Achtes Buch: 656 bis 676 ndFl

2. Kapitel: Napchuria- und Nimmuria-Briefe

Einige Briefe des Napchuria-Taharka haben wir bereits in Kapitel 1 im siebten Buch des vierten Bandes kennengelernt. Es handelt sich dabei um die Briefe des Burnaburiasch und des Assur-Uballit, die in der frühen Amtszeit A des Napchuria geschrieben worden sind. Bekanntlich kam dieser noch ein zweites Mal in Achet-Aton auf den Thron des Vizekönigs, was dann zu der Amtszeit B gehört. Dass es eine frühe (A) und eine späte (B) Amtszeit Napchurias in Achet-Aton gegeben haben muss, wurde in besagtem Kapitel bereits erläutert.

Nr. Absender Adressat
 6 Burnaburiasch (unleserlich: ---a--)
 7 - 14 Burnaburiasch Napchuria (Zeit A)
15 + 16 Assur-Uballit Napchuria (Zeit A)
    (Nr. 15 evtl. an Nimmuria)
 1 - 5 Kadaschman-Charbe / Nimmuria (wechselseitig)
 7 - 24 Tuschratta      Nimmuria
25 - 29 Tuschratta Napchuria (Zeit B)
    (26 Tuschratta an Witwe Teje)
41 Suppiluliumas Napchuria (Zeit B)

Wie hieraus leicht zu erkennen ist, muss Burnaburiasch noch vor Kadaschman-Charbe in Karduniasch gesessen haben, weil letzterer erst mit Nimmuria seine Amarnakorrespondenz aufnahm, mit dem wichtigsten der zwischen den Zeiten A und B des Napchuria in Achet-Aton amtierenden Unterkönig.

Der Wechsel von Nimmuria zu Napchuria (Zeit B) in Achet-Aton spiegelt sich besonders in den Briefen des Mitannikönigs Tuschratta wider, die aus zeitlichen und inhaltlichen Gründen nicht in umgekehrter Zeitfolge (an Napchuria vor der Zeit des Nimmuria) geschrieben worden sein können. Aus ähnlichen Gründen gehört auch die Korrespondenz des Chattikönigs Suppiluliumas mit Napchuria-Taharka in dessen Amtszeit B. Von Suppiluliumas ist keine Korrespondenz mit Nimmuria bekannt.

Mit den Briefen an Napchuria zu dessen Amtszeit A brauchen wir uns hier nicht mehr zu befassen. Nach der Versetzung des Napchuria-Taharka nach Theben oder Nubien folgte in Achet-Aton zunächst Schabaka, der "König des Kampfes", und nach diesem kam sein Sohn Schabataka hier auf den Thron, der Enkel des Manachpiria, an den Adad-narari seinen Brief Nr. 51 schrieb. Hierüber ist ebenfalls bereits an anderer Stelle abgehandelt worden. Nach der endgültigen Ausschaltung Napchurias von der Thronfolge durch Manachpiria kam dieser als Pharao Thutmoses IV Men-cheperu-Re auf den Thron in Theben und dessen Sohn Nimmuria auf den Thron in Achet-Aton.

Erst nach dem Tode dieses Pharaos und unter dessen Sohn und Nachfolger Amenophis III Neb-maat-Re (Nimmuria) = Ramses VI, der von 663 bis 669 ndFl in Theben auf dem Pharaonenthron saß, kam Napchuria-Taharka zum zweitenmal nach Achet-Aton.

Der Briefverkehr zwischen Chatti-Karduniasch und Medien einerseits und Ägypten andererseits begann erst wieder unter Nimmuria, nachdem sich die Wogen des 652 ndFl begonnenen Krieges wieder geglättet hatten. Die Briefe an Nimmuria, soweit es sich nicht um solche handelt, die aus den ägyptischen Provinzen in Amurru-Phönizien-Kanaan an ihn gerichtet wurden, sollen als nächste besprochen werden. An erster Stelle stehen hier:

Die Briefe des Kadaschman-Charbe

In der Zeit nach der Machtergreifung des Manachpiria bzw. nach dem Einzug des Nimmuria in Achet-Aton (652 ndFl) bis zur Ermordung des Tudhaliyas im Jahre 656 ndFl, in welchem Jahr sich auch sein eigenes Schicksal erfüllte, war der Daskyler Kadaschman-Charbe der wichtigste Briefpartner des ägyptischen Unterkönigs Nimmuria. Hieraus ist gleichzeitig aber auch zu schließen, dass sich die Beziehungen zwischen Ägypten und den Chatti, die durch deren Amka-Überfall des Jahres 652 ndFl stark abgekühlt waren, wieder grundlegend geändert hatten: Es bestanden wieder gute Beziehungen zwischen beiden Völkern, zumal sich Assyrien als eine neue Großmacht etabliert hatte, die sich mit Ägypten von nun an schwer tat.

