Achtes Buch: 656 bis 676 ndFl

1. Kapitel:

Die Medo-Perser
Teil IV: Vorderasien von 656 bis 676 ndFl (1. Teil)

Der hethitische Königsmord

Kurigalzu-Tudhaliyas kehrte 653 ndFl nach Hattusas zurück, nachdem er von Ellil-(Adad-)narari bei Karkemisch besiegt worden war. Wenn wir die hethitischen Quellen zu Rate ziehen, dann wurde er kurz darauf ermordet. Es erging ihm so wie dem Babylon-Eroberer Mursilis (I), mit dem er bekanntlich identisch ist. Das Jahr 656 ndFl war ereignisreich und brachte weittragende Veränderungen im Vorderen Orient mit sich:

1. Wahrscheinlich auf Betreiben des Tudhaliyas = Mursilis = Marduk-nadin-ach wird der derzeit höchstrangige Herrscher in Vorderasien, Adad-narari, ermordet.

2. Tudhaliyas setzt seinen ältesten Sohn mit Semiramis, Assur-Uballit, einen Halbbruder sowohl des Adad-narari (Sohn von Semiramis und Samsi-Adad) als auch Tiglath-Pilesers (Sohn von Semiramis und Chus), auf den assyrischen Thron; ihm unterwerfen sich auch die ehemaligen Chatti-Generäle Lupakki und Tarchunta-Zalma, also die Assyrer Tiglath-Pileser und Salmanassar. Die Mitanni-Meder unter Tuschratta, dem vormaligen Vasallen des Adad-narari, werden von Hattusas abhängig.

3. Mursilis-Kurigalzu-Tudhaliyas wird ermordet, und sein ältester Sohn, der Assyrerkönig Assur-Uballit, ist nun der Chef des Chattihauses. Es folgen Unruhen sowohl in Hattusas als auch in Babylon.

Die Mörder des Babylon-Eroberers Mursilis I sind namentlich bekannt: Hantilis, ein Schwager im Hause Mursilis', und Zidantas. Wir müssten demnach diese Herren auch in der konventionellen Zeit des Tudhaliyas wiederfinden.

In Karduniasch, das mit Bithynien und dem daskylischen Gau im Nordwesten Anatoliens identisch ist und als "Meerland" im engeren Sinne aufgefasst werden kann, da es an drei Meeren liegt, residiert zu dieser Zeit Kadaschman-Charbe, der Sohn des von mir mit dem Vorgänger Kandaules des Gyges auf dem Thron von Lydien identifizierten Karaïndasch. Kadaschman-Charbe hingegen ist mit Daskylos, dem Vater des Gyges bei Herodot, identisch.

Zu Kadaschman-Charbe liegt uns eine babylonische Chronik1 vor, die stark beschädigt ist. Es handelt sich um die so genannte Babylonische Chronik P, die ich in einem früheren Kapitel bereits herangezogen habe. Hier sei nun nochmals der ganze Wortlaut der entscheidenden Stelle (Ziffer 5ff.) wiedergegeben, und zwar an Ort und Stelle mit meinem Kommentar:

Kadaschman-Charbe, Sohn des Karaïndasch, des Sohnes der Muballitsat-Scherua, der Tochter des Assyrer-Königs Assur-Uballit, vollbrachte die Niederwerfung der räuberischen Sutu vom Aufgang der Sonne bis zum Niedergang, bis zur Vernichtung ihrer Macht ... ...

Über "die Niederwerfung der räuberischen Sutu" und die Abstammung des Kadaschman-Charbe und des Karaïndasch braucht hier nicht mehr abgehandelt zu werden. Das ist in dem früheren Kapitel in aller Ausführlichkeit schon getan worden. An der verdorbenen Stelle am Ende des obigen Textes könnte die Angabe gestanden haben, dass Karaïndasch auf den Thron von Karduniasch gesetzt wurde. Kadaschman-Charbe kam nach seinem Sieg über die Sutu nicht sogleich auf den Thron von Karduniasch, wo zunächst sein Vater eingesetzt wurde, der aber schon nach einigen Jahren von Burnaburiasch abgelöst worden sein muss.

Herodot nennt Burnaburiasch-Arnuwandas Pharnaspes. Dessen Dynastie in Karduniasch wurde nur von Kadaschman-Charbe = Daskylos unterbrochen. Die Nachkommenschaft des Pharnaspes wird sich jedoch noch lange auf dem Thron des Meerlandes Bithynien-Karduniasch, das von den Griechen auch als "der daskylische Gau" bezeichnet wurde, halten. Burnaburiasch- Arnuwandas ist jener Pharnaspes, dessen Tochter Kassandane mit dem "richtigen" Kyros (dem Älteren) verheiratet und die Mutter dessen Sohnes Kambyses war. Pharnaspes war der Vater von Artaphernes dem Älteren, demjenigen, der bei Herodot auch Pharnakes und Intaphernes (Stiefbruder des Darius) heißt. Sein Sohn Artabazos oder Artaphernes der Jüngere trägt bei Xenophon den Namen Pharnabazos. Alle drei Generationen waren Satrapen von Bithynien, das in späterer Zeit Phrygien einschloss.

Der Sutu-Besieger Kadaschman-Charbe diente zunächst als Heerführer unter Kurigalzu-Mursilis-Tudhaliyas. Nach dem Tode des Burnaburiasch kam er endlich auf den Thron in seinem "daskylischen Gau" Karduniasch, während sein Vater in Lydien residierte, wohin er seit seiner Ablösung durch Burnaburiasch versetzt worden war. Dies alles geht nicht aus der Chronik P hervor, wohl aber das folgende wieder:

... Später empörten sich die Kassiten wider ihn, töteten ihn und erhoben den Schuzigasch, einen Kassiten unbekannter Herkunft, zum König über sie.

Es wird nicht gesagt, dass - wie konventionell unterstellt wird - Kadaschman-Charbe mit "ihn" gemeint ist. Es kann dort ebensogut auf Karaïndasch Bezug genommen werden, was nach dem Vorangegangen durchaus logisch erscheint. Der Nachfolger Schuzigasch des Karaïndasch, den die Kassiten auf den Thron setzten, war keineswegs von unbekannter Herkunft, wie es in der Chronik P heißt; ich sehe in dieser Unkenntnis des Chronisten einen triftigen Grund, dessen Glaubwürdigkeit anzuzweifeln.

Schuzigasch, der Kassite unbekannter Herkunft, der von unzufriedenen Kassiten zum Nachfolger eines nicht eindeutig zu identifizierenden Herrschers von Karduniasch gemacht wurde, ist auch der Hethiter Huzziyas, der in Hattusas für kurze Zeit im Anschluss an einen gewissen Hantilis auf dem Thron gesehen wird, der einer der Mörder des Mursilis (I = Tudhaliyas) war. Schuzigasch ist außerdem der Gyges des Herodot2, der Mörder und Nachfolger des Kandaules auf dem Thron von Lydien in Sardes. Herodot ahnt hier auch etwas von der "Unzufriedenheit" der Lyder, die sich jedoch gegen Gyges selbst gerichtet haben soll, und nicht gegen den Vorgänger des Schuzigasch-Gyges.

