Sechstes Buch: Das Olympische Zeitalter von 624 bis 642 ndFl

3. Kapitel:

Die Medo-Perser Teil II: Der zweite Halys-Krieg und Urartu
(2. Teil)

Das Ende der Regierung des Kroisos trifft nach der Angabe Herodots nicht mit seinem Tod zusammen20. Er soll sich nach seiner Absetzung durch Kyros noch einige Zeit in dessen Begleitung befunden haben. Darauf werde ich zu gegebener Zeit zurückkommen. Dieses Ende gehört ins Jahr 687 ndFl. Von hier aus 170 Jahre zurück fiele ins Jahr 517 ndFl. Der Fehler, der Herodot unterlief - oder der von Kopisten später hineingebracht wurde? - ist die Anhängung des Ardys als Sohn und Nachfolger an Gyges. Außerdem regierte Gyges auf gar keinen Fall als König von Lydien 38 Jahre. Er wurde im Jahre 656 ndFl von Assur-Uballit eingesetzt und hat regiert bis 673 ndFl, bis zu seinem 38. Lebensjahr!

Ardys ist S-Ardu-ri = Perseus-Achai-"Manes". Seine angegebene Regierungszeit von 49 Jahren beträfe die Zeit von 529 (Einnahme von Karkemisch) bis 578 ndFl; man könnte so das Ende seiner Regierungszeit (als Großkönig von Persien) ins Jahr 578 vorverlegen; ich habe mich auf ca. 580 ndFl festgelegt, da die Angaben Herodots nicht richtig sein müssen. Die Kimmerier, die während seiner Regierungszeit in Asien einfielen, waren die Gutäer des Orion-Tirigan, an deren Niederwerfung er am Anfang seiner Karriere beteiligt war. Auf die Jahreszahl 517 ndFl kommen wir auch mit seiner Hilfe nicht. Die Summe von 170 Jahren wird sich als eine nicht brauchbare Angabe erweisen. Ob er mit den Ionern in der von Herodot beschriebenen Weise in Konflikt geriet, ist zweifelhaft. An seinen Aktivitäten in diesem Raum ist dagegen nicht zu zweifeln.

Ardys' Sohn Sadyattes ist Ischbierra-Hattusilis, also auch Atys, der Sohn des Ardys-Manes. Seine Regierungszeit von nur 12 Jahren entspräche in etwa der Zeit von 593 bis 605 ndFl, läge demnach innerhalb der Gesamtregierungszeit in Isin, die schon 585 ndFl begonnen haben kann. Möglicherweise meint die Angabe "12 Jahre" die Zeit nach dem großen Elamfeldzug (591 ndFl).

Auf Atys-Sadyattes folgte dessen Sohn (Tudh-)Alyattes noch nicht sogleich, da dieser zum Zeitpunkt des Todes seines Vaters noch minderjährig war. Die noch unter Sadyattes begonnenen Kriege kann Alyattes nicht in der geschilderten Weise fortgeführt haben. Er hat auch nicht die Auseinandersetzung mit Kyaxares geführt, die in die Zeit seines Vaters gehört ("erster Halys-Krieg"); aber er hat die Kimmerier (gemeint ist der "zweite Halys-Krieg" gegen Phryger und Sutu) aus Asien vertrieben, womöglich auch Smyrna erobert und einen Kriegszug gegen Klazomenai unternommen.

Nach fünfjähriger Regierung soll Alyattes erkrankt sein und nach Delphi geschickt haben. Möglicherweise beginnt seine Regierung in der Sicht Herodots mit der Übernahme der Gesamtregierung über Chatti und Medien im Jahre der Ermordung des Astyages: 644 ndFl. Demnach hätte Alyattes-Tudhaliyas im Jahre 649 ndFl den ausgemusterten Thron des Midas nach Delphi verschenkt.

Die Reihenfolge der Lyder-Könige bei Herodot ist falsch. Auch Kroisos kam nicht sogleich nach der Ermordung des Alyattes-Tudhaliyas auf den Thron von Groß-Chatti. Dazwischen lagen noch Ereignisse, die u.a. in der babylonischen Chronik P mitgeteilt werden. Wie aus dem nachstehenden Schema ersichtlich, vermischte Herodot die beiden Hauptdynastien: Mermnaden und Meionen-Lyder.

richtig: richtig: falsch:
MERMNADEN MEIONEN/LYDER  
 
Myrsos ?
|
Kara-Indasch
= Kandaules
|
Kadaschman-Charbe
= Daskylos
|
Schuzigasch
= Gyges
|
Myrsos
(lt.Herodot)
Lutipri-Lud
= Lydos
|
Manes-Achaimenes
= Meion; Ardys
|
Atys-Hattusilis
= Sadyattes
|
|
Alyattes-Tudhaliyas
|
Kroisos
|
Atys
|
|
Lydos
 
 
Gyges
:
:
:
Alyattes
  zwei Söhne (5. Gener. nach Lydos)

Herodot stellt die Generationsfolge auf den Kopf: Daskylos _ Gyges _ ... _ Alyattes _ Kroisos, anstatt die Meionen Alyattes _ Kroisos parallel zu den Mermnaden Daskylos _ Gyges zu sehen. Die Anhängung des Alyattes als eines späteren Nachfahren an Gyges stellt eine Torsion dar, die wesentlich zur Geschichtsentstellung beigetragen hat.

Das Herakliden-Geschlecht sei - so berichtet Herodot - in der fünften Generation nach Gyges wieder auf den lydischen Thron gekommen. Wann wäre das gewesen? In der falschen Darstellung wäre dies in der Generation nach Kroisos der Fall, in der richtigen Königsfolge wird Gyges schon bald nach seiner Thronbesteigung getötet. Fünf Generationen haben da auch gar keinen Platz mehr; denn schon weniger als drei Jahrzehnte später wird Kroisos durch einen anderen "Meionen" abgelöst, nämlich durch Kyros den Älteren. Seine beiden Söhne kommen jedenfalls nicht auf den lydischen Thron.

Atys, der Sohn des Manes, ist bei Herodot21 auch der Vater des Tyrsenos, wodurch dieser Stammvater der Etrusker bzw. Tyrsener zum Bruder des Tudhaliyas würde, was nicht richtig sein kann. Er war dessen Sohn, als welcher er in der richtigen Zeit auftaucht. Hierüber wird im Kapitel über die Etrusker noch ausführlich abzuhandeln sein. Es ist nicht vorstellbar, dass Hattusilis als "Vater des (zweiten) Reiches" nicht auch König Atys-Sadyattes von Lydien gewesen wäre, da sonst sein Epitheton "Vater des Reiches" reine Schmeichelei gewesen wäre.

