitels schon sagte, ist die Reihenfolge der Richter Gideon und Simson im Buch Richter zeitlich entstellt wiedergegeben. Dieses Kapitel befasst sich nun ausführlich mit Gideon - besser: mit den Gideons; denn es sind - wie schon mehrfach im Hinblick auf das Alte Testament festgestellt wurde - auch im Buch Richter historisch echte Personen in einer einzigen AT-Person zusammengefasst worden, und bei Gideon handelt es sich um eine auf diese Weise konstruierte Figur, in der sich drei Personen vereinigen.

Der erste Einsatz Gideons, der in der zeitlichen Abfolge mit Simson vertauscht wurde, wird erwähnt in der Zeit der Midianiter-Herrschaft:

(Richter 6,1) Und da die Kinder Israel übel taten vor dem Herrn, gab sie der Herr unter die Hand der Midianiter sieben Jahre.

Diese Midianiterzeit liegt parallel zu der Königszeit des Saul bzw. seines Sohnes Is-Boseth, also von 551 bis 558 ndFl. Bekanntlich war David, der in Wirklichkeit Na-Kozem, Nachesson bzw. Kuzuna hieß, auch der Midianiterkönig Zur-(i-Saddai), der ursprünglich ein Freund der Familie Sauls gewesen war, bevor er seinen Großonkel Saul bekämpfte, um dann schließlich als Feldherr (sabäisch = da-u-dum) in dessen Dienste zu treten.

Nach Sauls Tod besiegte David die Philister endgültig, die zwanzig Jahre geherrscht bzw. rebelliert hatten, und zog dann auch noch gegen die Midianiter und Edomiter, die sieben Jahre aufsässig gewesen waren (551/2 bis 558/9 ndFl). Vermutlich sind aber die Midianiter, gegen die der Midianiterkönig David kämpfte, als Amalekiter aufzufassen. Auf dem Feldzug gegen die Midianiter und Amalekiter erscheint nun Gideon in seiner frühesten Version:

Gideon ist in Version 1 identisch mit dem Feldherrn
David bzw. mit dem frühen König David I.

Um es deutlich zu machen, dass David (I) mit mindestens einem Aspekt der Person Gideon identisch ist, muss ich auf das Ende des Richter-Kapitels 7 vorgreifen. Hier heißt es, dass die Ephraimiter die Midianiterfürsten Oreb und Seeb erwürgt und deren Köpfe zu Gideon gebracht hätten.

Richter 8, 20.21 nennt zwei andere Midianiterkönige mit Namen: Sebah und Zalmuna. Diese sollen von Jether, dem noch knabenhaften Sohn Gideons, hingerichtet werden, was der Junge aber verweigert, so dass Gideon die Tat selbst ausführen muss.

Der Name Zalmuna klingt an Salmanu an, der Name Sebah an Seeb, so dass getrost davon ausgegangen werden kann, dass Seeb mit Sebah identisch ist, während Oreb und Zalmuna auch zu anderen Zeiten gelebt haben können. So halte ich Zalmuna für Salman von Moab (Hosea 10, 14), der in einer Inschrift des Tiglath-Pileser erwähnt wird und somit in einer späteren Zeit anzusetzen ist.

Es lassen sich hinsichtlich der Midianiterkönige drei verschiedene Vorkommnisse deutlich voneinander unterscheiden:

1) Der junge David-Gideon lässt den besiegten Oreb, einen Midianiter- bzw. Amalekiterkönig, hinrichten (im Jahre 558 ndFl). Ihn hatten offenbar die Ephraimiter gefangengenommen.

2) Der ältere David will, dass sein (Gideons) Sohn Jether, der noch ein Knabe ist, Sebah und Zalmuna tötet. Diese Konfrontation mit Midianitern bezieht sich auf Vorfälle am Ende der Regierungszeit Davids I. Damit ist gemeint, dass der Fürst Seeb = Sebah, der sich dem Aufstand des Adonia gegen seinen Vater David angeschlossen hatte, von Ab(i)salom, Davids erstgeborenem Sohn, hingerichtet wurde. Der erst höchstens vier Jahre alte Jether, der dem David-Sohn Jethream entspricht, kann weder seinen Bruder noch seinen Vater, der selbst verwundet war, begleitet haben.

Die ersten beiden Gideons, die im Zusammenhang mit Midianiterkönigen erwähnt werden, stellen demnach David I dar. Ich halte es für wenig wahrscheinlich, dass Gideon Nr. 2 in das Beispiel 2) gehört. Bei dem dritten Beispiel handelt es sich tatsächlich um den dritten Gideon:

3) Dieser Gideon, der bei Karkor gegen Zalmuna kämpfte (Richt. 8, 10; gemeint ist zweifellos die Schlacht bei Karkar im Jahre 654 ndFl), ist Gideon Nr. 3, und der ist der Mörder des Zalmuna = Salman von Moab, worauf aber erst später eingegangen werden soll.

In der Not der Kinder Israel, die von den Raubzügen der Midianiter und Amalekiter ausgeht, ersteht ihnen ein Retter in der Person des Gideon, mit dessen erstem Auftreten eine Eiche verbunden ist. Eichen bilden im Richter-Buch und somit auch in der Geschichte Israels ein wichtiges Instrument der Orientierung. Ich halte es hier noch nicht für angebracht, ausführlich auf die Eichen zu sprechen zu kommen; das werde ich weiter unten erst tun.

Die Kinder Israel wohnen im Lande der Amoriter, deren Götter sie nicht fürchten sollen (Richter 6,10). Diese Angabe ist völlig korrekt; denn sowohl Samuel (= Sumu-la-il) als auch sein Sohn Saul (= Sabu, dessen Sohn) waren Könige von Amurru, dem Land der Amoriter. Folglich muss auch David I als Urenkel Samuels im weitesten Sinne noch als Amoriter angesprochen werden. Ihre Götter sind Ellil (bzw. Enlil oder El-Elyon), Dagon bzw. Dogon, der Mondgott Sin und so weiter. Es war kein Mangel an Gottheiten im Gelobten Land.

In den Versen 8 und 9 des Richter-Kapitels 6 spielt ein Prophet auf die Befreiung Israels "aus der Ägypter Hand" und auf die "Herausführung aus dem Diensthause Ägypten" an. Da der Exodus aber erst in die Jahre 628/629 ndFl gehört, kann hier - wenn nicht ein totaler Anachronismus zu unterstellen ist - nur der Auszug bzw. die Vertreibung aus Ägypten unter Seth (II)-Isaak gemeint sein.

Der Gideon aus Richter 6 ist eine Zusammenfassung aller drei Gideons, stellt aber überwiegend die Nummer 2 dar, als welcher er jedoch kein Abiesriter ist. Der Abiesriter Gideon ist bereits der dritte. Wir werden sehen, dass die Vereinigung der drei Gideons zu nur einer Person mit größter Akribie bis ins Detail vorgenommen wurde, so dass eine Unterscheidung des einen Gideon vom anderen erschwert ist. Entsprechend scharfsinnig muss demnach auch die Aufspaltung vorgenommen werden. In Richter-Kapitel 6 wird Gideon zweimal vorgestellt:

(Richter 6, 11) Und der Engel des Herrn kam und setzte sich unter eine Eiche zu Ophra, die war des Joas, des Abiesriters; und sein Sohn Gideon drosch Weizen in der Kelter, dass er ihn berge vor den Midianitern.

In diesem Vers erfahren wir zweierlei: Einmal wird gesagt, dass Gideon der Sohn des Abiesriters Joas ist, und weiter heißt es, dass die Heimat der Abiesriter besagte Eiche zu Ophra sei. Bei der zweiten Vorstellung Gideons in Richter-Kapitel 6 heißt es:

(Richter 6, 25) Und in derselben Nacht sprach der Herr zu ihm (zu Gideon): ... und zerbrich den Altar Baals, der deines Vaters ist, und haue ab das Ascherabild, das dabeisteht... (27) Da nahm Gideon 10 Männer aus seinen Knechten und tat, wie ihm der Herr gesagt hatte. ... (32) Von dem Tag an hieß man ihn Jerubbaal und sprach: Baal rechte mit ihm, dass er seinen Altar zerbrochen hat.

Der Name Jerub-Baal bedeutet "Streiter für Baal". Wenn nun Gideon den Baals-Altar und das Ascherabild "seines Vaters" zerstört, dann liegt hierin offensichtlich doch ein Widerspruch; denn jemand, der für Baal streitet, zerstört nicht dessen Altar. Der Redakteur dieses Kapitels befand sich in einer Klemme: er musste einen Baals-Verehrer, der für Baal gestritten und deshalb den Beinamen "Streiter des (oder für) Baal" bekommen hatte, in einen Mann verwandeln, der als ein Gegner des Baal dessen Altar zerstört hatte. Der Redakteur löste dieses Problem geradezu genial auf sehr einfache Weise:

(Richter 6, 30) Da sprachen die Leute der Stadt zu Joas: Gib deinen Sohn heraus; er muss sterben, dass er den Altar Baals zerbrochen und das Ascherabild dabei abgehauen hat. (31) Joas aber sprach zu allen, die bei ihm standen: Wollt ihr um Baal hadern? ... Ist er Gott, so rechte er um sich selbst, dass sein Altar zerbrochen ist.

Es klingt nicht sehr überzeugend, dass Gideon Nr. 2 seinen Beinamen dieser gewundenen Erklärung verdankte. Es kann keinen Zweifel daran geben, dass Jerubbaal ein "Streiter für Baal", also ein Baals-Verehrer war. Nach dem Tode des David I, der ein El-Verehrer war, wandelte sich der Glaube in Israel allgemein:

(Richter 8, 33) Da aber Gideon gestorben war, kehrten sich die Kinder Israel um und liefen den Baalim nach und ...

Fromme jahwetreue Redakteure wandelten den Namen Jerubbaal an einigen Textstellen ab in Jerub-Beseth = Streiter der Schande (2. Samuel 11, 21). In ähnlicher Form finden wir diese Namensumwandlung bei Mephiboseth (2. Samuel), dem Sohn des Jonathan, der in 1. Samuel 2, 10 noch Merib-Baal (= Kämpfer des Baal) heißt. Diese Übereinstimmung halte ich nicht für Zufall:

Jerub-Beseth = Jerub-Baal ist Mephi-Boseth = Merib-Baal, der Sohn des Jonathan, des Sohnes von Saul, und der Vater des Micha (2. Sam. 9, 12; 1. Chron. 8, 34.35; 9, 40. 41):

Gideon ist in der Version 2 der Enkel des Saul:
Mephiboseth, Merib-Baal, Jerub-Beseth, Jerub-Baal.

Sowohl Gideon-David I, nach dessen Tod sich Israel wieder den Baalim zuwandte, als auch der von ihm rehabilitierte Mephiboseth waren Verehrer des El(lil), des Gottes von Elihu = Isaak, der aber auch Baal-Zephon hieß. Infolgedessen müssen wir unterscheiden zwischen einer El- und einer Baal-Form des Gottes Isaaks. Dem Namen Streiter für Baal entspricht der Name Isra-El (= Esra, Jeser) Davids I, dessen Bedeutung Streiter für El ist. Letztenendes handelt sich bei beiden Formen auch um Jahwe, den Gott des Isaak.

Daraus ist zu folgern, dass es zur Zeit Davids I und auch kurz danach keineswegs eine Schande war, ein El- oder gar ein Baals-Verehrer zu sein. Der Gott des Isaak war aus dem sumerischen Vorbild Anu als der Herr (= Ba'al) entwickelt worden, als der Gott, der Höchste (= El-Elyon, El, Ellil). Der Glaube des Isaak wurde durch diese verschiedenen Formen der Verehrung nicht beeinträchtigt. Hieß doch sein jüngster Sohn Samu-El und nicht Samu-Ja! El (= Gott) war der Gott des Isaak schlechthin; man sprach seinen Namen Jahwe nicht aus: Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen... (2. Mose 20, 7). Bis auf den heutigen Tag sprechen die Juden nur von Adonai = Herr.

Lediglich aus den Pluralformen Baalim bzw. Elohim lässt sich eine heidnische Bedeutung herauslesen, da der reine Baal-El-Adonai-Jahwe-Glaube streng monotheistisch ist. Ich kann mich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass die AT-Redakteure diese Pluralformen benutzten, um die Verehrer des El, also des Gottes, und des Baal, also des Herrn, als Heiden hinzustellen. Rechtgläubig waren nur die, die den Adonai verehrten.

Die Worte ...zerbrich den Altar Baals, der deines Vaters ist... können demnach nicht zu Gideon-Mephiboseth gesprochen worden sein. Er war nämlich der Vater, der "Streiter für Baal" selbst, der diesen Altar aufgerichtet hatte. Die Worte sind - wenn überhaupt - an dessen Sohn gerichtet.

Die kämpferische Kontroverse Anhänger des Baal = El gegen Anhänger des Adonai = Jahwe entwickelte sich erst nach dem Tode des David I, ganz besonders aber in der Zeit nach dem Exodus, und gipfelte in der Zeit Davids II und vor allem seines Vaters Jesaja. Von da ab gab es nur noch die Jahwe-Verehrung als einzige gültige jüdische Religion bis auf den heutigen Tag.

Die Redakteure, die alle jene alten Schriften überarbeiten mussten, die noch im Zeichen der El- oder Baals-Verehrung verfasst worden waren, hatten bei der Neugestaltung des Glaubens und der Neufassung der religiösen Schriften mithin das Problem, die Baals-Verehrer, die sich zu ihrer Zeit durchaus im rechten Glauben gefühlt hatten, in jahwe-treue Baals-Gegner zu verwandeln; denn die Baals-Verehrer in der Zeit der Reform-Redakteure waren gleichzeitig die politischen Gegner Juda's, nämlich die ganz nach Ägypten orientierten "Israeliten" aus dem Hause Jerobeams. Diese widersetzten sich den Selbständigkeits-Bestrebungen der Judäer, die sogar mit den Assyrern paktierten, um ganz von Ägypten loszukommen. Darauf werde ich später noch sehr ausführlich zurückkommen.

Bevor ich auf den Abiesriter Gideon eingehe, der - wie oben schon gesagt - Gideon Nr. 3 ist, muss geklärt werden, um wen es sich bei den Abiesritern handelt und wer Joas ist, der nicht der Vater des Gideon Nr. 2 = Mephiboseth gewesen sein kann. Wir haben es hier mit einer doppelten Vorstellung zu tun, wie weiter oben ebenfalls schon angedeutet wurde: Gideon als Sohn des Joas, des Abiesriters, und Gideon als Jerubbaal-Mephiboseth, Sohn von Jonathan, dem Sohn Sauls.

Als Ahnherr der Abiesriter gilt Abieser, der Sohn Gileads (Josua 17, 2), also des Goliath, somit ein Manassiter. In 4. Mose 26, 30 wird Abieser Jeser bzw. Hieser geschrieben. Einer der Helden Davids trägt ebenfalls den Namen Abieser (2. Sam.23, 27 und 1. Chron. 11, 28; 27, 12) und wird als Benjaminiter bezeichnet. Es handelt sich um zwei verschiedene Personen, nämlich einmal um den mutmaßlichen Goliath-Enkel (mütterlicherseits) David-Jeser selbst, und um einen Sohn Davids I, der ein Zeitgenosse (und Held?) Davids II war und der auch Joas, der Abiesriter, gewesen sein kann.

Der Name Abi-eser kann übersetzt werden mit mein Vater ist Eser, Jeser bzw. Esra, also David I. Dann wird Abieser, der Held Davids (II), zu einem Sohn Davids (I) statt von Gilead-Goliath und bleibt doch ein Manassiter; denn der Stamm Manasse leitet sich letzlich auch von Samuel ab, dem Urgroßvater Davids. Im Kapitel 12 (Die Nachfahren Davids) habe ich einen Sohn des David I mit Abdi-aschirta, einer wichtigen Person in den Amarnabriefen, identifiziert. Ihn halte ich für Joas, den Ab(d)i-es(e)riter.

+========================================================+
|                     Die Abiesriter                     |
+--------------------------------------------------------+
Samuel-Benjamin-MANASSE I  
|                     |
Kaleb oo Ephrata      GILEAD = Goliath
|                              |
Hur, König der                 Mannahath
|    Midianiter                |
|                              Machir
|                              |
|                              Abigail 
Gases = Zur, Esra,             oo
Jeser  =  Hieser  =  HESJON =  DAVID (I)
|                    |           +--------+
|                    |           |        JETHREAM
|                    |           |        JETHER
|                    |           |      = ABDI-ASCHIRTA?
+--------------+     |           |               = JOAS?
| ABDI-ASCHIRTA|     TABRIMMON   TABEEL = ELJADA    |
| AB-I-ES--ER  |     |           |        |         |
|    JOAS      |     BENHADAD    |        |         |
+--------------+                 REZIN  = RESON     AZIRU
                                                 = HASAEL       
                                                 = GIDEON
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Gideon ist in der Version 3 der Sohn Aziru =
Hasaël des Joas = Abdi-aschirta.

Aziru, der Sohn Abdi-aschirtaskann nicht mit Reson, dem Sohn (Be-)Eljadas, und mit Rezin, dem Sohn Tabeels, identisch sein, wobei ich davon ausgehe, dass Tabeel mit Beeljada eine einzige Person bildet, der ich den Namen Tabeeljada verliehen habe. Ein Sohn mit Namen Gideon ist von keinem der hier angeführten Väter bekannt. Abdi-Aschirta war der Sohn Abieser-Jethream des David = Jeser = Gideon I. Er wurde 585 ndFl etwa geboren, sein Sohn Aziru um 608 ndFl.

Gideon wohnte bei seinem Vater Joas bei der Eiche zu Ophra (der Stadt der Abiesriter; Richter 6, 11). Gideon wurde auch in seines Vaters Joas' Grab zu Ophra, in der Stadt der Abiesriter, beigesetzt (Richter 8, 32). Wir sehen schon auf den ersten Blick, dass der im Zusammenhang mit dieser Eiche erwähnte Gideon nicht mehr David ist.

Wie oben schon angekündigt, muss nun zu den Eichen im Richter-Buch einiges gesagt werden:

Eiche Nr. 1: die Eiche von Sichem

Da ist zunächst die Eiche, die neben Sichem stand. Hier hatte Isaak (nicht Jakob!) nach oder noch vor der Schlacht gegen Esau, der da ist Edom, alle Wertsachen vergraben, bevor er nach Magan-Ägypten weiterzog (1. Mose 35, 4). Bei seiner Rückkehr fand er den Schatz wieder vor, und er ließ sich bei Sichem nieder. Derselbe Isaak hatte schon vorher nahe dieser Stadt das Heiligtum Beth-El (= Haus Gottes) gegründet (1. Mose 35, 7).

Meon-Sebulon-Othniel, der Sohn von Kain-Doros und Bruder des Isaak, der von 465 bis 505 ndFl Richter in Israel war, hatte nahe Sichem den Ort Elon-Meonenim (= Eiche der Zauberer; Richter 9, 37) gegründet, worunter ebenfalls die hohe Eiche, die bei Sichem stand zu verstehen ist. Es ist einleuchtend, dass er sich als Wohnsitz einen Ort aussuchte, der schon seinem Bruder als Wohnort gedient hatte. Schließlich war es sein Bruder Isaak gewesen, der ihn als Richter hier eingesetzt hatte. Außerdem war er der Nachfolger der Richterin Debora, die ebenfalls unter einer Eiche zu Gericht gesessen hatte: War deren Eiche etwa auch die des Othniel? Dazu mehr unter Eiche Nr. 2!

Ein drittes Mal begegnet uns diese Eiche bei der weiter unten noch zu besprechenden Krönung des Abimelech bei der hohen Eiche, die zu Sichem steht (Richter 9, 6). Bei derselben Eiche versammelte später Josua alle Stämme Israels zu einem Landtag: Also machte Josua desselben Tages einen Bund mit dem Volk und legte ihnen Gesetze und Rechte vor zu Sichem. Und Josua schrieb dies alles ins Gesetzbuch Gottes und nahm einen großen Stein und richtete ihn auf daselbst unter einer Eiche, die bei dem Heiligtum des Herrn war (Josua 24, 25.26).

Der Landtag Josuas gehört in eine spätere Zeit, obwohl das Buch Josua im AT dem Buch Richter vorangestellt ist. In den Tagen der historisch echten Krönung des Abimelech war derjenige Josua, der den Landtag abhielt, noch ein junger Mann. Zwischen der ersten und letzten Erwähnung der Eiche von Sichem lagen rund zweihundert Jahre in der berichtigten Chronologie.

Eiche Nr. 2: die Eiche der Debora

Die Richterin Debora, das Weib Lapidoths (= Pro-Methuels), wohnte unter der Palme (!) Deboras zwischen Rama und Beth-El auf dem Gebirge Ephraim, wo sie über Israel richtete (Richter 4, 4.5). Dass hier von einer Palme statt von einer Eiche die Rede ist, halte ich für eine Laune des Verfassers dieses Richter-Kapitels; denn an anderer Stelle (1. Mose 35, 8) heißt es, dass Debora, die Amme Rebekkas, von der wir wissen, dass sie auch die Richterin Debora ist, unterhalb Beth-El unter der Eiche begraben wurde, und die ward genannt die "Klageiche" (= Allon Bakuth).

Isaak (und nicht Jakob! Vgl. 1. Mose 35, 15ff.) hatte die Stadt bzw. das Heiligtum Beth-El gerade erst gegründet, da starb Rahel, nachdem sie Benjamin kurz zuvor das Leben geschenkt hatte. Bekanntlich sind Rahel mit Hanna und Benjamin mit Samuel identisch. Rahel wurde begraben auf dem Wege (von Beth-El) gen Ephrath, das nun heißt Bethlehem ... dasselbe ist das Grabmal Rahels bis auf diesen Tag. Es kann eigentlich kein Zweifel daran bestehen, dass dieses Grabmal unter derselben Eiche angelegt wurde, unter der später die Richterin Debora begraben wurde: Klageiche oder Allon Bakuth (1. Mose 35, 8).

Der hier zur Welt gekommene Samuel krönte viele Jahrzehnte später seinen Sohn Saul unter derselben Eiche, die diesmal Elon-Thabor genannt wird (1. Samuel 10, 3), zum König von Israel. Der Standort dieser Eiche wird angegeben unterhalb von Beth-El, und die Lage des Rahel-Grabes unweit davon an der Grenze Benjamins zu Zelzah (1. Sam. 10,2). In der Nähe müsste die Stadt Gibea-Benjamin gelegen haben, in der Saul regierte und die deshalb auch Gibea-Saul genannt wird.

Nicht allein die Ähnlichkeit der Namen T(h)abor und Debora verleitet dazu, die Eiche der Debora mit der Elon-Thabor zu identifizieren, sondern hauptsächlich ist es die Bedeutung des Namens Thabor: "Gräberstätte"!1

Die Nähe der Eiche und der Grabstätte der Debora zu der Grabstätte der Rahel lässt kaum einen Zweifel an der Identität der beiden Eichen Nr. 1 und Nr. 2.