Das könnte ein erster Hinweis darauf sein, dass die Kassiten nicht mit Kadaschman-Charbe, sondern mit Karaïndasch, den ich mit Kandaules und Hantilis identifiziert habe, und dann mit Schuzigasch-Gyges unzufrieden waren. Herodot sagt dazu, die Lyder hätten erst das Orakel zu Delphi befragen müssen, bevor sie Gyges als König anerkannten.

Während Herodot seinen Gyges einwandfrei als "den Sohn des Daskylos" identifiziert, also des Kadaschman-Charbe, kann die babylonische Chronik P, die sich mit letzterem eingehend befasst, keine Herkunft für den Kassiten Schuzigasch angeben. Auf (Sc)Huzziyas komme ich weiter unten zurück. Hier sei zunächst die Chronik weiterverfolgt:

Assur-Uballit, (der König) von Assyrien, zog, um Kadaschman-Charbe, den Sohn seiner Tochter, zu rächen, nach Karduniasch, (tötete) den Kassiten Schuzigasch (und setzte Kurigalzu, den Sohn des Ka-)daschman-Charbe, auf den Thron (seines Vaters).

Der Leser hat schon erkannt, dass hier einige Widersprüche und Unmöglichkeiten angehäuft sind, die zum Teil einer alten Chronik, die sich nicht immer durch Genauigkeit in allen Punkten auszeichnet, nachgesehen werden müssen, die zum Teil aber auch durch moderne Fehlinterpretationen zustande gekommen sind.

Wenn es heißt, Assur-Uballit, (der König) von Assyrien, sei, um Kadaschman-Charbe, den Sohn seiner Tochter, zu rächen, nach Karduniasch gezogen, dann überrascht uns das doch sehr; denn der angebliche Enkel Kadaschman-Charbe, der um 612 ndFl geboren wurde, war nicht viel jünger als der um 610 ndFl geborene "Großvater" Assur-Uballit. Hier muss demnach schon ein Fehler in der antiken Chronik vorliegen. Da kann auch nicht argumentiert werden, statt Assur-(M)uballit sei Sin-Muballit zu lesen; denn dieser war der Urgroßvater des Kadaschman-Charbe und konnte zu dieser Zeit niemanden mehr rächen, da er längst tot war.

Und dass Karaïndasch keinesfalls der Sohn der Tochter des Assur-Uballit gewesen sein kann, und Kadaschman-Charbe folglich deren Enkel und somit der Urenkel Assur-Uballits gewesen wäre, braucht hier ebenfalls nicht mehr diskutiert zu werden, zumal die Verhältnisse ohnehin völlig anders liegen, als sie konventionell interpretiert werden. Zur besseren Übersicht füge ich hier eine Abstammungs-Tabelle des Gyges ein, die die Verwandtschaftsverhältnisse der in Rede stehenden Personen aufzeigt:

Die Abstammung des Gyges
Tirigan-Orion mit HEKATE oo Sem-Juda-Manischtuschu
|                 DUNIA (Schutzherrin von Karduniasch)
|                           |
Serug-Sichru-Seiriphos      Arphachsad-Perseus oo
|            von Uruk       Muballitsat, Tochter
|                           der Gorgo-Me(tia)dusa,
|                           der Tochter des Oi-Mubal
|                           |
Nahor                       Salach = Sin-Muballit
| * 533 ndFl                | * 535 ndFl
|                 +---------+-----------+
Sohn des Nahor oo Muballitsat-Scherua   Eber =
| * 565 ndFl      * 575 ndFl  = Sara(h) Abraham von Ur
|                                       * 565 ndFl
|
Kara-Indasch   oo   Haraspilis, Tochter des
= Hantilis          Mursilis-Tudhaliyas
= Kandaules         * 639 ndFl
* 590 ndFl
|
Kadaschman-Charbe   (nicht der Sohn der Haraspilis,
= Daskylos          die erst sehr spät von Kandaules
| * 612 ndFl        geheiratet wurde)
|
Schuzzigasch
= Huzziyas
= Gyges
* 634 ndFl

Assur-Uballit konnte bestenfalls einen Schwiegersohn oder Schwager Kadaschman-Charbe rächen. Diese Verwandtschaftsfragen sind schon an anderer Stelle abgehandelt worden. Was uns jetzt interessiert, ist die Aktion des Assur-Uballit.

Schlimmer noch als die Fehler in der alten Chronik sind die Interpretationsfehler, die von modernen Historikern hineingebracht worden sind; denn die Angaben (in Klammern) ergänzen zerstörte Stellen nach der Ansicht des jeweiligen Interpreten. Um es genau zu sagen: In der Chronik fehlen ausgerechnet die wichtigsten Passagen, die uns die Antworten auf die folgenden Fragen geben könnten:

1. Was machte Assur-Uballit mit Schuzigasch?

2. Wen setzte er auf den Thron und

3. an wessen Statt?

4. In welchem Verhältnis stand (2.) zu Kadaschman-Charbe?

5. Muss dieses Verhältnis ein verwandtschafliches gewesen sein?

Alle Antworten auf diese Fragen stehen im Originaltext in Klammern, das heißt, sie sind völlig offen, da unleserlich und freimütig ergänzt. Die Chronik P kann infolgedessen anders interpretiert werden: Assur-Uballit half den Kassiten, den Schuzigasch auf den Thron zu setzen. Die unleserliche Textstelle, in die hineininterpretiert worden ist, Schuzigasch sei von Assur-Uballit getötet worden, sieht dies keineswegs vor:

(tötete) den Kassiten Schuzigasch (und setzte Kurigalzu, den Sohn des Ka-)daschman-Charbe, auf den Thron (seines Vaters).

Lässt man die in Klammern stehenden unleserlichen Stellen fort, dann lautet der Text:

(...) den Kassiten Schuzigasch (...)daschman-Charbe auf den Thron (...).

Mit welchem Recht wurde in die erste Klammer tötete eingesetzt? Doch wohl nur, weil man erstens die Ermordung des Kadaschman-Charbe in die vorige Leerstelle hineininterpretiert hatte und zweitens den Zorn des Assur-Uballit auf den vermeintlichen Gewinner am Mord an Kadaschman-Charbe bezog, auf "den Kassiten Schuzigasch von unbekannter Herkunft".