Kroisos, der Sohn des (Tudh-)Alyattes, wurde von Kyros dem Älteren in der vierten Halys-Schlacht besiegt und entmachtet. Sein ältester Sohn, Atys (II), wurde von dem Phryger Adrastos versehentlich (?) getötet. Dieser Atys (II) war der Vater jenes Pythios, der 728 ndFl das Heer des Xerxes auf seinem Weg nach Hellas in Lydien bewirtete22. Der andere Sohn des Kroisos war ein Krüppel. Kroisos war ein Zeitgenosse des weisen Staatsmannes Solon aus Athen, des ägyptischen Königs Amasis und des Tyrannen Polykrates von Samos. In der berichtigten Chronologie leben alle diese Personen nicht im sechsten, sondern erst an der Wende vom dritten zum zweiten Jahrhundert vor Christus.

Kroisos selbst regierte von 673 bis 687 ndFl (207 bis 193 v.Chr.), und zwar noch - wie Herodot deutlich zu verstehen gibt - in der Zeit des 375Tage-Jahres, das von 676 bis 728 ndFl (204 bis 152 v.Chr.) bestand. Herodot verfasste seine "Bücher der Geschichte" zum größten Teil ebenfalls noch in dieser Zeit (um 726-730 ndFl).

Wenn Kroisos - wie Herodot sagt - im Alter von 35 Jahren König wurde, dann muss er 638 ndFl geboren worden sein. Da der andere Sohn des Tudhaliyas, Suppiluliumas, schon im Jahre 624 ndFl geboren wurde, so muss dessen Thronbesteigung als älterer Bruder schon früher stattgefunden haben. Suppiluliumas - auch in anderer Namensform - war für Herodot kein Begriff. Der Tod dieses bedeutenden Hethiterkönig gehört ebenfalls ins Jahr 687 ndFl, was bedeuten würde, dass Kroisos nur ein Unterkönig des großen Bruders war.

Die Schwierigkeit ergab sich für Herodot daraus, dass er den Tod von Suppiluliumas (= Uman-Igasch) und die Absetzung des Kroisos nicht richtig erkannt hat und dass er den Erbauer des Yasilikaya-Heiligtums, den vermeintlichen "Lyderkönig" (Tidh-)Alyattes, für den Sieger der ersten Halys-Schlacht hielt, wenngleich er dessen Heiligtum mit keinem Wort erwähnt. Wie wir sehen werden, hat Herodot eigentlich nur seine zweite Halys-Schlacht, die in Wirklichkeit die vierte war, korrekt beschrieben. Seine erste Schlacht, die in seiner Beschreibung mit der tatsächlich ersten und zweiten stark vermischt ist, ist de facto die dritte. Diese dritte führte zu dem zweiten Frieden, der im Yasilikaya-Heiligtum festgehalten wurde. Sie fand im Jahre 673 ndFl statt und führte zur Thronbesteigung des Kroisos als Unterkönig seines Bruders Suppiluliumas bzw.  Uman-Igasch, der durch den Sieg über Sanherib-Assurbanipal in diesem Jahr ein von Assyrien unabhängiger König von Elam geworden war. Was unter "Elam" zu verstehen ist, wird in einem der folgenden Kapitel erläutert. Keinesfalls kann Alyattes der Sieger dieser Schlacht gewesen sein, und auch Kyaxares lebte schon nicht mehr.

Vorweg möchte ich den Leser schon über die Hintergründe aufklären, die zum vierten Halys-Krieg führten: Nach dem Tode des Suppiluliumas = Uman-Igasch von Elam bestieg dessen Neffe Ischtar-Chundu, der Sohn seiner Schwester, den Thron von Elam. Bei ihm handelt es sich um Kyros d.Ält., der - wie die Söhne des Tudhaliyas - aus der Achämeniden-Dynastie stammte. Offenbar legte Kyros gegen Lydien die Grenze am Halys fest, so dass Kroisos ein stark verkleinertes Lydien behalten konnte.

Gegen diese Thronfolge opponierten nicht nur die Söhne des Suppiluliumas, sondern auch Kroisos. Auf den Orakelspruch von Delphi vertrauend, wonach er ein großes Reich zerstören würde, wenn er den Halys überschreite, griff Kroisos den "Meder" an, der ja eigentlich ein Perser war. (Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Volksgruppen wird in der in Rede stehenden Zeit jedoch allgemein sehr lasch gehandhabt.) Kyros besiegte den anderen Perser-Meder, den Lyder-Hethiter Kroisos, der sein eigenes Reich zerstört hatte, und war König eines Großreiches Persien.

Herodot ist in diesen Punkten überhaupt nicht zuverlässig, wenn man nicht unterstellen will, dass seine Geschichte von Kopisten absichtlich oder versehentlich entstellt worden ist. Oder musste Herodot deshalb so lange auf seine Anerkennung zu seinen Lebzeiten warten, weil seine Abhandlungen als nicht der Wirklichkeit entsprechend durchschaut worden waren?

Wenn Herodot Midas einmal als Vater und dann wieder als Sohn des Gordios aufführt, dann ist das unter dem Aspekt der von ihm verursachten Geschichtsverdrehung verständlich. Die Vater-Sohn-Folge Midas _ Gordios, die den Tatsachen entspricht, kann er in der Zeit des Kroisos gut unterbringen, da diese Zeit von ihm einigermaßen wirklichkeitsgetreu dargestellt wird. Wenn er sagt, dass Gyges nach Midas erst politisch in Erscheinung trat, dann ist das ebenfalls korrekt; aber Gyges war ein Zeitgenosse des Gordios. Bei Herodot, der Gyges - und somit auch dessen Zeitgenossen Gordios - einige Generationen vor Kroisos und dessen Zeitgenossen Gordios und Gyges ansetzt, musste sich deshalb ein älterer Gordios einschleichen, den er dann zum Vater des Midas machte. Die Vaterschaft des Protothyas-Partatua an Madyas-Midas erkannte er ohnehin nicht.

Parsumasch und Urartu

Die vierte Typhon-Katastrophe hinterließ in Urartu, dem Land (am) Ararat, keine erkennbaren Spuren. Wie wir schon in vorangegangenen Kapiteln gesehen haben, die ebenfalls die jetzt im Gespräch befindliche Zeit betreffen, waren die politischen Veränderungen, die durch diese Katastrophe hervorgerufen wurden, in Ägypten am gravierendsten ausgefallen, weniger ausgeprägt in Mesopotamien, während die übrigen Länder der mediterranen und vorderasiatischen Welt gar nicht oder nur gerinfügig politisch verändert wurden, so auch Urartu.

Die weitestreichende politische Veränderung im vorderasiatischen Raum wurde durch den Tod des Samsi-Adad im Jahre 629 ndFl ausgelöst. Statt eines seiner Söhne ergriff sein Unterkönig Kedor-Laomor von Elam die Macht, der sich jetzt Nabu-kudur-ussur (= Nebukadrezzur) nannte, die Witwe Semiramis seines ehemaligen Oberherrn heiratete und schon bald damit begann, Babylon an der alten Stelle wieder aufzubauen. Er war der Herr über Mesopotamien und Medien, nicht aber über das zu Ägypten gehörende Urartu, das Land des Irem = Aramu = Erimena = Menua = Ariyaramanu = Ariaramnes.

