Siebtes Buch: 642 bis 656 ndFl

1. Kapitel:

Die Medo-Perser
Teil III: Vorderasien von 642 bis 656 ndFl
(4. Teil)


Quellen zu Chatti und Ägypten

Über die Aktivitäten der Chatti im syrischen Vorland zu Ägypten in den Jahren 651 und 652 ndFl geben uns mehrere Quellen Auskunft. In erster Linie sind es die Amarnabriefe und die hethitischen "Boghazkoi-Texte", die sich gegenseitig ergänzen; aber auch jene Schrift des Mursilis II, des Sohnes des Suppiluliumas, die unter dem Titel Die Taten meines Vaters Suppiluliumas in die Geschichtswissenschaft Eingang gefunden hat, und nicht zuletzt das AT parallel mit den assyrischen Inschriften liefern uns wertvolle Hinweise auf die Ereignisse dieser Zeit.

Die Amarnabriefe sind nur schwer zu interpretieren, besonders hinsichtlich ihrer richtigen Reihenfolge, und es ist äußerst schwierig, sie korrekt zu datieren. Eine genaue Rekonstruktion der Geschichte ist in dieser Phase trotz des reichlich vorhandenen Materials problematisch, zumal gerade die Amarnabriefe starke Beschädigungen aufweisen.

Doch auch die anderen Texte sind nicht frei von Möglichkeiten, falsch gedeutet zu werden. So ist ein wichtiger Hinderungsgrund, eine glaubhafte Synchronizität herzustellen, das Fehlen einer internationalen Datierung verbunden mit der Scheu, Verbündete beim Namen zu nennen. Schenkte man schon den Feinden nicht immer die Ehre, namentlich erwähnt zu werden, so vermied man es umso eifersüchtiger, die Verdienste von Bundesgenossen zu würdigen. Stattdessen heftete man das ganze Verdienst an die eigenen Fahnen.

Die Texte Amarna, Boghazkoi und Mursilis II werden konventionell untereinander synchron eingeordnet, sie werden jedoch nicht mit dem AT und den assyrischen Inschriften in Verbindung gebracht, die um Jahrhunderte später angesetzt werden. Durch die Verkennung der verschiedenen Identitäten einerseits und der Reihenfolge der Amarna-Korrespondenten Nimmuria und Napchuria andererseits, hauptsächlich aber durch die unglückliche Gleichsetzung von Napchuria mit dem schon längst nicht mehr in Ägypten anwesenden "Echnaton" ist bei der Beurteilung der Amarnabriefe nicht nur eine zeitliche Verzerrung entstanden, sondern es sind auch die zu dieser Zeit regierenden Pharaonen nicht richtig erkannt worden. Außerdem wurde nicht bedacht, dass Pharaonen ohnehin nicht mit dem Hickhack, der den Inhalt der Amarnabriefe überwiegend ausfüllt, befasst wurden. Das war Sache der Gau- oder Vizekönige.

In der konventionellen Geschichtsdarstellung ergibt sich aus diesen Texten ein Bild, das mehr Fragen aufwirft als es beantwortet. Durch die berichtigte Chronologie wird nicht nur vieles einfacher, sondern es können jetzt auch solche Berichte herangezogen werden, die in der konventionellen Chronologie durch größere Zeitspannen voneinander getrennt erscheinen. Ich will versuchen, eine einleuchtende und chronologisch richtige Rekonstruktion aus den genannten Quellen zu erstellen.

Dazu vergegenwärtigen wir uns zunächst noch einmal die Reihenfolge der ägyptischen Unterkönige in Achet-Aton:

Bis 648 ndFl führte der König mit dem schönen Antlitz die Korrespondenz mit den Stadtfürsten in Amurru-Kanaan, und zwar entweder von Achet-Aton oder von Saïs im Delta aus; denn möglicherweise handelt es sich um eine Frau, und dafür wäre Hatschepsut, die Mutter des amtierenden Pharaos Amenophis II Acheperure, geeignet, die ihre Residenz nicht in Achet-Aton, sondern in Saïs hatte. Von hier sind Korrespondenzen nachweislich geführt und dennoch in Achet-Aton archiviert worden. Die Annahme, es könne sich um deren "schöne" (ägypt.: nefer) Schwester Nofretete handeln, hat nur eine geringe Wahrscheinlichkeit für sich. In seinem Brief Nr. 165 an einen nicht namentlich genannten Adressaten spricht Aziru diesen König an, der durchaus ein Mann gewesen sein kann. Gesichert ist hier nichts, noch nicht einmal das Geschlecht. Bezeichnend ist, dass Aziru sich in diesem Brief noch als loyaler Diener der Ägypter erweist, der sich vor den Chatti fürchtet, die in Nuchasse sitzen, "nur zwei einfache Tagesreisen bis nach Tunip". Aus diesem Grund möchte ich diesen Brief in eine Zeit einordnen, als die Chatti den ersten Versuch unternahmen, Aleppo/Nuchasse zu erobern (644 ndFl).

648-650 ndFl: Napchuria = Taharka Neb-cheru-Re Amtszeit A; mit ihm korrespondiert Burnaburiasch. Es herrscht Friede zwischen den Großmächten.

650-651 ndFl sitzt der König des Kampfes, wie Rib-Addi ihn nennt, auf dem Thron in Achet-Aton. Er ist nicht nur der Dudu einiger Amarnabriefe, sondern auch Thuti, der Heerführer, Neffe und Schwiegersohn des Manachpiria, ein Sohn des Kamose = Echnaton II mit Ragma, einer Tochter des Chus = "Thutmoses I" und der Mutter von Saba und Dedan.

651-652 ndFl: Schabataka, der Sohn des vorigen Gaufürsten in Achet-Aton und Enkel des Manachpiria. Er sitzt auf dem Höhepunkt der Eskalation auf dem Thron: sowohl die Chatti als auch die Fürsten in Amurru-Kanaan begehren auf, und die ägyptentreuen Stadtfürsten bitten um dringende Unterstützung mit Waffen und Lebensmitteln.

Nach dem Tode des Amenophis II Acheperure streiten sich die Sethariden aus der Anubis-Familie und die Ptah-Ramessu (= "Ptolemäer") aus der Familie des Achmose - nicht zum ersten Mal - um die Thronfolge. Die Amun-Priester wählen den verdienten Feldherrn Thutmoses Mencheperre aus der Setharidenlinie als Nachfolger des Ptah-Ramses Amenophis. Der Gemahl der Hatschepsut wird zum Nachfolger des Sohnes der Hatschepsut. Der Sohn des neuen Pharaos aus der Ehe mit Hatschepsut wird Gaukönig in Achet-Aton:

652-663 ndFl: Nimmuria = Neb-maat-Re. An ihn gehen die Hilferufe kurz vor und nach dem Einfall der Chatti ins ägyptische Hoheitsgebiet.