Der Brief Nr. 1 ist die Antwort Nimmurias auf einen nicht mehr vorhandenen Brief des Kadaschman-Charbe nach Achet-Aton. Knudtzon konnte diesen Brief rekonstruieren. Es handelt sich dabei unter anderem um die Reaktion auf einen ebenfalls nicht mehr vorhandenen Brief Nimmurias, in dem dieser um eine Tochter Kadaschman-Charbes nachgesucht hat. Außerdem erfahren wir, dass vor einiger Zeit der Vater des Kadaschman-Charbe, also nach allem, was wir wissen, Karaïndasch, dem Nimmuria eine Tochter in die Ehe gegeben hat, die nun verschollen ist; jedenfalls hat Kadaschman-Charbe diesen Eindruck gewonnen. Daher hält er sich sehr zurück, nun seinerseits eine Tochter nach Ägypten zu schicken. Die Unterstellung, dass die Schwester Kadaschman-Charbes nicht mehr am ägyptischen Hofe weile, weist Nimmuria entschieden zurück.

Es ist schon bemerkenswert, dass viele vorhandene Amarnabriefe nicht annähernd so viele Einzelheiten offenlegen wie ausgerechnet zwei nicht mehr vorhandene. Nimmuria wurde im Jahre 610 ndFl (oder nur wenige Jahre später) geboren, kann also im Jahre 645 ndFl, ein Jahr nach Araïna und im Zusammenhang mit der Erneuerung des Bündnisses zwischen Chatti und Ägypten, eine Tochter des chattischen Unterkönigs Karaïndasch von Isin-Karduniasch (oder Lydien) geheiratet haben, die um etwa 630 ndFl geboren wurde. Wir sehen den feinen Unterschied: Manachpiria war nur Feldherr und Unterkönig in Libyen (Delta), und sein Sohn Nimmuria bekam die Tochter eines Unterkönigs. Der Sohn des derzeitigen Pharaos Amenophis-Sethos II hingegen, Taharka-Napchuria, bekam eine Tochter des Chatti-Großkönigs Tudhaliyas-Kurigalzu.

Mittlerweile (zwischen 652 und 656 ndFl) waren die Töchter des Kadaschman-Charbe ebenfalls heiratsfähig geworden. Er selbst war Jahrgang 612 ndFl, seine Töchter können ab 634 ndFl geboren sein. Der Vater wollte jedoch erst einmal den Verbleib seiner Schwester klären, bevor er dem Nimmuria eine seiner Töchter zusagte. Der Ägypter reagierte darauf nicht zimperlich, indem er Kadaschman-Charbe vorwarf, er wolle aus der Verheiratung seiner Tochter ein Geschäft machen. Auch in anderer Hinsicht ist der Brief Nr. 1 keineswegs so freundlich, wie wir es von Napchuria und Burnaburiasch aus der Zeit vor dem Krieg her kennen.

Der Ton in Brief Nr. 2 (Kadaschman-Charbe an Nimmuria) ist auch nicht besser. Hierin wird deutlich, wie verkrampft die Beziehungen zwischen Chatti bzw. Kassiten und Ägyptern noch waren, als nach einer Zeit der Feindschaft friedliche Verhältnisse zwischen beiden Ländern wieder Platz greifen sollten. Es bestätigt sich in diesem Brief aber auch der von Nimmuria in Brief Nr. 1 geäußerte Verdacht, dass für Kadaschman-Charbe das Verheiraten von Töchtern in erster Linie einen lukrativen Aspekt haben musste:

An einem Tausch Tochter gegen Tochter schien Kadaschman-Charbe überhaupt kein Interesse zu haben. Die ägyptischen Herrscher dagegen waren sehr an Frauen aus den vorderasiatischen Dynastien interessiert. Sie zahlten gern dafür, wenn auch die Mitgift im allgemeinen sehr dürftig ausfiel. Am wenigsten sparten die Asiaten an Dienerschaft, die sie ihren Töchtern mitgaben, da ihnen Menschen ausreichend zur Verfügung standen.