Mit welchem Recht wurden in die zweite Klammer die Worte und setzte Kurigalzu, den Sohn des Ka- eingefügt? Hier triumphiert die Voreingenommenheit moderner Althistoriker, die Kadaschman-Charbe zum Vater des Kurigalzu machen mussten, um das "Zeitalter der Wirrnisse" aufrechtzuerhalten. Da in konventioneller Sicht Burnaburiasch, der Sohn des Kurigalzu, mit Napchuria, dem vermeintlichen Nachfolger und Sohn des Nimmuria, korrespondiert, und da folglich Burnaburiasch erst nach dem Korrespondenten mit Nimmuria, nämlich nach Kadaschman-Charbe, auf den Thron gekommen sein kann, so muss sein Vater Kurigalzu konsequenterweise noch zwischen den beiden Amarnakorrespondenten regiert haben, also im Anschluss an Kadaschman-Charbe. So blieb den konventionellen Interpreten gar nichts anderes übrig, als den verdorbenen Text in dieser Richtung zu ergänzen.

Von Daskylos weiß Herodot weiter nichts zu berichten, als dass er der Vater des Gyges war. Schuzigasch-Huzziyas-Gyges wäre somit der Enkel des von ihm ermordeten Karaïndasch-Hantilis-Kandaules gewesen. Unter Hinzuziehung der hethitischen und der Angaben Herodots bietet sich für die Lesung der Chronik P folgende Version an:

(setzte) den Kassiten Schuzigasch(, den Sohn des Ka)daschman-Charbe, auf den Thron (seines Großvaters).

Das bedeutet, dass Assur-Uballit bei der Inthronisation des Gyges-Schuzigasch mitwirkte, was bei Herodot keineswegs deutlich wird. Bei ihm ist es die Frau des Kandaules, die dessen Enkel und daher wesentlich jüngeren und somit auch attraktiveren Gyges dazu anstiftet, ihren Gatten und Mörder ihres Vaters zu ermorden, um gemeinsam mit ihr über Lydien zu herrschen.

Herodot spricht von Lydien, nicht von Karduniasch noch von Chatti. Er berichtet über Phrygien, Bithynien und Zentralanatolien fast ausschließlich in Verbindung mit Lydien. Er nennt die Phryger bei ihrem richtigen Volksnamen, spricht aber auch von Skythen. Bezeichnend ist zudem, dass er den Trojanischen Krieg zwar anspricht als ein durchaus reales Geschehen, an keiner Stelle aber ausführlich auf Einzelereignisse dieses Krieges eingeht. Dafür, dass er aus Kleinasien (aus dem karischen Halikarnassos) stammte, war er sehr dürftig über die Geschichte dieser Gegend unterrichtet, und auch seine persischen Gewährsmänner gaben ihm offensichtlich nicht immer die richtigen Auskünfte.

Den Ausführungen Herodots ist zu entnehmen, dass Hantilis - er nennt ihn Kandaules - König von Lydien in Sardes war. Möglicherweise hat dieser aber überhaupt nicht dort gesessen, da man damit rechnen muss, dass Herodot Begebenheiten, die sich in Hattusas zugetragen haben, nach Sardes bzw. Lydien übertragen hat. Es ist anders gar nicht zu erklären, dass Huzziyas in Hattusas erwähnt wird. Nach allem, was wir von Herodots "Lydien" zu halten haben, können wir diesen Vorgang auch in Hattusas sehen.

Herodot berichtet, dass Kandaules mit einer schönen Frau verheiratet war, deren Name an anderer Stelle mit Rhodope angegeben wird. Da nun Hantilis der Schwager des Zidantas war, müsste Rhodope dessen Schwester gewesen sein und mithin die Tochter des Tudhaliyas. In hethitischen Quellen wird die Frau des Hantilis Harapscheki (Ha-Rhodop-scheki?) genannt, an anderer Stelle auch Harapschili bzw. Haraspilis, diesmal als Gemahlin des Alluwamnas, der aber auch konventionell in die Zeit des Hantilis gehört (siehe die Aufstellung weiter unten). Aus ihren verschiedenen Namen lässt sich der Name Rhodope herauslesen.

Wir müssen auch die Lydien betreffenden Angaben Herodots - wie so oft - mit größter Vorsicht betrachten und gezielte, subtile Korrekturen vornehmen. Wir können aber deutlich den Zusammenhang mit der hethitischen Geschichte - was in konventioneller Sicht gar nicht denkbar wäre - am Zweitnamen Hantilis des Kandaules, der Herodot zufolge von den Griechen Myrsilos genannt worden sein soll, erkennen. Der Vater des Kandaules soll - ebenfalls Herodot (I, 7ff.) zufolge - Myrsos geheißen haben. Diesen Namen gibt Herodot auch einem Sohn des Gyges.

Nach akkadisch-assyrischer Überlieferung war Gyges, der hier Gugu genannt wird, ein Zeitgenosse des Assurbanipal. Mit den Assyrern hatte er sich gegen die Kimmerier zusammengeschlossen, und danach nahm er mit den Ägyptern, den damaligen Feinden Assyriens, Kontakt auf. Konventionell3 wird dabei an Psammetich (Ptah-Maat-Re) gedacht, was aber ebensogut Nimmuria (Neb-Maat-Re) betreffen könnte.

Die Kimmerer fielen - von Norden kommend - in Urartu ein. Wenn Herodot4 davon spricht, dass der Zug der Kimmer(i)er, der einst bis Ionien vordrang, noch vor den Zeiten des Kroisos die Städte nicht unterjocht, sondern nur im Vorüberziehen ausgeplündert habe, dann meint er damit die Zeit des Alyattes, in der die Kimmerer unter dem Druck der Skythen aus ihren bisherigen Wohngebieten zwischen Donau und Don (Krim) auswandern mussten. In akkadischen Keilschrifturkunden5 werden sie Gimirrai genannt. Ansonsten stimmt das politische Umfeld, das aus dieser Überlieferung hervorgeht, mit dem in der Neuen Sicht überein.

Herodot versäumt nicht, darauf hinzuweisen, dass die Lyder mit der Thronbesteigung des Gyges zunächst nicht einverstanden gewesen seien. Erst nach der Bestätigung seiner Königswürde durch das Orakel zu Delphi seien die Lyder bereit gewesen, ihn als König von Lydien anzuerkennen. Allerdings - so habe der Orakelspruch weiter gelautet - würden die Herakliden in der fünften Generation nach Gyges Rache nehmen und auf den lydischen Thron zurückkehren.

Was bedeuten die von Herodot gemachten Angaben für die babylonische Chronik P? Die Ermordung des Kandaules durch die Gruppe um Gyges kann die Verschwörung der "unzufriedenen Kassiten" gegen "ihn" gewesen sein, wenn mit "ihn" nicht Kadaschman-Charbe, sondern Karaïndasch gemeint sein soll. Dieser Vorgang gehört jedoch nicht nach Lydien, sondern nach Hattusas. Wenn die "unzufriedenen Kassiten" dann Huzziyas-Schuzigasch-Gyges, den Sohn des Kadaschman-Daskylos, als Nachfolger des Hantilis-Karaïndasch-Kandaules auf den Thron setzten, dann ist die Formulierung von unbekannter Herkunft auf eine Wissenslücke des Chronisten zurückzuführen. Diese "unbekannte Herkunft" trifft eher auf den Großvater Karaindasch-Kandaules-Hantilis zu, dessen Herkunft nach Uruk weist und daher für die Chronisten damals tatsächlich schwieriger zu erklären war.

