Fünftes Buch: Die Plagen des Pharao

8. Kapitel: Die Einwanderung der Chabiru im Gelobten Land (Teil 3)

Die verkleinerte Version des Gelobten Landes

Die konventionell früheste Angabe bezüglich der Ausdehnung des "Gelobten Landes" ist die in 1. Mose 15, 18, nach der das Gelobte Land "vom Bach Ägyptens an bis an das große Wasser Euphrat" reichte. Diese Vorstellung wurde von dem Reichsgründer David I verwirklicht. Für die Zeit nach diesem Herrscher ist der Anspruch bescheidener geworden; denn "die Verhältnisse waren nicht mehr so". Politisch war ein so großes Gelobtes Land nicht mehr realisierbar.

4. Mose 34: (1) Und der Herr redete mit Mose und sprach: (2) Gebiete den Kindern Israel und sprich zu ihnen: Wenn ihr ins Land Kanaan kommt, so soll dies das Land sein, das euch zum Erbteil fällt, das Land Kanaan nach seinen Grenzen.

Zunächst bis hier. Nach Ansicht einiger Bibelexperten und Gelehrter sollen die aus dem Nichts auftauchenden Kanaaniter in das nach dem Abzug der Kinder Israel entstandene Vakuum eingedrungen sein. Kanaan gilt im AT als ein Sohn des Ham ("schwarzer" Amun), gehört also in die ägyptische Königsfamilie. Die Person Kanaan (aramäisch Kinachi) wurde von mir mit dem angeblichen Pharao Kenkenes der 1. Dynastie und mit Agenor, dem Sohn von Poseidon und Libya-Hathor und erstem König von Phönizien (nach griechischer Auffassung), identifiziert. Über seine historische Gestalt und seine Aktivitäten wurde schon in einem früheren Kapitel abgehandelt.

Bezeichnend ist, dass im AT das ganze Land, das die Kinder Israel einnehmen sollen, den Namen Kanaan trägt. Dieser Name entspricht dem aramäischen matukinachna in den Amarnabriefen. Und da die Zeit, in der diese Korrespondenz stattfand, erst ein Jahrhundert nach David I liegt, kann die politische Geographie, also die Bezeichnung und die Einteilung der Einzelländer sowie die Angaben der Städte, die in den Amarnabriefen erwähnt werden, als fast unverändert angesehen werden. Allerdings haben die Kleinfürstentümer keine Bezeichnungen, die an die Stammesnamen erinnern. Der Kommentar zu den beiden wichtigsten Ländernamen, zu Amurru und Kanaan, wie sie in den Amarnabriefen verwendet werden, soll hier in der Hauptsache wiedergegeben werden:

Amurru ist in den El-Amarna-Briefen die Bezeichnung für das nördliche Syrien und umfasst das Gebiet nördlich von Beirut, den Libanon und Antilibanon, im Norden etwa bis Arwad reichend. Der Name war nicht immer auf dieses Gebiet beschränkt. In der altbabylonischen Zeit bezeichnet der Name Amurru (Mar.Tu) vielmehr das ganze Gebiet vom Nahr al Musri (= Bach Ägyptens) an der äußersten Südgrenze Palästinas bis zur Linie Arwad-Hamath.1

Der südliche Teil erscheint in der El-Amarna-Zeit streng von Amurru geschieden unter dem Namen Kinachna = Kana'an. Die Grenzen nach Norden und Nordosten bilden die Länder Nuchasche, Nii, Zinzar, Tunanat. Nach Osten scheinen die Länder und Städte Nachrima-Mitanni (= Mesopotamien bzw. Babylonien und Medien), Kapasi, Kadesch, Tunip, Katna (= Gath), Tachschi (= Phönizien!), Ube mit Damaskus und (das Land) Amki die Grenze von Amurru zu bilden, wobei freilich offen bleiben muss, ob nicht das eine oder das andere der genannten Territorien selbst noch zu Amurru gehört, was namentlich von den Ländern Ube und Amki sehr wahrscheinlich ist und den mit größerer oder geringerer Wahrscheinlichkeit in dieser Gegend zu suchenden Städten Chaschabu  und Chazi, Guddaschuna, Tuschulti, Uschte und Pachmi. Die Städte, die die El-Amarna-Briefe als in Amurru liegend bezeichnen, sind Sumur, Ullaza, Kuasbat, Magdalim, Ambi, Gubla (= Byblos, die Stadt des Rib-Addi vom matuzubaru = Hadadeser vom Aram-Zoba), Schigata, Batruna, Irkata, Tubichi und etwa noch Wachlia. Bei diesen Städten lässt sich aus dem Zusammenhang selbst unmittelbar die Zugehörigkeit zu Amurru feststellen. Ihrer aus anderen Gründen anzunehmenden Lage nach gehören dazu Beirut, die nördlicher gelegene Küstenstadt Ardata, ferner Araschni, Inamta, Buruzilim und endlich wohl auch Ugarit, trotz der schwankenden Angaben der Quellen. Die letztgenannte Stadt zeigt nämlich, dass der Sprachgebrauch auch in den Amarnabriefen nicht immer völlig korrekt die Unterscheidung von Amurru und Kana'an durchführte. ...

Wenn man bedenkt, dass sich die Besitzverhältnisse in dieser Region bisweilen von einem Tag auf den anderen änderten und die jeweiligen Besitzer ihre eigenen Bezeichnungen natürlich favorisierten, dann bleibt ein solches Namenschaos nicht aus. So dürften die Amoriter den Namen Amurru dem ägyptisch-stämmigen Namen Kanaan vorgezogen haben und umgekehrt. In diesen Ungenauigkeiten kann dennoch eine überwiegende Tendenz erkannt werden, den Norden als Amurru und den Süden als Kanaan zu bezeichnen.

4. Mose 34 fährt fort mit der Festlegung der Grenzen des zu beanspruchenden Gebietes, und zwar konsequent von Süden aus, von woher die Einwanderung erfolgte. Zu beachten ist, dass die in diesem Kapitel verwendeten Himmelsrichtungen "Abend" und "Morgen" mit "Westen" und "Osten" übereinstimmen. Dies und die Erwähnung des Salzmeeres sind deutliche Hinweise darauf, dass die Bücher Mose erst nach Typhon 4 (624 ndFl), wodurch diese Ausrichtung des Himmels erst wieder hergestellt wurde, und sogar erst nach dem Einsturz des Siddimtales (641 ndFl) ihre endgültige Fassung bekommen haben. An der chronologischen Reihenfolge der Schilderung dieser beiden Ereignisse ist aber auch gleichzeitig zu erkennen, dass die Geschichte von den Redakteuren des AT auf ein zweckbestimmtes Ziel ausgerichtet worden ist: Abraham musste der Stammvater der Kinder Israel werden, was nur ermöglicht wurde, indem man seine Lebenszeit vor den Exodus und sogar vor "seinen Sohn Isaak" verlegte.

4. Mose 34: (3) Die Ecke gegen Mittag soll anfangen an der Wüste Zin bei Edom, dass eure Grenze gegen Mittag sei vom Ende des Salzmeeres, das gegen Morgen liegt, (4) und dass die Grenze sich wende mittagwärts von der Steige Akrabim und gehe durch Zin, und ihr Ausgang sei mittagwärts von Kades-Barnea und gelange zum Dorf Adar und gehe durch Azmon (5) und lenke sich von Azmon an den Bach Ägyptens, und ihr Ende sei an dem Meer. (6) Aber die Grenze gegen Abend soll diese sein, nämlich das große Meer. Das sei eure Grenze gegen Abend.

Der obige Kommentar (Knudtzon-Weber) zu den Amarnabriefen erwähnt, dass "in altbabylonischer Zeit der Name Amurru (Mar.Tu) das ganze Gebiet vom Nahr al Musri (= Wasser oder Bach Ägyptens) an der äußersten Südgrenze Palästinas bis zur Linie Arwad-Hamath bezeichnet" habe. Durch die Verwendung der Bezeichnung Kanaan in 4. Mose 34 wird deutlich, dass der Name Kanaan für den unter ägyptischer Oberhoheit stehenden Teil von Amurru bevorzugt wurde. Sobald dieses Land vollständig unter amoritischer Oberhoheit stand, hieß es Amurru.

Auffallend ist, dass nun nach der Grenzziehung im Süden die Grenze im Norden festgelegt wird. Daraus könnte man den Schluss ziehen, es handele sich um zwei unterschiedliche Gebiete, die hier zusammengefasst werden sollen; denn sonst hätte man die Grenze doch in einem einzigen Strich ziehen können. In der Tat handelt es sich einmal um die eroberten Gebiete, die als Stammesgebiete aufgefasst werden können, und zum anderen um die noch zu erobernden Gebiete (Jos. 13,2), die an der Nordgrenze lagen.