Eiche Nr. 3: die Abiesriter-Eiche

Es wird sich zeigen, dass die Abiesriterstadt Ophra mit zwei anderen Städten identisch ist, und zwar mit Silo und mit Salem. Es handelt sich bei Ophra-Salem-Silo um einen Vorort der von Isaak gegründeten Stadt Beth-El, und möglicherweise war Beth-El, das Haus Gottes, nur ein Stadtteil von Silo (vgl. Richt. 18, 31: solange, als das Haus Gottes war zu Silo!).

Es darf daher gefolgert werden, dass die Abiesriter-Eiche mit der Eiche Deboras identisch ist, mit der Elon Thabor und der "Klageiche" Allon Bakuth zwischen dem Grab der Rahel und Gibea-Benjamin bei Beth-El (1. Sam. 10, 3). Für diese Gleichsetzung spricht zudem die Passage in Richt. 8,18.19, wo es heißt, dass die Brüder Gideons, des Abiesriters, in Thabor wohnten. In 1. Chron. 6, 62 heißt es, dass den Kindern Merari, also Leviten (= Priestern!), aus dem Stammesgebiet Sebulon (= Meonothai-Maon-Othniel) die Orte Rimmono und Thabor mit ihren Vorstädten gegeben wurden. Als Leviten(= Priester)-Stadt ist das Haus des Herrn (= Beth-El) und das Heiligtum (= Kadesch) des Herrn (bei Silo) bestens geeignet. Rimmono ist natürlich Gath-Rimmon, das nahe Sichem auf dem Gebirge Ephraim liegt (1.Chron. 6, 51). Ihre "Vorstädte" sind das ganze Gebiet im Raum Sichem, Beth-El und Salem-Silo-Ophra.

Die Abiesriter-Eiche zu Ophra war ebenfalls eine Gräberstätte: Hier war Gideon Nr. 3 neben seinem Vater Joas beigesetzt worden (Richter 8, 32). Und wenn nun auch noch "das Heiligtum (= Kadesch!) des Herrn, das bei der Eiche zu Sichem stand" (bzw. umgekehrt; vgl. Eiche Nr. 1), mit dem Haus Gottes (Beth-El) zu Silo-Salem-Ophra identisch ist, dann können sogar die ersten drei Eichen, die Nummern 1, 2 und 3, miteinander identifiziert werden. Sichem und Beth-El sind ohnehin Nachbarstädte.

Eiche Nr. 4: die Eiche zu Jabes

Es ist leicht erkennbar, dass die Eiche zu Jabes eine unübersehbare Verbindung zu der Eiche zu Ophra herstellt, die mit Mephiboseth und seinem Sohn Micha eng verbunden ist. Unter beiden Eichen befanden sich zudem Grabstätten. 1. Samuel 31, 13 zufolge wurden die Gebeine der Benjaminiter Saul und Jonathan unter dem Baum zu Jabes beigesetzt, der auch die Eiche zu Jabes (1. Chronik 10, 12) genannt wird. Es ist davon auszugehen, dass Gideon-Mephiboseth ebenfalls in Jabes ruht. Jabes in Gilead ist, wie ich weiter unten zeigen werde, mit Gibea-Benjamin identisch, der Residenzstadt Sauls. Die Gebietsbezeichnungen Gilead und Benjamin sind nicht so widersprüchlich wie es scheint.

Jabes in Gilead spielt in Richter-Kapitel 21 eine mit den Benjaminitern verbundene Rolle. Und nun ist es kaum noch eine Überraschung: Trotz der offensichtlichen Unterscheidbarkeit der beiden Eichen ist nicht auszuschließen, dass die Eiche zu Jabes und die Abiesriter-Eiche zu Ophra ein und dieselbe sind. Die Benjaminiter Saul, Jonathan und Mephiboseth wären dann ebenfalls in der "Abiesriterstadt" Ophra beigesetzt worden, die im Stammesgebiet Benjamin liegt. Außerdem ist zu beachten, dass Jabes bzw. Jabesch ein Name für David II ist, und zwar als Vater des Sallum = Joahas!

Wie weiter oben gezeigt wurde, ist die Abiesriter-Eiche sowohl mit der Eiche Deboras = Elon Thabor, als auch der "Klageiche" Allon Bakuth, die zwischen dem Grab der Rahel und Gibea-Benjamin bei Beth-El (1. Sam. 10,3) steht, identisch. Dass Ophra-Silo-Salem lediglich ein sakraler Vorort von Beth-El war, hatte ich weiter oben schon gesagt. Wenn sie also zwischen Beth-El und Gibea steht, dann kann die Eiche von Silo-Salem-Ophra auch die Eiche von Jabes sein.

Es handelt sich bei den Personen, die auf der durch die (mit einander identischen) Eichen Nr. 1 bis 4 bezeichneten Gräberstätte beigesetzt wurden, um hochkarätige Mitglieder der Familie des Isaak:

Zuerst war es Rahel, die hier in jungen Jahren ihre letzte Ruhe fand. Noch keine zehn Jahre später wurde Debora, die Gemahlin ihres Großvaters Pro-Methuel, bei der Klageiche Deboras beigesetzt. Samuel-Benjamin wurde nicht nur hier geboren, sondern er fand hier gewiss ebenso sein Grab wie sein Sohn Saul, sein Enkel Jonathan, sein Urenkel Mephiboseth und vermutlich auch sein Ururenkel Abimelech-Micha, der schon unter der Eiche zu Sichem gekrönt worden war.

Eiche Nr. 5: die Eiche(n) von Zaanannim

Eine weitere Nennung von Eichen betrifft eine Gegend, die weit nördlich der vorigen Eichen zu liegen scheint; es handelt sich um den Hain der Eichen von Zaanannim neben der Residenz Kedes-Naphthali des Keniters Heber (Richt. 4, 11) der mit Barak und Keret identisch ist und der hier als Richter wohnte (529-537 ndFl). Wir sind im Hinblick auf die Eichen schon einiges gewohnt, und daher erlauben wir uns die zunächst provokant klingende Frage, ob es denn sein könnte, dass die Eichen von Zaanannim auch die Eichen Nr. 1 bis Nr. 4 sind. Es hat ganz den Anschein; denn es wird in diesem Zusammenhang (Richter 4, 10-12) gesagt:

(10) Da rief Barak Sebulon und Naphthali gen Kedes, ... Debora zog auch mit ihm. (11) Heber aber, der Keniter, ... hatte seine Hütte aufgeschlagen bei den Eichen zu Zaanannim neben Kedes. (12) Da ward Sisera angesagt, dass Barak, der Sohn Abinoams, auf den Berg Thabor gezogen wäre.

Erinnern wir uns: Barak und Heber sind ein und dieselbe Person. Wir befinden uns im Jahr 505 ndFl. Debora ist seit vierzig Jahren tot. Sisera ist der Anführer eines Heeres, das zu der Armee des Terah-Orion gehört, der von Ägypten aus den Versuch unternimmt, Groß-Edom zu erobern. Nach der Niederlage im Felde flüchtet Sisera in das Haus Hebers, wo er von dessen Gemahlin Jaël ermordet wird. Die Doppelzügigkeit Barak-Heber und Debora statt Jaël soll uns hier nicht weiter beschäftigen; das wurde schon im Kapitel 10 des dritten Buches im ersten Band abgehandelt. An dieser Stelle ist die Erwähnung "Berg Thabor" der entscheidende Hinweis: Es ist der Berg mit der Palme oder Eiche Deboras gemeint, mit der Elon Thabor bzw. Allon Bakuth, kurzum: es ist mit den Eichen von Zaanannim auch die Eiche Nr. 1 bis Nr. 4 gemeint, die neben Kedes = Kadesch, dem "Heiligtum" (des Herrn) bei Silo-Salem-Ophra bzw. Beth-El steht. Es handelt sich um die geschichtsträchtige Eiche von Sichem, bei der die Benjaminiter und Abiesriter begraben wurden.

+========================================================+
|      Die Gräber der Benjaminiten unter der Eiche       |
+========================================================+
          ILUSCHUMA = ZEUS I        =    ADAM I
          |           |                  |
JAPETOS = IRISCHUM    HEPHAISTOS    =    KAIN-ENOS-KENAN
NABU      NAHOR       DOROS              SETH I    |
oo                    |                            |
MILKA (T.?) von HARAN |                            |
|                     |                            |
PROMETHU-SELASPHOROS  |                            |
=  METHU(SA)EL        |                            |
=  LAPIDOTH           |                            |
|  oo DEBORA          |                            |
|  (Amme bzw. Stief-  |                            |
|  mutter der Rebekka)|                            |
|                     |                            |
+------+              |                            |
LABAN  |              |                            |
|      REBEKKA (1) oo ISAAK  = TEKTAMUS = SETH II  OTHNIEL
RAHEL -------- (2) oo ZUPH   = TOCHU-ETAM          SEBULON
                      |                            |
           ABINOAM oo SAMUEL = BENJAMIN            MANOAH
                      MELAM-KIS(CH)                LAïS
+---------------------+                            LUS*
|                     |                            |
BARAK-NUNNA =         SAUL         DELILA oo PHALTI-SIMSON
HEBER = KERET         |                            |
oo                    JONATHAN                     |
JAEL                  |                            |
                      Mephiboseth -------- oo -----Tochter
                      |
                      ABIMELECH = MICHA        *= Beth-El!
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Die Wichtigkeit dieser Region wird zudem noch dadurch unterstrichen, dass Rehabeam, der letzte König von Gesamt-Israel und erster König von Juda, in Sichem gekrönt wurde. Es liegt daher nahe, diese Gegend entweder als "Kadesch" zu bezeichnen, oder aber sie ins Orontestal zu verlegen, wo dann die ganze "heilige Gegend" mit Kadesch am Orontes identifiziert werden kann, mit einem Ort, der mit Sicherheit im Benjaminiter-Reich Israel Davids I gelegen haben muss. Da die Eichen ohnehin durch die verschiedenen Stammesgebiete geistern, die zu den Zeiten, als sich die hier beschriebenen Vorfälle abspielten, noch gar nicht bestanden haben dürften, kann diese Vorgehensweise nicht ganz abwegig sein. Wir wenden uns daher jetzt einer Frage zu, die schon im vorigen Kapitel angeschnitten wurde:

Regierte David I in Kadesch am Orontes?

Thutmoses III Men-cheper-re bzw. Manachpiria, wie der Feldherr des Amenophis II Acheperure und spätere Pharao Thutmoses IV Men-cheperu-Re in den Amarnabriefen genannt wird, hat die in Syrien eroberten Städte aufgelistet. Diesen 119 Städten setzte er den Namen der Stadt Kadesch voran, gefolgt vom Namen der Stadt Megiddo. Jerusalem hingegen scheint er völlig übergangen zu haben. Manachpiria zog im Jahre 639 ndFl gewiss nach Kadesch am Orontes, weil dort der amoritisch-babylonische Statthalter seinen Sitz hatte.

Immanuel Velikovsky vertritt die Ansicht, dass es sich bei diesem Kadesch um Jerusalem handeln müsse2: Thutmoses III drang bis zum Mündungsgebiet des östlichen Nilarms vor und marschierte in neun Tagen auf der alten Herrstraße quer über die dreieckförmige Halbinsel auf Gaza zu ... und entschloss sich, durch den Engpass nach Megiddo zu ziehen.

Velikovsky bezieht sich auf die Schilderungen Breasteds3: Jener elende Feind von Kadesch ist gekommen und in Megiddo eingezogen; jetzt ist er dort. Daraus wäre zu schließen, dass sich der "elende Feind von Kadesch" von Norden kommend in das ägyptische Gebiet begeben habe, das sich südlich an das amoritisch-babylonische anschloss und dessen wichtigste Stadt Megiddo gewesen zu sein scheint. Er war sozusagen von Amurru aus in Kanaan eingefallen. Somit gäbe es eine Erklärung für diese beiden geografischen Bezeichnungen, wie sie in den Amarnabriefen verwendet werden, die aber zum Ärger der Wissenschaftler nicht immer eindeutig zuzuordnen sind: Amurru ist der amoritische Teil Syrien-Palästinas, Kanaan der ägyptische.

Velikovsky fährt fort: Obwohl Megiddo eingenommen wird, entkommt das namenlose Oberhaupt von Kadesch. In der Liste Thutmoses III der eroberten Städte Palästinas fehlt der Name Jerusalem oder Salem oder Jebus unter den 119 palästinischen (nicht syrischen) Städten. An erster Stelle wird Kadesch genannt, an zweiter steht Megiddo. Die Historiker halten Kadesch am Orontes im nördlichen Syrien für diese wichtige Stadt... Dieses Kadesch konnte nicht eine Stadt in Syrien sein, denn im Palästinafeldzug erreichte Thutmoses den Orontes nicht. Es gab ein Kadesch in Galiläa (Kadesch Naphthali), das in der Heiligen Schrift mehrere Male erwähnt wird; aber was sollte es für einen Sinn gehabt haben, diese unbedeutende Stadt an die Spitze der Liste genau vor Megiddo zu stellen?...Nach einer der Hypothesen war die genannte Stadt Kadesch Naphthali (nach A. Mariette), nach einer anderen (nach G. Maspero) Kadesch am Orontes. ...

Velikovsky vertritt nun die Ansicht, dass das Fehlen jeglichen Hinweises auf Jerusalem in der Thutmoses-Liste damit zu erklären sei, dass das Kadesch in dieser Liste mit dem "heiligen Ort" Jerusalem identisch sei. Kades(ch) bedeutet "Geweihter Ort, Heiligtum". Es gibt im AT mehrere Ortsnamen Kedes(ch), von denen jedoch keiner auf die Stadt am Orontes hinweist. Die Stadt Kadesch am Orontes kommt in der Bibel nicht vor, obwohl Manachpiria diese Stadt erst besiegen musste, bevor er sich des ganzen Landes sicher sein konnte. Bezeichnend ist, dass die Araber Jerusalem El-Kuds nennen, was lautlich an Kadesch anklingt.

Eine Stadt namens Kadesch kommt vor in Juda (Jos. 15,23), in Issaschar (1. Chron. 6,57) und vor allem in Naphthali: Kedes(ch)-Naphthali (Jos. 12,22; 19,37; 21, 32; Richt. 4, 6.11; 2. Kön. 15,29; 1. Chron. 6,61). Letzteres ist mit dem Kedes in Galiläa (Jos. 20,7) identisch. Es war die Heimat des Heber-Keret-Barak (Richt. 4,6). Wir erkennen auch hier die Verwirrung, die gestiftet wurde, indem der Ort durch die (damals noch gar nicht existierenden) Stammesgebiete "gewirbelt" wurde.

Um die Beziehung Kadesch (der Thutmoses-Liste) = Jerusalem herzustellen bzw. zu begründen, greift Velikovsky auf das 2. Buch der Chronik zurück: (8,11) Und die Tochter Pharaos ließ Salomo heraufholen aus der Stadt Davids in das Haus, das er für sie gebaut hatte. Denn er sprach: Mein Weib soll mir nicht wohnen im Hause Davids, des Königs Israels; denn es ist kadesch (geheiligt), weil die Lade des Herrn hineingekommen ist. Er zitiert auch noch andere Bibelstellen, an denen kadesch in Verbindung mit Jerusalem genannt wird:

Psalm 2, 6: "Aber ich habe meinen König eingesetzt auf meinem heiligen (kadesch) Berg Zion."

Joel 2, 1: Blaset mit der Posaune zu Zion, rufet auf meinem heiligen (kadesch) Berge;...

Joel 4, 17: Und ihr sollt es erfahren, dass ich, der Herr, euer Gott, zu Zion auf meinem heiligen (kadesch) Berge wohne. Alsdann wird Jerusalem heilig (kadesch) sein und kein Fremder mehr durch sie wandeln.

Daraus und aus weiteren Textstellen, an denen Verbindungen zwischen Jerusalem, Zion und kadesch hergestellt werden, schließt Velikovsky, dass Kadesch, die erste unter den 119 Städten Palästinas auf der Thutmoses-Liste, mit Jerusalem identisch ist. Hier liegt aber ein Irrtum vor; denn der Feldzug des Thutmoses richtete sich gegen den "elenden Fürsten von Naharina" (Nebukadrezzur in Babylon) und nicht gegen Palästina im engeren Sinne (Kanaan), das offensichtlich schon unter ägyptischer Oberhoheit war.

Die Grenze zwischen den Interessenssphären Babylon-Amurru und Ägyptisch-Kanaan könnte durchaus der in 4. Mose 34 gezogenen Nordgrenze des Gelobten Landes entsprochen haben, auf die im Kapitel Die Einwanderung der Chabiru im Gelobten Land in Band 3 eingegangen wird. Sie verlief vom Berg Hor (!) zwischen Gubla-Byblos und Tripolis in ziemlich genau östlicher Richtung. Somit wäre der Feldzug des Thutmoses eigentlich kein Palästina-Feldzug im engeren Sinne gewesen, sondern ein gegen die Babylonier/Amoriter gerichteter, an dessen Abschluss nicht nur die Eroberung ganz Syriens stand. Nebukadrezzur wurde mit Unterstützung der Hethiter und Mitanni-Meder besiegt, und ganz Syrien, also Amurru, der Nordteil Palästinas, fiel an die Ägypter. An der Spitze der eroberten Städte muss dann selbstverständlich Kadesch am Orontes gestanden haben, die ehemalige Hauptstadt der babylonischen Provinz Amurru.

Der hebräische Name Jeruschalajim für die Stadt Jerusalem ist eine Pluralform. Gab es vielleicht noch ein zweites, älteres Jerusalem in Alt-Benjamin, wo David I regiert hatte? Gemessen an der Größe des Benjaminiter-Reiches unter David wäre ein Ort in Alt-Benjamin und Phönizien am Libanon als Hauptstadt zumindest zentraler gewesen als das Jerusalem-Zion weit im Süden. Das "alt-benjaminitische" Jerusalem könnte seinen Namen ebenfalls von Hiërosolymos = Samuel-Benjamin erhalten haben. Mehr noch: dieses Kadesch-Jerusalem könnte das Original gewesen sein, das seinen Namen später an die Stadt Jebus auf dem Berg Zion abtrat, nachdem das ältere Jerusalem endgültig für die Israeliten bzw. Juden verloren war.

Wenn in den Amarna-Briefen der Name Urusalim tatsächlich für Jerusalem-Zion stehen sollte, dann wäre die Namensvergabe noch vor der Mitte des siebten nachsintflutlichen Jahrhunderts erfolgt, aber noch vor der Thronbesteigung des zweiten David = Teuwatti. Sollte es aber diesem in den Sinn gekommen sein, Jebus in Jerusalem Nr. 2 umzubenennen, dann wäre Urusalim eine aramäische Bezeichnung für Kadesch am Orontes gewesen, für das Jerusalem Nr. 1 des David I. Dem steht allerdings entgegen, dass Kadesch am Orontes in den Amarna-Briefen Kidscha oder Kidschi oder Kinza genannt wird. Außerdem ist es auch nach den Eroberungen Manachpirias immer noch eine wichtige Verwaltungsstadt, jetzt aber der Ägypter. Urusalim erscheint dagegen blass.

Eine andere Erklärung wäre, dass David I zwei Residenzen gehabt haben könnte: Kadesch-Jerusalem in Benjamin und Zion-Jerusalem in Juda. Immerhin weisen einige Spuren in Juda-Jerusalem auf den großen David (I) hin. Die Unterteilung seines Reiches in zwei Länder, Benjamin im Norden und Juda im Süden, steht der Vorstellung eines Großreiches Israel sowenig im Wege wie ein Ober- und Unterägypten als Teile eines Pharaonenreiches.

Wenn Kadesch am Orontes tatsächlich das Jerusalem Davids I gewesen sein sollte, dann erhält der Name Salem für die Ortschaft Silo, wo sich eine Zeitlang das Heiligtum (von Beth-El?) befand, eine hinweisende Bedeutung.

Das Land Naphthali, das Land der von Isaak aus Memphis (= hebr. Noph) mitgeführten Nophthuchim bzw. Naphthuchim, kann ursprünglich am Orontes gelegen haben, an einem Fluss, der durchaus als "phönizisch" bezeichnet werden und die Residenz des phönizischen Prinzen Keret = Barak-Heber gewesen sein kann. In diesem Falle wäre etwas geschehen, was sich auch mit anderen Orten abzeichnet:

Man hat vermutlich später, nachdem das Großreich Davids I stark geschrumpft war, Orte aus Alt-Benjamin in die Stammesgebiete hineingenommen, deren geographische Lage hier de facto aber nicht festzustellen ist, wie von einigen Bibelkennern bedauert wird. Eine andere Methode könnte nach Lage der Dinge darin bestanden haben, dass man Orte in den Stammesgebieten mit Namen aus den verlorenen Nordgebieten Alt-Benjamins belegte, das heißt sie umbenannte, um so die Verbindung zu den alten Ortsbezeichnungen erinnerlich zu erhalten.

Immanuel Velikovsky dürfte sich nach meinem Dafürhalten geirrt haben, wenn er Kadesch für das Zion-Jerusalem hält. Zion- bzw. Juda-Jerusalem, das Urusalim der Briefe, gehörte längst zum Gebiet der Ägypter. Auf die Einzelheiten und die wechselvolle Geschichte dieser Region kann hier natürlich noch nicht eingegangen werden.

Die Überlegung, die Hauptstadt des David-Reiches könnte Kadesch am Orontes gewesen sein, führt zu der Vorstellung, dass die Nachfolger des David I zunächst in diesem Kadesch auf dem Thron gesessen haben müssten, bevor nach einigen Umwälzungen Zion-Jerusalem die Hauptstadt des Teilreiches Juda wurde. Urusalim-Jerusalem wäre zu keinem Zeitpunkt die (einzige?) Hauptstadt Israels gewesen!

Zurück zu Gideon

Wir sehen am Beispiel Gideon, auf welch intelligente Weise die Redakteure des AT eine Vereinigung von drei Personen in einer einzigen bewerkstelligt haben. Es versteht sich, dass wir den Abiesriter Gideon erst in einer späteren Phase zu besprechen haben. Die Zeit, in der wir uns jetzt befinden, ist die Zeit der beiden ersten Gideons, und zwar hauptsächlich des zweiten, des Jerub-Baal = Merib-Baal = Mephiboseth, oder noch besser: dessen Sohnes Micha.

Wenn Micha - wie oben gesagt - der Sohn des Mephiboseth = Merib-Baal ist, des Sohnes von Jonathan, dem Sohn Sauls, dann kann er mit dem Sohn Abimelech des Gideon = Jerubbaal identisch sein, der in Richter 8, 31 erstmals erwähnt wird und über den das Kapitel 9 von seinem ersten Auftreten an bis zu seinem Tod berichtet. Die weiterführende Geschichte spricht mehr für diese Identität als dafür, dass Abimelech und Micha nur Brüder gewesen sein könnten.

Abimelech, der eindeutig als Sohn des Gideon mit dessen Kebsweib zu Sichem ausgegeben wird, ist mit Micha identisch. Seine Mutter, eine Frau aus Sichem, kann durchaus eine Tochter von Simson-Phalti und Delila gewesen sein, die Mephiboseth heiratete. Wurde sie um 557 ndFl geboren, so konnte sie um 571 ndFl einem 20jährigen Gideon-Mephiboseth den Sohn Micha-Abimelech schenken. Ihre Herkunft aus Sichem widerspricht nicht meiner in Kapitel 11 dieses Bandes geäußerten Annahme, die Mutter des Micha sei bei dem Manassiter-Gileaditer Machir im gileaditischen Lo-Debir aufgewachsen, wo sich auch Mephiboseth aufhielt. Wie ich in besagtem Kapitel schon sagte, erstreckte sich Gilead offenbar (zeitweilig) über Ephraim-Benjamin bis nach Juda hinein.