Im Jahre 633 ndFl, im 24. Jahr des seit 610 ndFl amtierenden ägyptischen Feldherrn Manachpiria (= Men-cheper-Re, Thutmoses III), übersandte "der König von Assyrien" reiche Geschenke an diesen, wie aus dessen Annalen hervorgeht. Da als "König von Assyrien" nur die Opposition in Babylon in Frage kommt, die aus Astyages, seiner Tochter Semiramis und deren Söhnen Arioch-Nimrud und Adad-narari bestand, die sich mit der Usurpation des amoritischen Thrones durch Nebukadrezzur nicht abfinden wollten, ließ die Reaktion des letzteren nicht lange auf sich warten. Alle vier mussten fliehen. Sie suchten sich ein schwer zugängliches Land für ihr Exil aus, in welchem sie - bis auf Adad-narari - selbst noch vor nicht allzulanger Zeit gewohnt hatten und wo die Ägypter, ihre einzigen noch verbliebenen Freunde, Verbündete unterhielten: Urartu oder Kolchis-Punt.

Als die Pharaonin Hatschepsut, die Tochter des längst verstorbenen Chus-Sesostris-Thutmoses, im Jahre 635 ndFl nach Punt reiste, um die politische Einstellung dieser Region gegenüber Ägyptens zu testen, traf sie hier mit p'Aruach = Arioch-Nimrud, ihrem Halbbruder, zusammen. Es ist sicher, dass auch Semiramis, die Exgemahlin ihres Vaters, und mit größter Wahrscheinlichkeit auch Astyages sowie der Samsi-Adad-Sohn Adad-narari in der zweiten Reihe der Begrüßungskommission standen. Es ist auch nicht auszuschließen, dass die Söhne Aramu-Menua und Sarduri (II) des Teispes-Ischpuini anwesend waren; denn Irem, das Nachbarland von Punt, also Armenien, unterstand ebenfalls der ägyptischen Krone, wie aus einer späteren Eintragung in den Annalen Manachpirias hervorgeht.

Der Besuch der Pharaonin, der übrigens "in den Tagen des Trojanischen Krieges" stattfand, war innenpolitisch ein Fehlschlag für sie, da sie ihren Thron verlor, den sich mittlerweile ihr Sohn Amenophis II angeeignet hatte, weil offenbar niemand mehr mit ihrer Rückkehr gerechnet hatte. Außenpolitisch war der Besuch jedoch ein Erfolg, da sie die seit den Tagen des Chus bestehende Verbundenheit der Medo-Assyrer mit Ägypten festigen konnte. Von nun an war Astyages der große und zuverlässige Freund der Ägypter.

Aber auch die Bruderlinie des Astyages wandte sich den Ägyptern zu. Schutarna, der von Nebukadrezzur nach der Flucht des Astyages über Medien eingesetzte Sohn des Artatama, vermählte seine Tochter Giluchipa im Jahre 636 ndFl dem Pharao Amenophis II. Diese diplomatische Aktion ging mit Sicherheit ebenfalls auf den Besuch der Hatschepsut zurück und fand ihren Weg keinesfalls auf dem Landwege durch babylonisches Gebiet - sie verlief zur See von Punt aus nach Ägypten.

Nebukadrezzur stellte daraufhin Schutarna nach und veranlasste ihn auf demselben Wege zur Flucht nach Ägypten - wenn er nicht schon mit seiner Tochter dorthin gegangen sein sollte. Nebukadrezzur setzte daraufhin Artaschumara, einen Sohn des Samsi-Adad, über Medien. Darüber ist ebenfalls an anderer Stelle schon abgehandelt worden. Als sich der Babylonier gegen Urartu wandte, das den Ägyptern gehörte und wo sich die Freunde der Ägypter aufhielten, kam es zum Krieg der Ägypter gegen den "elenden Fürsten von Naharina", an dem sich auch der Hethiterkönig Tudhaliyas, der mit Ägypten befreundet war, beteiligte.

Es ist wenig wahrscheinlich, dass die Phrygerherrschaft zu dieser Zeit schon bis in diese nordöstliche Region Urartu reichte. Es sieht so aus, als hätten die Phryger bisher nur den Westen Kleinasiens, also die Gegend, wo gerade der Trojanische Krieg stattfand, beherrscht, wohingegen die Hethiter den Osten bis an die Grenzen Mediens und Urartus in Besitz hatten.

Von einer Mederherrschaft über die Hethiter ist nicht auszugehen. Die Abhängigkeiten stellen sich uns nach dem Tod Samsi-Adads und durch den Krieg gegen Nebukadrezzur allerdings etwas verschwommen dar. Es sieht so aus, als habe Nebukadrezzur lediglich Einfluss auf die Meder (Ekbatana) gehabt.

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|          Die verwandtschaftliche Verflechtung          |
|            von Medien, Urartu und Assyrien             |
+--------------------------------------------------------+
Samsi-Adad oo Semiramis     Aramu-Menua = Ariyaramnes
|                                     |
Adad-narari ----------- oo ---------- Tochter
* ca. 615 ndFl                        * ca. 620 ndFl
|
Tochter ---------- oo ----- Tukulti-Ninurta = Sanherib
* ca. 634 ndFl              * 606 ndFl
                            |
                            Assurnasirpal   = Schar-ukin
                            * ca. 646 ndFl
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Die Asylanten aus Mesopotamien nahmen gute und sogar familiäre Beziehungen zu ihren Gastgebern auf, ohne dass diese ahnen konnten, dass daraus einer der ärgsten Übeltäter für ihr Land hervorgehen würde: Schar-ukin. Adad-narari, Sohn der Semiramis und des Samsi-Adad, heiratete eine Tochter aus dem urartäischen Königshaus, vermutlich des Menua-Ariyaramnes, mit der er eine Tochter zeugte (* ca. 634 ndFl), die später ihren Onkel Tukulti-Ninurta (= Arioch-Nimrud) heiratete und von ihm die Mutter des späreren Verwüsters Urartus, des Scharukin-Assurnasirpal (* ca. 646 ndFl) wurde. Assurnasirpals Geburt in den Bergen, die niemand kannte, deutet darauf hin, dass die Mutter möglicherweise nicht mit dem Vater die Ehe geschlossen hatte oder dass die Ehe inzwischen wieder aufgelöst worden war, da der Sohn sonst in Assyrien geboren wäre.

Auch kann aus den Worten Assurnasirpals darauf geschlossen werden, dass der Bruder seines Vaters in den Bergen, das heißt in Urartu, König war. Es könnte sich um seinen Großvater mütterlicherseits und Halbbruder seines Vaters, nämlich um den besagten Adad-narari handeln, der einige Zeit in Urartu König gewesen sein kann. Auf diese Königszeit kann sich sein Amarnabrief Nr. 51 beziehen, in dem er sich als "König von Nuchasse" bezeichnet. Möglich ist auch, dass er erst nach seiner Absetzung vom assyrischen Großkönigsthron im Jahre 656 ndFl, die nicht seinen Tod bedeuten muss, in Urartu König wurde. Eine genaue Interpretation ist allerdings nicht möglich.