4. Mose 34: (7) Die Grenze gegen Mitternacht soll diese sein: ihr sollt messen von dem großen Meer bis an den Berg Hor, (8) und von dem Berge Hor messen, bis man kommt gen Hamath, dass der Ausgang der Grenze sei gen Zedad (9) und die Grenze ausgehe gen Siphron und ihr Ende sei am Dorf Enan (= Hazar-Enan). Das sei eure Grenze gen Mitternacht. (10) Und sollt euch messen die Grenze gegen Morgen vom Dorf Enan gen Sepham, (11) und die Grenze gehe herab von Sepham gen Ribla morgenwärts von Ain; darnach gehe sie herab und lenke sich an die Seite des Meeres Kinneroth (See Genezareth) gegen Morgen (12) und komme herab an den Jordan, dass ihr Ende sei das Salzmeer (Totes Meer). Das sei euer Land mit seiner Grenze umher.

Konventionell ist der Eroberungszug des Josua der nächste Schritt, um die Landnahme und -verteilung durchzuführen. War der Anspruch in 4. Mose 34 schon recht bescheiden ausgefallen im Vergleich zu dem früheren Gelobten Land, das bis an den Euphrat reichte, so findet sich im Buch Josua sogar "der Herr" damit ab, dass es noch viel weniger zu verteilen gibt als er in 4. Mose 34 versprochen hatte:

(Josua 13, 1) Da nun Josua alt war und wohl betagt, sprach der Herr zu ihm: Du bist alt geworden und wohl betagt, und des Landes ist noch sehr viel übrig einzunehmen...

In der Tat ist das von Josua eingenommene Land nur noch ein Abglanz des Isaak- oder David-Reiches. Die Nordgrenze des Zwölfstämmegebietes verläuft sogar nur noch am Tal der Werkleute, (hebr.: Ge-Charaschim), wo ebenfalls Benjaminiter wohnten (1. Chron. 4,14; Luther übersetzt: Tal der Zimmerleute). Es ist jenes Tal, das auch als Schmelzhütten am Wasser (hebr.: Misrephoth-Majim) bezeichnet wird und auf der Grenze zwischen dem Stammesgebiet Asser und Phönizien liegt, dem Land der Sidonier außerhalb der Stammesgebiete. Eigenartigerweise liegt die phönizische Metropole Tyrus noch auf israelischer Seite im Stammesgebiet Asser. Daraus folgt, dass die Nordgrenze des Zwölfstämme-Israel mitten durch Phönizien verlief. Im Tal der Schmelzhütten am Wasser lag die Waffenschmiede der "Heiden" (hebr. Haroscheth-Gojim), die wir schon in einem Richterbuch-Kapitel kennengelernt haben und wo Sisera, der Feldhauptmann des Jabin von Hazor, seinen Wohnsitz und offenbar auch seine Fabrik für Streitwagen hatte (Richt. 4,2.13). Zu der damaligen Zeit gehörte dieses Tal jedenfalls nicht zu einem israelischen Stammesgebiet. Wir tun gut daran, die geographischen Angaben im AT mit derselben Vorsicht zu betrachten wie die historischen.

Die nicht eroberten Gebiete im Buch Josua entsprechen den Angaben, die im Buch Richter gemacht werden. Hier wird auch gleich die "Begründung" dafür mitgeliefert, warum diese Gebiete unter Josua nicht erobert wurden. Diesmal ist es nicht das Alter des Josua:

Richter 3: (1) Dies sind die Heiden, die der Herr ließ bleiben - dass er durch sie Israel versuchte, alle, die nicht wussten um die Kriege Kanaans, (2) und dass die Geschlechter der Kinder Israel wüssten und lernten streiten, die zuvor nichts darum wussten -, (3) nämlich die fünf Fürsten der Philister und alle Kanaaniter und Sidonier und Heviter, die am Berge Libanon wohnten, von dem Berge Baal-Hermon an, bis wo man kommt gen Hamath.

Diese Beschreibung deckt sich weitgehend mit dem Gebiet, das in 4. Mose 34 als Nordteil des Gelobten Landes umrissen wird. Der Verlust dieses Gebietes nach David I hängt mit der Einmischung der Ägypter und anschließend der Amoriter in die israelische Politik zusammen. Bekanntlich hatte Abisalom die Ägypter zu Hilfe gegen seinen Bruder Adonia gerufen, während sein Nachfolger Elimelech die Hilfe der Amoriter in Anspruch nahm, um sich gegen die übrigen Söhne Davids I durchzusetzen. Auf diese Weise war die Nordregion Alt-Benjamin an die Amoriter gefallen. Es entstand die Bezeichnung Amurru. Dass dieses Gebiet unter Saul und auch noch unter David I die Bezeichnung Benjamin getragen hatte, war für die Redakteure des AT peinlich zuzugeben. Trotzdem hielten sie mit dieser Angabe nicht hinter dem Berge; aber sie lieferten den Lesern keine Erklärung dazu:

(2. Sam. 4,2) Es waren aber zwei Männer, Hauptleute der streifenden Rotten unter dem Sohn Sauls; einer hieß Baana, der andere Rechab, Söhne Rimmons, des Beerothiters, aus den Kindern Benjamin. Denn Beeroth wird auch unter Benjamin gerechnet; ...

Beeroth ist das phönizische Beirut, das eindeutig in dem Nordgebiet liegt, das als Alt-Benjamin bezeichnet werden kann. Dass man diese Stadt auch zu (Neu-)Benjamin rechnen könne, muteten die Redakteure ihren Lesern zu; denn offiziell ist die Bezeichnung "Benjamin" für die Nordgebiete nicht mehr in Gebrauch. Eine Erklärung für diese Unvereinbarkeit mit den Gegebenheiten in späterer Zeit können die Redakteure jedoch nicht liefern, ohne das Geheimnis ihrer Geschichts- und Geographie-Korrekturen preiszugeben.

Zu der Zeit des zweiten babylonischen Exils, auf die ich in einem viel späteren Kapitel erst eingehen kann, werden im Buch Hesekiel zwei irritierende Jahresangaben gemacht: "im 30. Jahr der Gefangenschaft des Propheten Hesekiel und im 5. Jahr der Fortführung Jojachins". Die Fortführung des Jojachin, der auch ein Teilaspekt der Person des Propheten Daniel ist, gehört ins Jahr 696 ndFl. Demnach ist das 5. Jahr seiner Fortführung das Jahr 700 ndFl, in dem Darius I auf den Thron des Großkönigs stieg. In demselben Jahr wie Jojachin wurde vermutlich auch Hesekiel deportiert. Das 30. Jahr ihrer beider Fortführung war folglich das Jahr 725 ndFl, in dem Kores = Kyros der Jüngere in Babylon die Juden befreite. Das 5. und das 30. Jahr können nicht dasselbe gewesen sein. Das Jahr 725 ndFl, in dem das Exil endete, ist daher plausibler für das, was im 30. Jahr der Gefangenschaft geschah, als der Prophet Hesekiel die Grenzen für die Heimkehrer aus diesem Exil festlegte. Dass dies erst zu einem so späten Zeitpunkt geschehen ist, kann als der Beweis dafür angesehen werden, dass die endgültige Aufteilung der zwölf Stammesgebiete, die vorher auch nie in anderen Quellen erwähnt werden, erst nach dem zweiten Exil vorgenommen wurde. Alle konventionell früheren Angaben zu dieser Aufteilung können daher als spätere Einfügungen angesehen werden:

Hesekiel 47: (13) So spricht der Herr Herr: Dies sind die Grenzen, nach denen ihr das Land sollt austeilen den zwölf Stämmen Israels; denn zwei Teile gehören dem Stamm Joseph. (14) Und ihr sollt's gleich austeilen, einem wie dem anderen; denn ich habe meine Hand aufgehoben, das Land euren Vätern und euch zum Erbteil zu geben. (15) Dies ist nun die Grenze des Landes gegen Mitternacht: vom großen Meer an des Weges nach Hethlon gen Zedad, (16) Hamath, Berotha (= Beirut), Sibraim, das an Damaskus und an Hamath grenzt, und Hazar-Thichon, das an Hauran grenzt. (17) Das soll die Grenze sein vom Meer bis gen Hazar-Enon, und Damaskus und Hamath sollen das Ende sein. Dies sei die Grenze gegen Mitternacht.

(18) Aber die Grenze gegen Morgen sollt ihr messen zwischen Hauran und Damaskus und zwischen Gilead und dem Lande Israel, am Jordan hinab bis ans (Salz-)Meer gegen Morgen. Das soll die Grenze gegen Morgen sein.