Die Person Sichem gilt sowohl als Sohn des Gilead (4. Mose 26, 31; Josua 17, 2) als auch als Manassiter (1. Chronik 7, 19). Der Ort Sichem wird geographisch als "Bergrücken" (das bedeutet der Name Sichem) zwischen den Bergen Garizim im Süden und Ebal im Norden auf dem Gebirge Ephraim gelegen definiert (1. Mose 12, 6). Hieran lässt sich ermessen, wie interpretationsfähig die geographischen Angaben im AT sind. Zu den Bergen Garizim und Ebal habe ich an anderer Stelle noch mehr zu sagen.

David-Gideons zweiter Midianiter-Krieg

In Ophra soll Gideon, bevor er gegen die Midianiter ins Feld zog, den Altar Schelumi-el (= der Herr ist Friede; Richter 6, 24) gebaut haben, was eindeutig auf El(lil) hinweist. Schelumi-el, ein Fürst des Stammes Simeon, war der Sohn von Zuri-Saddai (4. Mose 1, 6), hinter dem sich der Midianiterkönig David-Zur, Sohn des Midianiterkönigs Hur verbirgt. Eine Person mit dem Namen Schelumiel ist hier jedoch nicht gemeint:

Schelumi ist ein Ort und mit Salem und Silo (= Schilo, Schelomi, Schalom = Friede!) identisch und mithin auch Ophra, wo der Altar Schelumi-El gebaut wurde.

Pikant ist hieran, dass es womöglich Gideon-David I selbst war, der diesen Altar hier aufstellte und Gideon-Jerubbaal zum Priester machte, der nach dem Tode Davids diesen Altar kurzerhand abriss. Es war nicht der Baals-Altar, den Gideon = Jerubbaal, der "Streiter für Baal" abhieb, sondern der Schelumi-Altar für den Gott El, der schon vor dem Midianiterkrieg aufgestellt worden war, also noch unter David I. Im Zuge der aufkommenden Baals-Verehrung nach dem Tode des David-Gideon wurde der Altar für El nutzlos.

Nach dem Tode des (David-)Gideon Nr. 1 wollten Anhänger des Saul und des Jonathan einen anderen Gideon auf den Thron setzen (Richter 8, 22.23):

(22) Da sprachen zu Gideon etliche in Israel: "Sei Herr über uns, du und dein Sohn und deines Sohnes Sohn, weil du uns von der Midianiter Hand erlöst hast". (23) Aber Gideon sprach zu ihnen: "Ich will nicht Herr sein über euch, und mein Sohn soll auch nicht Herr über euch sein, sondern der Herr soll Herr über euch sein". Was ist daraus zu interpretieren?

Gideon, der von sich sagte (Richter 6, 15): Siehe, meine Freundschaft ist die geringste in Manasse, und ich bin der Kleinste in meines Vaters Hause, lehnte die Königswürde ab, obwohl er der Enkel des Saul und somit noch vor David thronberechtigt gewesen war, was diesen aber nicht an der Machtergreifung gehindert hatte. Da David sich zum König über Israel ausrufen ließ, kann er nicht mit diesem Gideon gemeint sein; es handelt sich bei dem ablehnenden Gideon um den rechtmäßigen Erben des Saul, den Sohn seines Sohnes Jonathan, um Mephiboseth, den David rehabilitiert hatte, ohne ihm allerdings die Königswürde zurückzugeben. Dass Gideon-Mephiboseth-Jerub-Merib-Baal aus freien Stücken ablehnte, halte ich für wenig wahrscheinlich; aber der Druck seitens der Söhne Davids I auf ihn war wohl zu groß, als dass er eine reelle Chance gehabt hätte, auf den Thron zu steigen. Er starb im selben Jahr wie David I.

Die Befreiung von der Midianiter Hand gehört in denselben Zusammenhang, in dem David I durch seinen Sohn Absalom den Midianiterkönig Seeb-Sebah hinrichten ließ. Gideon II = Mephiboseth hatte an dieser Niederlage der Midianiter mit Sicherheit keinen Anteil, da er lahm an den Füßen und für den Krieg daher untauglich war (2. Samuel 4, 4).

(Richter 8, 28): Also wurden die Midianiter gedemütigt vor den Kindern Israel und hoben ihren Kopf nicht mehr empor.

Die Midianiter waren nur für eine gewisse Zeit gedemütigt; denn mit Mose = Ka-Mose = Kamosch kamen sie wieder auf die politische Bühne zurück. Auch hieraus kann man schließen, dass nicht die Midianiter, sondern die Amalekiter mit den für alle Zeit Gedemütigten gemeint sein dürften. Der dritte Gideon hatte es schon wieder mit Midianitern zu tun.

Der Name Moab kommt - wie aus 1. Mose 19 hervorgeht - erst nach dem Einsturz des Siddimtales auf (641 ndFl), also in der Zeit, in der Mose aus Midian kommend im Ostjordanland einziehen wird. Unter dem Namen Kamosch, der dem Saturn entspricht, wurde Ka-Mose zum Hauptgott der Moabiter. Bis zu seinem Eintreffen gehörte dieser Landesteil zu Ruben.

Aus den erbeuteten Kleidungsstücken der Midianiterkönige machte Gideon einen Leibrock, den er in seiner Stadt Ophra aufstellte. Ganz Israel trieb damit Abgötterei, was letztlich zu Gideons Fall beitrug (Richter 8, 27). Hiermit wird das Image des Jerubbal-Gideon, des "Streiters für Baal", endgültig korrumpiert, der nun beim besten Willen nicht mehr als Jahwe- noch als El-Verehrer durchgehen kann. Der Zeitpunkt für den Bau dieses Altars liegt im letzten Jahr Davids I, also in 591 ndFl, was im weiteren Verlauf des Richter-Buches noch deutlicher wird. Auf keinen Fall kann Gideon-David I, der vor dem Midianiterfeldzug noch den Altar Schelumi-El aufgestellt hatte, mit der Leibrock-Verehrung in Beziehung gesetzt werden. Das Aschera-Bild, das von Gideon-Jerubbaal "abgehauen" worden sein soll, wird uns weiter unten wieder begegnen.

In Richter 17, 5 wird die Aufstellung des Leibrock-Götzen einem Mann namens Micha zugeschrieben, bei dem es sich um den Sohn des Mephiboseth handelt (siehe oben und 1. Chron. 8, 34; 9, 40). Auch Michas Stadt war Ophra auf dem Gebirge Ephraim, nämlich Salem = Silo. Vater und Sohn haben sich demnach beide um die Ersetzung der El-Verehrung durch die Baals-Verehrung bemüht. Die Leibrock-Geschichte erinnert an den Propheten Achija von Silo, der seinen Leibrock vor Jerobeam in zwölf Teile zerschnitt, die die zwölf Stämme Israels versinnbildlichen sollten. Auf diesen Vorgang, der nicht zu der Zeit des Jerobeam stattgefunden haben kann, komme ich schon bald wieder zurück.

(Richter 8, 28): ... Und das Land war still vierzig Jahre, solang Gideon lebte... (32) Und Gideon, der Sohn des Joas, starb in gutem Alter und ward begraben in seines Vaters Joas Grab zu Ophra, der Stadt der Abiesriter.

Gideon-David war es, der vierzig Jahre regierte. Ich halte es für wenig wahrscheinlich, dass Richter 8,28 meint, dass Gideon-Mephiboseth vierzig Jahre Richter war, das würde bedeuten: von 575 bis 615 ndFl. Wenn auch vierzig Lebensjahre kein "gutes Alter" zum Sterben sind, so bin ich doch der Ansicht, dass mit den "vierzig Jahren, solang Gideon lebte", die Lebenszeit des Gideon-Mephiboseth gemeint ist. Das Todesjahr David-Gideons war auch das Todesjahr Mephiboseth-Gideons (591 ndFl), der genausolange gelebt hatte, wie David regiert hatte. Die Deutung, dass Gideon Nr. 3, der Sohn des Abiesriters Joas, mithin also Aziru, der Sohn des Abdi-aschirta, als derjenige gemeint sein soll, der mit vierzig Jahren starb, halte ich aus Gründen, die hier noch nicht besprochen werden können, für abwegig.

Micha = Abimelech

In Anbetracht der Aufstellung und allgemeinen Verehrung des Leibrocks ist es plausibel, dass David jener Gideon gewesen sein muss, nach dessen Tod die Kinder Israel wieder zu den Baalim abfielen (Richter 8, 33). Dies soll im Sinne der AT-Redakteure so zu verstehen sein, dass sie nicht mehr jahwetreu waren; das war Gideon-David jedoch genausowenig gewesen wie Gideon-Mephiboseth. Wenn es in demselben Vers dann heißt, dass sie sich den Baal-Berith zum Gott machten, dann findet hier sogleich wieder ein Sprung ins nächste Jahrhundert statt; denn der Name des neuen Gottes ist bezeichnend für die Zeit des dritten Gideon:

BAAL-BERITH, der Gott des Bundes, ergibt unmittelbar nach David-Gideons Tod keinerlei Sinn; er gehört zeitlich an die Stelle, an der auch tatsächlich ein Bund geschlossen wurde, nämlich ins Jahr 650 ndFl, als zwischen den Truppen des Mose-Kamosch (den Sa.Gaz.Mesch) einerseits und den Aufständischen in Kanaan, das zu dieser Zeit zu Ägypten gehörte, unter Führung des Aziru-Gideon andererseits ein Bund geschlossen wurde, an dem David II = Teuwatti von Lapana = Jabes(ch) maßgeblich beteiligt war. Der Gott des Bundes war niemand geringerer als Jahwe, für den David II die Bundes-Lade in den Tempel zu Jerusalem schaffte. Somit können wir die Besprechung dieser Angelegenheit ebenfalls auf einen späteren Zeitpunkt vertagen.

Abimelech gilt als der Sohn Gideons mit seinem Kebsweib aus Sichem (Richter 8, 31). Er war ein Urenkel Sauls. Seinem Auftritt in der Geschichte räumt das Buch Richter nur drei Jahre ein. Es handelt sich dabei um die ersten drei Jahre von Abrahams erstem Kanaanaufenthalt (603-617 ndFl), d.h. um die Jahre 603-606 ndFl. Die Heimatstadt des Micha-Abimelech war Ophra-Silo-Salem. Weshalb er außerdem als Abimelech von Gerar = Sichem bezeichnet wird, werde ich weiter unten erläutern.

Beide Städte spielten im Leben dieses späteren Lehnsherrn des nach hier versetzten Abraham eine wichtige Rolle. Die Begegnungen des von Samsi-Adad (= Amraphel von Sinear) in möglicherweise geheimer Mission von Haran in Amurru nach Kanaan entsandten Diplomaten Abraham mit Abimelech von Gerar (1. Mose 20, 2 ff) einerseits und mit Melchisedek von Salem (1. Mose 14, 18) andererseits gehören in diese ersten drei Jahre.

Das Buch Richter berichtet wesentlich mehr als nur aus den Jahren 603-606 ndFl über Abimelech, allerdings geschieht dies unter seinem Namen Micha. Die Micha-Geschichte in den Kapiteln 17 und 18 des Buches Richter beginnt im Todesjahr Davids I, spielt aber hauptsächlich im Jahr darauf, also 592 ndFl. Es ist die Zeit des Thronfolgekrieges Abisalom gegen Adonia, in dessen Verlauf Adonia in Geser = Sichem-Gerar von Chus-Sesostris belagert wurde:

Zu der Zeit war kein König in Israel, und ein jeglicher tat, was ihn recht deuchte (Richter 17, 6; 18, 1; diese Formulierung wird auch in Kapitel 19, 1 angewandt, bezieht sich hier jedoch auf einen anderen Machtwechsel).

Der Thronfolgekrieg nach David I begann schon zu dessen Lebzeiten; denn David-Hezron starb nicht in seiner Hauptstadt Jerusalem, sondern in der Stadt seiner Vorväter, in Kaleb-Ephratha (1. Chronik 2, 24) = Bethlehem. Offensichtlich befand er sich auf der Flucht vor seinem Sohn Adonia, der gegen den eigenen Vater geputscht hatte (1. Kön. 1,5). Bethlehem wiederum gilt auch als ein Aufenthaltsort des Elimelech, der von hier aus nach Moab oder - was ebenfalls in Frage kommt - nach Dan geflohen sein dürfte.

Jerusalem war der Aufenthaltsort des Mephiboseth unter der Protektion des David I. Falls er schon von David in Ophra-Silo-Salem als Priester des Altars Schelumi-el eingesetzt worden war, was ich als Tatsache ansehe, dann ist sein Ortswechsel in die Stadt, in der sein Großvater und sein Vater wahrscheinlich begraben waren, doppelt plausibel. Hier ergeben sich wieder zwei Fragen:

1. War Jerusalem oder Kadesch Davids I Hauptstadt, in der folglich auch Mephiboseth  lebte?

2. War Silo-Salem-Ophra, wo der Altar Schelumi-El aufgestellt wurde, das "Kadesch Beth-El" (= das heilige Haus des Gottes El), in dem David I regierte?

Micha war zu dieser Zeit noch keine 20 Jahre alt. Mit der Unterstützung seiner Mutter fertigte Micha, ein Mann auf dem Gebirge Ephraim, ein Götzenbild aus Gold von dem Geld, das er seiner Mutter zurückgegeben hatte (Richter 17,1ff). Wie er selbst wieder an dieses Geld gekommen ist, wird erst einige Verse weiter gesagt:

(Richt.17,5) Und der Mann Micha hatte also ein Gotteshaus; und machte einen Leibrock und Hausgötzen und füllte seiner Söhne einem die Hand, dass er sein Priester ward.

Kann ein Sohn Michas Priester des Leibrocks geworden sein? Als Söhne Michas werden aufgeführt (1. Chronik 8, 35): Pithon, Melech, Tharea und Ahas. Von keinem dieser Benjaminiter ist näheres bekannt, erst recht nicht, ob er ein Leibrockpriester geworden sei. Wie weiter unten ersichtlich wird, waren die Priester des Leibrocks ohnehin Daniter oder Manassiter. Es ist indes erwähnenswert, dass der Name Melech direkt auf Abi-Melech = Micha hinweist. Weder von Micha noch von Abimelech sind im AT echte Nachfahren auszumachen.

Ich bin daher der Ansicht, dass Mephiboseth-Gideon seinen Sohn Micha-Abimelech = Melech zum Priester machte. Diese Nominierung kann wegen des jugendlichen Alters des Micha nur unter der Prämisse überzeugen, dass sein Vater ihn vom Sterbebett aus mit dieser Aufgabe betraute. Gemeint ist offensichtlich, dass Mephiboseth ein Gotteshaus besaß, und zwar den Altar Schelumi-El, den David ihm gebaut hatte. Er wurde nur 40 Jahre alt (551-591 ndFl). Er "füllte seinem Sohn die Hand", bevor er starb, mit jenen 1100 Silberlingen, die Micha seiner Mutter jetzt zurückgeben konnte. Bei dem Betrag handelt es sich um das Kopfgeld, das Delila für den Verrat an Simson erhalten hatte. Hierüber habe ich weiter oben schon meine Ansichten dargelegt: Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass die Mutter des Micha eine Tochter von Simson und Delila war, die Jerubbaal-Gideon-Mephiboseth geheiratet hatte: 573 ndFl. Kurz darauf müsste Micha-Abimelech geboren sein.

Der Beweis dafür, dass Jerubbaal-Gideon-Mephiboseth kurz nach seiner Übersiedlung nach Ophra oder besser noch: kurz nach Davids I Tod verstarb, dürfte ebenfalls in vorstehendem Vers zu finden sein. Gideon-Mephiboseth hinterließ offensichtlich außer seinem Sohn Micha-Abimelech noch eine Tochter, die aber schon zu der Zeit seines Aufenthaltes in Jerusalem-Juda mit einem Mann aus Bethlehem-Juda verheiratet worden sein kann. Darauf komme ich weiter unten wieder zurück.

Micha wurde schon in jungen Jahren vaterlos. Er hatte zwar seine Mutter bei sich; aber die Verantwortung für den neuen Baals-Altar scheint ihn gedrückt zu haben. Er bekleidete seinen Götzen mit einem selbstgefertigten Leibrock, was direkt auf Gideon hinweist, und zwar auf Mephiboseth. In Richter 8, 27 wird schon angemerkt, dass die Verehrung dieses Leibrockes, den Gideon aus der Beute der von ihm besiegten Midianiter-Könige angefertigt hatte, der Familie Gideons, also der Familie des Mephiboseth, zum Fall gereichen werde. In diesem Falle ist Gideon wieder gespalten in David I, der die Midianiter besiegte, und in Jerubbaal-Mephiboseth, der den Leibrock-Altar, offensichtlich einen Baals-Altar, an die Stelle des von David gebauten Altars Schelumi-El setzte.

Die Errichtung des Leibrockgötzen-Altars gehört ins Todesjahr Davids, also ins Jahr 591 ndFl. Die Übergabe der 1100 Silberlinge fand aber erst nach dem Tode des Mephiboseth-Gideon statt. Insofern sind beide Angaben zutreffend:

Gideon-Mephiboseth errichtete den Altar, und Micha wurde dessen Priester. Es wird hierdurch auch die Verbindung von Micha, über dessen Herkunft sich das Buch Richter nicht auslässt, zu Abimelech, dem Sohn des Gideon-Jerubbaal, hergestellt.

Als Michas (Vater und Sohn) Wohnort wird "auf dem Gebirge Ephraim" angegeben (Richter 17, 1), eine nähere Ortsbezeichnung unterbleibt. Gideons Leibrockgötze wurde aber in Ophra aufgestellt, das heißt in Silo-Salem. Daher ist es legitim, zu behaupten, hier sei auch der Wohnsitz Michas (Vater und Sohn) gewesen. Kapitel 18, 31 unterstreicht das: Also setzten sie unter sich das Bild Michas, das er gemacht hatte, so lange, als das Haus Gottes (= Beth-El) war zu Silo.

(Richt. 17, 7) Es war aber ein Jüngling von Bethlehem-Juda unter dem Geschlecht Juda's, und er war ein Levit und war fremd daselbst. (8) Er zog aber aus der Stadt Bethlehem-Juda zu wandern, wo er hin konnte. Und da er aufs Gebirge Ephraim kam zum Hause Michas, dass er seinen Weg ginge, (9) fragte ihn Micha: "Wo kommst du her?" Er antwortete ihm: "Ich bin ein Levit von Bethlehem-Juda und wandere, wo ich hin kann." (10) Micha sprach zu ihm: "Bleibe bei mir, du sollst mein Vater und mein Priester sein; ..."

Die ausschließliche Erwähnung Michas deutet unzweifelhaft daraufhin, dass Gideon-Jerubbaal-Mephiboseth den Jüngling nicht mehr empfangen konnte, da er bereits tot war. Das Sterbealter Gideon-Mephiboseths ist nirgendwo ausdrücklich angegeben. Der "Jüngling aus Bethlehem-Juda", der als "ein Levit aus dem Geschlecht Juda's4" vorgestellt wird, war Machlon-Zadok = Melchisedek von Salem = Achija von Silo (= Salem-Ophra), der Sohn des "Ephraters" (= Bethlehemiters) Elimelech und ein Schwager des Micha-Abimelech:

Der "Jüngling von Bethlehem-Juda" könnte eventuell schon seit den Tagen, als Mephiboseth-Jerubbaal noch in Jerusalem lebte, mit dessen Tochter verheiratet gewesen sein. Die Identität dieses "Jünglings" mit Machlon-Zadok-Achija, der immerhin schon 32 Jahre alt war, wird weiter unten noch deutlicher. Wenn Micha sagt, er möchte, dass dieser "Jüngling" sein Vater und sein Priester würde, dann ist daraus zu schließen, dass Micha-Abimelech, der zu dieser Zeit erst 18 Jahre alt und somit selbst noch ein Jüngling war, keinen Vater mehr hatte und ihn das Amt des Priesters drückte. Einen Jüngling hätte er sich wohl kaum als Vater ausgesucht. Möglicherweise war es noch Mephiboseth selbst gewesen, der seinen Schwiegersohn Machlon-Zadok auf dem Sterbebett zum Pflegevater seines Sohnes Micha und zum Priester gemacht hatte. Die Ankunft des Berufenen könnte dann, unabhängig von seiner Berufung, erst nach dem Tode Mephiboseths stattgefunden haben, den Machlon-Zadok nicht mehr am Leben angetroffen hatte.

(Richt.18,1) Zu der Zeit war kein König in Israel. Und der Stamm der Daniter suchte sich ein Erbteil, da sie wohnen möchten; denn es war bis auf den Tag noch kein Erbe für sie gefallen unter den Stämmen Israels. (2) Und die Kinder Dan sandten aus ihren Geschlechtern von ihren Enden fünf streitbare Männer von Zora und Esthaol, das Land zu erkunden und zu erforschen, und sprachen zu ihnen: "Ziehet hin und erforschet das Land!" Und sie kamen auf das Gebirge Ephraim ans Haus Michas und blieben über Nacht daselbst. (3) Und da sie bei dem Gesinde Michas waren, erkannten sie die Stimme des Jünglings, des Leviten.

Zora und Esthaol war die Heimat des Manoah von Gallim zu Zora-Dan, des Urgroßvaters in direkter männlicher Linie von Machlon-Achija, und es verwundert keineswegs, dass die Daniter aus Zora die Stimme dieses Jünglings kannten. Die Stammesbezeichnung Daniter leitet sich vermutlich von dem Wort Dan (hebräisch für Richter) ab. Diese Daniter waren Leute aus der Richter-Familie der "Hethiter" bzw. Keniter (siehe dazu die Stammtafel der Keniter am Ende dieses Kapitels!).

Die Fortsetzung der Geschichte ist - kurz zusammengefasst - folgende: Nachdem die fünf Männer das Anwesen Michas in Silo-Salem-Ophra wieder verlassen hatten, kamen sie bis nach Laïs, das auf der geographischen Breite von Sidon in Phönizien liegt, also weit im Norden. Da es ihnen hier gefiel, zogen sie zurück nach Zora und Esthaol, um ihren Brüdern davon zu berichten, und sie schlugen vor, nach Laïs auszuwandern. Die Brüder waren einverstanden, und so brachen sie auf mit 600 Mann unter Waffen. Diese 600 Mann, die das Schwert führten, sind mit größter Wahrscheinlichkeit die in Richter 20, 47 erwähnten, auf die ich weiter unten ausführlicher zu sprechen komme: 600 Mann wandten sich und flohen zur Wüste, zum Fels Rimmon, und blieben im Fels Rimmon vier Monate.

Zunächst lagerten sie bei Kirjath-Jearim in Juda, das auch Baale-Juda heißt. Sie nannten diese Stätte Lager Dan, und ich bin der Ansicht, dass Kirjath-Jearim = Baale-Juda erst später hier gegründet wurde. Es deutet einiges darauf hin, dass es sich bei "Lager Dan" um einen Ort in Dan handelt, der damals auch Gath-Rimmon hieß, wodurch die Verbindung zu den 600 Mann im Felsen Rimmon hergestellt wäre.