(Brief 2) "... Was anbetrifft, dass mein Bruder (zu lesen: Schwager) an mich geschrieben hat also: --- warum heiratest du nicht --- meine Töchter sind da --- und königlichen Geschlechts sind sie. ..."

Kadaschman-Charbe hatte Nimmuria doch tatsächlich einen Korb gegeben, als dieser ihm seine Tochter im Gegenzug zu einer Tochter aus Karduniasch angeboten hatte. Statt einer Ägypterin wollte Kadaschman-Charbe lieber Gold. Etwas anderes als Frauen und Gold haben die übrigen Briefe, die zwischen beiden gewechselt wurden, auch nicht zum Inhalt.

Im Jahre 656 ndFl wurde Kadaschman-Charbe ermordet. Die näheren Umstände dieser Tat, die zweifellos auch im Zusammenhang mit der Ermordung des Mursilis-Tudhaliyas und dem Tode des Adad-narari zu sehen ist, sind uns verborgen. Wie wir im vorigen Kapitel bei der Analyse der Chronik P schon gesehen haben, zog Assur-Uballit nach Karduniasch, um seinen angeblichen Enkel zu rächen. Da diese Chronik zum Teil zerstört ist und hinsichtlich des erhaltenen Teiles gehörige Zweifel aufkommen lässt, so trägt sie zur Erhellung dieser Umstände nicht viel bei.

Durch den Tod der mächtigen Herren Tudhaliyas-Kurigalzu-Mursilis und Adad-narari war das Selbstbewusstsein des Mitannikönigs Tuschratta jedenfalls ganz enorm gestiegen. Das geht aus seiner Korrespondenz mit Nimmuria in Achet-Aton einwandfrei hervor. Es ist sogar anzunehmen, dass er den Assyrern, das heißt zunächst dem Assur-Uballit, klar machen konnte, dass er von nun an nicht mehr nach ihrer Pfeife zu tanzen gedenke. In seiner Politik geht er eigene Wege, wenn er auch nicht den Weg zum Pharao gefunden hat. Diese Politik konnte er offensichtlich auch noch unter Sanherib-Assurbanipal eine Zeitlang beibehalten, zumal ich nicht ausschließen kann, dass der eigentliche Großkönig in Babylon residierte und Nabonassar hieß, wie auch das ganze Zeitalter seinen Namen trug.

Bevor ich aber die Korrespondenz des Tuschratta bespreche, möchte ich auf den folgenden Brief eingehen:

Brief des Nimutria an Tarchundaraba von Arzawa

In die Ära Nimmuria gehört auch der Brief Nr. 31 und weniger sicher auch der Brief Nr. 32, von dem weder der Absender noch der Empfänger feststehen. Diese beiden Briefe sind nicht wie die anderen Amarnabriefe in der aramäischen Sprache abgefasst, sondern in einer Sprache, die "in ihrem Charakter noch strittig ist"1. Für mich besteht kein Zweifel daran, dass diese Sprache, die Knudtzon und Weber als Arzawa-Sprache bezeichnet haben, die Sprache des Landes Arzawa = Aza in Urartu war. Weber zitiert in seinem Kommentar zu den EA-Briefen Winckler2:

Erwähnt wird dieses Land [Arzawa] oft in den neuen [Boghazköi-]Urkunden, und es muss stets unter dem Einflusse der Chattikönige gestanden haben, ist aber doch ein selbständiger Staat gewesen. Das geht schon aus der Tatsache hervor, dass Amenophis III [Nimmuria] an seinen König Tarchundaraba selbst schreibt... Das Land wird oft in den neuen Urkunden erwähnt... Irgendwo im kleinasiatischen Bereiche ist es aber wohl sicher zu suchen. Eine ursprünglich sehr umfangreiche Tafel, von der noch sehr beträchtliche Stücke erhalten sind (hethitisch), beschäftigt sich mit den Angelegenheiten von Arzawa...