Als eine Stätte der Begegnung zwischen Asylanten und Gastgebern bietet sich die bei Erzincan (Arzaschku, Azupiranu) gelegene Festung Altintepe geradezu an: Sie ist alt genug, lag damals in/an der Grenze zu Punt-Kolchis, und Menua, der Herrscher von Irem in der Ararat-Region, könnte diesen Ort den Asylanten um Astyages als Domizil oder später seiner Tochter als Stätte der Niederkunft angeboten haben. Hier wurde jedenfalls "Sargon" Scharukin-Assurnasirpal geboren. Zu jener Zeit war Ariyaramnes-Menua offiziell noch ägyptischer Statthalter von Irem, dem Land Erme des Aramu.

Noch bevor die Asylanten aus Urartu wieder nach Mesopotamien zurückkehren konnten, packten sie mit zu, als die Urartäer die Gründung ihres Königreiches unternahmen, das mit Nuchasse gemeint sein kann, das aber noch unter der ägyptischen Vorherrschaft stand: Bit-(A)Gusi! In Gebrauch für Urartu war die Bezeichnung "Nairi-Länder". Nicht auszuschließen ist auch, dass Punt-Kolchis dazugehörte. Alles zusammen war natürlich das Parsu-Masch der Tubal-Mesech bzw. der "Tibarener".

Pjotrowski23 zitiert einen antiken Schriftsteller:

So schreibt Moses Xorenac'i, ein armenischer Geschichtsschreiber des fünften Jahrhunderts n.Chr., der assyrischen Königin Samiram (Semiramis) zu, die große Stadt erbaut zu haben, deren Ruinen auf einem Felsmassiv an der Küste des Wansees noch heute zu sehen sind. Er berichtet, dass sie 12 000 Arbeiter und 6 000 ausgebildete Handwerker aus Assyrien und seinen tributpflichtigen Ländern habe herbeikommen lassen. "In wenigen Jahren hat sie dies überaus bewundernswerte Bauwerk mit mächtigen Mauern und Kupfertoren vollendet. Inmitten der Stadt baute sie eine große Zahl herrlicher Gebäude, die eine Vielfalt im Gebrauch der Steine und in der Farbgebung aufwiesen mit zwei bis drei Geschossen, einige darunter mit Balkons.

Sehr geschickt plante sie die Stadt, mit angenehm breiten Straßen ... In den Außenbezirken gegen Osten, Norden und Süden ließ sie Gehöfte errichten und schattige Haine aus Obst- und anderen laubreichen Bäumen anlegen und pflanzte zahlreiche blühende Gärten und Weingärten. Viele andere schöne Dinge ließ sie in der Stadt Einzug halten und siedelte eine große Zahl Einwohner darin an. Jedoch all die Pracht, die sie im höher gelegenen Teil der Stadt errichten ließ, war für das Gros der Einwohner unzugänglich und unbeschreiblich. Nachdem sie den Gipfel mit Mauern umgeben hatte, so dass niemand die Spitze erreichen, noch hineingelangen konnte, erbaute sie den königlichen Palast, ein geheimnisvolles und unheimliches Gebäude ... An dem Teil des Berges ostwärts, wo die Oberfläche so hart ist, dass selbst Eisen keine Spur hinterlässt, ließ sie verschiedene Paläste in den Fels hauen, bestehend aus Schlafgemächern, Schatzkammern und langen in den Fels getriebenen Kammern. ...

Über die gesamte Oberfläche der Felswand hin meißelte sie, gleichsam wie mit einem Griffel mit Wachs, eine große Zahl Schriftzeichen ein. Der bloße Anblick dieser Felswand versetzt den, der sie betrachtet, in Erstaunen. Aber dies ist noch nicht alles; denn an vielen Orten auf dem armenischen Gebiet errichtete Königin Samiram Säulen, auf denen sie verschiedene Inschriften mit ähnlichen Schriftzeichen einmeißeln ließ."

Pjotrowski24 fährt fort : Schließlich fand er (Eig.Anm.: der junge Archäologe Friedrich Eduard Schulz von der französischen Asiatischen Gesellschaft im Jahre 1827) einen großen Kanal, ebenfalls der Königin Samiram zugeschrieben, der Trinkwasser und Bewässerung besorgte. In der Nähe des Kanals fand er weitere Keilinschriften. Es dauerte noch ein Jahrhundert, bis sie entziffert wurden und der Schleier über dem Namen des tatsächlichen Kanalerbauers schwand. Es war der urartäische König Menua (810-781 v.Chr.), der in Wirklichkeit über die Königin Sammuramat gesiegt hatte, den aber die Berichte und Legenden über sie ins Dunkel treten ließen.

Die Anlage der Stadt Tuschpa, deren Bau und Aussehen oben wortreich beschrieben wurde, wurde schon von Sarduri, dem Sohn des Lutipri, also von Achaimenes, begonnen und von seinem Sohn Ischpuini-Teispes weitergeführt, der der Stadt offenbar auch den Namen gab: Tschischpis = Tuschpa. Menua-Ariyaramnes, der Sohn des Teispes, baute mit Semiramis die Stadt zur Festung aus und erweiterte sie.

Pjotrowski25: Es wird ... berichtet, dass 6000 Kriegsgefangene aus den Ländern Chatti und Supani (das bedeutet aus den Feldzügen des Vorjahres - Eig.Anm.: gemeint ist das Jahr 637 oder auch erst 638 ndFl, in dem die Phryger erstmals besiegt wurden und zwar in Urartu) in der neuen Stadt angesiedelt wurden.

Man beachte die Anzahl der Kriegsgefangen in der Semiramis betreffenden Inschrift. Es könnte sich um Skythen (Sutu)/ Phryger handeln; vermutlich sind die Sutu, die auch später noch als Söldnertruppen vielerorts eingesetzt werden, hier angesiedelt worden.

Dieser Wiederaufbau der Festung am Wansee kann kaum vor dem Jahr 638 ndFl begonnen worden sein, da in diesem Jahr eigentlich erst die Geschichte Urartus beginnt, und zwar nach der kurzfristigen Eroberung dieser Länder durch die Phryger und deren Rückeroberung, wie weiter unten gezeigt werden soll. Somit wären Semiramis und ihr Anhang Asylanten in einer ägyptischen Provinz gewesen, die von Medern und Urartäern, die ja die Perser waren, die Nachkommen des Perseus-Achaimenes = Sarduri I, für Ägypten zurückerobert wurde. Das ändert nichts daran, dass das Gebiet schon vor dem Einmarsch des Chus-Sesostris, das heißt bis zum Jahre 605/6 ndFl, persisch war unter den Nachfahren des Sarduri-Achämenes: das Land Parsumasch.

Von einem Sieg des Menua über Semiramis liegen offenbar keine urartäischen Berichte vor, da sie andernfalls von Pjotrowski erwähnt worden wären. Ob es hierüber assyrische Berichte gibt, muss zunächst offen bleiben. Jedenfalls ist in dieser Phase der Geschichte ein Sieg des Menua über Semiramis nicht vorstellbar.