Wenn auch eine Zuordnung dieser Vorgänge zu einer bestimmten Stadt schwierig scheint und nicht frei von gewissen Restzweifeln bleibt, so kann doch an der Identität der beteiligten Personen in den drei Beschreibungen kein Zweifel bestehen:

Herodot: Gyges und Kandaules in Sardes/Lydien
sind in der
Babylonischen
Chronik P
:
Schuzigasch und Karaïndasch in Karduniasch
und in den
Hethit.Texten: Huzziyas und Hantilis in Hattusas.

Aufgrund der offensichtlichen Fehler in der babylonischen Chronik P und der bekannten Anfälligkeit Herodots für Irrtümer aller Art möchte ich den hethitischen Texten (und nicht so sehr den modernen Interpretationen dieser Texte) den Vorrang geben, was historische Glaubwürdigkeit angeht.

Danach müssten sich die Thronstreitigkeiten nach dem Tode des Mursilis-Tudhaliyas in Hattusas und nicht in Lydien noch in Karduniasch abgespielt haben - es sei denn, Karduniasch und Lydien sind, da sie offensichtlich Landesteile von Chatti waren, pars pro toto aufzufassen; das heißt, dass die Namen Karduniasch und Lydien soviel wie "Land der Chatti" bedeuten. Diese Gepflogenheit scheint sich in dem Maße durchgesetzt zu haben, wie sich auch der hethitische Einfluss in den westlichen Gebieten von Isin-Kleinasien verstärkte. Für diese Ansicht spricht, dass Kroisos, ein Mann von hethitischer Abkunft, ein Sohn des Tudh-Alyattes nämlich, bereits als Lyderkönig galt und heute noch gilt.

Der andere neben Hantilis namentlich erwähnte Mörder des Mursilis I, Zidantas, war in Hattusas unter dem Namen Zida als Gal-Mesedi (= Haushofmeister, möglicherweise aber auch Statthalterkönig während der Abwesenheit seines Vaters) nach der Rückkehr des ehemaligen Großkönigs Mursilis I = Kurigalzu-Tudhaliyas aus Babylon in dessen unmittelbarer Nähe im Amt. Nach dem Mord an seinem Vater versuchte er, in Babylon Fuß zu fassen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Belusati-Belesys-Zidantas nach der Ermordung des Mursilis-Tudhaliyas seinen Schwager und Mordbruder Hantilis in Hattusas zurückließ, während er selbst nach Babylon ging, um dort die Chatti-Herrschaft wieder aufzurichten. Das Jahr 656 ndFl, in dem dies alles geschah, ist schließlich auch das Todesjahr des Adad-narari, den die Chatti beseitigt haben könnten aus Rache für die ihnen zugefügte Niederlage bei Karkemisch drei Jahre zuvor.

Unter seinem Namen Marduk-bel-usati setzte Asitawandas-Zidantas seinen Schwager (nicht Bruder noch Halbbruder, wie es heißt) Marduk-zakir-schum vom babylonischen Thron ab. Letzterer war der Sohn von Samsi-Adad und Semiramis und war vermutlich schon von Adad-narari nach der Vertreibung des Tudhaliyas-Mursilis(= Marduk)-nadin-ach hier eingesetzt worden. Da Zakir-schum ein Vollbruder des Adadnarari war, liegt es nahe, ihn in der gegen die Chatti gerichteten Front zu sehen. So könnte man sagen, dass die Söhne des Samsi-Adad im Jahre 656 ndFl zunächst gegen die Söhne des Tudhaliyas unterlagen.

Salmanassar vertrieb Marduk-belusati - offenbar im Auftrag des Assur-Uballit - und setzte möglicherweise dessen Vorgänger Marduk-zakir-schum wieder in Babylon ein (Babylon-Intervention im 8. Jahr Salmanassars). Auf einem in Babylon gefundenen Relief ist die Einsetzung des Marduk-zakir-schum durch Salmanassar bildlich dargestellt. Salmanassar wurde zum Schutzherrn Babyloniens ernannt. Es fällt nicht schwer, einen Zusammenhang zwischen der Ermordung des Tudhaliyas-Mursilis in Hattusas und dem anschließenden Auftreten des Vatermörders Marduk-belusati = Zidantas in Babylon herzustellen.

Zida(nta)s hat in anderen hethitischen Quellen den Namen Asitawandas; er ist der Herr des Schlosses auf dem Karatepe (= Schwarzer Berg) über dem Tal des Flusses Çeyhan in Südostanatolien, das von dem Heer unter Kyros dem Jüngeren zerstört und im 20. Jahrhundert wieder ausgegraben wurde. Über die Zerstörung berichtet Xenophon, der dabei zugegen war, der allerdings dieses "Schloss des Belesys (= Marduk- belusati)" aus der Erinnerung etwas zu weit nach Osten verlegte. Dieser Belusati ist nicht mit Marduk-balatsuikbi = Melischipak, Beltsazar-Daniel zu verwechseln, der zu dieser Zeit nicht mehr in Babylon gewesen sein kann.

       BELESYS
MARDUK-BELUSATI
          ASITA-WANDAS
           ZIDA     (S)
           ZIDA - NTAS
           ZITA - N-A

Zidas-Zidantas-Belesys = Itti-Marduk-balatsu = Armadatta war der Vater des Sin-Uas (hethitisch auch Warpalawas = Sin-Urballa-Uas), der bei den griechischen Historiographen Syennesis heißt. Belesys (* ca. 634 ndFl) und sein Sohn Syennesis (* ca. 654 ndFl) spielten beim Zustandekommen eines Halys-Friedens eine Vermittlerrolle, wie Herodot berichtet. Darauf komme ich weiter unten zurück. Syennesis lebte noch zu der Zeit, als Xenophon mit Kyros dem Jüngeren gegen Babylon zog. Auf diesem Zug (724 ndFl) wurde auch das "Schloss des Belesys" zerstört, der zu dieser Zeit ebenfalls noch gelebt haben kann (er wurde sehr alt, wie Hattusilis II/III schreibt: "... dem die Götter ein Altern über die Grenzen hinaus gestattet hatten."). Ich halte ihn auch für Attalos.