(19) Aber die Grenze gegen Mittag ist von Thamar bis ans Haderwasser zu Kades(-Barnea; vgl. hierzu die Angaben in Exodus, die weiter oben schon besprochen wurden!) und den Bach (Ägyptens) hinab bis an das große Meer. Das soll die Grenze gegen Mittag sein.

(20) Und an der Seite gegen Abend ist das große Meer von der Grenze an bis gegenüber Hamath. Das sei die Grenze gegen Abend.

Hatte sich die Ausdehnung des Gelobten Landes seit Isaak und David I auch permanent verkleinert, so strebten die Politiker bis zu den Tagen des Hesekiel doch immer wieder die Nordgrenze bei (Lebo-)Hamath (= Hamath-Zoba, nicht mit Hamath-Rabbah = Groß-Hamath zu verwechseln, das weiter im Norden am Orontes lag) und Zedad an. Sie hatten sich nicht damit abgefunden, dass Alt-Benjamin an die Sidonier (= Phönizier) und Amoriter verloren war. Auch die ägyptische Oberhoheit, die unter Thutmoses III, dem Manachpiria der Amarnabriefe, bis an den Euphrat reichte, war keine Garantie dafür, dass Israel dieses Gebiet jemals wieder beanspruchen konnte.

Unter diesem Aspekt ist die Anstrengung der Stadtfürsten in der Amarnazeit verständlich, mit Unterstützung fremder Mächte wie der Hethiter einen Staat Israel zu errichten, der wieder bis an den Euphrat reichte; doch am Ende all dieser vergeblichen Bemühungen blieb nur ein Priesterkönigtum Judäa übrig, das kurz vor seinem (vorläufigen) Ende noch im Römerreich aufging. Der Traum vom Gelobten Land blieb dennoch.

Bei genauer Betrachtung ist das Alt-Benjamin, wie es in den Büchern 4. Mose, Josua, Richter, Samuel und Hesekiel beschrieben wird, schon nicht mehr das Uralt-Benjamin des Isaak, Samuel-Benjamin, Saul und des David I. Es ist schon ein erstes Rest-Benjamin von dem, das bis an den Euphrat gereicht hatte. Dabei taucht natürlich die Frage auf, ob das sehr weit im Süden liegende Jerusalem tatsächlich die Hauptstadt des David I und eines so großen Reiches gewesen sei. Für die Herren Samuel und Saul werden bekanntlich andere Orte als Residenzen genannt. Konventionell werden diese Plätze aber in Neu-Benjamin gesucht, also auf dem Gebirge Ephraim. Die Frage erweitert sich folglich dahin gehend, ob die Städte, die von den Benjaminitern bewohnt wurden, auf dem Gebirge Ephraim lagen oder weiter im Norden in Alt-Benjamin, wo sich die tatsächliche Hauptstadt des David-Reiches befunden haben könnte.

Zunächst sei festgehalten, dass das stark verkleinerte Neu-Benjamin tatsächlich der Rest des ursprünglichen Benjamin gewesen sein kann, das bis an den Euphrat reichte. Westlich an Neu-Benjamin grenzt das Stammesgebiet Dan, das bis ans Meer reicht und eine Dependance im Norden hat, die jedoch nicht ans Meer reicht. Es ist nicht auszuschließen, dass das südliche Dan ursprünglich westlich des nördlichen lag und dessen Verbindung zum Meer darstellte: "Und warum wohnt Dan unter den Schiffen?" (Richt. 5,17).

Dan musste später aus redaktionellen Gründen nach Süden verlegt werden, weil seine Lage westlich von Benjamin erhalten bleiben sollte. Bestärkt wird diese Vermutung durch die Möglichkeit der Erweiterung des Namens Dan zu De-dan. "Dedan" bedeutet im Arabischen "Schwertklinge". Sofort werden wir an die Schmiede der Heiden im Tal der Werkleute erinnert, im Misrephoth-Majim, der sich genau westlich von Nord-Dan zum Meer hinunterzieht. Die Namen der nördlichen Dedaniter (so bei Hesekiel und Jeremia) werden nach der Etymologie des Wortes Dedan mit Sägenfeiler, Schwertfeger oder Metalllöter erklärt2.

Dass Benjaminiter auch in Nord-Dan (d.i. Lais-Dan) wohnten, geht aus Neh. 11 hervor: (31) Die Kinder Benjamin aber wohnten von Geba an zu Michmas, Aja, Beth-El und seinen Ortschaften (32) und zu Anathoth (Heimat des Propheten Jeremia)...(35) Lod und Ono im Tal der Zimmerleute. (36) Und etliche Leviten, die Teile hatten in Juda, wohnten unter Benjamin. Dieser letzte Satz lässt alles offen, was noch gefüllt werden kann.

Anathoth als Personenname bezeichnet einen Sohn des Benjaminiters Becher (1. Chron. 7,8). Lais von Gallim, Namensgeber der Stadt Lais in Nord-Dan und Vater des Phalti, des ersten Gemahls der Saul-Tochter Michal (1. Sam. 25,44; 2. Sam. 3,15), heißt an anderer Stelle auch Lus und ist sehr wahrscheinlich mit dem Hethiter (= Gallim!) identisch, der die Stadt Lus baute (Richt. 1,26). Lus ist der "alte" Name der Stadt, die Jakob in Beth-El umbenannte (1.Mose 28,19). Wenn aber unter Abraham (1. Mose 12,8) die Stadt schon bei diesem Namen genannt wird, dann spricht das dafür, dass Abraham erst nach Jakob in diese Gegend kam. Es ist sogar noch anders: Wie in einem früheren Kapitel gezeigt wurde, war es ohnehin Isaak, der seinen Altar zwischen Beth-El und Ai aufstellte, oder sogar erst dessen Sohn Jakob. Auch dazu wurde an früherer Stelle schon abgehandelt. Auf jeden Fall käme Lais-Lus, der Hethiter von Gallim aus 1. und 2. Samuel, viel zu spät, um Lus zu gründen, eine Stadt, die von Jakob bereits in Beth-El umbenannt worden war.

Von den Propheten Hosea (4,15; 10,5) und Amos (4,4; 5,5) wird die Stadt Beth-El auch Beth-Awen (= Haus des Götzen) genannt; wenn mit diesem Götzen die kanaanitische Göttin Anath oder Anât gemeint sein sollte, dann kann Beth-El mit Beth-Anath (im Stamme Naphthali) oder mit Beth-Anoth (im Stamme Juda, womöglich dort identisch mit Anathot und mit Laisa) identisch sein. Die unterschiedliche Stammeseinordnung muss nicht eine unterschiedliche geographische Lage bedeuten, wie weiter unten noch gezeigt werden soll. Vielmehr ist es wichtiger, dass in dem Falle Beth-El mit Lais in Nord-Dan und sogar mit Anathoth identisch sein kann!

Die Benjaminiter-Städte Lod und Ono werden konventionell in Küsten- bzw. Süd-Dan lokalisiert, was schon befremdlich klingt. Wenn aber diese Orte mitsamt Süd-Dan nach Norden verschoben werden sollen, dann käme auch das ebenfalls als benjaminitisch bezeichnete Tal der Zimmerleute folgerichtig in den Misrephoth-Majim zu liegen, wo es ja auch hingehört. Küsten-Dan war nach diesen Überlegungen die Verbindung von Lais-Dan zur Küste zwischen Tyrus und Zarpath. Genau hier wird aber das mâtu danuna (= Land Danuna) der Amarnabriefe lokalisiert3:

Mit mâtu da-nu-na hat Marmier (Rev. ét. juiv. 44, S.33) das heutige 'Adlun zwischen Tyrus und Sarepta (bibl. Zarpath, heute Sarafand) an der Küste (an der Stelle des alten Ornithopolis) gelegen, verglichen (Eig.Anm.: hier endet das Tal Misrephoth-Majim = Haroscheth-Gojim)... Die ägyptischen Quellen tun eines dnn Erwähnung, das Müller (AE S. 359ff., vgl. auch OLZ 3,290) den kleinasiatischen Hethitervölkern (Eig.Anm.: Hethiter Lais-Lus von Gallim!) zurechnet, also jedenfalls sehr weit nördlich lokalisiert. Die Erwähnung der "Inseln von dnn" weist auf eine Lage an der Küste hin. Wenn auch die Identifizierung mit dem ägyptischen dnn mit dem Danuna der EA-Briefe sicher scheint, (vgl. Burchardt Nr.1188), so ist die Frage nach dessen Lage damit noch nicht entschieden. Wenn Clauß wegen der Erwähnung in einem Briefe aus Tyrus eine südliche Lage für notwendig erachtet, so beweist das nicht viel... Für eine Lage an der nordsyrischen Küste spricht sich ohne Angabe von Gründen auch Knudtzon (M.) aus, der zudem Danuna mit Tunanat (vgl. S.1117 zu 53,43), über das wir ebenfalls nichts Näheres wissen, zusammenstellt. Eine weitere Frage ist, ob Danuna mit den Gen. 10,4 neben Elisa, Tarschisch und Kittim als Söhne Iawans genannten Dodanitern zusammenzustellen ist, wie es nach dem Vorgang von W.M. Müller, OLZ 3,290 bei Ges.-Buhl 15 s.v. geschieht, und was auch Knudtzon (M.) für möglich hält. (Eig.Anm.: auch hier eine Anspielung auf "Heiden", also Gojim, d.h. Indoarier wie die Hethiter, die für ihre Kunst in der Eisenverarbeitung berühmt waren) Da die EA-Stelle nichts in den Weg legt, Danuna hoch im Norden zu lokalisieren, ist auch die Identifizierung mit den Dodanim nicht unmöglich.