Neue Spannungen zwischen Chatti und Ägypten (651 ndFl)

Auf chattischer Seite kommt ganz eindeutig Suppiluliumas, dem Sohn des Kurigalzu-Tudhaliyas, die Führungsrolle zu, obwohl sein Vater noch lebt. In den letzten Jahren (649 - 651 ndFl) hatte sein älterer Halbbruder Burnaburiasch = Arnuwandas = Pharnaspes noch regelmäßigen Briefverkehr mit Napchuria, dem Sohn des Amenophis, in Achet-Aton gepflegt. Diese Korrespondenz muss logischerweise zu einem früheren Zeitpunkt gesehen werden als die Angriffe der Hethiter auf das ägyptische Hoheitsgebiet. Folglich muss die Korrespondenz der hethitisch-kassitischen Provinzkönige mit Achet-Aton spätestens im Jahre 652 ndFl abgebrochen worden sein, eher sogar schon Ende 651 ndFl.

Die Chatti machten vermutlich schon 651 ndFl gemeinsame Sache mit den in Amurru bzw. Kanaan wirkenden Rebellen der Los-von-Ägypten-Bewegung, was Tudhaliyas-Kurigalzu etwa zwei Jahre zuvor noch ganz entschieden von sich gewiesen hatte (Brief Nr. 9 des Burnaburiasch an Napchuria, siehe weiter oben), wie wir auch glauben dürfen. Es gibt indes auch Hinweise darauf, dass die Hethiter noch kurz bevor sie feindselig in ägyptisches Hoheitsgebiet einfielen als Verbündete der Ägypter gegen die Rebellen auftraten.

Die von den Chatti verdeckt vorgenommenen Unterstützungen der Unruhen im Jahre 651 ndFl finden ihren Niederschlag auch in einigen Amarnabriefen, da diese überwiegend in diese Zeit gehören, und davon die meisten sogar in die Zeit nach dem 17. Feldzug Manachpirias, der entgegen der Ansicht Breasteds keineswegs zu einem endgültigen oder auch nur längerfristigen Erfolg der Ägypter in der Region Syrien-Amurru-Kanaan geführt hat. Er war lediglich Höhepunkt und Abschluss der Feldherrn-Karriere Manachpirias, der im Jahr darauf (in seinem 43. Jahr 652 ndFl) überhaupt erst Pharao wurde, als welcher er keine Feldzüge mehr zu führen brauchte.

Haupträdelsführer der Rebellion in Kanaan, die den Zweck verfolgte, das alte David-Reich wieder aufzurichten, waren zwei von Ägypten abtrünnig gewordene Statthalter, die in den EA-Briefen die Namen Abdi-Aschirta und Aziru tragen. Bei dem ersteren handelt es sich um einen Sohn Davids I, den ich in den Richter- und David-Kapiteln bereits vorgestellt habe, um Jethream bzw. den "Abiesriter Joas", und bei dem anderen um dessen Sohn, der im Richter-Buch als einer der Gideons erscheint, und zwar als der dritte. Die Reaktionen der Ägypter auf die Aktivitäten der Rebellen waren die jährlichen Feldzüge. Den Anlass zum 17. Feldzug des Manachpiria sieht Breasted wie folgt1:

So empfindlich die syrischen Fürsten auch gezüchtigt worden waren - sie dachten nicht daran, ihre Unabhängigkeit endgültig aufzugeben. Von der Stadt Kadesch, Thutmoses' alter Feindin, aufgestachelt, erhoben sie sich nochmals zu einem letzten gemeinsamen Versuch, die starke Hand des ägyptischen Königs abzuschütteln. Ganz Naharina, besonders der König von Tunip und auch einige von den nördlichen Küstenstädten, waren dem Bündnis beigetreten. Thutmoses war jetzt ein alter Mann geworden und hatte wahrscheinlich das 70. Jahr schon überschritten, aber mit der gewohnten Schnelligkeit erschien er mit seiner Flotte im Frühling des Jahres 42 (= 610 + 41 = 651 ndFl) an der syrischen Küste. Es war sein siebzehnter und letzter Feldzug, wie sein erster gegen den Erzfeind Kadesch gerichtet.

In Kadesch saß damals der Staatsfeind Nr. 1 der Ägypter, der aus den Amarnabriefen bekannte Sohn des Schutarna: Aitugama, auch Etakama oder Itatkama geschrieben, der meines Erachtens mit dem Tou von Hamath aus dem AT (= Ai-Tou-Chamath? 2. Sam. 8,9; 1. Chron. 18,9) identisch ist. "Die große Hamath" lag wie die Hauptstadt Kadesch im Libanongebiet (Orontestal); möglicherweise waren beide Städte "synoikistisch", das heißt wirtschaftlich vereint wie viele andere Orte in dieser Gegend damals auch (vgl. Beth-El und "seine Ortschaften"). Außerdem hieß das ganze Land, zu dem die Stadt Kadesch gehörte, "Land Hamath".

ndFl KNB* Feldzug Nr.  
645 und 646 11. und 12.: Annalen sind verloren;
647 38. 13.: südliches Libanongebiet;
648 39. 14.: bis nach Syrien; Geschenke von Zypern
und Arrapachitis;
649 40. 15.: nicht gegen Chatti gerichtet, da noch
Korrespondenz zwischen Karduniasch und
Achet-Aton besteht;
650 41. 16.: "Geschenke" vom König von Groß-Cheta,
im Originaltext als Tribute bezeichnet
(und zwar sind die aus Urartu gemeint);
651 42. 17. und letzter: Zerstörung von Kadesch (?).
  * = Jahre Manachpirias

Auch der Herr von Tunip, Aziru, gilt in den Amarnabriefen als ein rebellischer Fürst. Unglücklicherweise werden diese Briefe aber über hundert Jahre später als Thutmoses III gesehen, ganz zu schweigen von Tou von Hamath, der als ein Zeitgenosse des David konventionell erst dreihundert Jahre später angesetzt wird. Wenn David im Buch Samuel gegen den Hadadeser vom Aram-Zoba zu Felde zieht und mit Tou von Hamath verbündet ist, dann schlägt sich das in den Amarnabriefen als Vorgehen des Teuwatti von Lapana (= David II) gegen Rib-Addi vom matuZubaru nieder. Hierauf komme ich weiter unten ausführlich zurück.