Es wird darin der König Alakschandu (zum Namen vgl. die keilschriftliche Wiedergabe Aliksander des Namens Alexander) genannt, der ein Zeitgenosse von Chattuschil [hier ist Hattusilis III gemeint] (und wohl Murschil [gemeint ist hier Mursilis II], dieser wird erwähnt) gewesen sein dürfte, aber auf jeden Fall ein Nachfolger von Tarchundaraba war, da dieser Zeitgenosse von Subbiluliuma gewesen sein muss.

Zusätzlich zu der Information, dass Arzawa eigentlich nur Urartu bzw. ein Teil davon sein kann, gibt Winckler uns noch den Hinweis darauf, dass die Makedonen Zeitgenossen der Chatti und der in Ägypten sitzenden Amarna-Korrespondenten gewesen sein könnten; ich sehe allerdings keinen Grund, aus a-ra-ach-za-an-da (falls Winckler diese Stelle meint) den Namen Alakschandu zu lesen, und zweitens keine Möglichkeit, in dieser Zeit einen Alexander unterzubringen. Der "schwanenhalsige" Alexander-Kyknos war längst tot, der Zeitgenosse Alexander des Hattusilis, des Sohnes des Mursilis, war der Ägypten-Eroberer Alexander der Große Nr. 2 (um 740 ndFl), und die Nr. 1 war ein Zeitgenosse des Mursilis II selbst (um 700 ndFl). Makedonen als Zeitgenossen der Amarna-Korrespondenten ist konventionell eine unmögliche Vorstellung. Die Erwähnung des Labaia ordnet den Arzawa-Brief Nr. 32 in diese Zeit ein. Vorab interessiert uns Tarchundaraba.

Nimmuria - sein Schreiber nennt ihn in Brief Nr. 31 Nimutria - schreibt an Tarchundaraba (oder Tarchundara-usch?), den König von Arzawa, dass er den Boten Irschappa an ihn gesandt habe, dass er sage: "Deine Tochter, die man meiner Sonne zur Frau überlassen wird (soll), ...". Der Text ist nicht einwandfrei zu entziffern bzw. zu übersetzen, so dass wir auf die Einzelheiten nicht einzugehen brauchen. Wichtig ist die Angabe, dass Tarchundaraba(usch) eine Tochter im heiratsfähigen Alter hat, die also mindestens 12 oder 13 Jahre alt ist.

Da nun Tarchundaraba aus generationsmäßigen Gründen nicht mit Ischtar-Chundu, dem Neffen des Uman-Igasch, identisch sein kann, also mit (Umak-)Isch-tar-chundu, Tarkondemos, Tarkundimme und Rusa IV = Kyros, so kann Tarchundaraba oder noch besser: Tarchunda-Rausch nur Rusa I gewesen sein, der Vater des Kyros. Rusa I regierte von 641 bis 673 ndFl in Urartu, was zu der Regierungszeit des Nimutria in Achet-Aton passt: 652-663 ndFl. In diesen Jahren konnte eine Tochter des Tarchundaraba und Schwester des Kyros heiratsfähig geworden sein, die zwischen 640 und 645 ndFl geboren worden war. Allerdings schrieb Nimmuria nicht als Pharao Amenophis III an den König von Arzawa, wie Weber meint.

In der Phase des Ämterwechsels von Nimmuria zu Teje, also kurz vor, nach und in 663 ndFl, und später mit Napchuria korrespondiert als einziger nennenswerter Herrscher Tuschratta mit diesen Personen. Das entspricht immerhin einer durchgehenden Verbindung von mindestens sechs Jahren, in denen Nimmuria als Pharao Amenophis III = Ramses VI auf dem Thron in Theben saß und für eine Korrespondenz auf dieser Ebene nicht mehr in Frage kam.

Die Briefe des Tuschratta an Nimmuria

Brief Nr. 17: Zu Nib-mua-ria, König von Ägypten, meinem Bruder, hat gesprochen also Tuscheratta, König von Mitanni, dein Bruder (Eig.Anm.: besser wäre Schwager). Mir ist Wohlbefinden, dir sei Wohlbefinden! Giluchipa, meiner Schwester, sei Wohlbefinden! Deinem Hause, deinen Frauen, deinen Kindern, deinen Großen, deinen ... Kriegern, deinen Pferden, deinen Wagen und inmitten deines Landes sei in hohem Grade Wohlbefinden! -----