Von hier stiegen sie auf das Gebirge Ephraim und kamen zum Hause Michas. Die fünf Daniter vom vorigen Besuch traten ein, während die Bewaffneten vor dem Tor blieben. Sie begrüßten den Leviten-Jüngling aus Bethlehem-Juda freundlich und nahmen ihn gefangen.

Während der Priester, besagter Levit, von den Bewaffneten festgehalten wurde, nahmen die fünf Männer das Götzenbild, den Leibrock und alles, was dazugehörte. Als sie dem Priester den Vorschlag machten, er solle mit ihnen ziehen, da es besser sei, eines ganzen Stammes Priester zu sein als eines einzigen Mannes, willigte dieser ein. Wen wundert's, war er doch einer der ihren. Eine nähere Beschreibung dieses Vorfalls finden wir in Richter-Kapitel 21.

In Laïs angekommen rotteten sie die friedfertigen Bewohner erst einmal aus und benannten die Stadt um in Dan nach dem Namen ihres angeblichen Stammvaters. Sie errichteten den Altar samt Leibrock-Götzen und setzten unter sich das Bild Michas, das er gemacht hatte so lange, als das Haus Gottes war zu Silo (Richter 18, 31). Dann geschieht etwas Eigenartiges: Zum Priester machten sie Jonathan, den Sohn des Gerson, des Sohnes Manasses. Auch die Nachfahren ("Söhne") Jonathans waren Priester der Daniter und blieben es bis zu deren endgültiger Deportation.

Man erwartet, dass sie den Leviten zum Priester machen, und nun tauchen ganz andere Namen auf. Der Priester Jonathan (wenn er denn so geheißen haben und ein Sohn Gersons, eines etwaigen Sohnes des Samuel-Manasse, gewesen sein sollte) kam erst nach dem Weggang des Leviten auf diesen Posten; denn schon bald nach seinem Eintreffen ging besagter Levit wieder dahin zurück, wo er hergekommen war. Wer auch immer der Manassiter Jonathan war - die Angabe, die Nachfahren eines Jonathan seien (Leibrock-)Priester gewesen, ist im Hinblick auf die Identifizierung des Micha als Enkels des Jonathan, des Sohnes von Saul (= Gerson?), zu begrüßen.

Die richtige Darstellung des Geschehens müsste wie folgt aussehen: Machlon-Achija, der "Levit" aus Bethlehem-Juda, ist der Daniter aus Zora-Esthaol. Letzteres war die Stadt seiner Vorväter, und Bethlehem war die Stadt, aus der sein Vater Elimelech nach dem Tode Davids I vor seinem Halbbruder Adonia geflohen war. Hier war er "fremd", und von hier wollte er fort. Entweder waren Vater und Sohn oder nur der Sohn nach Zora-Esthaol geflohen, wo sich der Sohn nicht nur den Danitern anschloss, sondern ihr Anführer wurde. Sie nutzten die Thronwirren, um auf Landsuche zu gehen. Dabei kamen sie bei Micha vorbei, den sie ausplünderten.

Machlon-Zadok = Melchisedek von Salem = Achija von Silo, der Levit von Bethlehem-Juda, führte im Jahre 592 ndFl als Priester des Leibrockes die Daniter nach Laïs-Dan. Im Jahr 606 ndFl wird er uns erneut mit seinem Rock überraschen. Die Möglichkeit, dass der "Levit" überhaupt erst mit den Danitern zu (seinem Schwager?) Micha kam, dass er sie geradewegs dorthin geführt haben könnte, ist nicht abwegig. War er ihr Anführer? Auch darauf deutet einiges hin:

(1. Chron. 8,6) Dies sind die Kinder Ehuds (die da Häupter waren der Vaterhäuser unter den Bürgern zu Geba und zogen weg gen Manahath, (7) nämlich: Naeman, Ahia [= Achija] und Gera, derselbe führte sie weg): und er zeugte Usa und Ahihud (= Ehud?).

Ergänzend heißt es an anderer Stelle:

(1. Chronik 6, 51 [66]) Aber den Geschlechtern der Kinder Kahath (es handelt sich hierbei um Leviten!) wurden Städte ihres Gebiets aus dem Stamm Ephraim. (52 [67]) So gaben sie nun ihnen, dem Geschlecht der anderen Kinder Kahath, die Freistädte: Sichem auf dem Gebirge Ephraim, Geser, (53 [68]) Jokmeam, Beth-Horon,(54 [69]) Ajalon und Gath-Rimmon mit ihren Vorstädten. (55 [70]) Dazu aus dem halben Stamm Manasse (Manahath!): Aner und Bileam mit ihren Vorstädten.

Sichem und Geser hatten wir bereits miteinander identifiziert. A. Meister identifiziert Bileam mit Gath-Rimmon, das demnach nicht nur im Stammesgebiet Dan (Josua 19, 45), sondern auch im Gebiet der Stämme Ephraim und Manasse (= Manahath) lag. Hier wird das deutlich, worauf ich an anderer Stelle schon hinwies: Offensichtlich wurden außerhalb des verkleinerten Rest-Israels liegende Gebiete später in dieses übriggebliebene Staatsgebilde hineinplaziert, was allerdings einer geographischen Gewaltkur gleichkäme.

Die Übersetzung des Namens Bileam lautet A. Meister zufolge Schlucht. Dies würde zum Felsen Rimmon gut passen. Wenn auch die Angaben zu den Geschlechterfolgen größtenteils revisionsbedürftig sind, so kann man doch aus einigen versteckten Andeutungen Querverbindungen zu Ereignissen, die in anderen Kapiteln geschildert werden, herstellen. Eine nicht zu übersehende Verbindung wird zwischen dem Bileam-Rimmon (also dem Felsen Rimmon), Gath-Rimmon und Lager Dan durch die anstehende Landverteilung hergestellt. Weiter unten werde ich auf die "Flüchtigen im Felsen Rimmon" wieder zurückkommen.

Ab(i)salom, der Provinzkönig von Ammon und rechtmäßige Thronfolger, nahm Verbindung mit Ägypten auf. Chus-Sesostris II/III, der jüngere Bruder des im Jahre 592 ndFl auf den Pharaonenthron gestiegenen Djoser-Sesostris I = Ramses-Amenophis I, kam bereitwillig zu Hilfe und besiegte Adonia in Geser. Er eroberte das ganze ehemalige David-Reich bis zum Euphrat und setzte Abisalom-"Salomo" als Vasallen Ägyptens auf den Thron von Israel.

Es sei an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass es erstens kein Großreich Israel unter einem weisen König Salomo gegeben hat und dass zweitens der weise Richter und Priester Salomo weder ein Sohn Davids I noch Davids II war, sondern dass er der Sohn Asarja-Usia des Abiam war, der zuletzt unter David II im Jahwe-Tempel zu Jerusalem wirkte. Vieles, was zu Salomo gesagt wird, betrifft Abi-"Salom"; so offensichtlich auch der folgende Vers:

(1. Könige 9,16) Pharao, der König in Ägypten, ... hatte Geser gewonnen und mit Feuer verbrannt und die Kanaaniter erwürgt, die in der Stadt wohnten, und hatte sie seiner Tochter, Salomos Weib, zum Geschenk gegeben.

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass der Pharao nach zwanzig Jahren (Vers 10) der Herrschaft des Großkönigs Salomo eine von den Städten seines Schwiegersohnes zerstört, um sie dann seiner Tochter und somit auch Salomo zum Geschenk zu machen.

Der hier geschilderte Vorgang ist die Unterwerfung Adonias in Geser (im Stammesgebiet Ephraim; vgl. Richter 1, 29), das mit Gerar identisch ist und somit auch mit Sichem. Der Name Si-chem ist ägyptischen Ursprungs: "Se-chem" = "Seine Majestät", worunter Pharao Djoser-Amenhotep I verstanden werden kann, dem zu Ehren Geser-Gerar umbenannt wurde. Im Anschluss daran war Abisalom König in Israel als Schwiegersohn und Vasall des Pharaos oder dessen Bruders, des Feldherrn und Königs von Unterägypten Chus-Sesostris-Thutmoses (I) = Scheschonk Ches-cheper-Re.

Der Hinweis (1. Kön. 9,10) als die zwanzig Jahre um waren, in denen Salomo ... kann sich auf Ab(i)salom beziehen, der 572 ndFl in Ammon die Statthalterschaft für seinen Vater übernommen hatte. Im selben Jahr oder im Jahr darauf wurde seine Tochter Maacha geboren, die Enkelin des Thalmai von Gessur. Sie wurde später die Gemahlin des Rehabeam, des Sohnes von Elimelech. Zwanzig Jahre danach kam Pharao und machte Abi-"Salomo" zum König.

In Schemesch-Edom, der Nachbarprovinz von Moab-Ruben, das zu jener Zeit noch nicht durch den Einsturz des Siddimtals (erfolgt erst 641 ndFl) verwüstet war, hatte Chus-Isesi (= Seso-stris) den Sohn Hadad des Bedad wieder eingesetzt, der als Knabe vor David nach Ägypten geflohen war, möglicherweise aber auch Genubath, Hadads Sohn mit Mehetabeel, der Schwester der Tachpanes. Edom erhielt damals den Namen Genebatiye (auch Nabatäa). Die Söhne des (Ge-)Nebat oder Gin(ub)ath waren Jerobeam-Omri-Remalja und Thibni, die wir beide noch näher kennenlernen werden.

Nach nur vierjähriger Herrschaft endete die Herrschaft des Abi-"Salomo". Er kann eines natürlichen Todes gestorben sein wie Salomo (1. Könige 11, 43), oder er wurde von seinem Stiefbruder Elimelech, der bis dahin sein Statthalter in Moab gewesen war, gestürzt: 596 ndFl. Dies wäre nur möglich gewesen mit der Unterstützung durch die Amoriter. Deshalb halte ich aus politischer Sicht das letztere für das wahrscheinlichste.

Der Sturz des ägyptentreuen Abisalom geschah vermutlich auf Veranlassung des Hethiters Ischbierra = Hattusilis von Hattusas, des Begründers der Dynastie von Isin (= Klein-Asien). Wie aus der Keniter-Aufstellung, die weiter unten wiedergegeben wird, hervorgeht, war Elimelech väterlicherseits ein Hethiter, wenn dies auch nicht so ausdrücklich wie bei seinem Vater und seinen Vorvätern erwähnt wird. Möglicherweise bestanden zu den sich in Hattusas neu einrichtenden Hethitern engere Verbindungen, als dies aus dem AT ersichtlich ist. Auf Elimelech und seine Söhne werde ich weiter unten wieder zurückkommen.

Die Herrschaft des Elimelech dauerte immerhin sieben Jahre (596-603 ndFl), was für einen starken amoritisch-hethitischen Rückhalt spricht. Da Chus-Sesostris auf Europa-Reise war, blieb Ägypten in diesem Spiel zunächst außen vor. Ob Elimelech nun eines natürlichen Todes starb, oder ob er gestürzt wurde und dabei gewaltsam zu Tode kam, muss offen gelassen werden. Jedenfalls sah der Saul-Erbe Micha-Abimelech seine Stunde gekommen, sein Erbe anzutreten, das sein Vater Gideon-Jerubbaal-Mephiboseth allerdings schon ausgeschlagen hatte. Begreiflicherweise standen ihm bei diesem Vorhaben die Söhne des Elimelech im Wege, aber auch die Nachfahren Gideon-Davids I.

Weshalb Micha-Abimelech von Ophra-Silo-Salem später als Abimelech von Gerar = Sichem bezeichnet wird, hängt mit den jetzt ablaufenden Ereignissen um Abimelech zusammen:

(Richter 9, 1) Abimelech aber, der Sohn Jerubbaals, ging hin gen Sichem zu den Brüdern seiner Mutter und redete mit ihnen und dem ganzen Geschlecht des Vaterhauses seiner Mutter ...

Jerubbaal, mit Gideon stets gleichgesetzt, kann in diesem Falle nur der eine Gideon gewesen sein, nämlich Meribbaal bzw. Mephiboseth. Es wird uns suggeriert, dass der Tod des Jerubbaal-Gideon den Anlass gegeben habe, dass Abimelech-Micha sich mit seinen Brüdern an einen Tisch setzte, um zu verhandeln. Abimelech schlug vor, man solle ihn zum König machen, was besser sei als eine Herrschaft vieler Söhne Gideons. Obwohl er nur der Sohn eines Kebsweibes gewesen sein soll, stimmten die Brüder und ihre Familien zu.

Dennoch ließ Abimelech alle Söhne Gideon-Jerubbaals ermorden und verschonte nur einen, und den noch unfreiwillig: Jotham, der sich verstecken konnte, entging dem Massaker. Jotham ist aber mit dem Sohn Jethream des David I bzw. mit Jether, dem Sohn des Gideon I (Richter 8, 20) = David I identisch. Die Torsion ist vollkommen. Jotham musste schon deshalb übrigbleiben, weil er überhaupt nicht zu den Söhnen Gideon-Jerubbaals gehörte.

Der zu dieser Zeit noch minderjährige Jotham kann sich in Sichem bei Verwandten des Abimelech aufgehalten haben. Er schalt die Israeliten, ganz besonders die Verwandten des Abimelech, dass sie diesen zu ihrem König gemacht hatten. Besonders eindrucksvoll ist hier sein Gleichnis von den Bäumen (Richter 9, 8-15). Jotham, so heißt es in Richter 9, 21, floh vor seinem Bruder Abimelech nach Beer. Beer ist mit Kirjath-Beel bzw. Kirjath-Baal = Kirjath-Jearim identisch, wo sich Jotham-Jethream-Jether niederließ.

Ich halte Micha-Abimelech für den rechtmäßigen Sohn und Erben des Gideon-Mephiboseth, nicht für den Sohn eines Kebsweibes, als welcher er nicht thronberechtigt gewesen wäre. Seine Mutter war, wie schon gezeigt, die Tochter des "Hethiters" Simson mit Delila. Insofern war sein Thronanspruch, auf den sein Vater zwar verzichtet hatte, nicht völlig unbegründet. Gerade deshalb aber, weil Mephiboseth niemals König von Israel war, kann nicht die Nachfolge des Abimelech-Micha auf seinen Vater Gideon-Mephiboseth hier gemeint sein. Es kann nur so gewesen sein, dass Abimelech den Sturz des Elimelech anstrebte, oder dass er sich auf den Kampf mit dem rechtmäßigen Thronerben des Elimelech, mit seinem Schwager Machlon-Melchisedek, vorbereitete.

Da der Putsch des Abimelech gegen seine Brüder gerichtet war, deutet alles darauf hin, dass einer aus der Familie des Gideon-Mephiboseth den Putsch gegen Elimelech geführt hatte, dem die Brüder den Rücken stärkten. Wenn Abimelech die Macht erlangen wollte, musste er zunächst seine Brüder beseitigen. Dass ihm dies gelang, spricht nicht dafür, dass es eine starke Opposition im Lande gab, so auch nicht von seiten der Söhne Elimelechs.

Im Jahre 603 ndFl folgte Abimelech von Gerar-Sichem auf seinen Onkel zweiten Grades und setzte sich selbst auf den Thron - aber wovon? War es der Thron von Israel oder nur der von Benjamin-Ephraim? War das Reich geteilt? War etwa Machlon-Melchisedek ein Nebenkönig über das Restreich? Im Hinblick auf die konkrete Aussage in Richter 9, 22, wonach Abimelech drei Jahre über Israel geherrscht habe, muss man davon ausgehen, dass er tatsächlich ein König Israels war. Die Krönung Abimelechs bei der hohen Eiche, die zu Sichem steht ist der "krönende" Abschluss jenes oben beschriebenen Massakers. Aus diesem Anlass versammelten sich alle Männer von Sichem und "das ganze Haus Millo ..." (Richter 9, 6).

Das Haus Millo (= Beth-Millo) erscheint auch im Zusammenhang mit der Ermordung des Joas, mit dem hier allerdings der Vater von Amazja gemeint ist. Ein anderes Millo ist in Jerusalem zu sehen: Der auch Migdol genannte Festungsturm in der Ringmauer, die David I errichten ließ. Ich halte das in Richter 9 erwähnte "Haus Millo" für die Familie des Eli-Melech (= El ist König), dessen Name in das ähnlich klingende Millo (= Erdwall) verfälscht wurde.

Es versteht sich, dass Abimelech die Anhänger der Häuser David und Millo entweder beseitigen oder auf seine Seite ziehen musste, um selbst König Israels werden zu können. Die Söhne Davids I gehörten ebensowenig wie die des Millo-Elimelech zu seinen Gefolgsleuten, wie leicht einzusehen ist. Da die David-Söhne aber alle noch sehr jung waren und vermutlich keine ausreichende Lobby hatten, hatten sie allein keine Chance, sich den Bestrebungen Abimelechs zu widersetzen. Die Söhne des Elimelech hatten andererseits auch kein Interesse daran, die David-Söhne zu unterstützen und mussten in Anbetracht der brutal zur Schau gestellten Stärke Abimelechs zähneknirschend seiner "Wahl" zum König von Israel zustimmen.

Einziger Gegenspieler Abimelechs unter den Söhnen Davids war - wenn überhaupt - der schlaue Jotham-Jeth(e)ream, der in den Amarnabriefen Abdi-aschirta heißt und der mit dem Abiesriter Joas identisch ist, dem Vater des Gideon Nr. 3, des Aziru. Hier treffen sich alle drei Gideons bzw. deren Familien.

Nach dem Tode des amurrutreuen Herrschers Elimelech im Jahre 603 ndFl sandte Samsi-Adad (= Amraphel von Sinear), der erst 599 ndFl in Kisch als Herrscher über das amoritische Nordreich (= Sinear, Land des Mondgottes Sin) eingezogen war, seinen Gefolgsmann Abraham, der im Zuge der amoritischen Reichsteilung mit ihm aus Ur in Chaldäa nach Sinear gekommen war, in die Krisenregion, um dort nach dem Rechten zu sehen. Abra(ha)m war ein Politiker, er war zudem in Haran in gleicher Eigenschaft ins Amt gekommen, in der er auch schon in Ur seinen Dienst versehen hatte: als Priester des Mondgottes Nammu = Sin. Sein Priesteramt schloss eine politische Karriere nicht aus.

Samsi-Adad war der Sohn des Ischme-Dagan = Ismael, eines Sohnes von Samuel. Insofern war er ein Benjaminiter! Er schickte Abra(ha)m vermutlich als Privatmann und in geheimer Mission, möglicherweise als asylsuchenden Viehhirten; denn er wurde Lehensnehmer des Abimelech von Gerar. Als er drei Jahre im Lande war, zog er gegen seinen Lehnsherrn zu Felde; denn Abimelech von Sichem (Richter 8, 31) ist auch Abimelech von Gerar (1. Mose 20, 2; 26, 1; als Zeitgenosse Isaaks kommt er jedoch nicht in Frage).

Die Identität von Gerar mit Sichem geht aus dem Kapitel 9 des Buches Richter hervor: Jotham, jüngster Sohn Gideons und der einzige von ihnen, der bei dem Amoklauf Abimelechs mit dem Leben davongekommen war, trat auf die Höhe des Berges Garizim und hob auf seine Stimme, rief und sprach zu ihnen: "Höret mich, ihr Männer zu Sichem ...!" Daraus ist zu entnehmen, dass sich der Berg Garizim (= Berg der Geriziter) in der Nähe von Sichem befindet. Er liegt im Gebirge Ephraim dem Berg Ebal gegenüber (Josua 8, 33). Die Geriziter oder Gisri oder Gerisim sind die Leute der Stadt Geser oder Gerar, die mit der Stadt Sichem identisch ist. Auch hier kann natürlich - wie schon bei Beth-El und Silo-Ophra-Salem - eine Art "Megalopolis" gesehen werden, die aus einzelnen Stadtteilen zusammengesetzt war. Wie an anderer Stelle schon gesagt, darf man sich die damalige Welt nicht ausschließlich bäuerlich-patriarchalisch vorstellen. Die vielen Städte(namen), die in jener Zeit auffallen, lassen erkennen, dass die Menschen damals nicht nur Bauern und Viehhirten waren.

Wenn uns auch Abraham im AT stets als Patriarch, als Haupt einer nomadischen Großfamilie geschildert wird, so können wir doch davon ausgehen, dass er ein gepflegter "Edelmann" war, der sich auf dem diplomatischen Parkett richtig zu bewegen wusste. Er trug mit Sicherheit keinen abgeschabten Umhang, wie uns unzählige Darstellungen weismachen wollen. Er war ein Adliger. Er ging nicht an einem Hirtenstecken, er saß vermutlich auf einem stolzen Ross. Sein Auftreten am Hofe des Abimelech wie beim Pharao spricht dafür, dass er eine in der diplomatischen Welt bekannte und angesehene Persönlichkeit war.

Abimelech von Sichem-Gerar war ein Zeitgenosse Abrahams. Die Zeit des Abimelech, des Sohnes von Gideon mit seinem (angeblichen) Kebsweib zu Sichem, ist damit ganz eindeutig festgelegt. Nach seiner Krönung in Sichem-Gerar-Geser hat Abimelech seinen Wohnsitz offenbar verlegt. Weiter unten werde ich auf Aruma (Richter 9, 41) eingehen, das offenbar (später?) sein Hauptsitz war.

(1. Mose 20, 1) Abraham aber zog von dannen ins Land gegen Mittag und wohnte zwischen Kades(ch!) und Sur und ward ein Fremdling zu Gerar.

Die geographische Umreißung des Wirkungsbereiches Abrahams "zwischen Kadesch und Sur" kann zweierlei bedeuten: Kadesch-Barnea und die Wüste Sur (bzw. Zur) liegen in der Südostecke Israels südlich des Toten Meeres. In diesem Kadesch wohnte Abraham vorübergehend, nachdem er aus Ägypten zurückgekehrt war (630 ndFl) und bevor er nach Hebron umzog. Die zweite Bedeutung schließt praktisch ganz Israel ein: Kadesch am Orontes, fast an der phönizischen Grenze gelegen, ist der Nordpunkt, und (die Wüste) Sur bildet die Grenze gegen Ägypten, ist also der südlichste Punkt Israels. Selbstverständlich zieht es Abraham nach Sichem-Gerar, an den Sitz des derzeitigen Herrschers. Handelt es sich hierbei etwa auch um ein Kadesch? Liegt die Megalopolis Bethel-Sichem-Salem etwa am Orontos statt auf dem Gebirge Ephraim? Die Erwähnungen Gerars an anderen Stellen im AT (1. Mose 10, 19; 2. Chronik 14, 12.13) scheinen eine an anderem Ort gelegene Stadt zu betreffen!

Wie aus Vers 2 hervorgeht, war damals Abimelech König in Gerar. Der Name Gerar bedeutet Aufenthalt (nach der Wurzel gur = niederlassen5). Gemeint ist, dass sich Abraham hier niederließ. Insofern verwundert es nicht, dass die Stadt Sichem nur hier und in 1. Mose 26 Gerar genannt wird: (1) Es kam aber eine Teuerung ins Land nach der vorigen, so zu Abrahams Zeiten war. Und Isaak zog zu Abimelech, der Philister König, gen Gerar.