Um es noch einmal zu sagen: Thutmoses war tatsächlich ein alter Mann von 71 Jahren geworden, womit Breasted richtig liegt; aber "mit gewohnter Schnelligkeit" fasste er wohl nur noch seine Entschlüsse, während sein Heer von seinem Schwiegersohn Schabaka, dem "König des Kampfes" aus den Rib-Addi-Briefen, und seine Flotte von Admiral Nebamun oder auch von Amanappa geführt wurde. Wenn er auch noch kein Pharao war, so hatte er es doch nicht mehr nötig, sich den Strapazen eines Feldzuges auszusetzen.

Breasted fährt fort: Er isolierte ihn diesmal dadurch, dass er von Norden her anrückte und Tunip zuerst einnahm. Dann zog er den Orontes aufwärts bis nach Kadesch und verwüstete die Städte der ganzen Umgebung, ohne dass irgendein Zwischenfall ihn störte. Der König von Kadesch wusste wohl, dass alles verloren war, wenn er nicht Thutmoses' Heer besiegte. Er bot verzweifelten Widerstand, aber trotz einer Kriegslist verlor er die Schlacht vor seiner Stadt.

Ob Kadesch tatsächlich völlig zerstört wurde, ist hieraus nicht zu entnehmen. Eher sieht es so aus, als sei Kadesch verschont geblieben im Gegensatz zu den Städten in der Umgebung. Die Schlacht wurde zwar verloren, doch vor der Stadt, und daraus darf nicht auf ihre Einnahme geschlossen werden. Bei dem Herrn dieser Stadt kann es sich nur dann um Aitugama gehandelt haben, wenn dieser seine Niederlage überlebte; denn später tritt er wieder auf und verbündet sich mit den Hethitern gegen Ägypten. Es ist weniger plausibel, dass Manachpiria jetzt erst den loyalen Aitugama als Rabis (= Oberstatthalter) in Kinza-Kidscha-Kadesch einsetzte. Dessen Übertritt zu den Gegnern Ägyptens hat viel wahrscheinlicher schon vor dem 17. Feldzug stattgefunden.

Aus hethitischen Texten geht hervor, dass Suppiluliumas sich der ganzen Familie des Aitugama in Kadesch bemächtigte. Dass dies schon im Zusammenhang mit dem 17. Feldzug des Manachpiria stand, ist ebenfalls nicht wahrscheinlich, was ich weiter unten erläutern werde. Zu der Zeit des 17. Feldzuges (651 ndFl) waren die Chatti vermutlich noch Verbündete der Ägypter. Manachpiria würde die Beteiligung fremder Mächte an seinen Siegen jedoch niemals in Stein meißeln lassen.

Zu den turbulentesten Jahren dieses Jahrhunderts zählt mit Sicherheit das Jahr 651/652 ndFl (= 229/228 v.Chr.), in welchem der Konflikt zwischen Chatti und Ägypten wieder offen ausbricht. Es kommen aber auch im Rücken der Chatti neue Probleme auf, und zwar mit Medien-Mitanni. Hierüber werden wir durch den Brief Nr. 54 des Akizzi von Katna unterrichtet, der sehr wahrscheinlich an Nimmuria gerichtet ist. Damit gehört dieser Vorfall schon in das Jahr 652 ndFl, in welchem die Chatti das Land Amka überfallen. Für den Hethiterkönig bedeutet das aufkommende Problem mit den Medern, dass er bald an zwei Fronten Krieg zu führen hat.

Der 17. Feldzug gehört in die ersten Monate des Jahres 651 ndFl. Danach war noch viel Zeit für die Ereignisse, die sich bis ins Frühjahr 652 ndFl abgespielt haben müssen. Dazu gehörte meines Erachtens auch der erste Aleppo-Zug des Suppiluliumas:

Erster Aleppo-Zug des Suppiluliumas (651/652 ndFl)

Der neue Konflikt mit Ägypten begann, wie aus den Briefen hervorgeht, mit einem Einfall der Chatti unter der Führung des Suppiluliumas in Nuchasse, mithin auf die alte Hethiterstadt Aleppo, in der Adad-narari als ägyptischer Statthalter residierte. Wir dürfen erwarten, dass von hier ein Hilferuf nach Ägypten ausging:

Brief 51: Zu der Sonne, dem König, meinem Herrn, dem König von Ägypten, sprach also Addu-nirari, dein Diener: Zu den Füßen meines Herrn fiel ich nieder.

Siehe, als dein Großvater Manachpiria, König von Ägypten, Taku (= Astyages), meinen Großvater, in Nuchasche zum König machte und Öl auf seinen Kopf tat, da sprach er so: Denjenigen, welchen der König von Ägypten zum König gemacht hat, auf dessen Kopf er Öl getan hat, soll irgendeiner nicht stürzen. (Es folgen zerstörte Stellen.) Taku, mein Großvater, ... und jetzt, o Herr, hast du ... und der König von Chatti hat gegen ... o Herr, Tafeln (= Briefe) und ... und an den König von Ägypten ... ... ... Vergiss nicht, dass für die Diener ist Treue gegen meinen Herrn ihr Ziel. Und wenn mein Herr nicht selbst ausziehen will, dann möge mein Herr einen seiner Räte mit Kriegern und Wagen schicken.

Dieser Brief kann weder an Napchuria noch an Nimmuria gerichtet worden sein; denn Napchuria-Taharka befindet sich inzwischen im Süden, und Nimmuria ist der Sohn und nicht der Enkel des Manachpiria und sitzt noch gar nicht auf dem Thron des (Vize-)Königs von (Unter-)Ägypten in Achet-Aton.

Der Brief bezeichnet eine Situation, in der die Chatti in die ägyptische Provinz Nuchasse einfallen, also in das Land zwischen dem Kaukasus und Aleppo im weitesten Sinne. Der Brief Nr. 51 kann daher nur in einer Zeit geschrieben worden sein, in der folgende Bedingungen erfüllt waren:

1. Der in Achet-Aton residierende Gaukönig von (Unter-) Ägypten ist ein Enkel des Manachpiria und zuständig für die Interessen Ägyptens in Amurru-Kanaan und Nuchasche. Nimmuria sitzt demnach hier noch nicht.

2. Derzeitiger König von Oberägypten (= "melucha") kann Manachpiria sein, der Astyages zum König von Nuchasse gesalbt hatte, als er selbst nur König von Unterägypten war, das heißt Vizekönig und oberster Feldherr des Acheperure in Saïs.