Die Ermordung des Karaïndasch allein könnte kaum Anlass für Assur-Uballit gewesen sein, in Karduniasch wieder für Recht und Ordnung zu sorgen. Im Vordergrund seines Interesses stand der Mord an seinem Vater Tudhaliyas-Kurigalzu-Mursilis, in den Karaïndasch-Kandaules-Hantilis, der "ein Schwager war am Hofe des Mursilis", verwickelt war, und rächen wollte er sich an den Mördern seines Vaters, an seinem Bruder Zidantas und an seinem Schwager Hantilis, für dessen Ermordung also auch ebensogut Assur-Uballit selbst in Frage kommt, der dann anschließend (Sc)Huzziyas-Gyges auf den Thron setzt, den Sohn des Kadaschman-Charbe, wie es die Babylonische Chronik darstellt. Während dieser Zeit residierte Ka-Daskylos-Charbe in Bithynien, und zwar in einer nicht näher zu bezeichnenden Stadt, vermutlich in Daskyleion.

Assur-Uballit, der älteste Sohn des Tudhaliyas (= Assur-nadin-ach), wurde der Nachfolger Adad-nararis in Assur. Offenbar strebte er aber den Thron des Großkönigs an, den ihm die in Hattusas und Ekbatana sitzenden Rivalen jedoch nicht überlassen wollten. So tat er sich mit seinem Halbbruder Arioch-Nimrod = Tiglath-Pileser und dessen ältestem und feldzugserfahrenem Sohn Salmanassar zusammen, und sie vertrieben Belusati-Zidantas aus Babylon.

Es müsste ein schier unglaublicher Zufall gewesen sein, wenn nach konventioneller Ansicht drei der Namen, die im Zusammenhang mit dem Mord an Mursilis-Tudhaliyas genannt werden, noch ein zweites Mal auftauchen sollen, und das sogar in derselben Reihenfolge, nur unterschieden durch die Apposition "II".

Getrennt von jenen mit dem Zusatz "I" sind sie durch einen gewissen Telipinus, der in der berichtigten Geschichte ein sehr junger Zeitgenosse dieses Trios ist: Darius I. Ansonsten sind diese "sechs" Herren von kaum zu übertreffender Bedeutungslosigkeit in der hethitischen bzw. kassitischen Geschichte:

Der Hantilis-Zidantas-Huzziyas-Wirrwarr
Mursilis I  1620-1590 v.Chr.   (Langchronologie)
bzw.        1590-1560 "        (mittlere Chronologie)
bzw.        1560-1530 "        (Kurzchronologie)

                            |Alluwamnas   1500-1490 v.Chr.
                            |(= ?)
Hantilis I  1590-1560 v.Chr.|Hantilis II  1490-1480 v.Chr.
                            |
Zidantas I  1560-1550 v.Chr.|Zidantas II  1480-1470 v.Chr.
                            |
Ammunas     1550-1530 v.Chr.|
                            |
Huzziyas I  1530-1525 v.Chr.|Huzziyas II  1470-1460 v.Chr.
                            |
Telipinus   1525-1500 v.Chr.|Tudhaliyas (II) 1460-1440 ",
            bzw. nach 1500 "|mit dem sich der Kreis wieder
                            |schließt.

Diese Liste ist ein weiteres Eingeständnis der Hilflosigkeit der konventionellen Chronologie.

Es liegt nun nahe, in dem in obiger Aufstellung erwähnten Alluwamnas, der mit derselben Frau verheiratet gewesen sein soll, die auch als Gemahlin des Hantilis erscheint6, ebenfalls Hantilis mit seinem original-hethitischen Namen zu sehen. Dies ist nicht abwegig, da die auf -les und -lis endenden Namen nicht hethitisch sind. Kurt Bittel nennt die Gemahlin des Huzziyas Schummiri, bei der es sich aber kaum um Semiramis handeln dürfte (Schamuramat). Die Angabe Bittels, die Gemahlin des Hattusilis I habe Kadduschi geheißen, sollte wegen der Namensähnlichkeit nicht zu dem Schluss verleiten, sie sei die Mutter Kadaschman-Charbes gewesen, dessen Vater Karaïndasch nicht mit Hattusilis I verwechselt werden kann.

Ammunas ist bekanntlich mit Amun-Nesch = Hachama-nisch = Achaimenes = Perseus identisch. Mit den Namen Arnuwandas und Suppiluliumas wird übrigens ebenso verfahren wie mit dem Namen des Tudhaliyas: Sie tauchen mehrmals in derselben Reihenfolge nacheinander auf. Ähnliche Wiederholungen in der Abfolge der Herrschernamen beobachtet man auch in der babylonischen, der assyrischen und in der ägyptischen Geschichte. Warum hält man konventionell an einer dermaßen suspekten Konstruktion fest?

Die Vorgänge im Jahre 656 ndFl im einzelnen und besonders deren Reihenfolge sind nicht leicht zu rekonstruieren:

Kam Hantilis-Kandaules-Karaïndasch aus Sardes, wo Herodot ihn ohne Unterbrechung sitzen sieht, nach Hattusas? Wurde er überhaupt von seinem Gefolgsmann Huzziyas-Gyges-Schuzigasch und nicht eher von Assur-Uballit getötet, und zwar in Hattusas statt in Sardes? Auf jeden Fall steht sein Tod im Zusammenhang mit der Ermordung des Mursilis-Myrsilos-Tudhaliyas.

Herodot behauptet, Kandaules, der Sohn des Myrsos, habe bei den Griechen Myrsilos geheißen. Verwechselte er die beiden Ermordeten, bzw. setzte er sie gleich? Meinte er mit dem Vater Myrsos etwa den Schwiegervater Mursilis-Tudhaliyas des Kandaules? Hantilis war mit einer Tochter des Mursilis (I) verheiratet, mit Haraspilis. Kandaules war mit einer Frau (namens Rhodope?) verheiratet, die Gyges lt. Herodot zum Mord an ihrem Gatten anstiftete.

Zidantas-Belesys, der Vatermörder, war der Sohn des Myrsos oder Mursilis; verwechselte Herodot auch die beiden Mörder bzw. setzte er sie gleich? Das wurde ihm durch die weiteren Namen des Zidantas leicht gemacht: Marduk-belusati ist Mursilis- oder Myrsilos-Belesys, der Sohn des Myrsos bzw. ebenfalls eines Mursilis, nämlich des Tudhaliyas. Diesen Vatermörder könnte Huzziyas-Gyges aus Hattusas hinausgeworfen haben, wenn der nicht schon freiwillig nach Babylon gegangen sein sollte.

Kadaschman-Charbe korrespondierte von Karduniasch aus mit Nimmuria in Achet-Aton, der dort nur zwischen den Jahren 652 ndFl (sein Vater Manachpiria wird Pharao in Theben) und 663 ndFl (er selbst wird dort nach dem Tode seines Vaters Pharao) in Achet-Aton residiert haben kann. Diese beiden Amarnakorrespondenten müssen demnach eine Zeitlang parallel regiert haben. Kadaschman-Charbe kann aber kaum zu den Mördern des Tudhaliyas-Mursilis gehört haben, wenn sich später Assur-Uballit aufmachte, um Rache für Kadaschman-Charbes Tod zu nehmen - gleichgültig, wenn er das auch in erster Linie für seines Vaters Tod tat. In der Tat wird der Name Kadaschman-Charbe nicht im Zusammenhang mit dem Mord erwähnt.