Wie ich bei früherer Gelegenheit schon sagte, ist vieles, was im AT zu Isaak gesagt wird, auf Abraham anzuwenden, und vieles, was zu Jakob gesagt wird, auf Isaak. So ist auch die obige Stelle eine "Doublette". Bezeichnend ist hier die Querverbindung zu Gerar = Sichem, wo Jakob - in Wirklichkeit war es bekanntlich Isaak - die Wertsachen vergrub unter einer Eiche, die neben Sichem stand (1. Mose 35, 4). Es ist in diesem vorliegenden Kapitel, das von der Rehistorifizierung des Richter-Buches handelt, indes nicht angebracht, auf die Einzelheiten in 1. Mose einzugehen. Zu den Stationen Abrahams auf seinem Wege von Haran ins Land Kanaan muss aber einiges gesagt werden.

Absolut unglaubwürdig ist die Angabe (1. Mose 12, 4), dass Abraham bereits 75 Jahre alt gewesen sei, als er aus Haran in ein Land, das ich dir zeigen will, aufbrach. Sein Alter war 38 Jahre, also nur die Hälfte (* 565 ndFl). Abraham, der mit einer Halbschwester namens Sara verheiratet war, zog durch bis an die Stätte Sichem und an den Hain Moore (1. Mose 12, 6). Das überrascht uns überhaupt nicht mehr. Nachdem er in Sichem einen Altar gebaut hatte, zog Abraham weiter und kam an einen Berg, der lag gegen Morgen von der Stadt Beth-El und richtete seine Hütte auf, dass er Beth-El gegen Abend und Ai gegen Morgen hatte, und baute daselbst dem Herrn einen Altar und predigte von dem Namen des Herrn (1. Mose 12, 8).

Ich habe diese Passage in einem früheren Kapitel schon Isaak zugeschrieben. Dennoch trifft diese Angabe auch auf Abraham zu, der ebenfalls nach Beth-El = Salem-Silo-Ophra zog; aber dies gehört in eine hundertfünfzig Jahre spätere Phase und hat nichts mit der Gründung von Beth-El zu tun.

Ai (= Trümmerhaufen) lag entweder westlich oder östlich von Beth-El, jenachdem, ob es in der damaligen oder in der modernen Ausdrucksweise "gegen Morgen" von Beth-El lag. Da die Überarbeitung des AT in einer Zeit stattfand, in der die Sonne schon längst wieder im Osten aufging, kann der "Trümmerhaufe Ai" die (süd-)östlich von Beth-El gelegene zerstörte Stadt Gibea gewesen sein. Daraus ergäbe sich für den Umzug Abrahams nach hier die Zeit nach dem Benjaminiterkrieg, der im Todesjahr Abimelechs stattfand: 606 ndFl.

Ich haltes es jedoch für wahrscheinlicher, dass Abraham schon etwas früher von Sichem nach Beth-El umzog, als die Stadt Gibea noch nicht zum Trümmerhaufen Ai (= Jabes; vgl. weiter oben!) geworden war, nämlich nach der Zerstörung Sichems und dem Tode Abimelechs, als er Melchisedek hier zur Krönung zum König von Israel verhalf. Nur wenig später wurde die Stadt Sichem wieder hergerichtet und Rehabeam im selben Jahr 606 ndFl hier ebenfalls zum König von Israel gekrönt (1. Könige 12, 1; 2. Chronik 10, 1).

Abimelech hatte kurz vor seinem Tode noch die Stadt Sichem "zerbrochen und Salz darauf gesät" (Richter 9, 45). Daraus ist zu schließen, dass Sichem-Gerar nach der Zerstörung durch Chus-Sesostris von Abisalom wieder aufgebaut und wenige Jahre danach von Abimelech erneut zerstört worden war, um bis zum Jahre 606 ndFl neu errichtet zu werden.

Abraham wurde im Jahre 617 ndFl von Chu-Sebek bzw. Se-bekchu (= Bok-cho-ris), dem Feldherrn des Sesostris und Sohn von Zaphenat = Tefnachte, dem Sohn von Herihor-Harchuf = Josef, in Sek-mem gefangengenommen. Ich halte Sekmem für Sichem. Schekem = Bergrücken ist die hebräische Deutung des Namens Sichem. Die Bewohner Sichems heißen "Sikmiter" ("sikmim"). Daher kann sek-mem, wo Chu-sebek einen wichtigen Gefangenen machte6, als mit Sichem identisch angesehen werden, dem Wohnort Abrahams vor seinem Ägyptenaufenthalt. Demnach muss er bis 617 ndFl seinen Wohnsitz wieder nach hier verlegt haben.

Abraham und Abimelech waren keine guten Freunde, soweit man in 1. Mose erkennen kann. Das wäre auch gar nicht zu erwarten, da Aufpasser - und ein solcher war Abraham als Abgesandter des Samsi-Adad - im allgemeinen nicht beliebt sind. Wenn wir auch nur wenig über die drei Jahre erfahren (Richter 9, 22), in denen Abimelech über Israel herrschte, so nehmen wir doch wahr, dass es am Ende dieser Zeit zu ernsthaften Differenzen zwischen Abraham und Abimelech gekommen sein muss.

Nachdem Abimelech keine Anstalten gemacht hatte, wie sein Vorgänger Elimelech die amoritisch-hethitische Oberhoheit (weiterhin?) anzuerkennen, inszenierte Abraham auf Geheiß seines Gott-Königs Samsi-Adad eine Revolte gegen ihn:

(Richter 9, 22) Als nun Abimelech drei Jahre über Israel geherrscht hatte, (23) sandte Gott einen bösen Willen zwischen Abimelech und den Männern zu Sichem. Und die Männer zu Sichem wurden Abimelech untreu, ... (26) Es kam aber Gaal, der Sohn Ebeds, und seine Brüder und zogen zu Sichem ein. Und die Männer zu Sichem verließen sich auf ihn...

Diesen Gaal halte ich für einen Sohn Abrahams, der seinerseits mit Ebed-Jahwe (= Knecht Jahwes; Psalm 105, 6.42) identisch ist. Die Interpretation des Namens Gaal schwankt zwischen "Palmensetzling" und "Verachtung". Er taucht an anderen Stellen im AT nicht auf. Der Name oder Namensteil Ebed in der Bedeutung von "Knecht" oder "Anhänger" kommt dagegen im AT verhältnismäßig häufig vor. Es lässt sich im Richter-Buch, speziell in Kapitel 9, keine andere Person ausmachen, auf die die Bezeichnung Ebed auch nur annähernd so gut anzuwenden wäre wie auf Abraham, der im Richter- Buch begreiflicherweise ohnehin nicht namentlich erwähnt werden kann. Er wäre ja bereits Jahrhunderte tot, wenn der AT-Chronologie gefolgt wird. Insofern ist der "Setzling" Gaal als Abkomme oder Sohn des Ebed-Abraham nicht abwegig; beide können nicht beim richtigen Namen genannt werden.

Gaal, der um 585 ndFl geboren sein müsste, als Abraham etwa 20 Jahre alt war, wäre im Jahre 606 ndFl, also drei Jahre nach Abimelechs Regierungsantritt, 21 Jahre alt gewesen. Seine Mutter könnte Sara geheißen haben, falls dies überhaupt der Name von Abrahams Hauptfrau gewesen sein sollte. Gaal, von dem sonst nichts bekannt ist, kann durchaus mit dem Vater nach Kanaan gekommen sein, was dann natürlich auch für seine Brüder gilt, die aber entsprechend jünger gewesen sein müssten (18-20 Jahre alt). Andererseits sollte die Möglichkeit, dass Gaal mit dem "Ebed-Jahwe" Abraham identisch ist, in Anbetracht der Tatsache, dass die Söhne Abrahams noch sehr jung gewesen sein müssen, nicht ausgeschlossen werden. Die Bedeutung Verachtung (gegenüber Abimelech), die der Name Gaal hat, käme in diesem Falle noch besser zur Geltung.

Es kam zunächst zum Aufstand in Sichem (Richter 9, 23ff.) und anschließend zum Benjaminiterkrieg (Richter Kap. 20). Wir verfolgen zunächst den Aufstand, in dessen Verlauf Abimelech unterliegt und stirbt. Gaal, der Anführer, sagt:

(Richter 9, 28) ... Wer ist Abimelech, und was ist Sichem, dass wir ihm dienen sollten? Ist er nicht Jerubbaals Sohn und hat Sebul, seinen Knecht, hergesetzt? Dienet den Leuten Hemors, des Vaters Sichems! Warum sollten wir jenem dienen?

Diese Rede muss im Original anders gelautet haben: "Ist er nicht der Sohn Mephiboseths (= Jerubbaals), der selbst auf die Königswürde bereits verzichtet hatte? Hat er nicht die Herrschaft nach dem Tode Elimelechs an sich gerissen und dabei die Söhne Elimelechs ausgeschaltet? Warum sollten wir so einem dienen? Setzt einen Sohn Elimelechs als König Israels ein!"

Offensichtlich steckte auch der Leibrockpriester, jener Levit aus Bethlehem-Juda, Machlon-Zadok = Melchisedek = Achija von Silo, der ein Sohn Elimelechs mit der Ammonitin Naemi und vor allen Dingen ein Freund Abrahams war, hinter diesen Unruhen. Das wird weiter unten noch deutlicher. Wer mit Sebul gemeint ist, der ein Nachfahre des Sebulon gewesen und von Abimelch in Sichem als sein Statthalter eingesetzt worden sein könnte, ist nicht ersichtlich. Ich halte ihn auf keinen Fall für Abraham, da dies keinerlei Sinn ergeben würde. Der Hinweis auf Sebulon-Othniel, den ersten männlichen Richter in Israel, könnte indes in der Weise verstanden werden, dass Sebul ein Richter aus der Sebuloniter-Familie war, über den sich das Buch Richter in den übrigen Kapiteln jedoch ausschweigt. Die Tatsache, dass Elimelech und seine Söhne ebenfalls Sebuloniter (Keniter) waren, also auch Daniter im Sinne von Richter, sollte aber nicht dazu verleiten, in Sebul, einem Bundesgenossen des Abimelech, einen Sohn Elimelechs zu sehen.

Absolut anachronistisch ist der Hinweis auf Hemor, den angeblichen Vater Sichems. Hemor ist der Großvater jenes ägyptischen Heerführers, der Abraham in Sichem gefangennehmen und nach Ägypten bringen wird (617 ndFl), wo Abraham dann die Plagen des Pharao (Typhon-Katastrophe Nr. 4; 624 ndFl) erleben wird (1. Mose 12, 17). Hemor ist Chem-ur = Ur-mai, der mit Acht und Bann belegte ehemalige Priester von On = Heliopolis, der auch Re-User = Osarsiph-Peteseph-Potiphar, der Sohn des Levi = Chevi = Chau-sebek-em-saf ist: er ist Asarja-Aaron.

Ihn kann Gaal im Todesjahr Abimelechs (606 ndFl) auf keinen Fall schon erwähnt haben. Aaron und Abraham kamen im Jahre 628 ndFl gemeinsam aus Ägypten nach Kanaan-Israel, und Aarons Sohn Eleasar, der Prophet Elias, der Thisbiter, der aus Thisbe, dem ägyptischen Theben stammte, lebte mit Ebed-Jahwe Abraham in Hebron, wo letzterer auch starb.

Der Ablauf des Aufstandes gegen Abimelech ist mit wenigen Worten geschildert:

Zunächst begannen die Sichemiter damit, die Wege auf dem Gebirge Ephraim unsicher zu machen (Richter 9, 25). Dann kam Gaal mit seinen Brüdern und zog in Sichem ein. Nachdem er das Volk auf seine Seite gezogen und gegen Abimelech aufgewiegelt hatte, sandte Sebul heimlich eine Botschaft an Abimelech. Daraus ist zu entnehmen, dass dieser nicht in Sichem wohnte. Warum sollte er auch einen Statthalter in Sichem einsetzen, wenn er selbst hier residiert hätte? Abimelech legte sich mit seinem Heer, das er in "vier Haufen" aufgeteilt hatte, vor Sichem in einen Hinterhalt. Als nun Gaal mit seinen Leuten aus der Stadt herauskam, griff Abimelech sie an.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Erwähnung der Zaubereiche (Vers 37), die demnach bei Sichem stehen und mit der "hohen Eiche, die neben Sichem steht" identisch sein muss: wie wir weiter oben in diesem Kapitel bereits gesehen haben, ist die Elon Meonenim (= Zaubereiche) die Eiche Meonothais = Othniels. Die Namen Meonothai und Maon bedeuten wie Sebulon ebenfalls Wohnung, so dass daraus der Schluss gezogen werden kann, dass Othniel auch mit Sebulon identisch ist.

Es ist nicht auszuschließen, dass Elon (= Eiche) mit der Person Manoah identisch ist, dem Vater Simsons. (Manoah-Maon-)Meonothai gilt als Vater bzw. als Gründer Ophras (1. Chronik 4, 14), der Stadt des Abimelech. Auf die Eichen braucht an dieser Stelle nicht mehr eingegangen zu werden, da sie bereits weiter vorn in diesem Kapitel abgehandelt wurden.

In der nachfolgenden Schlacht blieb Abimelech siegreich. Sebul vertrieb Gaal, und Abimelech blieb weiterhin wohnen zu Aruma: dorthin hatte er seine Residenz verlegt. Aruma (Richter 9, 41), das mit Ruma (2. Könige 23, 36; Heimat der Sebuda, der Mutter Jojakims; beide Ortsnamen bedeuten Anhöhe) identisch sein könnte, ist vermutlich auch Rama in der Nähe, und zwar südwestlich von Beth-El auf dem Gebirge Ephraim, wo Debora unter ihrer Palme zu Gericht saß. Hier, in der "klassischen" Richterstadt, stand auch die Eiche der Zauberer. Man beachte, dass dieser Ort "auf dem Gebirge Ephraim" in Wirklichkeit im Stammesgebiet Benjamin (= Samuel!) liegt. Die Grenzen der Stammesgebiete variieren, wie wir schon bei Gath-Rimmon und an anderen Beispielen gesehen haben.

Rama lag hart an der Grenze zu Ephraim, unweit von Gibea-Benjamin (Richter 19, 13). Es ist zweifellos auch das Rama = Ramathaim-Zophim vom Gebirge Ephraim (1. Sam. 1, 1.19), in dem Samuel (= Benjamin) geboren wurde. Wegen der Nähe des Grabes seiner Mutter Rahel (= Hanna) ist diese Angabe absolut glaubwürdig. Dass er hier auch aufgewachsen sein soll, entspricht hingegen nicht den Tatsachen. Später, als er in seiner Eigenschaft als "Richter" bzw. Edomiterkönig in dieses Land zurückkehrte, nahm er seinen Wohnsitz hier:

(1. Samuel 7, 15) Samuel aber richtete Israel sein Leben lang (16) und zog jährlich umher zu Beth-El und Gilgal und Mizpa. Und wenn er Israel an all diesen Orten gerichtet hatte, (17) kam er wieder gen Rama (denn da war sein Haus) und richtete Israel daselbst und baute dem Herrn daselbst einen Altar.

Dieser Altar könnte der Herr von Mizpa sein, der in Richt. 20, 1 erwähnt wird. Rama und Mizpa könnten Stadtteile von Beth-El gewesen sein oder umgekehrt: bei Beth-El könnte es sich um einen Stadtteil von Aruma-Mizpa-Ophra-Silo-Salem handeln, der eigentlichen Heimat des Abimelech. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass Abimelech seine Residenz in seiner Heimatstadt und nicht in Sichem hatte. Die Aufzählung von Rama und Mizpa kann aus späterer Zeit stammen. Die Namen "Zophim" (wie in Ramathaim-Zophim) und "Mizpa" haben jedenfalls die gemeinsame Wurzel "zaphach": "von einem hohen Ort herabschauen", also von Rama, dessen wörtliche Bedeutung "Anhöhe" ist. Auffallend ist, dass in all diesen Orten Altäre errichtet wurden. Handelte es sich immer um denselben Altar?

Ein Ort in Gilead (Josua 13,26) trägt den Namen Ramath-Mizpe, der zweifellos mit Mizpa identisch ist. Ich habe an anderer Stelle schon darauf hingewiesen, dass die Bezeichnung Gilead durchaus auch auf das Gebiet Benjamin mitanzuwenden ist: das Grab des Saul bei Jabes in Gilead (1. Sam. 31, 13) liegt zweifellos im Gebiet Benjamin, und Jabes ist mit allergrößter Wahrscheinlichkeit auch Gibea-Benjamin, die Residenzstadt Sauls. Mizpa liegt im Gebiet Benjamin, und Gilgal, wo Samuel ebenfalls "über Israel gerichtet" haben soll, dürfte gleichfalls dazu gehören; denn Gilgal ist sehr wahrscheinlich mit Beth-Hogla im Gebiet Benjamin identisch, nicht nur wegen seiner Nähe zum Jordan unweit Jericho wie Gilgal, sondern auch wegen der Nähe zu Beth-El. Von Gilgal wandten sich die Propheten Elia und Elisa nach Beth-El (2. Kön. 2, 1-4). Demnach wäre Samuel überhaupt nicht "herumgezogen", sondern immer am selben Ort geblieben.

Da die Bezeichnungen der Herkunft bei den Sebulonitern (= Kenitern) betont auf das Land der Hethiter hinweisen, so überrascht es nicht, dass ein Sohn des Othniel den Namen Heldai, der Netophathiter trägt. Da der Name vermutlich auch Cheldai gelesen werden kann, so steckt darin auch der Ausdruck Chaldäer. Bei Heldai, einem Hauptmann Davids, kann es sich daher durchaus um Laïs von Gallim, um Elon, den Hethiter, oder um dessen Sohn Simson, den Enkel des Othniel, gehandelt haben. Da aber Netopha in der Nähe von Bethlehem liegt, so kann auch ein anderer Nachfahre des Othniel in Frage kommen, etwa Elimelech oder einer seiner Söhne. Das wäre keineswegs abwegig.

Gaal wurde von Sebul endgültig aus Sichem vertrieben. Am nächsten Tag besiegte Abimelech das ganze Volk von Sichem, tötete die Bewohner und zerstörte die Stadt. Auf die Trümmer streute er Salz. Dies war jedoch nur ein vorläufiges Ende von Sichem, wie oben schon gesagt wurde.

Anschließend verbrannte Abimelech alle, die in den Turm der Festung des Hauses des Gottes Baal-Berith geflüchtet waren. Von dort zog er nach Thebez, das ausschließlich in diesem Zusammenhang erwähnt wird (Richt. 9,50; 2. Sam. 11, 21). Hier flohen die Bewohner ebenfalls auf einen Turm, und als Abimelech auch hieran das Feuer legen wollte, warf ein Weib einen Mühlstein von oben auf ihn herab, so dass er tödlich verwundet wurde. Auf seine Bitte hin erstach ihn ein Knecht, damit er nicht von der Hand einer Frau den Tod erlitten habe.

Das Haus des Gottes Baal-Berith ist mit großer Wahrscheinlichkeit Beth-El (= Haus Gottes) oder ein Stadtteil dieser Megalopolis Rama-Ruma-Aruma = Ophra-Salem-Silo. Wie ich an anderer Stelle schon sagte, kann es sich bei Baal-Berith nur um den Gott eines später noch zu schließenden Bundes handeln; der Name ist hier also ein Anachronismus. Demnach zog Abimelech von Sichem aus, wo er die Bewohner getötet hatte, nach Beth-El und weiter nach Thebez, wo er umkam.

Wer wurde der Nachfolger des Abimelech auf dem Thron von Israel? Hatte er Söhne? Waren seine Söhne die angeblichen Söhne Michas (1. Chronik 8, 35; 9, 41), nämlich Pithon, Melech, Tharea und Ahas? Wie ich weiter oben schon sagte, ist von keinem dieser Benjaminiter näheres bekannt, außer dass sie weitere Nachkommen gehabt haben sollen, die in diesen Zusammenhang aber keineswegs hinein passen.

Im Richter-Kapitel 10 werden als Nachfolger auf Abimelch die Richter Thola (23 Jahre) und Jaïr (22 Jahre) genannt. Da Abimelech jedoch kein Richter, sondern König von Israel war, muss auf ihn ein anderer König von Israel folgen. Die Frage ist dahingehend zu erweitern: Wer war Richter zu der Zeit, als Abimelech und seine Vorgänger Könige waren? Wenn wir David-Gideon und Mephiboseth-Gideon als Richter ansehen, dann können wir die Zeit zwischen dem Richter Simson und dem Tod des Jerubbaal-Gideon-Mephiboseth ebenfalls als "Richterzeit" ansehen. In dieser Zeit regierten aber auch Könige, nämlich David I und sein Sohn Adonia. Unter den Königen Abisalom, Elimelech und Abimelech hätte es demnach keine Richter gegeben?

In der Tat ist die Angabe: Nach Abimelech machte sich auf, zu helfen Israel, Thola, ein Mann von Isaschar, ein Sohn Phuas, des Sohnes Dodos ... (Richter 10,1) glaubhaft; denn generationsmäßig kämen sowohl Thola als auch Jaïr (Richter 10,3) als Richter in dieser Zeit in Frage. Jaïr starb erst in der Amarnazeit; denn er ist Arachattu von Kumidi, der den EA-Brief Nr. 198 schrieb. Kumidi ist der Begräbnisort des Jaïr: Kamon (Richt. 10,5). Wenn wir sein Todesjahr mit 651 ndFl ansetzen, was genau dem Jahr entspricht, in dem die meisten der uns vorliegenden EA- bzw. Amarna-Briefe geschrieben wurden, dann hätten die (23 + 22 = ) 45 Jahre, die den Richtern Thola und Jaïr gegeben werden, im Jahre 606 ndFl begonnen, im Todesjahr Abimelechs. Da aber in diesem Kapitel nur die Richterzeit bis zum Jahre 606 ndFl behandelt wird, gehören Thola und Jaïr nicht mehr hinein.

Als Richter nach Gideon-David I könnte zunächst Gideon-Mephiboseth in Ophra fungiert haben (591 ndFl), und nach seinem Tod der "levitische Jüngling" Machlon = Melchisedek aus der danitischen Richterfamilie (592-606). Das Jahr 606 ndFl, in dem Chus den Nimrud zeugte und Abimelech starb, war auch das Jahr des Regierungsantritts des Rehabeam, des angeblichen Sohnes von Salomo. Rehabeam war aber nicht der unmittelbare Nachfolger des Abimelch als König von Israel.

Die Söhne des Elimelech

Zwischen dem Tod Abimelechs und der Krönung Rehabeams, des Sohnes von Elimelech, in der Stadt Sichem lagen noch eine andere Krönung und eine turbulente, kriegerische Phase.

Abimelech war tot, und das Ziel seiner Gegner war, einen Sohn des Elimelech auf den Thron des Königs von Israel zu setzen. Zu diesen Befürwortern zählte auch Abraham, der an der Fortsetzung einer amurrufreundlichen Haltung des neuen Königs von Israel interessiert war. Elimelech war amurru- oder amoriterfreundlich gewesen. Für den Neubeginn dieser Dynastie kam Elimelechs ältester Sohn in Frage, nämlich Machlon-Zadok = Melchisedek von Salem = Achija von Silo, der "levitische Jüngling" und "Leibrock-Priester", der aber auch ein Priester des El-Elyon war, den David I schon verehrt hatte.