Knudtzon-Weber vermerken, dass Knudtzon (M.), der eine Lage von Danuna an der nordsyrischen Küste für möglich ansieht, zudem Danuna mit Tunanat zusammenstellt. In dem Falle ist Tun-Anat = Danuna, das "nördliche Küstendan", auch mit den Orten Anathot bzw. Beth-Anat zusammenzustellen, also mit Lais-Dan, Beth-Awen und sogar mit Beth-El! Lag Beth-El im Norden, in Alt-Benjamin, und nicht im südlicheren Gebirge Ephraim, das eigenartigerweise im Stammesgebiet Benjamin liegt? Die in Neh. 11,31 genannten Orte können auch zu den Zeiten Samuel-Benjamins und Sauls auf dem Gebirge Ephraim gelegen haben, so dass die Residenzen Samuels und Sauls in dieser Gegend zu suchen sein dürften.

Die weiter nördlich liegenden Gebiete, die später zu dem großen "Reich Israel" gehörten, sind dann auf die anderen Stammesgebiete aufgeteilt worden. Zum Teil hatten diese Stammesgebiete schon vorher ihre Namen, die sowohl aus der Zeit vor Isaak als auch aus der Zeit nach ihm stammten; denn die Ephraimiter und Naphthaliter aus Ägypten bzw. Midian waren ebenso wie die Philister aus Mesopotamien, die mit den Phöniziern identisch sein können, Gefolgsleute des Isaak gewesen. Sebuloniter und Manassiter führen sich ebenfalls auf die Benjaminiter-Familie zurück. Alle übrigen Stammesbezeichnungen sind vermutlich uralte Namen. Insofern ist die Bezeichnung "Alt-Benjamin" für die ganzen elf israelitischen Stämme durchaus angebracht.

Lediglich das Stammesgebiet Juda spielt eine Sonderrolle: Auf Juda ging - wie schon gesagt wurde - das Fürstentum des Ruben über, aber auf die Kinder Josefs das Recht der Erstgeburt. Unter letzterem kann das Erstgeburtsrecht des nach Ägypten ausgewanderten Jakob verstanden werden, das auf seinen jüngeren Bruder Samuel-Benjamin-Manassa überging. Der andere "Sohn des Josef", in Wirklichkeit aber auch ein Sohn des Isaak, nämlich der jüngste Bruder von Jakob und Samuel-Benjamin, Sem-Juda, erbte das Fürstentum Juda von einer Familie, die als die eigentlichen Rubeniter angesehen werden können und die sich offensichtlich selbst als "Könige von Juda" bezeichneten und die mit dem Hadad-Glauben verbunden waren. Hadad ist der "heidnische" Gott Adad, der mit dem Wetter- und Vegetationsgott Teschub der Indoarier identisch ist. Diese Hadad-Familie wurde von den Assyrern nach Kleinasien deportiert. Ihr letzter Vertreter auf dem Thron von Juda hieß Jotham und war der spätere Stadtfürst Panam(m)u von Samal, dem heutigen Sendschirli (Zincirli) im Osten der Türkei. Auf diese Hadad-Familie komme ich in einem späteren Kapitel ausführlich zurück.

Das Stammesgebiet Ruben wird konventionell auf dem Ostufer des Jordan angesiedelt. Dort überschneidet es sich mit dem Land Moab, und manche Städte werden im AT einmal als in Ruben und ein andermal als in Moab liegend angegeben. Die Historiker, die sich mit den Amarnabriefen beschäftigt haben, kamen mit diesem Problem in Berührung, ohne dass sie sich dessen wirklicher Tragweite bewusst wurden. Sie hatten und haben ganz allgemein mit der Schwierigkeit zu tun, dass sie einige Städte aus den Amarnabriefen nicht mit ähnlich klingenden Städtenamen aus dem AT in Verbindung bringen können, da diese an ganz anderen Stellen untergebracht worden sind, d.h. sie werden Stammesgebieten zugeordnet, die geographisch nicht mit den Orten in den Amarnabriefen übereinstimmen. Aus den Briefen geht ziemlich gut hervor, wo die meisten dieser Städte zu suchen sind. An diesen Plätzen gibt das AT die Pendants zu diesen Städten aber bisweilen nicht an. Da nun die Schreiber der Amarnabriefe keinerlei Veranlassung hatten, die geografische Lage ihrer Orte zu vertuschen, so kann man davon ausgehen, dass die Ortsangaben im AT falsch sind. Der weitaus größte Teil der biblischen Orte soll im Stammesgebiet Juda liegen, so dass dieses förmlich aus den Nähten platzen müsste, wenn diese Orte tatsächlich alle hier gelegen hätten. Manche werden sogar an verschiedenen Stellen des AT jeweils unterschiedlichen Stammesgebieten zugewiesen, so dass der Eindruck entsteht, als wären viele Städtenamen mehrfach vergeben worden. Ein besonders krasser Fall wurde weiter oben schon angesprochen: Der Rubeniter Beera wurde von Tiglath-Pileser aus dem Land Amka weggeführt (1.Chron. 5,6), das sich keineswegs an der Stelle befand, wo das AT das Stammesgebiet Ruben lokalisiert. Das Land Amka oder Amki, das im AT (u.a.) den Namen Abel-Beth-Maacha führt, lag nördlich des Stammesgebietes Naphthali in der heutigen Bekaa-Ebene. Was hätte ein Rubeniter, dessen Residenz am Ostufer des Jordan liegen müsste, hier verloren gehabt?

So gern sie es vermutlich täten, können die Historiker den Ortsnamen Chaschabu nicht mit dem biblischen Hesbon identifizieren, da Hesbon die Hauptstadt von Moab war, dann aber auch der Amoriter, dann wieder an den Stamm Gad fiel und schließlich wieder zu Moab gehörte. Der Name Hesbon leitet sich übrigens von dem hebräischen Wort chaschab (= "zählen, rechnen") ab, wodurch die Nähe dieses Namens zum Namen Chaschabu überdeutlich wird. Ähnliches gilt für den Schreiber des Amarnabriefes Nr. 175, einen gewissen Ildaja von Chazi, der in denselben Schwierigkeiten in Amka steckt wie der Rubeniter Bieri. Der Ortsname Chazi entspricht dem biblischen Jahaz, das ebenfalls in Moab liegt, später zu Ruben gerechnet wurde und das die Historiker ebensowenig mit Chazi identifizieren können wie Hesbon mit Chaschabu. Wozu diese Schüchternheit?

Es wäre doch am einfachsten, wenn man Ruben in die Bekaa-Ebene verlegen würde, nämlich in das Land Amki, das auch mit dem Geschur be-Aram bzw. dem Aram-Beth-Rechob zu identifizieren ist. Alle diese Namen werden im AT jeweils an verschiedenen Stellen für dieselbe Gegend benutzt. Wenn Ruben aber in Wirklichkeit Rechob oder Rechab hieß, dann kann er der Vater der oben erwähnten Hadad-Familie gewesen sein, aus der u.a. die Herren Hadad-Rimmon und Hadadeser stammten. Der Aram (= Land) Zoba des Hadadeser entspricht in den Amarnabriefen dem mâtu (Land) Zubari des Rib-Addi, der seinerseits mit Hadadeser identisch ist. Zoba-Zubari bildet einen Teil desjenigen Gebietes, "das noch zu erobern übrig ist" (Jos. 13,2), das also zum Gelobten Land, nicht aber zu den eigentlichen Stammesgebieten gezählt wurde.