3. Der König in Achet-Aton ist der Oberherr Addu-niraris, der sich seinerseits in diesem Brief nicht als "König von Assyrien" bezeichnet.

4. Addu-nirari hat ein getrübtes Verhältnis zum König von Chatti; es ist höchst unwahrscheinlich, dass Adad-narari sich überhaupt noch im Machtbereich der Chatti aufhält.

5. Zwischen Chatti und Ägypten besteht gleichfalls ein gespanntes Verhältnis, was auf die Zeit nach dem 17. Feldzug hindeutet, was aber noch vor dem eigentlichen Überfall der Chatti auf ägyptisches Gebiet eingetreten sein muss.

Diese Konstellation hat es nur geben können in der letzten Hälfte des Jahres 651 ndFl oder zu Beginn des Jahres 652 ndFl, in dem der Pharao starb und die Interessen des Feldherrn Manachpiria, der vermutlich mittlerweile gar nicht mehr in Saïs-Tanis residierte, auf die Erlangung des Pharaonenthrones gerichtet waren. Die Residenz Saïs, in der er auch als Smendes oder Scheschonk bekannt war, dürfte Manachpiria einige Zeit nach seinem 17. Feldzug aufgegeben haben, um nach Theben zu gehen, wo er wenige Monate später (Mitte/Ende 652 ndFl) Pharao Thutmoses IV wurde. Dass er die Thronansprüche des Napchuria-Taharka, der sehr wahrscheinlich von seinem Vater Acheperure, des "Sohnes einer Nubierin", nach Nubien = Äthiopien versetzt worden war, dabei offensichtlich überging, kann zu dem Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen Chatti und Ägypten in diesem Jahr beigetragen haben.

Bezeichnend ist die Selbstdarstellung Addu-niraris als eines "getreuen Dieners", der sich um das Land des Königs, der "Sonne", Sorge macht, und der ebenso eindringlich wie Rib-Addi - zum Teil sogar mit denselben Worten - um die Entsendung von ägyptischen Hilfstruppen nachsucht. Eine solche Rolle kann Adad-narari niemals unter der Oberherrschaft der Chatti gespielt haben. Es ist auch undenkbar, dass Adad-narari mit ganz Assyrien zu Ägypten abgefallen sein soll. Es kann nur so gewesen sein, dass Adad-narari unter ägyptischer Oberhoheit Statthalter von Nuchasse war, eines Territoriums, dass die Chatti im Jahre 644 ndFl nach der Vertragserneuerung an die Ägypter abgetreten hatten und das folglich außerhalb von Groß-Cheta lag. Dass sein Namensteil Narari mit der Bezeichnung Naïri-Länder für die Nordprovinzen zusammenhängt, möchte ich nicht behaupten.

Nach allem, was wir bisher über Adad-narari in Erfahrung gebracht haben, können wir ihn bei dem Unternehmen des Suppiluliumas gegen Aleppo im Jahre 651 ndFl nicht auf der Seite der Chatti erwarten. Beim Einfall des Suppiluliumas in Nuchasse (Aleppo?) floh er vermutlich mit den übrigen Königen aus dieser Region zu Akizzi von Katna, worauf ich weiter unten zurückkomme. Im Jahre 653 ndFl wird er sogar siegreich gegen die Hethiter zu Felde ziehen - allerdings nicht für die Ägypter, sondern für sich selbst.

Es wird bei der Betrachtung der Amarnabriefe deutlich, dass die Briefe des Rib-Addi zum weitaus überwiegenden Teil - sie machen ohnehin etwa ein Fünftel der insgesamt gefundenen Amarnabriefe aus - in diese Zeit gehören, so dass der von Addu-nirari angesprochene Enkel des Manachpiria durchaus auch einer der Korrespondenten des Rib-Addi in Achet-Aton gewesen sein kann, so wie es der Vater dieses Enkels ebenfalls war, ich meine den nur von Rib-Addi so angesprochenen König des Kampfes.

Die letzten Feldzüge, derer sich Manachpiria inschriftlich rühmt, wurden vermutlich - wie ich an anderer Stelle schon zum Ausdruck brachte - nicht von ihm selbst, sondern von seinem Schwiegersohn Thuti, dem Dudu und König des Kampfes der Amarnabriefe, geführt. Er ist Didumes(I)-Schabaka und der Vater des von Addu-nirari angeschriebenen Manachpiria-Enkels, des Didumes(II)-Schabataka.

Die Abstammung der beiden Didumes
Achmose  oo  Achmes-Nefertari = Sebek-Nefrure  oo  Anubis-
|                                                  Phiops
Achmes   oo  Chus-"Thutmoses I"                    |
+-+                              +------+----------+
| |                              |      mit Isis IV =
| |                              |      Anchnes-Merire
| |                              |      |
| Bit-Nofru = Nofretete  oo Echnaton    Thutmoses III(IV)
Mut-Nofret  = Ragma (AT) oo -Neferkare  Men-cheper(u)-Re
|                                       |
Thutmoses I  Djed-nefer-ka-Re --- oo -- Tochter aus 1. Ehe
           Didumes-Schabaka,          |
|            Dedan-Sabtha (AT),         |
|     Thuti, Dudu (der König des        |
|     Kampfes der EA-Briefe) und        |
|     Bruder der (Königin von) Saba (AT)|
|                                       |
Thutmoses II D(j)ed-kau-chetep-Re   =   Enkel Manachpirias
             Didumes-Schabataka,        (EA-Brief Nr. 51)
             Sabthecha (AT),
             A-cheper-ne-Re
             A-kenen-Re Apophis
Die Namen Didumes und Thutmoses sind gleichbedeutend: Djed-(ch)uti-mes(se); Anubis-Phiops war der erste "Sohn des Seth-Schu". "Nefer" leitet sich von Sebeknefrure ab.

Adad-narari befand sich ganz offensichtlich auf der Flucht vor Suppiluliumas, der die Lösung des Problems Nuchasse anstrebte und sich dabei natürlich ganz besonders auf dessen Hauptstadt Aleppo konzentrierte, eine Stadt, die die Hethiter seit jeher für sich beanspruchten (vgl. dazu den Hethiter Yarim-Lim von Aleppo, der unter Rim-Sin schon hier saß, mit dem er möglicherweise sogar identisch gewesen sein kann!). Es war nach dem Friedensschluss von Aleppo bzw. Araïna im Jahre 644 ndFl für die Chatti ein weiterer Anlauf erforderlich geworden, um Aleppo zu erobern.