Wenn Burnaburiasch in seinem EA-Brief Nr. 10 an Nap-chu-[ra]-ria von den "Tagen des Karaïndasch" spricht, so muss dieser, da Napchuria zu Lebzeiten des Burnaburiasch nur von 648/9 bis spätestens 650 ndFl in Achet-Aton gesessen haben kann, zu dieser Zeit entweder schon tot oder König in einer anderen Stadt gewesen sein. Ich habe weiter oben bereits angedeutet, dass Karaïndasch-Hantilis, der noch bis zum Jahre 656 ndFl als König Kandaules von Lydien in Sardes gelebt hat, vor Burnaburiasch in Karduniasch gesessen haben kann. Es ist denkbar, dass Karaïndasch von dem damaligen Großkönig Astyages im Jahre 641 ndFl zunächst als König von Karduniasch in Hattusas eingesetzt wurde und erst nach dem Tode des Astyages von dort nach Lydien versetzt wurde, um dem Sohn Burnaburiasch des neuen Großkönigs Platz zu machen. Für Napchuria wäre dies allerdings ein Hinweis auf eine Zeit gewesen, in der er selbst noch gar nicht volljährig war. Er wurde erst um 630 ndFl geboren und kam mit 18 Jahren auf den Thron in Achet-Aton.

Kadaschman-Charbe kann nur zwischen 652 und 663 ndFl mit Nimmuria korrespondiert haben, und wenn sein Tod tatsächlich von Assur-Uballit noch gerächt werden soll, dann muss Kadaschman-Charbe bis zum Jahre 659 ndFl schon ermordet worden sein, da Assur-Uballit in diesem Jahr von Sanherib-Assurbanipal abgesetzt wurde. Die vier Briefe an und von Kadaschman-Charbe werden im nachfolgenden Kapitel erst besprochen.

Die vorübergehende Auflösung des Reiches

In Urartu gab es einen Mann, der schon lange darauf gewartet hatte, seine Position zu stärken. Er nahm die Gelegenheit der Ermordung von Adad-narari, Mursilis-Tudhaliyas und den anderen Magnaten ebenso wahr wie die Schwäche der Ägypter, um sich im Jahre 656 zum König eines selbständigen Urartu zu krönen:

Argischti, der Sohn des Menua, setzte sich die "sternenförmige Tiara seiner Gottheit" aufs Haupt. Er hatte schon in der Gründungszeit Urartus an vielen Bauten mitgewirkt, an denen er jetzt seine Gründungstafeln anbrachte. Darüber hinaus entfaltete er auch jetzt als selbständiger König von Urartu wieder eine rege Bautätigkeit.

Wenn viele Städte der Urartäer bei der assyrischen Operation im Jahre 651 ndFl völlig niedergebrannt wurden, dann ergab sich für Argischti der Zwang, diese Städte wieder aufzubauen. So ließe sich die große Bautätigkeit in Urartu unter Argischti erklären. Sein Hauptwerk war der Bau bzw. Wiederaufbau von Irpuni, das vorher möglicherweise Sugunia hieß. Das ist keineswegs gesichert.

Die Zitadelle Irpunis beherbergte den königlichen Palast, einen Tempel und Vorratshäuser ... An den Mauern waren Inschriften angebracht, die die Bedeutung der Gebäude und die Namen ihrer Erbauer nannten: Argischti und sein Sohn Sarduri7.

Dass es sich tatsächlich um Vater und Sohn handelt (was bei dem Namen Sarduri nicht immer ganz zweifelsfrei ist), bestätigt Pjotrowski: ...waren die Gründungsinschriften zweier urartäischer Könige des 8. Jahrhunderts v.Chr. eingemauert, die des Argischti, des Sohnes des Menua, und jene des Sarduri, des Sohnes des Argischti. Sie berichten von dem Bau der Festung, des Palastes, eines Tempels und der Getreidespeicher8. Das bedeutet, dass Argischti I auch in seiner Zeit als selbständiger König von Urartu hier Bauten begann, die von seinem Sohn und Nachfolger Sarduri II zu Ende geführt worden sind.

Ein Tempel (in Irpuni) war von Argischti für die Göttin Iubscha (= Iuarscha; eig.Anm.: evtl. Ischtar?) gebaut. Die Entsprechungen für die Malereien dieser Epoche finden sich in assyrischen Palästen, vor allem im Palast des Assurnasirpal in Kalchu (Kalach-Nimrud). Die Bedeutung der Stadt Irpuni muss schnell abgenommen haben9.

Die Gleichzeitigkeit von Assurnasirpal = Sin-schar-ukin bzw. -ischkun und Argischti II, dem Enkel des Argischti I und direkten Zeitgenossen des Großkönigs Assurnasirpal, wird dadurch scheinbar unterstrichen. Es handelt sich aber um Argischti I, dessen Zeitgenosse Tiglath-Nimrud-Pileser Kalchu bzw. Kalach-Nimrud gegründet oder ausgebaut hatte. Dass sich später diese Ornamente auch noch in dem inzwischen von Assurnasirpal-Scharukin eingenommenen Palast befanden, ist wegen der Kürze des zeitlichen Abstandes nicht verwunderlich.

Sechs Jahre nach der Gründung Irpunis errichtete Argischti eine neue Stadt als Zentrum für das wirtschaftliche Leben im Araxestal, der er den Namen Argischtichinili (= "gebaut von Argischti") gab. Die Stadt nahm ein großes Gebiet auf einer langen Hügelkette und darum ein. Das weitere Schicksal von Argischtichinili ist jedoch bisher noch nicht geklärt10.