Auf all diese Gegebenheiten wird in späteren Kapiteln noch ausführlich eingegangen. Wichtig ist hier lediglich die Feststellung, dass das Stammesgebiet Ruben ursprünglich keineswegs hinter dem Toten Meer lag und das Land Moab sich zeitweise bis über den Jordan ins Westland erstreckt haben muss. Auch darauf gibt es Hinweise, die hier jedoch noch nicht erörtert werden sollen. Es sieht so aus, als habe man die Rubeniter aus dem Norden nach dem zweiten babylonischen Exil, als dieses Gebiet für die Juden endgültig verloren war, auf das Ostufer des Jordan in das ursprüngliche Kern-Moab verteilt.

Wir betrachten jetzt im einzelnen alle die Orte, die bei den Grenzziehungen in 4. Mose 34 und Hesekiel 47 erwähnt werden:

Berg Hor (4. Mose 34): Der Name Hor bedeutet allein schon "Berg" oder "Gebirge". Seine Lage ist unbestimmt; er müsste zwischen Beirut und Tripolis zu suchen sein. Der Karte 69 im Bibel-Atlas4 zufolge liegt der Berg Hor dicht hinter der Küste. Der Text hierzu weist auf "das Land, das noch zu erobern übriggeblieben ist" hin (Jos. 13,1-6; Richt. 3, 1-3). Dieser Berg Hor, auf dem Aaron verstarb, ist mit dem Berg Hor, der angeblich an der edomitischen Grenze gelegen haben soll, ebenso identisch wie mit dem Berg Horeb, dem Berg der Gesetzgebung, der angeblich auf der Halbinsel Sinai gelegen haben soll. Wie kann ein Berg einfach nur "Berg" (hebr.: hor) heißen? War das sein richtiger Name?

Afeka, Apheka: Dieser Ort, dessen Name "Festung" bedeutet, wird in 4. Mose 34 zwar nicht erwähnt; er erscheint aber auf besagter Karte 69 als ein Grenzort im Sinne der obigen Beschreibung. Dieses Apheka kann vordergründig nicht mit dem Apheka im Stamme Juda (Jos. 15,53) und nicht mit dem Aphek nahe bei Mizpa (1. Sam. 4,1), identisch sein, wohl aber mit dem (beim Siddim-Einsturz zerstörten?) Aphek im Stammesgebiet Asser (Jos. 13,4) "in der Nähe von Jesreel" (1. Sam. 29,1; 1. Kön. 20,26-30). Es ist infolgedessen wahrscheinlicher, dass die Lage dieser Stadt im "Philistergebiet" Asser nahe Akko zu suchen ist, zumal es in 4. Mose 34,7-11 auch gar nicht an der Nordgrenze erwähnt wird.

Hamath (Chamath; 4. Mose 34; Hes. 47): Der Name bedeutet "Festung, Burg". Hier kann nicht die große Stadt in Syrien am Orontes gemeint sein, das Hamath-Rabbah = "die große Hamath" (möglicherweise im Gegensatz zu dem kleinen Lebo-Hamath). Auf Karte 69 wird der hier in Rede stehende Ort Lebo-Hamat genannt. 4. Mose 13,21: Sie gingen und erkundeten das Land von der Wüste Zin bis gen Rechob, da man gen Hamath geht. Rechob ist der Aram-Beth-Rechob, also das Land der Rechabiter, der Hadad-Familie, die ich oben mit den Rubenitern identifiziert habe. Die Auskundschaftung dieses Gebietes durch die Neuankömmlinge und die Begegnung mit den Rubenitern sprechen für ein Betreten dieses Gebietes durch die Chabiru des Aaron-Moses bereits am Anfang ihrer Einwanderung. Lebo-Hamath ist das Hamath-Zoba in 2. Chron. 8,3: Und Salomo zog gen Hamath-Zoba und ward desselben mächtig. Daraus folgt, dass dieses Hamath zum Aram-Zoba des Hadadeser gehörte, dessen Heimatort Gubla unweit des Berges Hor lag, also unmittelbar an der Nordgrenze des hier umrissenen Gebietes. Hadadeser war der Sohn Rechobs.

Hethlon (Hes. 47,15; 48,1): Weder die Bedeutung des Namens noch die Lage der Stadt lassen sich genau bestimmen. "Vom großen Meer an" würde bedeuten, dass dieser Ort westlich von Zedad liegen müsste; doch die Aufzählung der übrigen Orte erfolgt von Ost nach West, so dass auch hieraus nicht auf die Lage von Hethlon zu schließen ist.

Zedad (4. Mose 34,8; Hes. 47,15): Dieser Name bedeutet "Berg, Talseite"; es werden im Biblischen Namen-Lexikon5 keine näheren Angaben gemacht. Es könnte sich hierbei um das aluschaddu in Brief Nr. 197 des Namiawaza an den König handeln. Dabei wird an einen Ort im Ostjordanland außerhalb der Einflusssphäre Ägyptens gedacht, der von Arzawija erobert wurde, der es aber nicht den Ägyptern übergeben hatte. Seine Lage in der Nähe von Damaskus lässt eine einigermaßen befriedigende Identifizierung mit Zedad zu. Auf Karte 69 liegt Zedad von Damaskus allerdings ziemlich weit entfernt. Die Eintragung der biblischen Orte in eine Karte heutiger Ortschaften ist immer dann problematisch, wenn sie nicht genau zu lokalisieren sind; und das ist bei den allermeisten biblischen Orten der Fall!

Siphron (Zifron; 4. Mose 34): Der Name bedeutet "Anhöhe"; es werden keine näheren Angaben gemacht. Es müsste auf dem Weg von Zedad zu folgendem Ort liegen:

Hazar-Enan (4. Mose 34) bzw. Hazar-Enon (Hes. 47): Der Name dieses Dorfes bedeutet "Quellenhof" ("hazar" = "Hof, Dorf", "enan" = "quellenreich"); Enan war ein Sohn des Achira, eines Stammesfürsten der Naphthaliten (4. Mose 1, 15; 2,29; 7,78.83; 10,27). Es kann sich bei Hazar-Enan bzw. -Enon um das in Amarnabrief 187 erwähnte Enischasi des Schatija handeln; aber auch zu dieser Ortsangabe fehlen Anhaltspunkte zur genaueren Lagebestimmung. Eine Identität der beiden Orte ist indes nicht auszuschließen.

S(ch)epham (4. Mose 34): Dieser Name bedeutet "Nacktheit, baumlose Gegend"; es ist die Heimat des Sephamiters Sabdi (1. Chron. 27,27), des benjaminitischen Kellermeisters unter David. Es bestehen Ähnlichkeiten mit den folgenden Namen: S(ch)ephatja, einem Benjaminiter, Schephi, einem Sohn von Schobal (= Benjaminiter Kaleb), sowie mit dem Benjaminiter-Namen Schephupham ("Schlange, Natter"), einem Sohn von Bela (1. Chron. 8,5), der auch Muppim (1. Mose 46,21) und Schuppin (1. Chron. 7,12.15; 26,16) heißt. Er kann mit dem Benjaminiter Schephuphan (1. Chron. 8,5) identisch sein. Schephatja war auch ein Sohn des David. Die Hinweise auf Benjaminiter und David lassen es zu, die Lage dieses Ortes, der zu keinem Stammesgebiet gerechnet wird, in Alt-Benjamin zu sehen.

In Hes. 47 werden auch noch folgende Städte genannt:

Sibraim (Hes. 47): (= "Hoffnung"?) Der Name kommt nur hier im AT vor; ein Vergleich dieser Stelle mit 4. Mose 34 lässt aber die Vermutung zu, dass es sich bei "Sibraim, das an Damaskus und Hamath grenzt", um Siphron handelt. Vor der Erwähnung Sibraims wird in Hes. 47,16 noch eine Stadt aufgezählt, die in 4. Mose 34 nicht genannt wird:

Berotha (Berothai; Hes. 47): In 2. Sam. 8,8 wird diese Stadt zu den Städten des Hadadeser gezählt. Die Karten 12 und 102 des Bibel-Atlas' verlegen Berotai in die Kupfer- und Eisenerzgebiete am Antilibanon nördlich von Damaskus. Das hat offenbar seinen Grund in der Angabe, David habe in Berothai und Betach (2. Sam. 8,8) bzw. Tibehath und Chun (1. Chron. 18,8) Kupfer von Hadadeser genommen. Dies wäre aber auch im Hafen von Berothai-Berotha-Beeroth = Berytos-Beirut möglich gewesen; denn die in den Bergwerken gebrochenen Erze wurden offenbar zunächst im Misrephoth-Majim (= "Schmelzhütten am Wasser") verhüttet, ehe sie in den Häfen verschifft wurden.