Nachdem die Chatti Ende des Jahres 651 (nach dem 17. Feldzug) oder spätestens zu Beginn des Jahres 652 ndFl (nach dem Tode des Acheperure) Nuchasse erobert hatten, setzte Suppiluliumas einen gewissen Sarrupsi an Stelle des geflohenen Addu-nirari als Statthalter in Aleppo ein. Dieser Vertrag zwischen den Chatti und Sarrupsi wird in einem anderen Nuchasse-Vertrag erwähnt, den die Chatti mit dem Nachfolger des Sarrupsi, einem gewissen Teti, abschlossen.

Der vorige Vertrag lässt erkennen, dass Sarrupsi die Chatti zu Hilfe gerufen hatte gegen den Meder Tuschratta, den Vasallenkönig der Chatti in Ekbatana. Man erkennt hier die in den Briefen Nrn. 54 und 56 des Akizzi von Katna, auf die ich weiter unten zu sprechen komme, zitierten Gerüchte wieder, wonach drei (vier) Könige in Mitanni dem Chatti-König feind gewesen sein sollen. Das heißt auch, dass die Meder erst nach der Flucht des Adad-narari gegen Aleppo vorgingen, und dass der Einmarsch der Chatti in Nuchasse schon vor dem Brief Nr. 54 des Akizzi stattgefunden hatte, also in der Zeit um den Wechsel von Schabataka (Brief Nr. 51) zu Nimmuria (Brief Nr. 54).

Die Meder fühlten sich durch die "Operation Nuchasse" der Chatti in irgendeiner Weise betroffen, worüber jedoch nur spekuliert werden kann, da es im einzelnen nicht mehr zu rekonstruieren ist. Die Abkehr des Tuschratta als eines der Mitannifürsten, die Akizzi von Katna erwähnt, zu einem Zeitpunkt, als sich Adad-narari, mutmaßlicher Drahtzieher dieser gegen Chatti gerichteten Aktionen, auf ägyptischem Territorium befand, richtete sich zunächst gegen Sarrupsi in Aleppo und lag demnach zeitlich zwischen der Flucht des Adad-narari und vor der Unbotmäßigkeit des Sarrupsi.

Aus den mit Sarrupsi verbundenen Angaben geht hervor, dass er (später) eine gegen Chatti gerichtete Unbotmäßigkeit beging, für die er mitsamt seiner Familie büßen musste. Die Chatti konnten Sarrupsi zunächst zwar noch helfen, doch dann muss der medische Druck hinter dem Rücken des Suppiluliumas auf ihn stärker geworden sein, so dass er sich viel zu früh, wie es sich schon bald herausstellen sollte, auf die Seite der Meder schlug.

Der Halbbruder des Suppiluliumas, Assur-Uballit, ein Sohn des Mursilis-Tudhaliyas mit der Semiramis, hatte zwar von Assyrien aus mit den Ägyptern hinter dem Rücken der Chatti diplomatischen Kontakt aufgenommen, was Burnaburiasch sehr missfallen hatte, doch jetzt stand er auf der Seite der Chatti und besiegte die Mitanni-Meder, verschonte jedoch deren König Tuschratta. So konnte sich Suppiluliumas auf die Südfront konzentrieren.

Wie wir noch sehen werden, ist der an den Aleppozug des Suppiluliumas anschließende Zug gegen Damaskus im Lande Abina (= Ube) ebenfalls die Entsprechung eines von Akizzi übermittelten Vorfalls: die Plünderung des Hauses von Namiawaza durch dessen Bruder Aitugama = Etakama.

Die Herren von Nii

Eine komplette Besprechung der hethitischen Texte ist hier nicht möglich. Wir betrachten daher nur diejenigen Texte, die zur Aufklärung der Zusammenhänge in dieser entscheidenden Phase dienen können. Zunächst zitiere ich aus den Boghazkoi-Texten einen Bericht des Suppiluliumas, der am Beginn des Amka-Überfalles stehen dürfte und im weitesten Sinne sogar als dessen Einleitung aufgefasst werden kann2:

Ich machte kehrt, den Euphrat überschritt ich, das Land Chalpa (= Aleppo) und das Land Mu---chi suchte ich heim.

Suppiluliumas kehrte damals aus dem Land Alsche zurück, das im nördlichen Mesopotamien angenommen wird. Es kann sich dabei lautlich um Welikuchi-Kolchis handeln. In diesem Falle ist an die assyrischen Aktivitäten in Urartu zu denken, die seit 649 ndFl liefen und noch für das Jahr 651 ndFl in den assyrischen Annalen belegt sind. Ob das Land Mu---chi mit der Residenz Muschichuna (EA-Briefe Nrn. 182 - 184) des Schutarna identisch ist, ist zumindest sehr wahrscheinlich. Die Ereignisse um Aleppo haben wir soeben besprochen. Der Winckler-Text fährt fort:

Takuwa von Nii schloss ein Bündnis mit seinem Bruder Abu-Teschub gegen mich. Darauf empörten sich Land und Stadt Nii gegen Takuwa und Aki-Teschub.

Zweifellos meint Suppiluliumas ein und denselben Mann in seinem Bericht: Abu-Teschub = Aki-Teschub. Abu-Teschub ist auch im Alten Testament der Bruder des Takuwa; dort heißen die Brüder Abitob bzw. Ahitob und Thekoa:

1. Chronik 4: (5) ASCHCHUR aber, der Vater THEKOAS, hatte zwei Weiber: Helea und Naera. (6) Naera gebar ihm Ahussam, Hepher, Themni, Ahastari. ... (7) Aber die Kinder Heleas waren: ZERETH, Jizhar und ETHNAN.

1. Chronik 8: (8) Und SACHARAIM zeugte im Lande Moab, da er von sich gelassen hatte seine Weiber Husim und Baara, (9) und er zeugte von Hodes, seinem Weibe: Jobab, Zibja, Mesa, Malcham, (10) Jeuz, Sachja und Mirma. ... (11) Von Husim aber zeugte er ABITOB und ELPAAL.

Außerdem wird Aschchur in 1. Chron. 2, 24; 4, 5 als "Vater Thekoas" bezeichnet. Die Identität Aschchurs mit Sacharaim ergibt sich nicht nur aus vorstehend genannten Bibelstellen, sondern auch aus dem Stammwort beider Namen: schachar = schwarz, dunkel. Zwei seiner Frauen brachten Söhne mit in die Ehe.