Es muss endlich auch gesagt werden,  dass es in der berichtigten Geschichte in der in Rede stehenden Zeit noch keine Leviten gegeben haben kann; denn die kommen erst mit dem Exodus des Levi-Sohnes Aaron ins Land (630 ndFl). In den hier geschilderten Zusammenhängen bedeutet "Levit" einfach nur "Priester".

Die Kapitel im Buch Richter stehen nicht in der historisch korrekten Reihenfolge. So folgt auf das Kapitel 18, das an das Ende der Regierungszeit des Königs David I gehört, das Kapitel 19, das das Ende der Regierungszeit des Abimelch betrifft.

(1) Zu der Zeit war kein König in Israel. Und ein levitischer Mann war Fremdling an der Seite des Gebirges Ephraim und hatte sich ein Kebsweib genommen von Bethlehem-Juda.

Kann der "Jüngling", der Levit aus Bethlehem-Juda, in dem wir Machlon-Melchisedek-Achija erkannt hatten, den die Daniter mitsamt dem Leibrock-Altar des Micha-Abimelech mit nach Laïs-Dan genommen hatten, auch der obige levitische Mann gewesen sein, der ein Kebsweib hatte von Bethlehem-Juda? Der Hinweis auf Bethlehem-Juda ist unübersehbar. Überhaupt spricht in der Formulierung, die Richter 19, 1 anwendet, alles dafür, diesen "Fremdling" mit besagtem "Jüngling" aus Richter 17, 7ff. zu identifizieren. Allerdings ist nicht dieselbe Gelegenheit gemeint wie in Richt. 17. Zwar ist auch diesmal "kein König in Israel"; aber es handelt sich jetzt um die Zeit nach dem Tode Abimelechs, zwölf Jahre nach der Begebenheit mit dem Leibrock-Altar. Wie war es Machlon-Achija in der Zwischenzeit ergangen?

Darüber wissen wir nicht viel. Einiges lässt sich aus den Angaben in Richter 19 rekonstruieren. "An der Seite des Gebirges Ephraim" deutet auf Salem-Silo hin. Schließlich war Machlon-Zadok nicht nur Melchisedek von Salem, sondern auch Achija von Silo. In diese Gegend konnte er nur kurz vor oder sogar erst nach dem Tode des Abimelech gekommen sein - von wo? Die Erwähnung des Kebsweibes von Bethlehem-Juda ermöglicht es, eine Querverbindung zu Elimelech bzw. einem seiner Söhne herzustellen. Hierzu verhilft uns das Buch Ruth, das auf das Buch Richter unmittelbar folgt.

Als Wohnorte Elimelechs werden im Buch Ruth Bethlehem und Moab, nicht jedoch Jerusalem angegeben:

(Ruth, 1, 1) Zu der Zeit, da die Richter regierten, ward eine Teuerung im Lande. Und ein Mann von Bethlehem-Juda zog wallen in der Moabiter Land mit seinem Weibe und seinen zwei Söhnen. (2) Der hieß Elimelech, sein Weib Naemi und seine zwei Söhne Machlon und Chiljon; die waren Ephrater von Bethlehem-Juda. Und da sie kamen ins Land der Moabiter, blieben sie daselbst.

Es liegt nahe, die im Buch Ruth ausgebreitete Geschichte, die stark vereinfacht wiedergegeben worden ist, folgendermaßen zu rehistorifizieren:

Elimelech (* 538 ndFl) zog nach dem Tode seines Adoptivvaters David I, der nicht in seinem Palast in Jerusalem, sondern in der Stadt Davids (Lukas 2, 4) gestorben war, nämlich in Bethlehem, von hier nach Moab (= Ruben!). Es ist denkbar, dass David ihn dort bereits um 559 ndFl als Provinzkönig eingesetzt hatte. Elimelech heiratete um diese Zeit Achinoam, die um 545 ndFl geborene Tochter des Achimaaz (* ca. 522 ndFl), die fälschlich als Gemahlin sowohl des Saul als auch des David ausgegeben wird. Sie war die "Achi-Noama", Naema bzw. Naama aus dem Buch Ruth. Achimaaz bzw. Maaz kann der Sohn des Moza-Mesa (* ca. 501 ndFl) gewesen sein, des ältesten Sohnes von Kaleb, oder er war Maaz-Moza-Mesa selbst. (Achi-)Maaz kann aber auch ein Sohn des (Hu-)Ram (1. Chronik 2, 27) gewesen sein, ein um 522 ndFl geborener Bruder Davids mithin.

Der Sohn Machlon des Elimelech begab sich von Bethlehem-Juda aus in eine andere Richtung: Wir lernten ihn bereits kennen als den "Jüngling" (der er an Jahren aber längst nicht mehr war), der mit den Danitern, den Verwandten des Sebuloniters bzw. Keniters Elimelech, nach Laïs-Dan zog. Er hatte eine Tochter des Gideon-Jerubbaal-Mephiboseth zur Frau, mithin eine Schwester des Micha-Abimelech. Machlon kann seinen Zweitnamen Zadok (= gerecht) dem Umstand zu verdanken gehabt haben, dass er der "fehlende" Richter für die Zeit nach Gideon-Jerubbaal war (592-606 ndFl).

596 ndFl, im Todesjahr des Abisalom, kehrte Elimelech mit der Unterstützung der Amoriter/Hethiter nach Bethlehem-Juda zurück, um hier als König von Israel auf den Thron zu steigen: bis 603 ndFl. Auch in dieser Zeit kann Machlon der Richter Zadok gewesen sein, dessen Name als Priester unter den Leviten (!) erscheint (1. Chronik 6). Die Rolle des Micha-Abimelech war zur Zeit des Königs Elimelech noch unbedeutend.

Bethlehem-Juda war der Sterbeort David-Hezrons, es war der Ausgangsort Elimelechs für sein moabitisches Zwischenspiel und seine Residenz als König von Israel, es war die Heimat des levitischen Jünglings wie des levitischen Fremdlings, und es war der Wohnort des Schwiegervaters bzw. des Kebsweibes des letzteren. Bethlehem war eine Gründung Kalebs und seiner Frau Ephrata, der Großeltern Davids I. Es ist nicht auszuschließen, dass Bethlehem die Hauptstadt des Südreiches Juda war, bevor Jerusalem-Juda diese Rolle übernahm.

Nicht weit von Bethlehem befand sich das Grab der Rahel. Rahel soll auf dem Wege von Beth-El, dem Ort, wo Rebekka beigesetzt worden sein soll (sie war gar nicht mitgezogen!), nach Ephrath (= Bethlehem) ihren Sohn Ben-Oni = Benjamin bekommen haben (1. Mose 35,16-20). In Wirklichkeit war der Zug der "Ephraim" zu diesem Zeitpunkt bereits wieder in umgekehrter Richtung unterwegs. Der Geburtsort des Samuel-Benjamin war Rama(thaim)-Zophim = (A)Ruma im Stamme Benjamin auf dem Gebirge Ephraim.

Wer könnte der Vater jenes Kebsweibes des Leviten gewesen sein? Ich halte den jüngeren Bruder des Machlon-Zadok, den mit der Moabitin Orpa verheirateten Chiljon, für den Vater der Ruth, die im Buch Ruth als Moabitin wie Orpa bezeichnet wird. Ruth wäre demnach nur ein "Kebsweib" des Machlon gewesen. Überhaupt scheint die Darstellung des Buches Ruth nicht ganz den Tatsachen zu entsprechen. Das gilt schon für den ersten Vers, in dem von einer Teuerung die Rede ist, die mit Sicherheit nicht der Anlass für die "Wallung" des Elimelech und seiner Familie nach Moab gewesen sein dürfte. Über den wahren Grund für diese Ortsveränderung wurde weiter oben schon abgehandelt. Die Teuerung an sich könnte zutreffend sein, da auch in Ägypten die "sieben mageren Jahre" in dieser Zeit liegen könnten.

(Ruth 1, 3) Und Elimelech, der Naemi Mann, starb, und sie blieb übrig mit ihren zwei Söhnen. (4) Die nahmen moabitische Weiber; eine hieß Orpa, die andere Ruth. Und da sie daselbst gewohnt hatten ungefähr zehn Jahre, (5) starben sie alle beide, Machlon und Chiljon, dass das Weib überlebte beide Söhne und ihren Mann.

"Ungefähr zehn Jahre" ist eine unpräzise Zeitangabe. Mit ihr ist nichts anzufangen. Es könnte damit die Zeit für den Aufenthalt der Familie in Moab gemeint sein, in der Elimelech Statthalter zuerst seines Stiefvaters David I und dann seines Halbbruders Abisalom war (etwa von 586 bis 596 ndFl); dann zogen sie alle gemeinsam nach Bethlehem-Juda, wo sich die Residenz des Königs Elimelech von Israel befunden haben dürfte. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass die Witwe mit ihren Söhnen und Schwiegertöchtern nach Moab zurückkehrte. Erstens gäbe es dafür keinen Grund, wenn sich Abimelech mit dem "Haus Millo" auf friedlichem Wege geeinigt hätte, und zweitens wäre Machlon in jedem Falle über Ophra nach Laïs-Dan statt nach Moab gegangen.

(Ruth 1, 6) Da machte sie sich auf mit ihren zwei Schwiegertöchtern und zog wieder aus der Maobiter Lande; ..(7).. Und da sie ging auf dem Wege, dass sie wiederkäme ins Land Juda, (8) sprach sie zu ihren beiden Schwiegertöchtern: "Gehet hin und kehret um ...!" ... (14)... Und Orpa küsste ihre Schwiegermutter; Ruth aber blieb bei ihr. ... (19)... Und da sie nach Bethlehem hineinkamen, regte sich die ganze Stadt über ihnen und sprach: "Ist das die Naemi?" (20) Sie aber sprach zu ihnen: "Heißt mich nicht Naemi, sondern Mara; denn der Allmächtige hat mich sehr betrübt!"

Drei wichtige Informationen entnehmen wir diesen Versen: Erstens wird eindeutig gesagt, dass die Familie nach Juda, und zwar nach Bethlehem, zurückging. Zweitens wird gesagt, dass Orpa, die Moabitin, nach dem Tode ihres Gatten wieder nach Moab zurückkehrte. Drittens erfahren wir, dass eine Frau, die einmal auf den Namen Naemi hört, der Huldreiche bedeutet, auch durchaus den Namen Mara haben kann, der Bitterkeit bedeutet und völlig anders klingt. Daher nehme ich auch vorweg, dass Ruth (der Name bedeutet Freundin, Freundschaft) mit Asuba (dieser Name bedeutet Verlassenheit), der Tochter des Silchi, identisch ist. S(ch)ilchi (der Name bedeutet bewaffnet) wiederum ist auch Chiljon, der Bruder und Schwiegervater des Machlon. Der Name Chiljon hat vermutlich überhaupt keine Bedeutung; es handelt sich dabei nur um eine konsonantenvertauschte Namensvariante von S(ch)ilchi.

Machlon-Zadok war mit Ruth-Asuba, die um 588 ndFl erst geboren sein kann, noch nicht lange verheiratet. Ihre Ehe war kinderlos, wenn wir dem Buch Ruth folgen. So kann es gewesen sein; es kann aber auch ein Sohn namens Dodawa aus dieser Ehe hervorgegangen sein (* ca. 604 ndFl), der der Vater des Elieser wurde (* ca. 630 ndFl), der mit Elieser von Damaskus, einem "Knecht" Abrahams, identisch sein kann - falls nicht Dodawa der Sohn einer Tochter Abrahams war. Wie wir noch sehen werden, waren Machlon-Melchisedek und Abraham eng befreundet.

Aus der Ehe Machlons mit der Tochter des Gideon-Jerubbaal-Mephiboseth war bereits um 593 ndFl, also kurz nach der Einsetzung des "levitischen Jünglings aus Bethlehem-Juda" in Laïs-Dan, die Tochter Jerusa hervorgegangen. Ruth-Asuba und Jerusa werden uns noch beschäftigen. Sie werden Frauen und Mütter von Königen Juda's. Vorläufig ist das "Kebsweib aus Bethlehem-Juda", nämlich Ruth, noch mit Machlon-Zadok verheiratet:

(Richter 19, 2) Und da sie hatte neben ihm gehurt, lief sie von ihm zu ihres Vaters Hause gen Bethlehem-Juda und war daselbst vier Monate lang. (3) Und ihr Mann machte sich auf und zog ihr nach, dass er freundlich zu ihr redete und sie wieder zu sich holte. Heutigem Sprachgebrauch entsprechend heißt das: Sie hatte ihren Ehemann betrogen, war aus Furcht vor Strafe weggelaufen und sollte nun wieder nach Hause kommen; Ruth = Asuba (= "Verlassenheit"!).

Am fünften Tage seines Aufenthaltes in Bethlehem machte sich "der Mann" - so wird Machlon-Zadok in Kapitel 19 nur genannt - mit seinem Kebsweib, seinem Knecht und einem Paar Esel wieder auf den Heimweg. Ich kann es mir nicht versagen, an dieser Stelle einen wohlbekannten Vers aus dem Buch Ruth einzuschieben, der mir hierher viel besser zu passen scheint, als zu der Originalstelle:

(Ruth 1, 16) Ruth antwortete (ihrer Schwiegermutter):"Rede mir nicht ein, dass ich dich verlassen sollte und von dir umkehren. Wo du hin gehst, da will auch ich hin gehen;..."

Als die Gruppe auf dem Heimweg am Abend vor Jebus (das ist Jerusalem bestätigt Richt. 19,10) ankam, wollte der Knecht in dieser Stadt übernachten.

(Richter 19, 12) Aber sein Herr sprach zu ihm: "Wir wollen nicht in der Fremden Stadt einkehren, die nicht sind von den Kindern Israel, sondern wollen hinüber gen Gibea." (13) ... "Gehe weiter, dass wir hinzukommen an einen Ort und über Nacht zu Gibea oder zu Rama bleiben." (14) Und sie zogen weiter und wandelten, und die Sonne ging ihnen unter, hart bei Gibea, das da liegt in Benjamin.

Wenn Jerusalem längst die Hauptstadt des David-Reiches gewesen wäre, dann müssten die Jebusiter, die als ein kanaanitisches Volk angesehen werden, das bereits vor den Kindern Israel hier lebte, zu diesem Zeitpunkt reine Fiktion sein. Wenn die Aussage Richter 19,10, Jebus sei Jerusalem, auf dasjenige Jerusalem bezogen wird, das von Hiërosolymos = Jeruschalma, in dem wir Samuel-Benjamin erkannt haben, gegründet wurde, dann ergibt das keinen Sinn. Mit diesem hier angesprochenen jebusitischen Jerusalem ist dasjenige gemeint, das in Juda liegt und das erst von Rehabeam zu seiner Hauptstadt gemacht wurde. Was mit den Jebusitern geschah, ob die überhaupt noch zu dieser Zeit hier gelebt haben, ob Rehabeam oder wer ihnen die Stadt abgenommen und zur Hauptstadt Juda's gemacht hat, bleibt völlig offen.

David I regierte jedenfalls noch in Kadesch-Jerusalem (am Orontes?), das aber durchaus mit der Megalopolis um Beth-El und Silo identisch sein kann. Es wohnten nach David I vermutlich die Söhne der Abigail in Kadesch-Jerusalem, so auch der im Zusammenhang mit Abimelech erwähnte Jotham = Jethream, mit Sicherheit aber die Erben des Ab(i)salom(o), dessen Residenz als König von Israel ebenfalls dieses Jerusalem gewesen sein dürfte, wenn er nicht in Geser = Gerar-Sichem residierte, das ihm der Pharao großzügig zum Geschenk gemacht hatte - oder war Gerar-Sichem und die ganze Megalopolis Beth-El das Heiligtum Kadesch am Orontes? Die Hinweise darauf verdichten sich immer mehr. Meinte Manachpiria mit seinen Siegesinschriften das Kadesch-Geser-Gerar-Sichem, das auch schon von Chus-Sesostris zur Hauptstadt gemacht worden war, und nicht das Kadesch am Orontes?

Vor wem oder was musste sich Machlon-Zadok, "der Mann", der mit seinem Kebsweib, seinem Knecht und einem Paar Eseln ein Quartier für die Nacht suchte, in Jerusalem fürchten? Warum zog er lieber weiter, bis er im Gebiet Benjamin war? Schließlich war man hier auch nicht besonders freundlich zu ihm:

(Richter 19, 15) Und sie kehrten daselbst ein, dass sie ... über Nacht zu Gibea blieben. Da er aber hineinkam, setzte er sich in der Stadt Gasse; denn es war niemand, der sie die Nacht im Hause beherbergen wollte. (16) Und siehe, da kam ein alter Mann, ...und er war auch vom Gebirge Ephraim und ein Fremdling zu Gibea; aber die Leute des Orts waren Benjaminiter. (17) Und da er seine Augen aufhob und sah den Gast auf der Gasse, sprach er zu ihm: "Wo willst du hin und wo kommst du her?" (18) Er aber antwortete ihm:

"Wir reisen von Bethlehem-Juda, bis wir kommen an die Seite des Gebirges Ephraim, daher ich bin; und ich bin gen Bethlehem-Juda gezogen und ziehe jetzt zum Hause des Herrn (!), und niemand will mich beherbergen."

Wir erhalten hier zwei aufschlussreiche Informationen:

1. Der Fremdling zu Gibea war vom Gebirge Ephraim, und er war kein Benjaminiter;

2. "der Mann" auf der Gasse wohnte ebenfalls "an der Seite des Gebirges Ephraim"; sein Ziel dort ist "das Haus des Herrn", also Beth-El!

Jetzt wissen wir endlich, was "an der Seite des Gebirges Ephraim" exakt bedeutet: Beth-El bzw. Ophra-Salem-Silo, das unmittelbar nördlich des Benjaminiter-Gebietes liegt. Dort wohnte auch der "Fremdling zu Gibea", jener "alte Mann", den ich aber auf höchstens vierzig Jahre taxiere; denn er ist Abraham, der ebenfalls in Beth-El wohnt - und keineswegs in Gibea, wie wir sehen werden.

Der "alte Mann" Abraham nahm "den Mann" Machlon-Zadok samt seiner Begleitung mit in sein Haus. Was nun geschah, erinnert in so auffälliger Weise an eine Begebenheit, die sich im Hause Lots, eines angeblichen Verwandten Abrahams, in Sodom abspielte (1. Mose 19), dass wir bestärkt werden in der Ansicht, es müsse sich in Gibea um Abraham handeln:

(Richter 19, 22) ... da kamen die Leute der Stadt, böse Buben, und umgaben das Haus und pochten an die Tür und sprachen zu dem alten Mann, dem Hauswirt: "Bringe den Mann heraus, der in dein Haus gekommen ist, dass wir ihn erkennen!"7 (23) Aber der Mann, der Hauswirt, ging zu ihnen heraus und sprach zu ihnen: "Nicht, meine Brüder, tut nicht so übel; nachdem dieser Mann in mein Haus gekommen ist, tut nicht eine solche Torheit! (24) Siehe, ich habe eine Tochter, noch eine Jungfrau, und dieser ein Kebsweib; die will ich euch herausbringen. Die mögt ihr zu Schanden machen, und tut mit ihr, was euch gefällt; aber an diesem Mann tut nicht eine solche Torheit.

Bevor wir die Sache in Gibea weiter verfolgen, sei zuerst die Parallelstelle mit dieser Situation verglichen. Auch hier sind Gäste die Objekte der "sodomitischen" Begierde der Einheimischen, wobei aber zu berücksichtigen ist, dass erstens in unserer Zeit "Sodomie" etwas anderes ist als die in Sodom praktizierte Homophilie, und dass zweitens Paiderastie oder Knabenliebe im Altertum nicht unbedingt eine Abscheulichkeit war. Die "Sodomie" war den Juden allerdings eine göttliche Strafe wert, die darin bestand, dass "Sodom umgedreht" wurde. Die Gäste in Sodom sind "die beiden Engel des Herrn", die im Hause Lots logierten:

(1. Mose 19, 4) Aber ehe sie sich (schlafen) legten, kamen die Leute der Stadt Sodom und umgaben das Haus, jung und alt, das ganze Volk aus allen Enden, (5) und forderten Lot und sprachen zu ihm: "Wo sind die Männer, die diese Nacht zu dir gekommen sind? Führe sie heraus, dass wir sie erkennen!" (6) Lot ging heraus zu ihnen vor die Tür und schloss die Tür hinter sich zu (7) und sprach: "Ach, liebe Brüder, tut nicht so übel! (8) Siehe, ich habe zwei Töchter, die haben noch keinen Mann erkannt, die will ich herausgeben unter euch, und tut mit ihnen, was euch gefällt; allein diesen Männern tut nichts ...

Diese fast wörtliche Übereinstimmung gibt zu denken. Ich bin der Ansicht, dass diese Geschichte zu Sodom gehört und passt, für das sie erdacht wurde. Hier in Gibea hat dieser Vorgang überhaupt nicht stattgefunden. Nur um einen Anlass zu finden als Auslöser für das Geschehen im Anschluss an diese Geheimkonferenz - und um eine solche handelt es sich bei dem Treffen zwischen Abraham und Machlon, die beide in der Stadt nicht zu Hause waren -, wurde obige Begebenheit von Sodom nachträglich auch nach Gibea verlegt. Dazu muss angemerkt werden, dass der Untergang von Sodom und Gomorra zu dieser Zeit noch nicht stattgefunden hatte; er gehört erst in das Jahr 641 ndFl. Die Bearbeitung der Bibel-Texte (des AT) gehört in eine noch spätere Zeit, in der beide Ereignisse bereits Geschichte waren.

Abraham hatte ähnlich Probleme, seine Frau Sarah vor der Begehrlichkeit anderer zu schützen: Abimelech von Gerar und der Pharao hatten ein Auge auf seine Halbschwester und Gemahlin geworfen. Die Situation war jedoch in beiden Fällen von der sodomitischen verschieden. Bemerkenswert ist daran, dass sich alle diese Geschichten immer im Umfeld Abrahams abspielen.

"Der Mann" gab den Leuten von Gibea sein Kebsweib heraus, und sie trieben ihren Spaß mit ihr bis zum anderen Morgen. Der Vers 25 enthält einen Widerspruch, durch den sich die Unglaubwürdigkeit dieser "Kopie von Sodom" offenbart: Aber die Leute wollten ihm nicht gehorchen. Da fasste der Mann sein Kebsweib und brachte sie zu ihnen hinaus. Genau das hatte der "alte Mann", der Hauswirt, ihnen ja auch angeboten; was soll dann die Formulierung: Aber sie gehorchten ihm nicht? Es hätte heißen müssen: Darauf gingen sie ein!