Bei der letzten Inspektion der Ägypter durch Hatschepsut befanden sich die Länder Welikuchi-Kolchis = Punt und Irem = Bit-(A)Gusi (nicht auszuschließen ist, dass Punt und Irem in toto als Bit-(A)Gusi bezeichnet wurden, als "das Haus der Ägypter") noch in ägyptischer Hand, danach aber müssen sie abgefallen oder erobert worden sein, möglicherweise im Zuge der phrygisch-skythischen Ausdehnung nach Osten im unmittelbaren Anschluss an den Trojanischen Krieg (635/636 ndFl). In diesem Krieg war zwar das phrygische Heer unter Alexander-Kyknos, dem "Schwan", von den Hellenen besiegt worden; aber nach dem Abzug der Hellenen und der Zerstörung Trojas lebte das Selbstbewusstsein (oder war es der Mut der Verzweiflung?) der Phryger neu auf, und sie fielen den Hethitern in den Rücken, die gerade vor Ninive standen und Nebukadrezzur bekriegten.

Die Oberhoheit der Ägypter über Punt-Kolchis-Irem brachte auf lange Sicht dem urartäischen Königshaus nur Vorteile.

Pjotrowski26: Die Expansion Urartus hielt an während der Regierungszeit Argischtis, des Sohnes des Menua, der im ersten Viertel des 8. Jahrhunderts v.Chr. auf den Thron kam.

Die Expansion der Urartäer richtete sich sowohl nach Punt-Kolchis als auch in die Sewansee-Region um Eriwan, das Nachbarland Irem von Punt. Bei dieser "Expansion" handelte es sich aber nicht schon um die Schaffung eines selbständigen Königreiches Urartu; damit hat es noch etwas Zeit. Allerdings werden die Grundlagen jetzt schon gelegt, und zwar mit Unterstützung der eigentlichen Herren im Lande, der Ägypter.

Der Beginn des urartäischen Eroberungskrieges im Auftrage der Ägypter liegt in etwa zeitgleich mit dem Ende des Trojanischen Krieges und hatte seinen Höhepunkt nach der Niederlage der Phryger und Sutu (Skythen) unter Midas durch Kadaschman-Charbe. Midas soll - wie schon gesagt - "nach einer Niederlage gegen Sargon (Scharukin) oder Sanherib" Selbstmord begangen haben. Es handelte sich um die Niederlage des Madyas-Midas, des Sohnes von Protothyas-Phraortes, gegen Kadaschman-Charbe, in dessen Heer sich schon der neue Feldherr Tiglath-Pileser = "Sargon"-Sanherib (in seinem 1. Jahr: 641 ndFl = Jahr 4 der Horhor-Chronik; siehe weiter unten) neben dem Feldherrn Argischti, dem Sohn des Menua, befunden haben dürfte.

Pjotrowski27: In der Zitadelle von Wan ist neben einer großen in den Felsen geschlagenen Kammer, die das Grab des Königs (Argischti, des Sohnes des Menua) gewesen sein mag, eine lange Keilinschrift vorhanden, die unter dem Namen Horhor-Chronik bekannt ist. Sie berichtet von zahlreichen Feldzügen, in deren Verlauf die Grenzen Urartus ausgedehnt wurden, von den Annexionen neuen Gebietes und des Königs Bauunternehmungen.

Die Horhor-Chronik ist weniger die Chronik des Königs Argischti als vielmehr die Chronik des ganzen von Menua neugegründeten Königreiches Urartu. Feldzüge und Annexionen entsprechen der Gründung des neuen Landes. Festungsbauten (Festung Wan!) sollten die Feinde abschrecken und das Land sicher machen.

Die Horhor-Chronik beginnt zeitgleich mit der Feldherrntätigkeit des Argischti I für seinen Vater Aramu-Menua, als er immerhin schon über 40 Jahre alt war. Das "Stammhaus" der Urartäer war die von Sarduri I gegründete Stadt und Festung am Wansee.

Pjotrowski28: Gleich zu Beginn seiner Regierung entsandte Argischti eine Expedition in den Westen, um den Zugang zum Mittelmeer zu erlangen und die Hauptwege des Handels, die die Assyrer unter Kontrolle hatten, in die Hand zu bekommen.

Von einer Kontrolle Assyriens über den Zugang zum Schwarzen Meer, das hier wohl gemeint ist, kann keine Rede zu diesem Zeitpunkt sein; es waren vermutlich die Skythen und Phryger oder auch die Kimmer(i)er, die über das ägyptische Land Welikuchi kurzzeitig geherrscht hatten, das nun von Argischti I, Sohn des Menua, und von seinem Vetter Rusa I, Sohn des Sarduri, gemeinsam zurückerobert wurde. Ihnen wurden zwei Vizekönigtümer zugewiesen. Rusa I ist auch der Kambyses I des Herodot, der Vater des Kyros II des Großen, dessen urartäischer Name ebenfalls Rusa (IV) war. Sein Stammhaus blieb Tuschpa am Wansee, während Argischti und seine Nachfahren in der Ararat-Region im Norden Urartus, unweit des Sewansees, residierten.

Dass die Provinzen Punt-Kolchis = We-Likuchi und Irem, das heißt das ganze Bit-Gusi, zurückerobert wurden, drückt sich darin aus, dass Argischti den Zugang zum Schwarzen Meer öffnete, der vorher offenbar versperrt war. Für die ägyptischen Puntfahrer bedeutete das, dass sie erstens die Häfen wieder anfahren konnten, ohne von den Piraten der Phryger ausgeplündert zu werden, und dass sie zweitens das lukrative Hinterland der Schwarzmeerküste wieder erreichen konnten.

Dass die Ägypter weiterhin die Herren in dieser Region waren, geht daraus hervor, dass Manachpiria vermutlich schon in diesen Tagen Astyages zum König von Nuchasse salbte, was aber auch nach dem Sieg über Nebukadrezzur einige Jahre später erst geschehen sein kann, und dass er kurz nach diesem Sieg einen Sohn des Herrschers von Irem, das heißt des Aramu-Menua, als Geisel für die Einhaltung eines Vertrages nehmen konnte.

Das Gebiet Nuchasse wird konventionell unter anderem "als das Gebiet um die Stadt Aleppo" bezeichnet. Wie weiter unten noch sichtbar wird, erstreckten sich die mit Urartu verbündeten und in Personalunion stehenden Länder bis nach Süden in die Gegend von Aleppo. Es ist daher denkbar, dass Urartu-Nuchasse, die Heimat des eri-nuchustum, des nuchassischen Erzes, später gemeinsam mit Medien und Nordsyrien von Aleppo aus verwaltet wurde. Noch heute gehen von Haleb (Aleppo) ausgebaute Straßen in östliche und nordöstliche Richtungen ab.

Pjotrowski29: Argischtis Krieg mit den Assyrern ist ebenfalls in der Inschrift des assyrischen Statthalters Schamschi-Ilu, der die Zuwege zum Meer freizuhalten hatte, in dessen Palast in Til-Barsip am Euphrat beschrieben.