Aschchur = Schacharaim * 592 ndFl, S. v. David und Abigail
= Zurata von Akko (Akko = Zereth-Schachar)
|               |                 |
oo (um 613-617) oo (um 615-617)   oo (um 617)
Husim           Baara-Naera       Helea-Hodes = Hulda
* ca. 600 ndFl  * ca. 590 ndFl    * ca. 600 ndFl
|               mit ihrem Sohn    |     mit ihrem Sohn von
|               Thekoa =          |     Jesaja: Immanuel =
|               Takuwa von Nii =  |             Teuwatti =
              Tikwa oo (um 630) |Hulda mit Sohn David II
|               * ca. 605 ndFl    |             * 617 ndFl
                                Ethnan      
|                               = Zatatna
|                               = Schutatna
+----- ? -----------------+       * ca. 619 ndFl
|                         |           
Abu-Teschub = Abitob      möglicherweise
Aki-Teschub = Ahitob      Bruder von
* 614 ndFl  = Achitub     Du-Teschub  * ca. 632 ndFl
|     Herr von Tunip      oo
|                         Tochter (* ca. 630 ndFl) des um
|                         608 ndFl geborenen Aziru
|                         |
Sohn * ca. 635 ndFl       Abbu-Teschub * ca. 654 ndFl
kommt 639 nach Ägypten    kann frühestens um 676 ndFl der
                          Briefpartner des Mursilis II
                          gewesen sein (Winckler-Texte).


Zwar wird der Vater der beiden Brüder im Winckler-Text nicht erwähnt; aber Zurata bzw. Scharatum (vgl. schachar!) ist uns aus den Amarnabriefen als Vater des Zatatna bzw. Schutatna schon bekannt. Dieser Zatatna (* um 619 ndFl) ist vermutlich mit Ethnan (1. Chron. 4, 7) gemeint, und Zereth ist nicht dessen Bruder, sondern der Vater Zereth-Schachar, mithin Aschchur-Sacharaim selbst, der als Vatername "versehentlich" in den Text geriet. Achitob kann nur dann auch mit Ahithophel identisch sein, wenn dieser Ratgeber des David dem zweiten König dieses Namens diente. Der Name Ahitob (hebr. Achitub = Bruder der Güte) könnte später in Achitopel (hebr. für Bruder der Torheit) abgewandelt worden sein, nachdem dieser Ratgeber sich erhängt hatte (2. Sam. 15, 12).

Husim kann durchaus der Name der Mutter des Abitob gewesen sein. Da der Name Naera auch Naara gelesen werden kann, dürfte es sich bei dem Namen Baara um eine Verschreibung und bei den Trägerinnen der Namen Naera und Baara um ein und dieselbe Person handeln. Ebenso dürften die Trägerinnen der Namen Helea und Hodes miteinander identisch sein: Aus den Namen Helea und Hodes lässt sich unschwer der Name der Prophetin Hulda aus dem AT rekonstruieren, deren Gatte Tikwa geheißen haben soll, was bedeuten würde, dass sie ihren Stiefsohn Takuwa-Thekoa geheiratet haben müsste, was überhaupt nichts Ungewöhnliches damals war.

Die Merkwürdigkeit, dass Aschchur zwar als "der Vater Thekoas" bezeichnet wird, dass aber erst nach diesem Hinweis (1. Chron. 4, 5) seine Frauen erwähnt werden und keine von diesen als die Mutter des Thekoa, lässt den Verdacht aufkommen, dass es sich bei Thekoa um einen Adoptivsohn des Aschchur handelt, den eine seiner Frauen, die er nachher "von sich gelassen hat", mit in die Ehe gebracht haben könnte. Aber auch Helea-Hodes-Hulda, die zuvor dem Sacharaim einige von den Kindern der Helea und der Hodes (nicht alle angegebenen Kinder können hierher gehören) geschenkt hatte, wurde von Aschchur getrennt, und zwar durch ihre Exilierung nach Babylon, wo sie um 630 ndFl den ebenfalls deportierten Thekoa-Tikwa heiratete, den Sohn der verstoßenen Naera. Die Prophetin Hulda und ihr Sohn Teuwatti sollen hier jedoch noch nicht eingehend besprochen werden.

Zurata-Scharatum = Zereth-Schacharaim-Aschchur war Statthalter von Akko, dessen Name auch Schikkeron war, was sich von dem im AT vorkommenden Namen Zereth-Schachar für eine Stadt im Stammesgebiet Ruben ableiten dürfte, das weitgehend dem Land Moab entspricht, in dem Schacharaim, nachdem er seine Weiber Husim und Baara(-Naera) "von sich gelassen" hatte, gelebt haben muss. Es sieht so aus, als habe er den Namen der Hafenstadt Schikkeron-Akko, die zweifellos schon nach seinem Namen Zereth-Schachar benannt worden sein dürfte, mit nach Moab genommen. Zu dem Komplex Ruben-Moab siehe auch weiter unten, wo die letzten Amarna-Briefe aus dieser Region besprochen werden.

Suppiluliumas besiegte die Brüder Takuwa und Abu-Teschub und gab ihr Land dem Akia von Arachti. Letztere kann nicht mit Aki-Teschub identisch sein, wie wir sehen werden. Auf jeden Fall floh Takuwa, der König von Nii, zu Akizzi von Katna, bei dem sich die von den Chatti aus ihren Ländern verjagten Könige ein Stelldichein gaben.

Bei der Einnahme von Land und Stadt Nii durch die Chatti hatte vermutlich auch der Ägypterfeind Aziru seine Hände im Spiel. Dies geht aus einem Brief hervor, den die Bewohner von Tunip, der mutmaßlichen Heimat Azirus und des Aki-Teschub, seines eventuellen Schwiegersohnes (siehe obiges Schema!), nach Achet-Aton schrieben (Brief Nr. 59): Man befürchtete, dass Aziru mit ihrer Stadt genauso verfahren würde, nämlich die Bewohner auf seine Seite zu ziehen, wie er es mit dem Land Nii gemacht hatte.

Aus dem Brief geht weiterhin hervor, dass die Zeit des Feldherrn Manachpiria vorbei ist und nun ein König für die Nöte der Ägyptenfreunde in Kanaan zuständig ist, der noch nicht lange im Amt sein kann:

Wer hat Tunip früher ge... ? Hat es nicht ge... Manachpiria ? ... Die Götter und die ... des Königs von Ägypten, unseres Herrn, wohnen in Tunip. Es frage nur unser Herr seine Alten, ob wir unserem Herrn, dem König vom Lande Ägypten, nicht gehören! (Vermutlich bedeutet ge... sinngemäß etwa geschützt oder ähnliches.) Der Brief Nr. 59 geht weiter:

Und jetzt haben wir schon 20 Jahre an den König, unseren Herrn, hingeschickt, und unsere Boten wohnen beim König, unserem Herrn. Und jetzt haben wir unseren Herrn um den Sohn von Aki-Teschub, ja den König, unseren Herrn, haben wir um ihn gebeten, und es möge unser Herr ihn geben. Es hat(te ja schon), o Herr, der König vom Lande Ägypten, den Sohn von Aki-Teschub (wieder zurück)gegeben. Warum holt dann der König, unser Herr, ihn auf dem Wege zurück?