Was "der Mann", der Levit, am nächsten Tag tat, stellt wiederum eine Parallele zu einer anderen AT-Stelle dar:

(Richter 19, 27) ... da lag sein Kebsweib vor der Tür des Hauses und ihre Hände auf der Schwelle.(28) Er aber sprach zu ihr: "Stehe auf, lass uns ziehen!" Aber sie antwortete nicht. Da nahm er sie auf den Esel, machte sich auf und zog an seinen Ort. (29) Als er nun heimkam, nahm er ein Messer, fasste sein Kebsweib und zerstückte sie mit Gebein und mit allem in zwölf Stücke und sandte sie in alle Grenzen Israels.

Offenbar war die Frau bereits tot, als er sie auf den Esel lud. Was uns heutige Menschen zutiefst erschüttert, ist die Art und Weise, wie die Männer damals mit ihren Frauen, ihren Nebenfrauen bzw. Kebsweibern, verfuhren. Mit welcher ungerührten Selbstverständlichkeit das AT diese Vorgänge schildert, mutet uns archaisch und unmenschlich an. Gottes Lieblinge waren eindeutig die Männer. Die Frauen hatten schon seit Eva den Makel der hinterhältigen Bosheit, der Sünde schlechthin zu tragen. Daher waren sie Menschen von geringerem Wert als die "Herren der Schöpfung". Deren Gott war ja ebenfalls ein Mann. Wen wundert es, dass den Juden damals alle weiblichen Gottheiten verhasst waren? Weniger blutrünstig verfährt derselbe Mann bei einer ähnlichen "Zerstückelung" an besagter Parallelstelle:

(1. Könige 11, 29) Es begab sich aber zu der Zeit (wie aus dem Zusammenhang eindeutig hervorgeht noch vor der Krönung Rehabeams, angeblich noch unter "Salomo"), dass Jerobeam ausging von Jerusalem, und es traf ihn an der Prophet Achija von Silo auf dem Wege und hatte einen neuen Mantel an, und waren die beiden allein im Felde. (30) Und Achija fasste den neuen Mantel, den er anhatte, und riss ihn in zwölf Stücke (31) und sprach zu Jerobeam: "Nimm zehn Stücke zu dir! Denn so spricht der Herr, der Gott Israels: "Siehe, ich will das Königreich von der Hand Salomos reißen und dir zehn Stämme geben - (32) einen Stamm soll er haben um meines Knechtes David willen ...

Wer würde nicht bei dem "neuen Mantel" an den "Leibrock" des Micha von Ophra denken, der von dem levitischen Jüngling von Bethlehem-Juda Melchisedek von Salem = Achija von Silo schlichtweg geraubt wurde? Wer würde nicht bei dieser "Zwölftelung" an das Kebsweib des Leviten denken, der aus Bethlehem-Juda nach Gibea-Benjamin kam, dessen Wohnsitz aber beim "Hause Gottes", in Bethel-Ophra-Salem-Silo "an der Seite des Gebirges Ephraim" war?

So schließt denn auch dieses Richter-Kapitel mit einer vielsagenden Bemerkung:

Richter 19, 30: ... Nun bedenkt euch über dem,
gebt Rat und sagt an!

Dieser Aufforderung wollen wir bereitwillig Folge leisten; wir haben verstanden, was uns dieser Vers sagen will: dass im Buch Richter verschlüsselte Informationen vorliegen - und wir sind bereit, sie zu entschlüsseln.

Was wir hier erleben, ist der Krieg des Melchisedek gegen einen anderen Thronprätendenten, der offensichtlich aus Benjamin unterstützt wird. Der Rückhalt des Melchisedek bei den zehn Stämmen und vor allem bei den Amoritern ist ungleich größer. Zweifellos hatte Abraham seinen Günstling Melchisedek von Salem bereits im Auftrage seines Oberherrn gekrönt. Abraham war Statthalter des Amraphel von Sinear (= Samsiadad, Amar-Sin), des Amoriterkönigs in Amurru, und war diesem verantwortlich. Selbstverständlich konnte er ohne die Anweisung oder Billigung dieses "Herrn" in Kanaan nichts unternehmen.

Eigenartigerweise erscheint die Krönung des Melchisedek an einer Stelle im AT, die chronologisch betrachtet lange nach diesen Ereignissen liegen müsste, und zwar unvermittelt, aus dem Zusammenhang weder logisch noch erforderlich noch irgendwie sonst erklärbar:

(1. Mose 14, 18) Aber Melchisedek, der König von Salem, trug Brot und Wein hervor. Und er war ein Priester Gottes des Höchsten [El-Elyons]. (19) Und segnete ihn und sprach: "Gesegnet seist du, Abram, dem höchsten Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat; (20) und gelobt sei Gott der Höchste, der deine Feinde in deine Hand beschlossen hat. Und demselben gab Abram den Zehnten von allem.

Der einzige, jedoch wenig überzeugende Grund, warum diese Verse in Kapitel 1. Mose 14 Eingang fanden, könnte die Erwähnung des Amraphel von Sinear in diesem Kapitel sein, der auch zu der Zeit der Krönung Melchisedeks Oberherr in dieser Region war. Daher ist auch die letzte Zeile anders zu lesen: Und derselbe gab Abram den Zehnten von allem; denn in Wirklichkeit war es natürlich Melchisedek, der an Abraham, den Statthalter des Amraphel von Sinear, des neuen Oberherrn von Israel, den Zehnten bzw. den Tribut zu zahlen hatte. Das aber konnte der Redakteur dieses Kapitels nicht offen zugeben.

Das Kapitel 1. Mose 14 handelt in einer Zeit, die nach der Typhon-Katastrophe Nr. 4 liegt, also nach den "Plagen des Pharao", die Abraham in Ägypten erlebte: (1. Mose 12, 17) Aber der Herr plagte den Pharao mit großen Plagen und sein Haus um Sarais, Abrams Weibes willen. Die Kapitel 1. Mose 13 und 14 beinhalten die Rückkehr Abrahams nach Kanaan und den Einzug in seiner neuen Heimat Hain Mamre bei Hebron. Die Verse 1. Mose 14, 18-20 gehören in das Jahr 606 ndFl.

Hier wird ganz eindeutig die Einsetzung eines neuen Königs von Israel, und nicht nur von Salem, sondern bestenfalls zu Salem - oder zu Jeru-Salem = Kadesch (am Orontes?) - beschrieben, der mit der Unterstützung Abrahams bzw. der Amoriter auf einen Thron kam.

El-Elyon, der "Gott, der Höchste", war der Gott Davids I, des Reichsgründers, dem dieser den Tempel von Jerusalem (oder in Kadesch?) gebaut hatte. Dieser Gott, dem David-Gideon in Ophra den Altar Schelumi-El gebaut hatte, den Jerubbaal-Gideon in einen Leibrock-Altar des Baal umfunktioniert hatte, war auch der Gott jenes levitischen Jünglings aus Bethlehem-Juda, der den Leibrock mit nach Laïs-Dan genommen hatte: Melchisedek-Achija. Laïs-Dan im hohen Norden des Zwölfstämme-Staates liegt in der konventionellen Betrachtung sehr nahe am Libanongebiet und kann daher ebenfalls eine "Variante" von "Jerusalem am Orontes" = Kadesch sein. Kadesch-Naphthali liegt gleichfalls nicht weit von Laïs-Dan entfernt.

War der Tempel des David I zu Kadesch-Jerusalem weiter nichts als ein Altar für seinen Gott Schelumi-El, der in der Megalopolis Ophra stand, die die Heiligtümer Silo und Beth-El ebenso einschloss wie die Haupt- und Residenzstadt Salem (= Jeru-Salem)? Es gibt Gründe, umzudenken.

Abraham verheiratete eine um 590 ndFl geborene Tochter mit Melchisedek. Aus dieser Ehe ging sehr wahrscheinlich der Vater Dodawa jenes Elieser von Damaskus hervor, der ein Erbe des Abraham war (1. Mose 15, 2). Dies ist zwar rein hypothetisch, hat aber sehr viel für sich. Die andere Möglichkeit, dass Dodawa ein Sohn der Ruth war, hat geringere Chancen.

Die Regierungszeit Machlons, des Königs Melchisedek von Israel zu Salem, der auch dem Priester Zadok und dem Propheten Achija von Silo entspricht, war nur wenige Monate lang. Es sind dies hauptsächlich jene vier Monate, die das "Kebsweib" bei ihrem Vater in Bethlehem verbrachte. Sie war ihrem Gatten möglicherweise gar nicht entlaufen, sondern dieser hatte sie bei seinem Bruder und Schwiegervater zu Beginn der Kämpfe gegen Abimelech in Sicherheit bringen wollen. Als Melchisedek-Machlon nach vier Monaten Chiljon in Bethlehem aufsuchte, um ihn als Bundegenossen gegen den aufgetauchten Thronanwärter aus Jerusalem zu gewinnen, bestand seine Frau Ruth-Asuba darauf, bei ihm zu bleiben: Wo du hin gehst, da will auch ich hin gehen.

Vier oder fünf Tage verhandelte man in Bethlehem. Jetzt wird uns auch verständlich, weshalb "der Mann" mit seinem Kebsweib, seinem Knecht und dem Paar Eseln nicht in Jerusalem übernachten wollte: Der König Melchisedek reiste inkognito wie ein Handlungsreisender, und in Jerusalem saß der neue Thronanwärter Rehabeam, der jüngere Bruder von Machlon-Melchisedek und Chiljon-Silchi. Inwieweit dieser das Jebusiter-Problem bereits gelöst oder auch noch nicht gelöst hatte, bleibt, wie weiter oben schon gesagt wurde, im dunkeln.

Rehabeam nahm als Schwiegersohn des Ab(i)salom(o), des Sohnes von David I, für sich die größere Thronberechtigung in Anspruch. Die Verbundenheit von Juda-Jerusalem und Benjamin blieb über Jahrzehnte bestehen. Es ist daher leicht vorstellbar, dass die Benjaminiter die Bundesgenossen des Thronprätendenten in Jerusalem wurden. Geheimdienstliche Erkenntnisse hatten Melchisedek, Chiljon und Abraham auf einen bevorstehenden Umsturz aufmerksam gemacht.

Die Mantelteilung des Propheten Achija von Silo, also des Priesters und Königs Melchisedek von Salem, die symbolisch die Begrenzung der Herrschaft des Rehabeam über nur einen israelischen Stamm beschreibt, könnte bei der Krönung des Melchisedek tatsächlich stattgefunden haben. Auch im AT ist ja Rehabeam, "der Sohn des Salomo", nur ein König von Juda und regiert in Jerusalem, der (suggerierten) Hauptstadt seines Vaters und Großvaters. Da sich ein Teil der Judäer unter der Führung Chiljons von Bethlehem-Juda nicht auf die Seite Rehabeams stellten, als der die Herrschaft über das ganze Israel anstrebte, musste der König von Juda die Hilfe der Benjaminiter in Anspruch nehmen. Folglich musste Melchisedek als König von Israel (excl. Juda) und Oberster über das israelitische Heer die Truppen aller übrigen Stämme aufbieten, um seine Rechte zu verteidigen.

Durch die Versendung der Körperteile seines Kebsweibes, einen absolut nicht wörtlich zu nehmenden Vorgang, daher besser: durch die Versendung der Stücke des Leibrocks rief Machlon-Achija = Melchi-"Zadok" die Gesamtheit der Israeliten zu Heer. Es begann der Benjaminiter-Krieg, bei dem es nicht um die Rache für die Schandtaten der Benjaminiten zu Gibea geht, sondern bei dem es sich letztlich noch um einen Erbfolgekrieg nach dem Tode des Abimelech handelt. Dieser furchtbare Krieg kann als einer der schrecklichsten in der Geschichte Israels angesehen werden, zumal er sich als Bürgerkrieg nicht gegen äußere Feinde, sondern gegen die eigenen Brüder richtete.

(Richter 20, 1) Da zogen die Kinder Israel aus und versammelten sich zuhauf wie ein Mann, von Dan bis Beer-Seba und vom Lande Gilead zu dem Herrn gen Mizpa; (2) und traten zuhauf die Obersten des ganzen Volkes aller Stämme Israels in der Gemeinde Gottes (= Beth-El), 400 000 Mann zu Fuß, die das Schwert auszogen. (3) Aber die Kinder Benjamin hörten, dass die Kinder Israel hinauf gen Mizpa (= Beth-El) gezogen waren.

Dieser Aufwand kann nicht durch den Frevel an dem Leviten bzw. dessen Weib ausgelöst worden sein. Hier spielen hochpolitische Interessen hinein: Ein so großes Truppenaufgebot für die angebliche Schändung und Tötung des Kebsweibes eines Handlungsreisenden ist bei aller Hochachtung einer Frau zu dick aufgetragen, um noch glaubwürdig zu sein.

Als der inkognito reisende König Melchisedek mit Abraham zusammentraf, der ihn vor kurzem als amoritischen Vasallenkönig gekrönt hatte, beschlossen sie den Krieg gegen die Benjaminiten und somit auch gegen Rehabeam. Der Frevel der Benjaminiter hatte also nicht darin bestanden, dass sie das Kebsweib "des levitischen Mannes von der Seite des Gebirges Ephraim" geschändet und getötet hatten, sondern darin, dass sie sich der Revolte des Rehabeam angeschlossen hatten. Das Richter-Kapitel 20 behält zunächst noch die Diktion von der Schändung bei, geht dann aber zu einer allgemeineren Ausdrucksweise über, indem es die Verräter, die Kollaborateure des Aufrührers, nur "böse Buben" nennt.

Möglicherweise fand das Zusammentreffen der beiden Herren gar nicht in Gibea auf benjaminitischem Gebiet statt. In diesem Falle wäre die "sodomitische Parallele" lediglich nach Gibea verlegt worden, damit der Zorn der Israeliten, der sich gerade gegen diese Stadt voll entfaltete, auf ein anderes Motiv zurückgeführt werden konnte als auf das tatsächliche, dass sich nämlich hier der Widerstand gegen den amtierenden König von Israel formiert hatte.

In Wirklichkeit kann die Zusammenkunft von Abraham und Melchisedek durchaus in Rama stattgefunden haben, also "an der Seite des Gebirges Ephraim". Hierfür spricht die Formulierung: Gehe weiter, dass wir hinkommen an einen Ort und über Nacht zu Gibea oder zu Rama bleiben. (Richt. 19, 13).

Immerhin liegt zwischen Rama und Gibea ein ganzes Stück Weges, und wenn die Karawanne von Bethlehem bis Jerusalem mindestens einen halben Tag benötigt haben sollte, dann lag selbst bis Gibea noch eine halbe Tagesreise vor ihnen, bis Rama sogar eine ganze. Wegen der geringen Glaubwürdigkeit dieser ganzen Gibea-Geschichte bin ich geneigt, einem Gibea-Aufenthalt Abrahams keinen Glauben zu schenken und die Verhandlung mit Melchisedek-Machlon-Achija nach Rama zu verlegen, also in die Gegend von Beth-El, in die Heimat der Beteiligten auf dem Gebirge Ephraim bzw. in der Ebene des Orontes: nach Kadesch-Jerusalem.

Machlon-Zadok = Melchisedek von Salem = Achija von Silo gelingt es, die zehn Stämme Israel gegen den einen Stamm, gegen Benjaminin, aufzuwiegeln. Die Judäer unter Chiljon kämpfen auf seiten der Israeliten. Dass dieser Vorgang eine leicht übertragbare Vorlage für die Mantelteilung abgibt, wie sie in 1. Könige 11 geschildert wird, um Jerobeam die zehn Stämme Israel zuzuschanzen, liegt auf der Hand. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass in 1. Könige 11 ein anderer Stamm von den übrigen zehn Stämmen abgesondert werden soll: das jahwetreue Juda schert aus dem heidnisch gewordenen Rest-Israel aus. Dass dies völlig anders gesehen werden muss, ist hier noch kein Thema. Dass im Buch Richter die tatsächliche Konfrontation zehn gegen einen vorliegt, während im Buch 1. Könige eine Kopie davon benutzt wird, geht daraus hervor, dass Jerobeam weder ein erwachsener Zeitgenosse des Achija von Silo noch des Rehabeam gewesen sein kann. Hier nun der Verlauf des Benjaminiter-Krieges:

Der Benjaminiter-Krieg

Die versammelten Truppen wollen den Grund dafür erfahren, weshalb man sie gerufen hat. Der Levit erzählt ihnen, wie sein Kebsweib von den Benjaminitern geschändet und getötet wurde. Daraufhin fordert Israel Benjamin auf:

(Richter 20, 13) So gebt nun her die Männer, die bösen Buben zu Gibea, dass wir sie töten und das Übel aus Israel tun! Aber die Kinder Benjamin wollten nicht gehorchen der Stimme ihrer Brüder, der Kinder Israel;

Während Rest-Israel 400 000 Schwertträger zu Fuß aufbot, konnten die Benjaminiten nur 26 000 zuzüglich 700 Bürgern von Gibea stellen. Letzteren wird bescheinigt, dass sie mit ihrer Schleuder ein Haar nicht verfehlten. Trotzdem konnte von einem Gleichgewicht der Kräfte keine Rede sein.

In Beth-El, wo offensichtlich die Aufstellung des israelischen Heeres vorgenommen wurde, fasste man nach Rückfrage "beim Herrn" den Beschluss, dass die von Juda mit dem Kampf beginnen sollten. Das entbehrt insofern nicht einer gewissen Pikanterie, als die Judäer die "Landsleute" Rehabeams waren. Da ihr Anführer aber Chiljon, der Bruder des Königs Machlon-Melchisedek war, so ist hierin doch auch wiederum Logik zu erkennen.

Bevor es aber zum Angriff auf Gibea kam, fielen die Benjaminiten über die Belagerer her und erschlugen 22 000 Mann der Israeliten. Diese zogen sich auf Beth-El zurück und weinten sich aus. Am nächsten Tage wiederholte sich das Desaster, und Israel verlor 18 000 Schwertträger. Abermals zogen sich die Besiegten zurück, weinten sich aus, fasteten und opferten dem Herrn, ja sie brachten sogar trotz der Niederlage Dankopfer.

Die Behauptung (Richter 20, 27.28), die Bundeslade habe sich zu dieser Zeit in Beth-El befunden und Pinehas, der Sohn Eleasars, des Sohnes von Aaron, sei in ihrem Dienst Priester gewesen, kann nicht diesen Krieg betreffen; denn zu dieser Zeit war die Bundeslade noch in Ägypten - wenn sie überhaupt von dort stammen sollte.

Pinehas, der tatsächlich ein Enkel des Potiph-Aaron war, war jedoch nicht der Sohn des Aaron-Sohnes Eleasar, sondern der Sohn der Tochter Aaron-Potiphars, nämlich der Asnat. Diese und Joseph-Herihor hatten die Zwillinge (?) Zaphenat und Paneach (1. Mose 45). Diese Stelle im AT ist gründlich missverstanden worden: Zaphenat-Paneach ist nicht etwa der Titel "heimlicher Rat" (so übersetzt Luther) des Joseph, sondern der Name seiner beiden Söhne mit Asnat, die in unseren Geschichtsbüchern die Namen Tefnachte und Pianchi tragen. Letzterer wird als Sohn des Herihor (= Joseph) bezeichnet und ist ägyptischer Priesterfürst. Pianchi ist obiger Pinehas, den wir in den Amarnabriefen unter dem Namen Ianchamu (= pa-Incha-Si-Amun) antreffen werden, also erst in einem halben Jahrhundert.

Interessant ist die chronologische Auswertung der Angabe, dass ein Enkel des Aaron ein Zeitgenosse des Benjaminiter-Krieges gewesen sein soll. Bei strenger Auslegung der AT-Angaben zur Richterzeit, der sich allerdings die konventionelle Chronologie nicht anschließt (sie lässt nur maximal etwas mehr als 100 Jahre gelten), kommt man auf eine Dauer der gesamten Richterzeit von über 300 Jahren. Wenn die Richter-Kapitel 20 und 21, die das Richter-Buch beschließen und in denen der Krieg mit den Benjaminitern beschrieben wird, tatsächlich die letzte Phase der Richterzeit betreffen, dann wären seit dem Exodus einige Jahrhunderte vergangen, und ein Enkel Aarons könnte überhaupt nicht mehr am Leben sein. Hier führt sich das Richterbuch selbst ad absurdum. Tatsache ist jedoch, dass Paneach-Pinehas-Pianchi zu dieser Zeit schon lebte, wenn er auch noch in Ägypten wohnte.

Beim dritten Anlauf gegen Gibea stellten die Israeliten einen Hinterhalt auf. Nach dem Ausfall der Benjaminiten kam es auf zwei Straßen, deren eine gen Beth-El, die andere gen Gibea geht (Richter 20, 31), zur Schlacht. Eine Straße von Beth-El nach Gibea muss allerdings nicht aus "zwei Straßen" bestehen. Wichtig an dieser Information ist, dass der Ort, an dem sich die Israeliten nach der Schlacht einfanden, offensichtlich zwischen Beth-El und Gibea lag: Da machten sich auf alle Männer von Israel von ihrem Ort und stellten sich zu Baal-Thamar, und der Hinterhalt brach hervor an seinem Ort, von der Höhle Geba (Richter 20, 33).

Baal-Thamar war die Palmenstadt, wo die Palme der Debora stand, unter der die Richterin Gericht hielt (Richt. 4,5), zwischen Rama und Beth-El auf dem Gebirge Ephraim. Baal-Thamar, wo Debora begraben wurde, und Rama waren Vororte oder sogar Stadtteile von Beth-El. Aus dem Hinterhalt bei der Höhle Geba brach Israel hervor und tötete 25 100 Mann der Benjaminiten, die bekanntlich nur 26 000 Mann unter Waffen aufbieten konnten. Die Höhle Geba muss ebenfalls in der Nähe von Gibea gelegen haben. Sie kann zur Stadt Gibea (= Geba?) gehört haben.

Das Kriegsgeschehen wird von nun an zwei- oder mehrdeutig beschrieben; denn zunächst werden 25 100 Benjaminiten getötet, was soviel wie "vernichtend geschlagen" heißt, und dann verlassen sich die Israeliten ein zweites Mal auf den Hinterhalt bei Gibea, obwohl das bei der totalen Vernichtung des Benjamin-Heeres obendrein auch noch überflüssig ist. Gemeinsam fallen Heer und Hinterhalt über die Stadt Gibea her, in der alles getötet wird.

Es soll darüber hinaus eine Verabredung getroffen worden sein zwischen Heer und Hinterhalt, wonach man in die Stadt einbrechen wollte, sobald von dort ein Rauch aufginge. Es wäre nun unlogisch, wenn die Israeliten die Stadt, in der sie schon alle getötet hatten, wieder verlassen und einen zweiten Anlauf genommen hätten. Ebenso unlogisch wäre es, wenn sie nach der vernichtenden Niederlage der Benjaminiten erst auf das Rauchzeichen aus der Stadt gewartet hätten; denn wer sollte den Brand in der Stadt als Zeichen für die vor der Stadt Kämpfenden gelegt haben?