Es ist hiermit nicht gesagt, dass die assyrische Inschrift die in der Horhor-Chronik erwähnten Aktivitäten Argischtis betrifft, falls in dem assyrischen Text überhaupt der Name Argischtis erscheinen sollte. Wenn dies aber der Fall sein sollte, dann liegen diese Ereignisse auf jeden Fall noch vor der Abfassung der Horhor-Chronik; denn selbst wenn Argischti mit Namen erwähnt sein sollte - die Assyrer waren in der namentlichen Erwähnung ihrer Gegner oder Vasallen sehr zurückhaltend -, so kann es sich in der assyrischen Inschrift nur um ein Ereignis handeln, das unter dem angeblichen assyrischen "Statthalter" stattgefunden hat, der sich den "bescheidenen Namen" Schamschi-Ilu = "Sonnengott" zugelegt hat.

Die Annahme, es könne sich bei Schamschi-Ilu um Samsi-Adad handeln, der Beziehungen zu Til-Barsip hatte, ist zwar mit Argischti I (*ca. 592 ndFl) zeitlich zu vereinbaren, setzt aber voraus, dass es sich dabei weder um den urartäischen König Argischti I noch um eine Begebenheit aus der Horhor-Chronik handeln darf. Wie weiter unten erläutert wird, reicht die Horhor-Chronik nicht bis in diese frühe Zeit zurück.

Pjotrowski30: Zur selben Zeit, als Argischti diese Feldzüge im Westen unternahm, eroberte und annektierte er Gebiet in Transkaukasien nördlich vom Araxestal.

Die Feldzüge im Westen betreffen das Gebiet am Schwarzen Meer. Mit "Transkaukasien nördlich des Araxestales" ist das armenische Gebiet am Ararat und um den Sewansee gemeint, das sich derzeit ebenfalls in der Hand von Eroberern oder von abgefallenen Stammesfürsten befindet. Es findet hier die Eroberung desjenigen Landes statt, das später das eigentliche Urartu, das Land am Ararat, bildet:

1. Die Naïri-Länder Tubal-Mesech = das Land Biaïni um den Wan- oder Naïri-See: Zentral-Urartu;

2. Irem-Armenien, Land des Aramu am Ararat und am Sewansee: Transkaukasien;

3. die Westprovinz Punt-Pontos = Welikuchi-Kolchis.

Dies waren alles Länder, "die vorher keinen Herrn hatten", wenn man von Ägypten absieht, von dem diese Länder - auf welche Weise auch immer - abgefallen waren. Der Beginn der urartäischen Aktivitäten liegt im ersten Jahr der Horhor-Chronik, und dies ist - wie weiter unten erläutert wird - das Jahr 638 ndFl. Das bedeutet, dass die Urartäer schon vor dem siegreichen Feldzug des Kadaschman-Charbe und kurz nach dem Ende des Trojanischen Krieges mit der Rückeroberung des Gebietes Bit-(A)Gusi für die Ägypter begannen. Es müssen also die Veränderungen in dieser Region zwischen den Jahren 635 (Hatschepsut) oder noch besser 636 (Schutarna und Giluchipa) und 638 ndFl stattgefunden haben und nur von kurzer Dauer gewesen sein. Es ist daher auch nicht auszuschließen, dass Nebukadrezzur diese Länder zum Abfall von Ägypten bewegt haben könnte.

Pjotrowski31: Für das 4. Jahr der Horhor-Chronik wird auf Expeditionen nach Nordsyrien gegen Chatti und Melitsea hingewiesen.

Das 4. Jahr des Argischti und der Horhor-Chronik betrifft dasselbe Jahr, in dem Kadaschman-Charbe die Sutu im Gebiet der Chatti besiegte, die sich mindestens schon bis Malatya (heutiger Name dieser früher u.a. Melitsea genannten ostanatolischen Stadt) vorgeschoben hatten: 641 ndFl. Mithin hat diese Chronik im Jahre 638 ndFl begonnen, was auch als (Neu-)Gründungsjahr des Königreiches Wan = Biaïni = Urartu angesehen werden darf. In diesem Jahr hatten die Ägypter wegen des Siddim-Einsturzes keinen Feldzug nach Syrien unternommen.

Pjotrowski32: Für das folgende Jahr liegt ein Bericht vor über weitere Eroberungen im Norden und über den Bau der Stadt Irpuni, um die Macht des Landes Biaïni zu erweisen und seine Feinde in Furcht zu halten. ... Die Stadt Irpuni wurde in den Bergausläufern des Araxes-Tales errichtet und diente als Basis für das Vordringen der Urartäer in das Sewansee-Gebiet, eine bergige Gegend, reich an Vieh.

Das "folgende Jahr" beträfe das Jahr 5 der Horhor-Chronik, also 642 ndFl, ein Jahr nach den Siegen über Nebukadrezzur und die Sutu. In diesem Jahr fanden die letzten Kämpfe in Mesopotamien, die Einnahme Babylons durch Ulamburiasch-Kurigalzu = Tudhaliyas-Mursilis und die gemeinsame Siegesfeier mit den Ägyptern statt.

Hier sind zwei parallele Vorgänge erkennbar:

1. Pjotrowski33: Im Wansee-Gebiet errichtete Rusa (I) zwei Festungen, die eine im Westen des Sees ("die Festung des Gottes Chaldi"), die andere im Süden ("die Festung des Gottes Teischeba"). Die erstere wurde auf einem hohen Felsen in der heutigen Stadt Kamo (früher Nor-Bayazed) erbaut. Eine Keilinschrift auf einem Eckstein, die den Bau berichtet, ist erhalten:

"Rusa, der Sohn des Sarduri, spricht: 'Ich besiegte den König des Landes Uelikuchi (Eig.Anm.: Welikuchi-Kolchis), machte ihn zum Sklaven und vertrieb ihn aus seinem Lande. Dann setzte ich einen Vizekönig an seine Statt und erbaute die Tore des Gottes Chaldi und eine mächtige Festung, der ich den Namen <Festung des Gottes Chaldi> gab'."

Eine Inschrift in der Festung nahe der heutigen Stadt Tsovinar, die den Weg südlich um den See unter Kontrolle hatte, berichtet die Niederwerfung von 23 feindlichen Ländern (Eig.Anm.: siehe dazu unten den Punkt 2.: 23 Könige der Naïri-Länder) in einem einzigen Jahr und den Bau der mächtigen Festungsstadt des Gottes Teischeba, um die Macht des Landes Biaïni zu zeigen und seine Feinde in Furcht zu halten.