Generationsfolgen in Urartu mit Regierungszeiten
MANISCHTUSCHU = LUTIPRI = SEM        = JUDA = ISCHTUP-ILUM
* 456 ndFl      |         |            |
|               |         |            |
ACHAIMENES    = SARDURI = ARPHACHSAD = PEREZ(USSA)-PERSEUS
HACHAMANISCH    reg. 550-572 ndFl    = LABARNAS
* 500 ndFl      +-------------------------------+
|               |                               |
TEISPES       = ISCHPUINI                       ISCHBIERRA
TSCHISCHPIS     reg. 572-600 ndFl               HATTUSILIS
* 546 ndFl      (mit Unterbrechung)             * ca. 530
|               +------------------+            |
|                                  |            |
ARIYARAMNES   = ARAMU, ERIMENA,    SARDURI (II) TUDHALIYAS
ARIA-RAMANU     MENUA, IREM        * ca. 595    * ca. 590|
* ca. 570 ndFl; + 654 od.später    reg. ca.     |        |
reg. ca. 600-654 ndFl              638-660 ndFl |        |
|                                  |            |Mutter  |
+-------------------+              |            |war wer?|
|                   |              |            |        |
ARSAMES, ARSCHAMA   ARGISCHTI I    RUSA I   oo  Tochter  |
UASI-URSA,          * ca. 592      * ca. 618    * 630    |
UASSURME            + ca. 668      + ca. 673    ndFl     |
= RUSA III          reg. ca.       reg. ca.              |
* ca. 600 ndFl      638-668 ndFl   641-673 ndFl          |
+ 675 ndFl          |              |                     |
reg. 654-675 ndFl   |              RUSA IV = KYROS d.Gr. |
|                   |              * 645; + 692 ndFl (?) |
+-+             +---+-------+      reg. 663-692 ndFl     |
SIDURI =      |           |           (siehe unten!)   |
SARDURI III   SARDURI II  RUSA II                      |
| * ca. 625     * 614 ndFl  * ca. 615 ndFl               |
| + 677 ndFl    + 670 (?)   + ca. 685 "                  |
reg.675-677   reg.668-670 reg.677-685 ndFl +-----------+
|               |           |                |     KROISOS
|               |           |                |
VISCHTASCHPU    SARDURI IV  ARGISCHTI II     SUPPILULIUMAS
HYSTASPES       * 645 ndFl  * 645 ndFl       UMAN-IGASCH
* ca. 628 ndFl  + 686 oder  + 686 "          * ca. 624
|               später;     regierte         + 687 ndFl
DARIUS          regierte    685/6 ndFL;      reg. 661-687
* 654 ndFl      685/6 ndFl  wurde besiegt    gefolgt von
+ 720 "                     von RUSA IV =    seinem Neffen
reg. 684-720 ndFl      UMAK-ISCHTAR-CHUNDU
------------------     =        TAR- KONDEMOS von Erme
                       =        TAR- KUNDIMME v.Mitanni
= KYROS der Große, Sohn des RUSA ("KAMBYSES I"),
des Sohnes des Sarduri ("KYROS I"),
des Sohnes des Ischpuini (= TEISPES). * 645; + 692 ndFl
.
Die kursiven (Namen) sind die Vorfahren
des Kyros (II) bei Herodot.

Kyros regierte: 663 (Erme-Armenien), 673 (ganz Urartu?),
685 (Medien), 687 (Elam und Babylon), (Persien) -692 ndFl


Sechs Jahre nach Irpuni, das im Jahr 5 der Horhor-Chronik, also 642 ndFl, gebaut wurde, bedeutet Jahr 11 dieser Chronik, also 648 ndFl. Die Chatti sind die Herren Vorderasiens und Mesopotamiens. Urartu war noch ägyptische Provinz, stand aber vermutlich teilweise unter der Verwaltung der Hethiter. Addu-nirari war der ägyptische Statthalter von Nuchasse-Arrapachitis. Die Beziehungen zwischen Chatti, Ägypten und den Urartäern waren bis zu diesem Jahre noch gut. Die Angaben zu den Bauten von Irpuni und Argischtichinili können statt der Zeit der Horhor-Chronik die Zeit des selbständigen Königs Argischti (656-668 ndFl) betreffen. Argischtichinili wurde von den assyrischen Truppen unter Scharukin zerstört (675 ndFl) und vermutlich nicht wieder aufgebaut. Hier sind an der Datierung noch Zweifel angebracht.

Nabu-schum-ukin, der mit Adad-Muschesch = Mutakkil-Nusku, Nergal-Uschezib = Schuzub, dem Babylonier identisch ist, der von seinem Bruder Adad-narari erst besiegt und nach einem Vertragsabschluss in Babylon auf den Thron gesetzt worden war, musste diesen Platz im Jahr darauf bereits wieder räumen. Assur-Uballit ersetzte diesen Sohn Samsi-Adads durch einen anderen Sohn dieses "Priesters des Gottes Adad". Dieser neue Mann konnte sich vierzehn Jahre lang (657-671 ndFl) auf dem babylonischen Thron halten. Sein Name steht für ein ganzes Zeitalter: Nabonassar bzw. Nabunassir.

Mit ihm beginnt das "Zeitalter des Nabonassar", von dem der in nachchristlicher Zeit lebende Ptolemaios sagte, dass "davor alles ungenau" sei. Er meinte damit die astronomischen Daten, die zur Berechnung einer Sonnen- oder Mondfinsternis erforderlich sind. Das Ereignis, welches die Ursache für diese "Ungenauigkeit" war, trat allerdings erst im Jahre 676 ndFl ein. Auf diesen scheinbaren Sonnenstillstand wurde schon im Band 1 hingewiesen.

Im dritten Jahr Nabonassars, also 659 ndFl, setzte der verdiente Heerführer und König von Assur, Tiglath-Pileser, seinen Halbbruder Assur-Uballit ab, schickte ihn als Priester des Mondgottes Sin nach Haran im Sabäerland, wo auch Abraham dieses Amt schon bekleidet hatte, und stieg selbst als König von Assyrien in Assur auf den Thron. Seinen Halbbruder Das ergibt eine Parallele zu Sin-Muballit, dem Vater Salach des Eber-Abraham, der ebenfalls in Haran in derselben Eigenschaft residiert hatte. Bezeichnend ist, dass Tukulti-Ninurta apil escharra (= Tiglath-Pileser, Lupakki, Nimrod) sich von diesem Jahre an Sin-ach-eriba (= Sanherib) nannte. Sein ursprünglicher Name Ari-och bedeutet ja ebenfalls Eri-aku, also Bruder des Mondgottes, und seine Heimatstadt Eri-bani (= Irpuni in Urartu), das heutige Eriwan, war ebenfalls dem Mondgott Eri = Sin (vgl. auch: Mondgöttin Selene) geweiht: Eribaïni = Mondstadt. Er begann sogleich mit dem Ausbau der Garnisonsstadt Ninive zu seiner Hauptresidenz.

Wie gesagt wird, half Nakita, die Gemahlin des Sanherib, ihrem Neffen Assurbanipal auf den Thron. Das ist konventionell natürlich erst nach dem Tode ihres Gatten und dessen Sohnes Asarhaddon möglich. Wie ich im Kapitel Assyrien und Babylonien aber schon gezeigt habe, war Nakita die etwa drei Jahre jüngere Tante ihres Gemahls Sanherib-Assurbanipal, die im Jahre 659 ndFl ihrem Neffen und Gemahl half, dessen Halbbruder, den Sohn ihrer etwa 17 Jahre älteren Schwester Semiramis, abzusetzen: Assur-Uballit. Dieser war auch der Sohn ihres Exgemahls Tudhaliyas; denn Nakita ist identisch mit Nikalmati, der Mutter des Suppiluliumas, ebenfalls eines Sohnes von Tudhaliyas. Daraus erklärt sich auch die Tatsache, dass Nakita stets eine schützende Hand über Suppiluliumas hielt, der sich zu einem mächtigen Konkurrenten ihres derzeitigen Gemahls entwickeln konnte.