Wenn Tunip seit zwanzig Jahren eine ägyptische Stadt sein sollte, dann müsste es schon 632 ndFl von Manachpiria erobert worden sein, in dem Jahr, in dem Wen-Amun seine Reise nach Gubla unternahm und enttäuscht wurde. Ob es in diesem Jahr schon eine Geiselnahme in Tunip gab, ist bisher nicht ersichtlich. Nachweislich fand die erste Eroberung Tunips erst im Jahre 29 = 638 ndFl statt. Es kam im folgenden Jahr zu einer zweiten Aktion gegen diese Stadt. Die dritte Erwähnung Tunips in den Annalen Manachpirias betrifft dann schon den 17. Feldzug im Jahre 651 ndFl. Es ist demnach aus der wahrscheinlich übertriebenen Angabe "seit zwanzig Jahren" nicht zu folgern, dass der Sohn Aki-Teschubs seit zwanzig Jahren in Ägypten als Staatsgeisel festgehalten wird. Wie alt kann dieser Sohn gewesen sein, als er nach Ägypten kam?

Die Brüder Abitob und Ethnan stammten nicht aus derselben Ehe. Mit Husim, seiner mutmaßlichen ersten Frau, hatte der 592 ndFl geborene Aschchur-Schacharaim = Zurata den Sohn Abitob = Abi- oder Aki-Teschub (* ca. 614 ndFl), und mit Helea-Hodes-Hulda, die er später zur Frau nahm, hatte er den Sohn Ethnan = Zatatna (* ca. 619 ndFl). Somit kann Aki-Teschub frühestens um 635 ndFl einen Sohn bekommen haben, der im Jahre 639 ndFl, dem Jahr der letzten Erwähnung Tunips in den Annalen Manachpirias, als Vierjähriger nach Ägypten gekommen sein könnte. Das ist vorstellbar, wie aus Vergleichen mit anderen derartigen Kindesmitnahmen hervorgeht. Im Jahre 652 ndFl, als er beinahe wieder nach Hause gekommen wäre, war er demnach etwa 17 Jahre alt.

Derjenige König von Ägypten, der den Sohn des Aki-Teschub wieder nach Hause geschickt hatte, war offenkundig nicht derselbe, an den der Brief Nr. 59 gerichtet ist; das geht - wie oben schon gesagt wurde - einmal aus der Frage ... wer hat früher Tunip ..., zum anderen aber aus der Bezugnahme auf den König von Ägypten hervor, der ganz deutlich als eine Person aus der Vergangenheit dargestellt wird: Es hatte ja schon der König vom Lande Ägypten .... Im Gegensatz zu der darauf folgenden Nennung des Königs fehlt hier auch der Zusatz unser Herr, womit immer nur der Adressat angeredet wird. Daraus ist zu schließen, dass nicht nur eine Änderung in der ägyptischen Innenpolitik eingetreten ist, sondern auch ein Umschwung in der ägyptischen Haltung gegenüber Aki-Teschub und seinem Sohn, und zwar zu einem Zeitpunkt, der zwischen zwei Gaukönigen in Achet-Aton lag.

Den hethitischen Texten zufolge musste Suppiluliumas noch ein zweites Mal gegen die Herren von Nii ziehen, diesmal gegen Akia und Aki-Teschub. Daraus ist zu schließen, dass sich Aki-Teschub nach der ersten Begegnung mit den Chatti diesen unterworfen haben muss. Davon hatten die Ägypter erfahren und hinderten den Sohn des Aki-Teschub, den der vorige König in Ägypten gerade freigelassen hatte, am Auslaufen in seine Heimatstadt Tunip.

Der Gaukönig, der ihn wieder nach Hause geschickt hatte, war nach Lage der Dinge wohl eher Schabaka, der "König des Kampfes", als sein Sohn und Nachfolger Schabataka, unter dem die Chatti schon feindlich gegen Ägypten auftraten. Letzterer kann auch nicht derjenige König gewesen sein, der den Sohn wieder zurückholte bzw. an der Heimreise hinderte, nachdem sich Aki-Teschub von Ägypten abgewandt hatte; denn unter Schabatakas Nachfolger Nimmuria war Aziru zunächst noch frei und aktiv, während er zum Zeitpunkt der Abfassung des Briefes Nr. 59 schon in Ägypten festsaß. Der König, der den Sohn des Aki-Teschub "auf dem Wege zurückholte", ist der mit "unser Herr" angeredete Adressat des Briefes Nr. 59: Nimmuria, in dessen Gewahrsam sich Aziru mittlerweile befindet.

Aziru

Offenbar kam es schon bald nach der Rückkehr der Geiseln aus dem babylonischen Exil zu den Rebellionen, in die nach und nach immer mehr Stadtfürsten hineingerieten. Es ist sogar in Betracht zu ziehen, dass es Aziru war, der die Gesandtschaft an Kurigalzu anführte oder veranlasste, um diesem vorzuschlagen, gemeinsam mit den Chatti gegen Ägypten zu kämpfen. Aziru, der Sohn des Abdi-Aschirta, war in Tunip ägyptischer Statthalterkönig von Amurru gewesen und von Ägypten abgefallen.

Sein von Ägypten eingesetzter Nachfolger war Abi-, Abu- bzw. Aki-Teschub. Mit diesem hatte der offenbar ägyptentreue Bruder Takuwa von Nii zunächst ein Bündnis geschlossen, dann aber empörten sich die von Aziru aufgehetzten Bewohner von Nii gegen die Brüder, Suppiluliumas besiegte sie, und während der eine sich nach Süden absetzte, wurde der andere, der sich den Hethitern unterworfen haben muss, vermutlich dem Akia, dem Vasallenkönig der Chatti von Nii, unterstellt. Tunip hatte also zu dem Zeitpunkt, als die Bewohner dieser Stadt nach Ägypten schrieben, keinen Oberherrn. Sie mussten daher ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen.