Die Berothiter (1. Chron. 11,39) bzw. Beerothiter (2. Sam. 4,2; 23,37; 1. Chron. 11,39) stammen aus Beeroth im Stamme Benjamin: (2. Sam. 4,2) ... Denn Beeroth wird auch unter Benjamin gerechnet; ... Folglich ist der Aram-Zoba des Hadadeser, des Sohnes des Rechob (= Rechab), ein Teil von Alt-Benjamin. Rechob-Rechab kann, wie ich schon sagte, mit der Person Ruben gemeint sein, dessen Stammesgebiet, der Aram-Beth-Rechob, mit dem Aram-Zoba weitgehend identisch sein kann und auch in Alt-Benjamin lag, d.h. außerhalb der konventionellen Stammesgebiete. Kein Zweifel kann daran bestehen, dass das alubêruta (alu ist das Determinativ für "Stadt") der Rib-Addi-Briefe mit Beirut identisch ist und daher Beeroth-Beruta auch das Berothai des Hadadeser ist.

Ribla (4. Mose 34): Dieser Name bedeutet "Fruchtbarkeit" (nach dem arabischen rabala = "Menge"). In Ribla im Lande Hamath wird Joahas von Necho später ins Gefängnis geworfen (2. Kön. 23,33), und Zedekia wird hier vor Nebukadnezar geführt und geblendet (2. Kön. 25,6.20f.; Jer. 39,5; 52, 9.26). In den Amarnabriefen kommt der Name "Ribla" nicht vor. Wenn aber Ribla mit Rimmon (= "Granatapfel", Symbol der Fruchtbarkeit) identisch sein sollte, der Stadt des Vaters Rimmon von Rechob-Rechab, dann würde das Nichterscheinen von Ribla in den Amarnabriefen zu erklären sein; denn Rimmon wäre dann auch Gath-Rimmon, das als Levitenstadt im Stamme Dan (Jos. 19,45; 21,24; 1. Chron. 6,69) gilt, also weit im Norden liegen muss. Da dieses Gath (auch Gad geschrieben) in den Amarnabriefen Katna (heute Höms) heißt und ebenfalls im Lande Hamath zu suchen ist, etwa auf halbem Wege zwischen Kadesch und Groß-Hamath in der Nähe des Orontes-Flusses, kann es mit dem biblischen Ribla identisch sein. Gath-Rimmon heißt in den Amarnabriefen Giti-Rimunima. Das widerspricht nicht der obigen Angabe, Gath heiße in den Briefen Katna; denn der Herrscher einer Stadt, wie hier z.B. Akizzi von Katna (= Achis von Gath/Gad), kann seine Stadt durchaus anders genannt haben als jemand, der dieselbe Stadt in seinem Brief nur erwähnte.

Es gab offensichtlich mehrere Städte in Palästina/Kanaan, die den Namen "Gath" ("Verkündigung") trugen; eine davon wird zu den fünf Hauptstädten der Philister gezählt (Jos. 11,22; 1. Sam. 5,8; 6,17; 7,14; 17,4; 1. Chron. 18,1; Am. 6,2) und in der Gegend von Lachis und Maresa im Stamme Juda gesehen, eine weitere mit Namen Gath-Hepher findet sich im Stamme Sebulon (Jos. 19,13; 2. Kön. 14,25) und ist der Geburtsort des Propheten Jona.

Gath wird vom Propheten Micha (Mi. 1,10-15) im Zusammenhang mit anderen Orten aufgeführt, die verhältnismäßig weit auseinander liegen, darunter z.B. Akko, Lachis, Jerusalem, Moreseth-Gath und Maresa. Wenn nun Moreseth (auch Morescha, Maresa, Areseth, die Geburtsstadt des Propheten Micha, der in den Amarnabriefen Mija von Araschni heißt) und seine Nachbarstadt, das Philister-Gath, in Juda und nicht weiter nördlich in der Gegend von Akko gelegen haben und nicht mit dem dortigen Gath-Hepher identisch gewesen sein sollten, dann muss von der Existenz mindestens dreier Gaths ausgegangen werden: Moreseth- bzw. Philister-Gath in Juda, Gath-Hepher in Sebulon und Gath-Katna = Gath-Rimmon im Norden, in Alt-Benjamin.

Verwirrend ist nun, dass es im Stammesgebiet Sebulon an der Grenze zu Naphthali einen Ort Rimmon gab, der nicht weit von Gath-Hepher entfernt angesetzt wird, der aber nicht mit Gath-Rimmon, sondern mit En-Rimmon zu identifizieren ist. Dieser Ort liegt nicht weit von der Stelle entfernt, an der der nun folgende Ort zu suchen ist:

Ain (Ajin; 4. Mose 34) bedeutet "Quelle, Auge". Dieser Stadtname erscheint sehr häufig im AT und zwar an geographisch weit voneinander entfernten Plätzen. So tragen diesen Namen mehrere Orte in Juda (Jos. 15, 32), die zunächst an die Simeoniter (Jos. 19, 7; 1. Chron. 4, 32) und dann an die Leviten abgetreten wurde (Jos. 21, 16).

Ain wird fast immer mit der Stadt Rimmon zusammen genannt, mit der es sogar eine Einheit bilden könnte: En-Rimmon (= Rumna; morgenwärts von Ain). Das in Amarnabrief Nr. 319 von Zuraschar erwähnte aluachtirumna oder alugintirumna könnte gemeint sein. Bei Zuraschar kann es sich um den Stadtfürsten Zurata-Scharatum von Akko handeln, zu dessen Gebiet Achtirumna = Ain durchaus gerechnet werden kann; denn es ist mit dem in 4. Mose 34 erwähnten Ain ganz zweifellos das Ain im Lande Gessur (Geschur) am Meer Kinneroth gemeint, das nicht weit von der Küstenstadt Akko entfernt liegt. Die Lesung des Ortsnamens Achtirumna kann auch Achtiaschna (= das "eine" Aschna? Jos. 15,43) und der von Gintirumna G(K)intiaschna lauten. Das "eine" Aschna wäre dann Rumna = En-Rimmon, und das "andere" wäre Ain oder umgekehrt.

Zweifellos handelt es sich bei dem in 4. Mose 34 erwähnten Ain um Ijjon, das zusammen mit dem Meer Kinneroth (4. Mose 34) erwähnt wird, mit dem See Genezareth; der Name Kinneroth bedeutet "Harfe"; Kinneroth wird auch mehrfach im Zusammenhang mit dem Land Amka erwähnt (1. Kön. 15,20):... Ijjon, Dan, Abel-Beth-Maacha (= Land Amka), das ganze Kinneroth samt dem ganzen Lande Naphthali; diese Region wird auch erwähnt in 2. Kön. 15,29:... Ijjon, Abel-Beth-Maacha, Janoah, Kedes, Hazor, Gilead, Galiläa, das ganze Land Naphthali; und auch in 2. Chron. 16,4:...Ijjon, Dan, Abel-Maim (= Land Amka) und alle Kornstädte Naphthalis.

Die älteste Beschreibung des Nordteils des gelobten Landes umfasst die Gebiete des Rib-Addi von matuzubari bzw. des Hadadeser von Aram-Zoba und des Zurata-Scharatum von Akko bzw. des mit diesem identischen Aschchur-Schacharaim von Zereth-Schachar, wenn die Grenze vom Meer Kinneroth in westlicher Richtung (etwa über Aphek in Asser zum Berg Karmel, südlich von Akko) weiter verlaufen soll. Akko, Rimmon-Sebulon, Ain-Ijjon und Kinneroth-Naphthali könnten ohne weiteres zum Gebiet des Zurata gehört haben. Insofern ist der Nordteil des in 4. Mose 34 beanspruchten Gebietes in der Amarnazeit mindestens zweigeteilt zu sehen:

Die Küste nördlich von Tyrus bis zum Berg Hor nördlich von Gubla-Byblos und das ganze Gebiet von hier östlich bis zum Antilibanon und Hermon gehörte zum Aram-Zoba des Rib-Addi bzw. zum Aram-Beth-Rechob seines Vaters, während das ganze Gebiet östlich der Küste vom Berg Karmel über Akko bis nördlich von Tyrus und weiter östlich bis über den Jordan und den See Genezareth hinaus zum Gebiet des David-Sohnes Zereth-Aschchur = Zurata-Scharatum = Zuraschar gehörte. Die Grenze zwischen beiden Gebieten lag am Misrephoth-Majim ("Schmelzhütten" bzw. "Brennofen am Wasser"; heute: Nahr el-Qasimive).