Es ist nicht zu erkennen, ob Sanherib zu dieser Zeit ein Großkönig war. Das heißt, er herrschte vermutlich nicht über die Gebiete Elam-West = Chatti, Medien-Mitanni, Elam-Ost = Chaldäa (Südmesopotamien und "Persien"), Urartu und vermutlich auch noch nicht über Babylonien; denn es sieht ganz so aus, als sei der oberste Herrscher der in Babylon residierende Nabonassar gewesen. Es kann aber die Region Amurru-Kanaan unter der Verwaltung Assyriens gestanden haben.

Schon gleich zu Beginn seiner Herrschaft führte Sanherib Kriege, vornehmlich in Syrien-Palästina mit den kanaanitischen Fürsten, die er bereits als Feldherr Tiglath-Pileser unterworfen hatte, worüber das AT ganze Kapitelinhalte zu berichten weiß.

Mit den Königen von Libyen und Nubien war Nimmuria - möglicherweise auf Drängen der Kanaaniter - den Assyrern entgegengetreten. Er wurde aber von Sanherib-Assurbanipal und seinem Sohn und Feldherrn Asarhaddon-Salmanassar bei der südpalästinischen Stadt Altaku (Elteke) besiegt. Sanherib zog daraufhin gegen Jerusalem.

Die Position der Assyrer in Kanaan scheint zu dieser Zeit noch längst nicht so gefestigt gewesen zu sein, wie sie es wenige Jahre später war. Hier geht der Streit der einheimischen Fürsten untereinander weiter, die sich teils nach Assyrien und teils nach Ägypten hin orientieren. Von dem syrischen Damaskus aus überzog ein anderer Konkurrent der Assyrer das Gebiet Juda-Israel: Hasaël = Aziru, der Nachfolger des Benhadad und Sohn des Abdi-Aschirta. Auch gegen ihn müssen die Assyrer Krieg führen. Darüber wird im Kapitel Die Chronik der Könige Teil III ausführlich abgehandelt.

Die medische Suprematie

Wie aus der babylonischen Chronik hervorgeht, setzte sich im fünften Jahr Nabonassars in Elam Uman-Igasch auf den Thron, in dem wir bereits Kaschtiliasch-Suppiluliumas erkannt haben: 661 ndFl. Er hatte vorher acht Jahre lang als assyrischer Unterkönig Kuschan-Rischathaim über Israel und Juda gewacht.

Was geschah zwischen 656 bzw. 659 und 661 ndFl in Chatti-Land? Zunächst residierte Schuzigasch-Huzziyas-Gyges als Vasall des assyrischen Großkönigs Assur-Uballit, der ihn hier eingesetzt hatte, in Hattusas. Als Assurbanipal-Sanherib an die Macht gekommen war, witterte Gyges wie auch der zu den Vasallen des Assur-Uballit gehörende Mitanni- bzw. Mederkönig Tuschratta Morgenluft: Sie machten sich selbständig, wie es drei Jahre zuvor schon Argischti in Urartu getan hatte.

Im Jahre 661 ndFl überfiel Gyges die Mitanni-Meder, wurde aber von Tuschratta besiegt, der das ganze Chattiland bis zum Halys unterwarf. Hier kann erstmals von einer Halys-Grenze zwischen Medien und "Lydien" gesprochen werden, und so könnte man diesen Krieg ebenfalls zu den Halys-Kriegen zählen. Gyges musste sich hinter diese Grenze nach Sardes in Lydien zurückziehen, wo er Herodot zufolge von Anfang an geherrscht haben soll.

Tuschratta schreibt in seinem Brief Nr. 17 an Nimmuria, der zu dieser Zeit in Achet-Aton saß, dass er das Chatti-Land dem Nimmuria zu Füßen lege:

(Ich lege?) noch mehr, was mein Bruder gelegt hat (?), ... das Chatti-Land, das ganze. Als die Feinde nach meinem Land kamen, gab Teschub, mein Herr (Gott), ihn (Eig.Anm.: gemeint ist höchstwahrscheinlich Gyges) in meine Hand, und ich schlug ihn. Aus seiner Mitte kehrte keiner in sein Land zurück.

Das muss in den letzten Jahren Nimmurias geschrieben worden sein. Ich meine, dass dieser Brief Nr. 17 in das Jahr 661 ndFl gehört. Bezeichnend ist darin die Formulierung als die Feinde nach meinem Land kamen. Dies lässt auf einen Angriff der Chatti auf Medien schließen. Die Formulierung aus seiner Mitte kehrte keiner in sein Land zurück lässt sogar darauf schließen, dass Gyges ums Leben gekommen sein könnte. Dies halte ich für wenig wahrscheinlich, da Gyges noch bis zum Jahre 673 ndFl in Sardes auf dem lydischen Thron gesessen haben müsste.

Der Brief Nr. 17 des Tuschratta an Nimmuria stellt unverkennbar den Versuch dar, an den Kontakt mit Ägypten wieder anzuknüpfen, den seine Vorgänger auf dem Thron von Medien-Mitanni einst gepflegt hatten. Das bedeutete, die unschöne Vergangenheit vergessen zu machen und angenehme Beziehungen aufzubauen. Wenn Tuschratta diese Korrespondenz hinter dem Rücken eines übergeordneten Großkönigs Assurbanipal-Sanherib geführt hätte, so wäre das, sobald der Assyrer hiervon erfahren hätte, sein Todesurteil gewesen; aber es erfolgte aus Assyrien keine Reaktion.

Daraus kann geschlossen werden, dass Sanherib zu dieser Zeit (noch) nicht der große König im Rang seiner Vorgänger Adad-narari und Assur-Uballit gewesen sein kann. War etwa Nabonassar der wirkliche Großkönig? Dann könnte Sanherib erst in den Wirren nach dessen Tod im Jahre 671 ndFl Großkönig geworden sein. Was für Aktivitäten aber von Nabonassar ausgingen, die ihn als den Großkönig erscheinen lassen könnten, ist nicht deutlich genug zu erkennen.

Letzter Stand: 3. Juni 2012

 


 

1 J.A. Knudtzon, Die El-Amarna-Tafeln, Otto Zeller Verlagsbuchhandlung, Aalen, 1964; Teil II, Seite 1013 mit Hinweisen auf Delitzsch, Die Babylonische Chronik.
2 Herodot, Die Bücher der Geschichte, I 7ff.
3 Herodot-Kommentar von H.W.Haussig, Nr. 17 zu I 15; zu der ausführlichen Geschichte Lydiens siehe Band 4, VI. Buch, Kapitel 3
4 Herodot, Bücher der Geschichte, I, 6
5 Kommentar zu Herodot I, 6 von H.W.Haussig
6 Kurt Bittel, Hattusas, Hauptstadt der Hethiter, DuMont Buchverlag Köln
7 Boris Pjotrowski, Urartu, Seite 66
8 Ebenda, Seite 28
9 Ebenda, Seite 66;
10 Boris Pjotrowski, Urartu, Seite 75



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