Die Benjaminiten wurden durch den aufsteigenden Rauch verwirrt und begannen zu fliehen. Israel verfolgte sie und trieb sie vor sich her in Richtung auf die Wüste. Weiter heißt es, dass Israel Benjamin umringt habe und ihm nachgejagt sei bis Menucha. Vermutlich ist letzteres ohnehin kein Ortsname ("Ruhe"), aber einen Umzingelten braucht man nicht mehr zu jagen. Glaubhafter ist, dass die Israeliten die Benjaminiten zertraten bis vor Gibea gegen der Sonne Aufgang (Richter 20, 43). In Vers 44 fallen 18 000 Benjaminiten, in Vers 45 wendet sich der Rest zur Flucht durch die Wüste, zunächst an den Felsen Rimmon, wo weitere 5000 fallen, und dann fallen 2000 auf der Flucht in Richtung Gideom. Das sind 25 000 Benjaminiten (Vers 46), was mit den 25 100 von Vers 35 annähernd übereinstimmt. Es blieb also kaum jemand von den 26 000 Benjaminiten übrig, die gemäß Vers 15 aufgeboten worden waren:

Nur 600 Mann wandten sich und flohen zur Wüste, zum Fels Rimmon, und blieben im Fels Rimmon vier Monate (Richter 20, 47).

Es sieht so aus, als seien hier zwei verschiedene Kriegsberichte zusammengefasst worden; denn auch im Vers 48, dem letzten Vers des Kapitels 20, wird wiederholt, was schon im Vers 37 gesagt worden ist: Und die Kinder Israels kamen wieder zu den Kindern Benjamin und schlugen mit der Schärfe des Schwerts die in der Stadt, Leute, Vieh und alles, was man fand; und alle Städte, die man fand, verbrannte man mit Feuer.

Möglicherweise besagt der Hinweis in Richter 19, 2 auf die vier Monate, die das Kebsweib des Leviten bei ihrem Vater in Bethlehem-Juda weilte, dass es sich um dieselben vier Monate handelt, die die 600 Benjaminiten im Felsen Rimmon verbrachten, so dass diese vier Monate zwischen den beiden Kriegen liegen könnten, deren Berichte in Kapitel 20 miteinander verwoben wurden. Die Begebenheit mit den 600 im Felsen Rimmon hatte ich weiter oben schon mit dem Auszug der Daniter aus Zora und Esthaol unter der Führung des Leviten Achija-Machlon-Melchisedek zur Deckung gebracht.

Der erste Teil des Benjaminiterkrieges hätte noch gegen Abimelech stattgefunden, währenddessen das "Kebsweib" bei ihrem Vater in Sicherheit gewesen wäre. Die Schilderung dieses Krieges erfolgt im Richter-Kapitel 9 ausführlich. Hier wird die Zeitangabe gemacht: es handelt sich um das vierte Regierungsjahr des Abimelech (nach drei Jahren seiner Herrschaft über Israel; Richter 9, 22). Dieses ist das vierte Jahr der Anwesenheit bzw. der Statthalterschaft des Abraham (606 ndFl).

Der zweite Krieg, zu dem keine Person namentlich erwähnt wird, wäre dann der "Vernichtungskrieg" gegen die Stadt Gibea-Benjamin gewesen, der durch die Bestrebungen des Rehabeam ausgelöst wurde, der König werden wollte - und es auch trotz der Niederlage der Benjaminiter wurde.

Die Flüchtigen am Felsen Rimmon waren nach Abimelechs Tod angeblich vier Monate isoliert. Ich halte diese Angabe für eine zweifache Information:

1) Die beiden Kriege lagen die vier Monate auseinander, während denen das "Kebsweib" Ruth bei ihrem Vater in Bethlehem-Juda war.

2) Die Flüchtigen am Felsen Rimmon gehören nicht in den Benjaminiter-Krieg, sondern in einen anderen Zusammenhang: Sie sind die weiter oben bereits erwähnten 600 Mann Schwertträger der Daniter, die von dem levitischen Jüngling aus Bethlehem-Juda, nämlich von Melchisedek-Achija, nach Norden geführt wurden, und zwar zunächst nach Manasse, von wo sie später weiter nach Laïs-Dan zogen.

Die Austilgung des Stammes Benjamin war total. Um so mehr waren die übrigen Israeliten erfreut, dass sich im Felsen Rimmon noch Benjaminiten befanden, die den Fortbestand ihres Stammes garantieren konnten - wenn man ihnen nur die dazu nötigen Frauen gab: (Richter 21, 1) Aber die Männer Israels hatten zu Mizpa geschworen und gesagt: Niemand soll seine Tochter den Benjaminitern zum Weibe geben.

Selbstredend fanden die Israeliten dennoch eine Lösung:

(Richter 21, 7) Wie wollen wir ihnen tun, dass die Übriggebliebenen Weiber kriegen? ... (8) Und sprachen: Wer ist irgend von den Stämmen Israels, die nicht hinaufgekommen sind zum Herrn gen Mizpa? Und siehe, da war im Lager der Gemeinde niemand gewesen von Jabes in Gilead. (9) Denn sie zählten das Volk, und siehe, da war kein Bürger da von Jabes in Gilead. (10) Da sandte die Gemeinde 12 000 Mann dahin von streitbaren Männern und geboten ihnen und sprachen: Gehet hin und schlaget mit der Schärfe des Schwerts die Bürger zu Jabes in Gilead mit Weib und Kind. ...

Die Volksversammlung der übriggebliebenen Stämme Israels war in Mizpa zusammengetreten, und es war geschworen worden, dass, wer nicht zum Herrn nach Mizpa käme, des Todes sterben solle. Das Volk kam aber auch gen Beth-El und beklagte sein Schicksal vor Gott. Es lässt sich daher kaum noch umgehen, Mizpa mit Beth-El gleichzusetzen bzw. Beth-El als einen heiligen Bezirk von Mizpa anzusehen, das weiter oben auch schon mit Rama(thaim-Zophim) gleichgesetzt worden ist.

Außerdem war - offenbar schon im ersten Teilkrieg gegen Abimelech - zu Mizpa geschworen worden, dass niemand seine Tochter den Benjaminitern zur Frau gebe. Dies würde zu dem in Rede stehenden Zeitpunkt keinen Sinn ergeben.

(Richter 20, 12) Und sie fanden bei den Bürgern zu Jabes in Gilead 400 Dirnen, die Jungfrauen waren und bei keinem Mann gelegen hatten; die brachten sie ins Lager gen Silo, das da liegt im Lande Kanaan. (13) Da sandte die ganze Gemeinde hin und ließ reden mit den Kindern Benjamin, die im Fels Rimmon waren, und sagten ihnen Frieden zu.

Das Problem war, dass es in Jabes in Gilead nicht genug Jungfrauen gegeben hatte, so dass einige der Benjaminiter im Felsen Rimmon leer ausgingen: 400 Jungfrauen für 600 Mann. Doch der Erfindungsreichtum der Israeliten war noch keineswegs erschöpft:

(Richter 20, 16) Und die Ältesten der Gemeinde sprachen: Was wollen wir tun, dass die Übriggebliebenen Weiber kriegen? Denn die Weiber in Benjamin sind vertilgt. ... (19) Und sie sprachen: Siehe, es ist ein Jahrfest des Herrn zu Silo, das mitternachtwärts liegt von Beth-El, gegen der Sonne Aufgang von der Straße, da man hinaufgeht von Beth-El gen Sichem, und mittagwärts liegt von Lebona.

Diese genaue Ortsangabe zergeht auf der Zunge. Sie ist von bestechender Präzision; aber: Silo liegt zwar nördlich von Beth-El. Doch bedeutet "gegen der Sonne Aufgang" östlich oder westlich? Immerhin handelt die in Rede stehende Begebenheit noch vor dem Jahre 624 ndFl, als die Sonne noch im Westen aufging. Bedenkt man aber, dass die Überarbeitung dieser Bücher erst lange danach stattfand, als man sich schon daran gewöhnt hatte, dass die Sonne im Osten aufgeht, dann wäre es wohl angebracht, "gegen der Sonne Aufgang" so zu verstehen, dass damit "östlich" gemeint ist. Ich bin aber eher geneigt, die Auslegung "westlich" zu bevorzugen.

     Ebal
         * Sichem-Gerar-Geser
         : Garizim
         :
Lebona * :
         :<Straße
S(ch)ilo*:
Salem-Ophra*:
         * Beth-El
           * Mizpa
  Aruma-Rama *      * Geba
           * Gibea-Jabes


Die Straße von Beth-El nach Sichem verläuft ziemlich genau in nördlicher Richtung. Östlich von dieser Straße müssten die Orte Lebona und Silo liegen, und zwar dergestalt, dass Silo "mittagwärts", also südlich von Lebona liegt. Mir liegt nun eine Landkarte vor, in der Lebona westlich der Straße von Beth-El nach Sichem liegt und Silo östlich von Lebona. In einem biblischen Atlas8 liegt Silo östlich von dieser Straße. Diese Verwirrung beweist, dass die geographische Lage dieser Städte nicht exakt angegeben werden kann. Ich schlage deshalb folgende Anordnung vor:

In obiger Landkarte ist bereits Gibea mit Jabes in Gilead gleichgesetzt. Ich halte in der Tat das Gibea Sauls, seine Residenzstadt, für seinen Begräbnisort, wo auch sein Sohn Jonathan und sein Enkel Mephiboseth beigesetzt wurden. Das Stadtgebiet von Gibea-Jabes in Benjamin grenzt unmittelbar an die Megalopolis Beth-El auf dem Gebirge Ephraim. Sichem gehörte schon zu Manasse.

Diese geographischen Überlegungen sind natürlich in dem Augenblick überflüssig, wenn sich herausstellt, dass die Megalopolis Beth-El "mit all ihren Ortschaften" in das Tal des Orontes nach Kadesch-Jerusalem gehört. Es ist übrigens auch nicht auszuschließen, dass Kadesch am Orontes mit der "großen Hamath" bzw. Hamath-Rabbah (von chamath = Festung, Burg) am Orontes identisch ist. Der in den EA-Briefen mit Sitz in Kadesch erwähnte ägyptische Statthalter Aitugama kann nämlich durchaus mit dem biblischen Tou von Hamath identisch sein (2. Sam. 8, 9; 1. Chron. 18, 9).

Das Jahrfest des Herrn zu Silo wurde zum Vorbild für den Raub der Sabinerinnen:

(Richter 20, 20) Und sie geboten den Kindern Benjamin und sprachen: Gehet hin und lauert in den Weinbergen. (21) Wenn ihr dann seht, dass die Töchter Silos mit Reigen und Tanz heraus gehen, so fahret hervor aus den Weinbergen und nehme ein jeglicher sich ein Weib von den Töchtern Silos und gehet hin ins Land Benjamin. (22) Wenn aber ihre Väter oder Brüder kommen, mit uns zu rechten, dann wollen wir zu ihnen sagen: "Gönnet sie uns; denn wir hatten nicht für jeden ein Weib genommen im Streit..."

Offensichtlich ging die Rechnung auch auf; denn das letzte Kapitel des Richterbuches schließt nach all den Schrecken, die uns in diesem Buch begegneten, in Frieden und Freundschaft. Der letzte Vers bekräftigt nochmals, dass zu der Zeit kein König in Israel war; ein jeglicher tat, was ihn recht deuchte (Richter 21, 25).

Dass hier zwei Vorgänge zu einem einzigen verwoben wurden, geht aus der ratenweisen Zuteilung der Jungfrauen an die Benjaminiter hervor. Ich halte den "Raub der Sabinerinnen" von Silo-Ophra zumindest teilweise für eine Begebenheit, die zu der Zeit des Micha in Ophra stattfand, die von dem "levitischen Jüngling" aus Bethlehem-Juda, von Achija von Silo, inszeniert worden war. Der Leser mag sich selbst eine Auslegung der vielen widersprüchlichen Angaben, die dennoch in ein und dieselbe Richtung zielen, ausdenken; denn eine punktgenaue Rekonstruktion dieser Vorgänge ist so gut wie unmöglich.

Rehabeam, der Erbe des Reiches Israel

Am Ende des furchtbaren Benjaminiter-Krieges, der in den Kapiteln Richter 20 und 21 geschildert wird, war Chiljon-Silchi  tot,  Machlon-Melchisedek  auf Juda und Benjamin reduziert, und ihr jüngerer Bruder Rehabeam, der "Erbe" (Ruth 3), wurde König von Israel-Juda. Es verwundert, dass nach der vollständigen Niederlage der Benjaminiter, der einzigen Bundesgenossen des Rehabeam, dieser als der Sieger dasteht.

Tatsache ist, dass im Jahre 606 ndFl Rehabeam in Sichem zum König über Israel gekrönt wurde. Die Berichte über die Auseinandersetzungen Rehabeams mit Jerobeam, der ja erst viel später politisch aktiv wurde, greifen in diesen Krieg über und ähneln auch der Vorgeschichte hinsichtlich der Mantelteilung durch Achija und der Zerstückelung des Kebsweibes durch den Leviten. Rehabeam und Jerobeam waren niemals gleichzeitig politisch aktiv in Kanaan bzw. Edom. Die Ereignisse, die synchronistisch mit den beiden verbunden worden sind, beziehen sich auf wirkliche Zeitgenossen des Rehabeam.

So gehört auch die Begegnung Achijas, der fälschlich als der Vater des Baesa ausgegeben wird, mit Jerobeam bzw. mit dessen Frau, die mit dem kindlichen Abia zu dem Propheten gegangen sein soll, in die Zeit Rehabeams; denn Abia(m) ist der Name eines Sohnes des Rehabeam. Das ändert aber nichts daran, dass diese Geschichte dennoch voller zweifelhafter Angaben ist.

Rehabeam, der Sohn des Elimelech und der Ammonitin Naema, gilt offiziell als der Sohn Salomos. Da es aber weder den Sohn Salomo des David noch das Großreich Israel unter dem König Salomo gegeben hat, so muss Rehabeam als der Schwiegersohn des Abi-"Salomo" angesehen werden, dessen Tochter Maacha er heiratete. Es ist denkbar, dass David (I) selbst den Beinamen "Salomo" getragen hat, da viele Ereignisse und Personennamen sowohl im Zusammenhang mit David als auch mit Salomo aufgeführt werden. Die Beschreibungen des Salomo parallel zu David betreffen zum Teil aber auch den zweiten David, und der Hohepriester Asarja = Salomo zu dessen Zeit ist Asarja-Usia, der auch die Namen Uria und Usa trägt.

Es fällt auf, dass im Buch Ruth nur von den zwei Söhnen des Elimelech und der Naemi geredet wird: Machlon und Chiljon. Von dem jüngeren, von Rehabeam, ist im Buch Ruth nur eine indirekte, namenlose Erwähnung vorhanden: Der "Erbe" oder Thronerbe, von dem in Ruth Kapitel 3 die Rede ist, kann nur Rehabeam sein, der Sohn des "Salomo":

(1. Kön. 14, 21) So war Rehabeam, der Sohn Salomos, König in Juda. Einundvierzig Jahre alt war Rehabeam, da er König ward, und regierte siebzehn Jahre zu Jerusalem. ... Seine Mutter hieß Naema, eine Ammonitin.

Geboren im Jahre 565 ndFl, 606 ndFl mit 41 Jahren König von Israel; die 17 Jahre zählen schon ab 603 ndFl (König von Juda), also bis 620 ndFl;  verheiratet mit Maacha, der Tochter Abisaloms, von der er die Söhne Abiam und Asa hatte (1. Könige 15). Das ist der "Steckbrief" des neuen Königs von Israel, Rehabeams. Diese Titulatur geht aus 1. Könige 12 eindeutig hervor: (1) Und Rehabeam zog gen Sichem; denn das ganze Israel war gen Sichem gekommen, ihn zum König zu machen.

Die Einschränkung auf Juda erfolgt erst später. Vermutlich war es aber umgekehrt: Zunächst war Rehabeam nur König von Juda unter Melchisedek, dem König von Israel (ohne Juda?), und nach dem Krieg wurde er König von Israel.

Die Geschichte, die das Buch Ruth an den Tod Machlons und Chiljons anbindet, gehört in dieses Kapitel eigentlich nicht mehr hinein, da sie sich eindeutig nach der Krönung des Rehabeam abspielt, mit welchem Ereignis dieses Kapitel abzuschließen wäre. Wegen der engen Bindung an die in diesem Kapitel eingehend besprochenen Personen sollte jedoch das Buch Ruth weiter verfolgt werden.

Naemi führte ihre Schwiegertochter Ruth, die von  Machlon-Melchisedek verstoßen worden war, einem Verwandten namens Boas zu, der sie heiratete. Von Boas, der mit Baesa, Asa = Og von Basan identisch ist, dem Sohn des "Erben" Rehabeam, bekam sie den Sohn Obed, der vermutlich Zwillinge darstellt, nämlich die Brüder (Jos-)Obed-Edom = Josaphat  und Pudu-ilu =  Ela, deren Mutter Asuba die Tochter des Silchi war (1. Könige 22, 42). So ist es plausibel, in Ruth auch die Tochter Asuba des Chiljon = Silchi zu sehen. Der Erbe, also Rehabeam, muss seine Zustimmung zu der Eheschließung seines Sohnes (Bo-)Asa mit Ruth geben. Die um 593 ndFl geborene Tochter Jerusa des Zadok-Machlon verheiratete Rehabeam später mit seinem älteren Sohn Abiam. Auf diese Weise waren beide Söhne des "Erben" Rehabeam mit Enkelinnen Elimelechs verheiratet (siehe dazu auch die erweiterte Keniter-Aufstellung am Schluss dieses Kapitels).

Der Einfluss Ägyptens war zu diesem Zeitpunkt sehr schwach ausgeprägt (Chabiru-Aufstände; Chus war in Asien und wurde im selben Jahr Vater des Nimrud), und die medische Invasion stand den Amoritern noch bevor. Bis zum Jahre 610 ndFl, dem 5. Jahr Rehabeams, in dem Sisak = Susakim = Se-sechem-cheper-Re = Men-cheper-Re, der spätere Pharao Thutmoses IV Men-cheperu-Re, die goldenen Schilde aus dem Tempel zu Jerusalem für die Ägypter als Tribut einkassierte, verfiel die ausländische Oberhoheit mehr und mehr, so dass von einem Aufkommen der Macht Israels unter einem König in Jerusalem-Juda in diesen Jahren durchaus die Rede sein kann.

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|  Die Richter in Israel          geb.    von-bis        |
+--------------------------------------------------------+
|  DEBORA                         420     457-465        |
|                                                        |
|  OTHNIEL-SEBULON                                       |
|  = MEON-MAON-MENOTHAI           430     465-505        |
|                                                        |
|  "JEPHTHAH"-AMALEK              458     505-511        |
|                                                        |
|  EBZAN = KALEB-HILLEL           479     511-518        |
|                                                        |
|  ELON, der Sebuloniter,                                |
|  Sohn des Maon-Othniel          477     518-529        |
|                                                        |
|  BEDAN-KERET-HEBER                                     |
|  = BARAK-NUNNA                  483     529-537        |
|                                                        |
|  PHALTI-SIMSON                  515     537-558        |
|  (unter Samuel, Saul und                               |
|  Isboseth)                                             |
|                                                        |
|  Gideon-David                   521     558-591        |
|                                                        |
|  Gideon-Mephiboseth             551         591        |
|                                                        |
|  Melchisedek                    559     591-606        |
+========================================================+

+========================================================+
|  Die Könige in Israel           geb.    von-bis        |
+--------------------------------------------------------+
|  SAUL                           485     551-556        |
|  ISBOSETH                       516     556-558        |
|  DAVID I                        521     558-591        |
|  ADONIA                         553     591-592        |
|  ABISALOM                       552     592-596        |
|  ELIMELECH                      538     596-603        |
|  ABIMELECH                      573     603-606        |
|  MELCHISEDEK                    559     606            |
|  REHABEAM                       565     606-620        |
+========================================================+

+========================================================+
|                Stammtafel der "Keniter"                |
+--------------------------------------------------------+
KENAS-KAIN-PITCHANAS von Kussara (ein Hethiter)
|   * ca. 380 ndFl
|
MAON-MEON-OTHNIEL-SEBULON        (ein Hethiter)
|   * ca. 430 ndFl
|   + 505 ndFl
|
MANOAH von Gallim zu Zora-Dan an der Küste;
"Laïs" = LUS                     (ein Hethiter)
|   * ca. 475 ndFl
|
"URIAS", Davids Feldherr,         der Hethiter
(2. Sam. 11 fiktiv)      (oo Bath-Sua = Malchi-Sua
identisch                             = Michal !)
P(H)ALTI(EL) = ELIPHELET  oo 1) Michal, T.v.Saul
"SIMSON"                  oo 2) Delila, Philisterin
|   * ca. 515 ndFl
|   + 558 ndFl
|                                   ACHIMAAZ *ca. 522 ndFl
|   von 1)                          |
ELIMELECH von BETHLEHEM und MOAB oo ACHINOAM-NAEMI-NAAMA,
|   * 538 ndFl + 603 ndFl                    *ca. 545 ndFl
|
+-----------------+----------------------+
|                 |                      |
MACHLON-ZADOK     CHILJON-SILCHI         REHABEAM
MELCHI- SEDEK     * ca. 560 ndFl         * 565 ndFl
von SALEM         + 606 ndFl             + 622 ndFl
ACHIJA von SILO   |                      |
* ca. 559 ndFl    +-- oo ORPA (Moabitin) +-- oo MAACHA
+ ca. 606 ndFl    |      * ca. 575 ndFl  |  * ca. 571 ndFl
|                 |                      |
|                 |                 +----+----------------+
|                 |                 |                     |
|                 |                 ASA-BAESA             ABIAM
+----------- oo - RUTH-ASUBA - oo - BOAS * 586            * 585
|                 * ca. 588 ndFl    |      ndFl           | ndFl
|                 |                 |                     |
| kinderlos ?     |                 |                     |
| oder (?):       DODAWA        OBED-ELA = PUDU-ILU und   US(I)A
|                 * ca. 604     OBED-EDOM = JOSAPHAT      * 608
aus früherer Ehe  |     ndFl    * 607 ndFl (Zwillinge?)   | ndFl
(etwa mit Tochter |                                       |
Mephiboseths ?)   ELIESER                            EHUD-ACHICHUD
|                 * ca. 630 ndFl                     * ca. 630 ndFl
JERUSA            (von Damaskus, "Knecht"            (tötet EGLON =
* ca. 593 ndFl    ABRAHAMS 1. Mose 15,2;             KAMOSCH von
oo                oder war DODAWA der                MOAB = MOSE!)
ABIAM             Sohn einer Tochter des
(siehe rechts!)   ABRAHAM?)

Letzter Stand: 2. April 2014 



1 Abraham Meister, Biblisches Namen-Lexikon: nach dem phönizischen tubur.

2 Immanuel Velikovsky, Vom Exodus zu König Echnaton, Umschau Verlag 1981, S. 161-162

3 J. H. Breasted, Records, Teil II, Abschnitt 420ff

4 Sem-Juda war vermutlich der Vater Ephratas, der Mitbegründerin von (Kaleb-)Ephratha = Bethlehem-Juda.

5 Abraham Meister, Biblisches Namen-Lexikon, Verlag Mitternachtsruf, Pfäffikon ZH/Schweiz.

6 J. H. Breasted, Geschichte Ägyptens, Parkland Verlag, Seite 129.

7 Martin Luther bezeichnet mit diesem Ausdruck geschlechtlichen Verkehr.

8 Der Bibel Atlas, Weltbild Verlag GmbH, Augsburg 1991, Karte Nr. 82
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