Die Briefe des Aziru, in denen er noch als ägyptentreuer Statthalter von Tunip über die Gefahr aus Chatti berichtet, können eigentlich nur die Zeit betreffen, in der die Chatti nach dem Aleppo-Vorfall und noch vor dem erneuerten Friedenspakt mit den Ägyptern im Konflikt standen. Zu dieser Zeit saß der König mit dem schönen Antlitz in Achet-Aton, wie aus den Aziru-Briefen hervorgeht. Da Napchuria-Taharka in seiner Amtszeit A mit Burnaburiasch korrespondierte, so dürfte der König mit dem schönen Antlitz unter Acheperure höchstens bis zum Jahre 648/649 ndFl in Achet-Aton gesessen haben.

Wo aber hielt sich Aziru in dieser turbulenten Zeit auf? Fragen wir die Leute von Tunip (EA-Brief Nr. 59):

Denn jetzt wird Aziru von deinem Diener und von deinem Gärtner (?) hören, dass im Lande Chatat (Eig.Anm.: das ist das Land der Chatti) ... sie betroffen hat. Und nachdem seine (Eig.Anm.: des Aki-Teschub) Leute und seine Wagen zurückgeblieben sind (Eig.Anm.: im Lande Nii offensichtlich, wohin er zunächst als Ägyptentreuer gegangen war), wird uns Aziru ebenso wie der Stadt Nii tun (Eig.Anm.: er wird die unbewaffnete Stadt an die Chatti ausliefern).

Wenn wir uns zurückhalten, und der König von Ägypten sich zurückhält in bezug auf solche Dinge, welche Aziru an uns verüben wird, dann wird er die Hand auf unseren Herrn loslassen.

Nur ein ägyptisches Heer ist nach Ansicht der Leute von Tunip noch in der Lage, die Situation für die Freunde Ägyptens zum besseren zu wenden. Man befürchtet, wenn Aziru erst einmal in Sumur eingezogen sei, dann werde er auch denen von Tunip antun, "was seines Herzens Wunsch ist". Aziru hatte die wichtige Stadt Sumur schon erobert, bevor er nach Ägypten verschleppt wurde, wie aus folgendem Brief hervorgeht:

140: "Ilirabich und (seine Stadt) Gubla zu dem König, dem Herrn, meiner Sonne..." Aus dem Inhalt geht hervor, dass Aziru den König Aduna von Irkata und die (nicht mit ihren Namen genannten) Könige von Ammia und Ardata sowie den "Großen" (gemeint ist der ägyptische Oberstatthalter, der Pachamnata) getötet und ihre Städte genommen hat. Aziru gehören nun Sumura (die Residenz des "Großen") und die anderen Städte des ägyptischen Königs, außer Gubla, von wo bisher aber immer Rib-Addi (an die 60) Briefe geschrieben hat. Erwähnt wird noch die Stadt Ullaschza, der diesbezügliche Text ist jedoch zerstört. Dann heißt es wörtlich:

... als Aziru hineingeführt wurde zu dir, hat er gefrevelt gegen uns; gesandt hat er seine Leute, um zu unterstützen Itakama (Aitugama) und er hat geschlagen alle Länder Amki, Länder des Königs, und jetzt hat er gesandt seine Leute, um zu erobern die Länder Amki und die Ortschaften; ferner: nicht mögen tun der König von Chatta (= Chatti) und der König von Narima (= Naharina) und ...

Aziru ist in Ägypten interniert, was ihn nicht daran hindert, von dort aus seine Anhänger zu kontrollieren und zu dirigieren. Aus anderen Amarnabriefen gewinnt man den Eindruck, dass Aziru von den Thronstreitigkeiten in Ägypten profitiert, indem er sich auf die richtige Seite stellt.

Da Aziru noch bis in die Zeit kurz vor dem Amka-Überfall der Chatti, den er gewissermaßen schon "von innen" vorbereitet zu haben scheint, ein von Ägypten gestützter "Mann von Amurri" gewesen ist, so kann die Verleumdungskampagne der hiesigen Stadtfürsten entweder nur auf taube Ohren in Ägypten gestoßen oder von den Regenten inszeniert worden sein. Das letztere ist unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher ist die Hypothese, Aziru, der offensichtlich von seinem eigenen Sohn an Ägypten verraten wurde, habe dort gute Freunde gehabt, die mit seiner Hilfe in Ägypten an die Macht kommen wollten!

Der Überfall auf das ägyptische Gebiet scheint bereits erfolgt zu sein, wenn auch die endgültige Eroberung des Landes Amka noch aussteht. Ili-rabich ist der Vertreter und möglicherweise der Sohn des Rib-Addi (von der Tochter des Amanappa?). Rib-Addi ist deshalb nicht in Gubla, weil er mit einem Heer unbestimmter Herkunft auf dem Wege ist, seine Macht wieder zu holen an dem Wasser Euphrat. (2.Sam. 8,3). Darauf komme ich weiter unten wieder zurück.

Den Einzug Azirus in Sumur, einer Stadt, die er offenbar schon vor seiner Internierung erobert hat, kann man sich daher nur so vorstellen, dass Aziru zwar jetzt noch in Ägypten ist, dass man dort aber mit dem Gedanken spielt, ihn wieder auf freien Fuß zu setzen. Welche Intrigen hiermit verbunden sein können, habe ich oben schon angedeutet. Jedenfalls würde er nach seiner Freilassung umgehend in Sumur einziehen, um von dort zu regieren. Die Leute von Tunip wie von Gubla haben daher Angst vor der Rückkehr Azirus, die sie unter allen Umständen verhindern wollen, um nicht den Feinden Ägyptens, den Chatti wie den Rebellen im Lande, ausgeliefert zu werden.

Aziru war, wie aus den einschlägigen Amarnabriefen hervorgeht, während des Amka-Überfalls, der jetzt im Jahre 652 ndFl bevorsteht, in Ägypten. Bezeichnend für die Antwort auf die Frage, wo sich Aziru zur Zeit der Abfassung des Briefs Nr. 59 aufhalte, ist die Formulierung hierin, dass Aziru über die Vorgänge in Palästina-Syrien-Kanaan durch deinen Diener und deinen Gärtner(?) auf dem laufenden gehalten wird. Ein Sohn Azirus hatte noch vor dem Amka-Überfall seinen eigenen Vater nach Ägypten verkauft. Wenn dieser nun immer noch in Ägypten ist, dann dürfte auch der Brief Nr. 59 vor dem Amka-Überfall geschrieben worden sein, und zwar, wie aus den Briefen des Akizzi von Katna hervorgeht, an Nimmuria.

Letzter Stand: 6. Juli 2013

1 J.H. Breasted, Geschichte Ägyptens, Seite 192
2 Winckler, Vorl.Nachr. Seiten 34 und 35
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