Damaskus: Während 4. Mose 34 den Namen Damaskus bei der Grenzziehung verschweigt, wird er in Hes. 47 als Teil des Gelobten Landes erwähnt. In der Tat hat aber Damaskus nie zu den Stammesgebieten gehört. Deren Nordgrenze war die von Asser, Naphthali und Dan, die sich dann ostwärts auf die in Nord-Süd-Richtung verlaufende Ostgrenze fortsetzen lässt (nach 4. Mose 34), um so die Südgrenze des Landes zu bilden, "das noch zu erobern übriggeblieben ist".

Zwischen dieser Südgrenze und der nach Westen in Richtung Ajin (in der Nähe des Sees Genezareth) abbiegenden Ostgrenze liegt das als "Basan" bezeichnete Gebiet im Ostjordanland mit dem "Geschur" oder "Gessur" genannten Gebiet. Der Geschur-be-Aram erstreckte sich aber noch weiter nach Norden, mindestens bis an den Berg Hermon, wenn nicht sogar darüber hinaus. Gessur ist vermutlich des Land Gazri oder Gari in den Amarnabriefen (Knudtzon-Weber)6:

Das Land Gari wird nach Niebuhrs Vorgang von Clauß (Nr.31) mit dem heutigen El-Ghôr, der Jordanebene, identifiziert; ... Andere suchen es im Negeb (-)... Im südlichen Palästina wird es auch von Knudtzon-Weber gesucht, wenn auch bis heute noch keine irgend befriedigende Identifizierung des Namens Gari gelungen ist. Angesichts dieser Tatsache möchte ich annehmen, dass matugari lediglich eine Verschreibung für matuga[az]ri ist. Die Lage von Gezer ist dieser Annahme durchaus günstig. Wir wissen ferner, dass Labaja in Gezer war, wenn nicht gar Gezer eine seiner Städte gewesen ist (vgl. zu Brief 254,20ff.: Die Heimat des Labaja war wahrscheinlich Sichem, vgl. zu 289,22."; Eig.Anm.: Sichem ist mit Gezer-Geser identisch!). Der einzige Brief, in dem das Land Gari erwähnt wird, stammt von Labajas Sohn Mut-ba'lu (256 an Ianchamu)...

Die Vaterschaft Labajas an Mutbalu ist fraglich. Trotzdem kann Sichem-Geser die Hauptstadt des Landes Gessur-Gazri gewesen sein. In diesem Falle hätte sich Gessur weiter nach Süden erstreckt. Eine Lage von Ga(z)ri im südlichen Palästina harmoniert sowohl mit den Absendern Adda-Dani und Abdi-Chiba als auch mit Angaben zu Gessur im AT (Jos. 13,2; 1. Sam. 27,8). Entweder reichte das Land Gazri bzw. Gessur tatsächlich so weit nach Süden, oder es gab zwei getrennte, doch zusammengehörende Teile dieses Landes, von denen einer zwischen dem Hermon und dem See Genezareth, der andere zwischen der Gegend um Sichem-Gerar-Gezer und Südjuda lag. Wie die folgenden Orte des Briefes Nr. 256 des Mut-Ba'lu an Ianchamu zeigen, scheint es sich bei dem Gazri um ein ausgedehntes Gebiet gehandelt zu haben. Zu den in diesem Brief genannten "sieben feindlichen Städten des Landes Ga(z)ri" zählen7:

aluaduri ist vielleicht (nach Steuernagel) das biblische Adoraim (im Stamme Juda), heute Dûrâ westlich von Hebron; nach Abraham Meister ist Adoraim vielleicht mit Adora identisch, das in Dora gekürzt ist. Nicht weit von Aduri liegt

aluúdumu, das biblische Duma(h) auf dem Gebirge Juda (Jos. 21,11), das heutige ed-Dôme zwischen Hebron und Beerseba südlich von Dûrâ. Udumu wird ebenfalls in Brief Nr. 256 erwähnt, dasselbe gilt für den folgenden Ort:

aluararu ist wohl nach Steuernagel das biblische Haroher oder Aroer im Stamme Juda, heute wohl (nach Dhorme S. 514) 'Ar'âra südlich vom Wadi el-Milh. Wegen der leichten Verwechselbarkeit der Buchstaben Resch (R) und Daleth (D) kann auch an das biblische Adada in Juda gedacht werden.

alumeischtu aus Brief 256 ist noch nicht identifiziert; es kann sich m.E. um das biblische Eschtemoa handeln, eine Leviten- und Freistadt im Gebirge Juda.

alumagdalim entspricht (nach Steuernagel) dem biblischen Migdal-Gad im Stamme Juda, heute vielleicht El-Megdel, östlich von Askalon.

aluchinianabi ist wohl mit dem biblischen Anab im Gebirge Juda, dem heutigen 'Anâb südwestlich von ed-Dôme zu identifizieren. Der Name Anab bedeutet im Hebräischen "Traube" und erinnert A. Meister an die große Traube aus der Nähe von Hebron (4. Mose 13,22-25).

aluzarki ist mit Dhorme (S. 514) möglicherweise im heutigen Bîr esch-Scharki wiederzuerkennen, halbwegs zwischen Maon und dem Toten Meer gelegen (also auch in Juda).

aluchawini ist nach Dhorme (S. 514) vielleicht das heutige Ghuwên südwestlich von Maon (demnach auch in Juda).

Die Lage dieser Städte in Juda spricht dafür, dass das Land Gazri bis in den Süden Palästinas reichte. Die Lage des folgenden Ortes spricht dafür, dass das Land Gazri-Gessur auch bis nach Gilead reichte, also über den Jordan hinaus bis weit nach Norden:

alujabischiba ist trotz abweichender Meinung von Knudtzon-Weber, die keine Möglichkeit der Identifizierung sahen, das Jabesch in Gilead. Es kann aber auch sein, dass Jabez in Juda (1. Chron. 2,55) gemeint ist. M.E. hat aber die erstgenannte Version den Vorrang.

Es ist nicht auszuschließen, dass diese Städte oder einige von ihnen in der Amarnazeit tatsächlich in Gilead oder in Gazri = Geschur lagen, später aber nach Juda "umgesiedelt" wurden, damit sie noch in den Bereich des Judenstaates fielen. Ein Beispiel dafür könnte Adam bzw. Adamah sein, das in Naphthali lag und mit aluúdumu identisch sein kann. Das gilt auch für Migdol-Gad, dessen Lage zur Amarnazeit noch in Gad zu suchen sein dürfte!

Die Gereziter sind die Bewohner von Gerar am Berg (der) Garizim. Gari kann Gerar, also Sichem, sein, und Gazri kann Gezer, also ebenfalls Sichem sein: Labaja von Sichem in Gezer-Geser = Gerar-Sichem, der Hauptstadt von Gessur-Gazri bzw. Gari? Iapachi von Gazri schreibt an den König, sein jüngster Bruder sei von ihm abgefallen und in Muchazi eingefallen. Knudtzon-Weber8:

alumu-uch-cha-zi ist vielleicht nach Clauß (Nr.72) mit dem biblischen Makaz (im NW Judas), jedenfalls aber mit Clauß und Dhorme (S. 513) mit dem in der Liste Thutmoses III vor Joppe genannten Ma'achs zusammenzustellen, das schon Conder und Tomkins mit dem Chirbet el-Maghazûn nordöstlich von Jaffa identifiziert haben. Nach M. Burchardt (briefl.) ist das aber lautlich nicht gut angängig.

Iapachi von Gazri schreibt weiter, dass sich dieser Bruder den Sa.Gaz ergeben habe (298,20ff.; auf die Anarchistengruppe Sa.Gaz.Mesch komme ich später noch ausführlich zu sprechen). Das Land _annaki sei ihm feindlich (298,28f.). Mächtig sind die Sa.Gaz gegen ihn (299,18ff.). Er ist aus seinem Lande verjagt worden und bittet, die Truppen des Pharao möchten ihn wieder in seine Städte hineinführen, dann werde er dem Pharao dienen, wie es sein Vater(?) und dessen(?) Genossin getan (300,12ff.).

Die Stadt Gazri, das biblische Gezer bzw. Geser, das in der LXX Gazer, in ägyptischen Inschriften (Thutmoses-Liste Nr. 104) Ksr geschrieben wird, wird hartnäckig für das biblische Geser gehalten, dessen Name im Tell-gezer (djezer) an der Straße von Jerusalem nach Jafa erhalten ist. Mit diesem kann eine bedeutende Hauptstadt eines so großen Landes wie Ga(z)ri nicht gemeint sein. Beia (= Labaja), der Sohn der Gulate (= Abigail), hat die Stadt Gazri ausgeplündert. Damit kann nur Sichem-Gerar-Gezer am Berge Garizim gemeint sein, die Stadt in der Labaja-Josua selbst residiert hatte und bei der er später begraben wurde.