Die letzte Formulierung ist gleichlautend mit der in der Horhor-Chronik des Argischti, der die Stadt Irpuni baute, "um die Macht des Landes Biaïni zu zeigen und seine Feinde in Furcht zu halten". Daraus ist zu entnehmen, dass Rusa, der Sohn des Sarduri, im Westen des Wansees die Festung des Gottes Chaldi und im Süden des Sees (gemeinsam mit Menua und Semiramis ?) die Festung des Gottes Teischeba baute, während sein Vetter Argischti, der Sohn des Menua, weiter im Nordosten tätig war und dort im Ararat- und Sewansee-Gebiet die Stadt Irpuni errichtete. Das erleichtert uns die Vorstellung, dass die Familie des Sarduri, des Sohnes des Ischpuini, die Wansee-Region, und die Familie des Menua, des Sohnes des Ischpuini, die Sewansee-Region im Norden bewohnte.

Für Pjotrowski war es unersichtlich, dass die Inschrift des Rusa, in der dieselbe Formulierung benutzt wird, die auch in der Horhor-Chronik Verwendung findet, aus derselben Zeit stammte wie die des Argischti. Für ihn kann es keine Gleichzeitigkeit der beiden Vorgänge geben, da er Rusa I zwei Generationen später als Argischti ansetzten muss, den er für den Großvater des Rusa I hält. Dass dies nicht zutrifft und wie es zu dem chronologischen Urartu-Chaos in der konventionellen Chronologie kommen konnte, wird der Leser weiter unten erfahren.

Der Sieg über den abgefallenen König von Welikuchi (etwa Weli-Kuchi = zu Kusch, oder "Land des Chus", zu Ägypten gehörend wie Bit-[A]Gusi?), dem ägyptischen Land Kolchis-Punt, machte den Weg für die Urartäer frei. Dieser Vorgang kann nicht früher als 641 ndFl datiert werden, da der an dieser Aktion tätige Assyrer erst in diesem Jahr Feldherr der Chatti wurde. Wie oben schon gesagt, handelt es sich in der Tat erst um das Jahr 642 ndFl:

2. Pjotrowski34: Tiglath-Pileser I (1115-1093 v.Chr.): "Der Gott Assur, mein Gott und mein Herr, sandte mich gegen die Länder ferner Könige, die an der Küste des Oberen Meeres (Eig.Anm.: des Schwarzen Meeres) wohnen, die keinen Herrn hatten. Dorthin zog ich. Auf beschwerlichen Pfaden..., durch die noch kein König vor mir gezogen war...23 Könige der Naïri-Länder versammelten ihre Streitwagen und...standen gegen mich auf... Ich rückte gegen sie vor...und wie die Sturmflut Adads vernichtete ich ihre große Armee... 60 Könige der Naïri-Länder zusammen mit denen, die ihnen zu Hilfe gekommen waren, trieb ich mit meinem Speer bis hin zum Oberen Meer. Ihre großen Städte nahm ich ein, trug ihre Schätze fort...und übergab ihre Wohnungen den Flammen. Alle Könige der Naïri-Länder fing ich lebendig. Aber allen ... ihnen ließ (ich) ihr Leben vor Schamasch, meinem Gott und Herrn, und befreite sie von den Fesseln der Gefangenschaft. Dann ließ ich sie einen Eid ... schwören, dass sie für alle Zukunft mir dienen und gehorchen würden. Ihre Söhne, die Erben ihrer Dynastien, nahm ich als Unterpfänder für ihr Wort. Dann erlegte ich ihnen Tribut auf... und ließ sie in ihre Heimatländer zurückkehren.

Die 23 Könige des Tiglath-Pileser, die ganz offensichtlich mit den oben unter 1. erwähnten identisch sind, gehören zu den Rückeroberungen der ägyptischen Provinzen im Norden und Westen des Landes unter Argischti I und Rusa I. Alle Angaben passen gut in diese Zeit. An dem Text fällt besonders auf, dass der Verfasser den Anschein erwecken will, als habe er diese Eroberungen für sich selbst vorgenommen. Das hat nicht nur seinen Grund in der vielzitierten orientalischen Despotenmentalität, sondern es kann auch damit zusammenhängen, dass diese Gebiete später tatsächlich unter assyrischer Oberherrschaft standen. Es erübrigt sich die Feststellung, dass es nur einen einzigen Tiglath-Pileser gegeben hat, nämlich den Sohn Arioch-Nimrud von Assur-Re-Isesi und Semiramis: Tukulti-(Ninurta-)apil-escharra:

Tukulti-Ninurta I (1260-1232 v.Chr.) erwähnt in seinen Annalen die Zahl von 43 Königen der Naïri-Länder, die er nach einem "Aufstand gegen Assyrien" besiegt und in Ketten nach Assyrien gebracht habe. Vermutlich bedeutet die Zahl hier ebenfalls 23, da es sich zweifellos um denselben Vorgang handelt. Die Vorgehensweise ist mit der zu Tiglath-Pileser I geschilderten auffallend ähnlich: die gefangenen Könige werden nach Erhebung und Niederlage nach Assyrien gebracht. Ihre Freilassung und Wiedereinsetzung ist atypisch für die Assyrer, typisch jedoch für die Chatti und die Perser. Die Geiselnahme ihrer Söhne ist typisch für Ägypten.

Tiglath-Pileser war seit dem Jahre 641 ndFl als Feldherr für die Chatti tätig, konnte sich demnach zu Beginn seiner Tätigkeit in Urartu profilieren. Es handelt sich bei der obigen Inschrift Tiglath-Pilesers (I) um das Jahr 642 ndFl = Jahr 5 der Horhor-Chronik und das Jahr 2 des Feldherrn Tiglath-Pileser.

In seinem 33. Jahr (642 ndFl), auf seinem achten Feldzug, zog Manachpiria "bis an die Höhe von Wan im Westen von Aleppo"35. Ob hiermit tatsächlich der "Felsen von Wan" am gleichnamigen See gemeint ist, erscheint im Hinblick auf die Erläuterung "im Westen von Aleppo" zunächst fraglich; denn der Wansee befindet sich im Nordosten von Aleppo aus gesehen. Andererseits heißt es in den Annalen:

Seine Majestät zog nach Norden, die Städte einnehmend und die Ansiedlungen jenes elenden Fürsten von Naharina verwüstend. Daraus könnte geschlossen werden, dass die abtrünnigen Könige auf der Seite des Nebukadrezzur standen, der mit dem "elenden Fürsten von Naharina (= Mesopotamien)" gemeint ist. Hierüber lassen sich also nur Vermutungen anstellen, wenn auch die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen ist, dass ein ägyptisches Kontingent an dem Feldzug gegen die abtrünnigen Könige beteiligt war.

Ein Bündnis der Chatti mit den Urartäern ist zum Zeitpunkt der Niederlage Nebukadrezzurs noch plausibel und vermeidet die Vorstellung, dass Tiglath-Pileser gegen Urartu gezogen sei, wie es konventionell gesehen wird. Es muss in diesem oder spätestens im folgenden Jahr jedoch eine Wende in der Politik eingetreten sein; denn in seinem dritten Jahr (643 ndFl) kämpft Tiglath-Pileser tatsächlich gegen die Urartäer: Sarduri wird in die Flucht geschlagen:

Konventionell wird hier an Sarduri II, gedacht, den Sohn des Argischti I. Das ist durchaus möglich; denn dieser wurde etwa 614 ndFl geboren, war also längst im heerfähigen Alter. Da nun die Assyrer keine Vaterangaben gemacht haben, muss offen bleiben, ob es sich um Sarduri II mit oder ohne Klammern handelt, das heißt um Sarduri II, den Sohn des Argischti I, oder um Sarduri (II), den Sohn des Ischpuini, der konventionell zwar inschriftlich erfasst, jedoch nicht als König gezählt wird.

Pjotrowski36: ... im 3. Jahr seiner Regierung (743 v.Chr.) rückte Tiglath-Pileser westwärts vor und schlug in einer Schlacht bei Arpad die Armee der Urartäer, die mit vier syrischen Ländern verbündet waren (Agusi, Melita-Melida, Gurgum und Kummuch). Die Assyrer machten viele Gefangene.

Die assyrischen Annalen berichten, dass Sarduri im Schutze der Nacht floh und von Tiglath-Pileser bis zum Euphrat-Übergang, also bis zur Grenze seines Königreiches verfolgt wurde.

Zunächst muss klargestellt werden, dass die konventionellen Regierungsjahre des Tiglath-Pileser seine Feldherrnjahre sind. Als Großkönig nannte er sich Sanherib bzw. Assurbanipal. Hierüber wird im Kapitel über Assyrien ausführlich abgehandelt. Sein drittes "Regierungsjahr" ist demnach das dritte Jahr als König von Kalach-Nimrud und nicht von ganz Assyrien; es ist sein drittes Feldherrnjahr: 643 ndFl. Die verbündeten Länder der Urartäer waren (Bit-)Agusi, sodann Melitea/Melida, das heutige Malatya, Gurgum (auf halbem Wege zwischen Malatya und Adana) und Kummuch = Kommagene, eine Landschaft am Oberlauf des Euphrat, also verdächtig nahe bei der Festung Altintepe (Arzaschku, Azupiranu). Zur damaligen Zeit saß hier Rusa, der Sohn des Erimena, der den persischen Namen Arschama (bei Herodot: Arsames, Sohn des Ariaramnes) führte. Einige Jahre später treffen wir in Kommagene dessen Sohn Hystaspes (Vischtaschpu, assyrisch Kuschtaschpi) an, den Vater von Darius I.

Offenbar hatten sich diese Länder von Ägypten gelöst und waren prompt von Manachpiria und seinen chattisch-medisch-assyrischen Verbündeten bei Arpad (möglicherweise heutiges Urfa) gestellt worden. Manachpiria, der im Jahre 643 ndFl noch ein Verbündeter der Chatti war, musste im Frühjahr des 34. Jahres37 seinen neunten Feldzug führen, und zwar in Zahi, wo er irgendeine Unbotmäßigkeit, wahrscheinlich in der Gegend des Libanon, zu bestrafen hatte. In demselben Jahr war er auch im Süden tätig. Er gewann den Sohn des Häuptlings von Irem, des Nachbarn von Punt, als Geisel.

Wenn Tiglath-Pileser Sarduri II/(II) nur bis zum Euphrat verfolgte, dann heißt das doch nichts anderes, als dass er nicht auf ägyptisches Gebiet gehen wollte, zumal er sicher sein konnte, dass die Ägypter den Urartäer dort in Empfang nehmen würden. Die Grenze am Euphrat, die zum dritten Jahr Tiglath-Pilesers erwähnt wird, ist die Grenze nach Ägypten. Breasteds "Libanongegend" liegt wohl etwas weiter in Richtung Euphrat. Ob Arpad der richtige Ort ist, sei noch dahingestellt. Der "Häuptling von Irem" war zu dieser Zeit Aramu-Menua; er musste klein beigeben. Der Name seines Sohnes, der als Geisel mit nach Ägypten gehen musste, ist nicht bekannt. Bezeichnend ist auch hier der konventionelle Irrtum, Punt sei eine Gegend in Afrika, wo daher auch Irem vermutet wird, bei dem es sich aber eindeutig um das Land Aramu = Armenien handelt.

Der Sarduri, der vor Tiglath-Pileser flieht, ist höchstwahrscheinlich derjenige, der als Sohn des Ischpuini bezeichnet wird. Er wird inschriftlich erwähnt als König von Urartu (in der weiter unten noch zu besprechenden Beute von Mussassir). Möglicherweise kam Sarduri (II) ebenfalls in ägyptische Hände. Es ist nicht auszuschließen, dass hier Sarduri II, der Sohn des Argischti I, gemeint sein kann. Da aber beide noch im Lande bleiben müssen, so ist es viel wahrscheinlicher, dass keiner von beiden nach Ägypten ging.

Pjotrowski38: Die Annalen des dritten Jahres Tiglath-Pilesers (743 v.Chr.; 643 ndFl) zählen die reiche Beute aus dem urartäischen Lager auf, darunter einen Wagen, ein Bett, verschiedene Wertgegenstände und einen Siegelring.

Die Assyrer beschränkten sich jedoch auf die Wiedererrichtung ihrer Vormacht in Nordsyrien und trugen den Krieg nicht auf urartäisches Gebiet.

Diese Formulierung lässt erkennen, dass zum einen die Beute nicht für einen großen Sieg spricht und zum anderen die Meder, die schließlich die eigentlichen Vorgesetzten des assyrischen Feldherrn waren, gewissermaßen im Auftrag der Ägypter gehandelt hatten. Die "Beschränkung der Assyrer", wie sie von Pjotrowski gesehen wird, ist atypisch für sie. Es handelt sich hier nicht um einen freiwilligen Verzicht auf etwas, was sie auch genausogut hätten haben können. Es ist zu verstehen, dass die Assyrer nicht für sich selbst aus dieser Aktion Nutzen ziehen konnten, da es sie eigentlich - nämlich als selbständige Herrscher - noch gar nicht gab. Ganz zweifellos war Astyages, der große Favorit der Ägypter seit den Tagen des Chus und der Hatschepsut, der Herr über Chatti, Nuchasse und (oder gleich?) Medien.

 


 

20 Herodot, I 86ff.
21 Herodot, I 94;
22 Ebenda, VII 27
23 Boris Pjotrowski, Urartu; Wilhelm Heyne Verlag München, S. 11/12
24 Boris Pjotrowski, Urartu; Wilhelm Heyne Verlag München, S. 13
25 Boris Pjotrowski, Urartu, Seite 64
26 und 27 Boris Pjotrowski, Urartu, Seite 63;
28 Ebenda, Seite 64:
29 Pjotrowski, Urartu, Seite 64
30 Pjotrowski, Urartu, Seite 64
31 und 32 Pjotrowski, Urartu; Seite 64
33 Ebenda, Seite 88 f.
34 Pjotrowski, Urartu, Seite 46/47
35 J. H. Breasted, Geschichte Ägyptens, Parkland Verlag Stuttgart; Seite 187
36 Pjotrowski, Urartu, Seite 84
37 Breasted, Seite 191
38 Pjotrowski, Urartu, Seite 84/85

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