Verfolgen wir die Grenzziehung weiter:

Hazar-Thichon (Hes. 47): A. Meister: Dieser Name bedeutet "Mittelhof" (thikon = "das Mittlere"); die Elberfelder Übersetzung lautet "das mittlere Hazar". Ort an der Grenze von Hauran. Eig.Anm.: In den Amarnabriefen ist dieser Ort vermutlich nicht enthalten.

Hauran (Hes. 47): ("Schwarzland") A. Meister: Nach dem arabischen haur = schwarz eine charakteristische Benennung für eine Basaltgegend. Nach der Wurzel chor = Loch oder (Berg-)Höhle wird Hauran mit Höhlendistrikt oder höhlenreich übersetzt. Ein Basaltgebirge östlich vom Ostjordanland und der Umgebung von Bosra. Griechisch heißt der Name Hauranitis oder Oranitis. Vgl. den Namen Hur.

Es fällt auf, dass die Grenze herabkomme an den Jordan und dass ihr Ende das Salzmeer (= Totes Meer) sei; aber das Tal Siddim, "wo heute das Salzmeer ist", stürzte erst im Jahre 641 ndFl ein, während der Einzug der Chabiru schon etwa 12 Jahre früher erfolgt sein muss. Wenn Aaron-Moses - eventuell im Bunde mit Abraham - die Grenze gemäß 4. Mose 34 vom Berg Hor aus festgelegt haben sollte, dann musste er das Siddim-Tal einbeziehen oder auslassen; eine Grenze quer durch das Salzmeer oder entlang dessen Westgestade war zum damaligen Zeitpunkt nicht aktuell. Wenn man aber bedenkt, dass die Stammesgebiete (Ost-)Manasse, Gad und Ruben später auf dem Ostufer des Jordan lagen, dann kann man auch davon ausgehen, dass diese Gebiete schon von Anfang an vorgesehen waren.

Die Grenzziehung in 4. Mose 34 ist demnach schon in der Form aktualisiert, dass man die nicht eroberten bzw. zu haltenden Gebiete auf dem Ostufer des Jordan aus der ganzen Verheißung herausnahm.

Aber wie geht die Grenze vom Salzmeer weiter? Wenn dieses umrissene Gebiet euer Land mit seiner Grenze umher sein soll, dann muss die Grenze irgendwo in Richtung auf das große Meer wieder abbiegen. Das wird in den Versen 4. Mose 34 3-6 schon erläutert, wonach "die Ecke gegen Mittag" vom Südende des Toten Meeres durch die Wüste Zin und über die Steige Akrabim am Bach Ägyptens entlang zum Meer verlaufen solle. Aber "der Herr" hatte nicht die Absicht, Mose als König über dieses Land, das er ihm zugewiesen hatte, einzusetzen. An ein gemeinsames Oberhaupt über die Stämme wurde nicht gedacht.

Bei der anschließenden Aufteilung des Landes ab dem Vers 13 ergeben sich schon die ersten Probleme: die Kinder Gad, Ruben und der halbe Stamm Manasse müssen ihr Erbteil ebenfalls erhalten, obwohl die Grenzziehung in den Versen davor keinen Raum auf dem Ostufer für die Kinder Israel vorgesehen hat. Die Erklärungen, die die Verse 14 und 15 dafür geben, sind wenig überzeugend. Auch gibt die daran sich anschließende Stammesaufteilung nicht viel her, da sie noch ohne geographische Einzelheiten erfolgt.

Die für die Stämme genannten Oberhäupter, die die Lose für ihren Stamm entgegennehmen sollen, sind anachronistisch. Richtig ist die Ernennung des Priesters Eleasar und des Josua, die für die Aufteilung verantwortlich sein sollen. Allerdings werden hier zwei zeitlich getrennte Vorgehen zusammengefasst: zum einen die Phase 1 beim Einzug unter Aaron, Eleasar und Abraham, und zum anderen die Phase 2 in der Amarnazeit unter Labaja-Josua, David-Teuwatti und den anderen.

Die Erklärung dafür, dass die Kinder Israel vorerst keinen König hatten, wird konventionell durch die Schaffung des Richteramtes gegeben. Erst unter Samuel wird ein König gekrönt: Saul. Er und sein großer Nachfolger David I machen aus den Kindern Israel ein einheitliches Volk, das von einem für alle Stämme zuständigen Oberhaupt regiert wird.

In der tatsächlichen Geschichte erfolgt die Heimkehr aus Ägypten erst viele Jahrzehnte nach dem Tode des David I. Die Heimkehrer kommen in ein Land, das schon bald wieder zwischen die Mühlsteine Amurru-Babylon und Ägypten gerät. Einer der größten Feldherren des Altertums, Thutmoses Men-cheper-Re, der auch der Caesar Ägyptens genannt wird, erobert bis zum Jahre 640 ndFl ganz Syrien-Palästina bis zum Euphrat. Das ist dann der Beginn der Amarnazeit, in der sich die Amarnakorrespondenz abspielt (um 650 ndFl).

Zusammenfassung

Der Text des AT gibt - zumal er wenig von außerbiblischen Quellen unterstützt wird - nur wenig her, um eine vollständige Rekonstruktion der beiden Auszüge aus Ägypten zu ermöglichen. Trotzdem lässt sich erkennen, dass der Zug der Leviten über die verschiedenen hier besprochenen Stationen auf dem Berg Hor an der kanaanitisch-amoritischen Grenze seine nördlichste Station ereichte, um schließlich in Hebron zu enden.

Das Land Kanaan, das den Leviten in seiner Ausdehnung nach 4. Mose 34 zugewiesen wurde, war zur damaligen Zeit identisch mit dem von Ägypten beanspruchten Gebiet. Allerdings war die ägyptische Oberhoheit nur dürftig vertreten, und zwar vorwiegend durch die Person des Abraham in Hebron. In vielen Orten saßen noch amurrutreue Stadtfürsten, die sich mit der Rolle Ägyptens als Oberhoheit nicht abfinden wollten. So kann für die ersten Jahre nach der Rückkehr der ägyptischen Herrscher aus dem Süden, die zudem noch mit Thronfolgestreitigkeiten ausgefüllt waren, eigentlich von einem Machtvakuum in Kanaan gesprochen werden.

Der Zug der Kamoschiten ist noch schwieriger zu rekonstruieren als der der Leviten. Feststeht lediglich, dass sie in das Ostjordanland gezogen sind, von wo sie schon bald wieder vertrieben wurden, möglicherweise unter der Einwirkung einer ägyptischen Präsenz, die von Jerobeam angeführt wurde, dem später dann auch die von Manachpiria eroberten Gebiete im Westjordanland unterstellt wurden.

Die Kamoschiten sind erst nach einem Umweg über den Midian im Jahre 641 ndFl nach dem Einsturz des Siddimtales endgültig nach Moab auf dem Ostufer des Jordan zurückgekehrt. Wieso die Ägypter es ihnen gestatteten, sich auf diesem urägyptischen Boden (es war das alte Schemesch-Edom, eine unbestritten ägyptische Provinz) niederzulassen, kann nur mit deren Desinteresse an einer verwüsteten Region erklärt werden. Aus dieser Region sind außerdem keine Amarnabriefe erhalten, so dass davon ausgegangen werden kann, dass dort keine ägyptischen Gouverneure oder auf Ägypten eingeschworenen Stadtfürsten saßen.

Das AT hat den Exodus in eine sehr frühe Zeit verlegt. Dadurch ist auch die konventionelle Altertumsgeschichte so stark überdehnt worden. Die im AT aufgeführten Ereignisse, die sich an den Exodus anschließen, gehören nur zum Teil in diese Phase der Geschichte. Die meisten Begebenheiten haben sich schon vor dem Exodus abgespielt. Dazu gehören die meisten Kapitel des Richter-Buches, große Teile der beiden Bücher Samuel und die entsprechenden Kapitel im Buch 1. Chronik. Das Buch Josua hingegen, das zwei Personen in der Gestalt Josua zusammengefasst hat, gehört mit beiden Einzelaspekten in die Zeit nach dem Exodus.

Letzter Stand: 11. August 2013


1 Knudtzon-Weber, Die El-Amarna-Tafeln
2 Abraham Meister, op.cit.
3 Knudtzon-Weber, op.cit., S. 1252f, Brief 151 des Abimilki von Tyrus an den König.
4 Der Bibel Atlas, Weltbild Verlag
5 Abraham Meister, op.cit.
6 Knudtzon-Weber, op.cit., S. 1319
7 Kommentare zu den Städtenamen von Knudtzon-Weber, op.cit.
8 Knudtzon-Weber, op.cit., S. 1347
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