Aus der Einleitung dieses Briefes, einer überaus freundschaftlichen und alles Übliche noch übertreffenden Begrüßung, geht schon einiges hervor, was zur Beurteilung des Verhältnisses Mitanni/Ägypten von Belang ist. Die Beziehungen dürften als gut bis sehr gut eingestuft werden. Das Verhältnis Chatti/Ägypten ist - wie aus den Briefen des Kadaschman-Charbe zu entnehmen ist, die allerdings etwas früher einzuordnen sind - eher etwas frostiger. Zu einem so späten Zeitpunkt, wie die Korrespondenz des Tuschratta angesetzt werden muss, ist von Chatti - soweit ersichtlich - keine Korrespondenz mit Nimmuria geführt worden. Wohl aber hat Suppiluliumas mit Napchuria (Zeit B, also erst wieder nach 663 ndFl) korrespondiert.

Desweiteren lässt der obige Brief Nr. 17 des Tuschratta an Nimmuria erkennen, dass sich eine Schwester des ersteren am Hofe des letzteren aufhält, von der wir wissen, dass sie mit einem Amenophis verheiratet war, nämlich mit dem sprichwörtlich "starken Stier" Amenophis II A-cheperu-Re. Es scheint in Ägypten jedoch durchaus üblich gewesen zu sein, dass Witwen in den Harem des Nachfolgers ihres Gatten aufgenommen wurden, ja sogar den Status von Ehefrauen des Nachfolgers erhielten. Wir werden etwas ähnliches bei der Tochter Tuschrattas erleben. Ich bin aber der Ansicht, dass nicht der neue Pharao diese Witwen heiratete, sondern - wie dies in beiden Fällen erkennbar wird - ein Unterkönig. In diesem Falle war Giluchipa, die Witwe des Pharaos Acheperure, im Harem des Unterkönigs Nimmuria gelandet. Konventionell führte das zu der Ansicht, dass der Pharao, der die Mitanniprinzessin Giluchipa heiratete, Amenophis III Neb-maat-Re (= Nimmuria) gewesen sei, was jedoch nicht den Befunden der neuen Chronologie entsprechen kann.

Was nun die Kinder Nimmurias anbelangt, denen Tuschratta Wohlbefinden wünscht, so ist die Situation hier natürlich anders als bei Napchuria in den Briefen des Burnaburiasch, die noch in die Zeit A gehören. Nimmuria ist über vierzig Jahre alt, hat heiratsfähige Töchter und bewegt sich schon wieder auf Freiersfüßen. Diesmal wirbt er um die Tochter des Tuschratta, und diese Werbung stellt auch das Hauptthema in der Korrespondenz Nimmurias mit dem Mitannikönig dar. Dieses Thema kennen wir schon aus der Korrespondenz des Kadaschman-Charbe.

Der in Rede stehende Brief Nr. 17 trägt aber auch noch aufschlussreiches, historisch relevantes Material bei:

Als ich mich auf den Thron meines Vaters (Eig.Anm.: dieser Vater heißt Schutarna) setzte, war ich noch sehr jung, und Tuchi (Eig.Anm.: gemeint ist Astyages) hatte etwas Unschönes an meinem Land verübt und seinen Herrn getötet. Und deswegen gestattete er mir nicht, mit dem, der mich lieb hatte, gute Freundschaft zu pflegen. Ich war aber noch mehr wegen dieser unschönen Dinge, die in meinem Lande verübt worden waren, nicht nachlässig; die Mörder Arta-schum-aras, meines Bruders, nebst allem, was zu ihnen gehörte, tötete ich.

Es klingt geradezu grotesk, wenn Tuschratta den vom amtierenden Pharao Manachpiria im Jahre 642 ndFl und noch in seiner Eigenschaft als Feldherr gesalbten Tuchi-Taku = Astyages zum Bösewicht stempelt. Natürlich saß er auf dem Thron seines Vaters Schutarna, den Nebukadrezzur dessen Stiefsohn Artaschumara übertragen hatte, nachdem Schutarna seine Liebe zu Ägypten entdeckt hatte. Die ganze Darstellung in diesem offensichtlich ersten Brief Tuschrattas an Nimmuria lässt das Bestreben erkennen, unschöne Passagen aus der Chatti-Ära in den Beziehungen mit Ägypten auszutilgen. Immerhin hatte sich die politische Landschaft seit jenen Tagen drastisch verändert. Tuschratta war erwachsen geworden und hatte an all den Widrigkeiten keine Schuld zu tragen, da sie in seiner Jugendzeit lagen. Konnte er daher möglicherweise auch keine Kenntnis der wahren Sachverhalte haben, die er nun so verdrehte? Brief Nr. 17 fährt fort:

Weil du mit meinem Vater gute Freundschaft unterhalten hast, eben deswegen habe ich hingeschickt und zu dir gesprochen, damit mein Bruder von jenen Dingen erfahre und sich freue. Mein Vater hatte dich lieb, und du hattest meinen Vater noch mehr lieb. Und mein Vater hat seiner Liebe gemäß dir meine Schwester gegeben. Und welcher andere stand so wie du mit meinem Vater?

Die obigen Passagen scheinen die konventionelle Ansicht zu stützen, wonach derjenige Pharao, der Giluchipa, die Tochter des Mitannifürsten Schutarna, geheiratet habe (vgl. den Hochzeits-Skarabäus), Amenophis III Neb-maat-Re (Nimmuria) gewesen sei. Wie wir jedoch gesehen haben, ist diese Version aus schwerwiegenden Gründen nicht haltbar. Dennoch ist eine Heirat zwischen Nimmuria und einer Schwester des Tuschratta, die allerdings jünger gewesen sein dürfte als Giluchipa, nicht auszuschließen.

Dass Nimmuria und Schutarna ausgerechnet in der Phase, als der erstere in Achet-Aton saß, gute Freunde gewesen seien, ist nur unter dem Aspekt denkbar, dass Schutarna nicht auf der Seite seines Sohnes Aitugama-Edagama-Itakama stand, des ägyptischen Staatsfeindes Nr. 1 jener Tage, sondern auf der seines Sohnes Namiawaza, der Damaskus im Lande Ube für die Ägypter zu halten gedachte, von Suppiluliumas aber besiegt wurde. Der Zug des letzteren gegen Kinza, wo sich Schutarna und Aitugama sogar gemeinsam gegen die Chatti gestellt hatten, wäre auf diese Weise noch leichter zu erklären.

Die konventionelle Altertumswissenschaft macht denjenigen Schutarna, der seine Tochter nach Ägypten vermählte, zum Großvater desjenigen, der in Muschichuna Statthalter der Ägypter war und gegen Suppiluliumas unterlag. Tuschratta wäre demzufolge ein Bruder des Artatama II gewesen, dessen Einführung in die Geschichte daher nicht ausbleiben konnte. Es hat jedoch weder zwei Artatamas noch zwei Schutarnas gegeben.

Der Brief Nr. 17 des Tuschratta an Nimmuria soll wieder für schönes Wetter sorgen, er soll die durch den Krieg im Jahre 652 ndFl getrübten Beziehungen vergessen machen und für neue, schöne Beziehungen sorgen. Diese basieren auf der Hochstimmung des Tuschratta, der die Chatti offenbar unterworfen hat:

(Ich lege?) noch mehr, was mein Bruder gelegt hat (?), ... das Chatti-Land, das ganze. Als die Feinde nach meinem Land kamen, gab Teschub, mein Herr (Gott), ihn in meine Hand, und ich schlug ihn. Aus seiner Mitte kehrte keiner in sein Land zurück.

Wie ich im vorigen Kapitel schon ausführte, ist hier der gescheiterte Versuch des Schuzigasch-Huzziyas-Gyges anzunehmen, der Medien erobern wollte. Anschließend kam Suppiluliumas nach Hattusas, und Gyges musste sich hinter die Halys-Grenze nach Sardes/Lydien zurückziehen. Der Beginn der Tuschratta-Korrespondenz mit Ägypten ist demzufolge in das Jahr 661 ndFl zu legen, weil in diesem Jahr Suppiluliumas das Chatti-Land aus der Hand des Gyges übernahm, und der Brief Nr. 17 des Tuschratta sehr wahrscheinlich der erste in dieser Korrespondenz ist. Mitanni-Medien war aus dem zerfallenen Reich des Assur-Uballit ausgeschieden und hatte sich offensichtlich auch gegen Argischti behauptet, der sich mit Urartu bereits im Jahre 656 ndFl selbständig gemacht hatte.

Unter einer assyrischen Suprematie wäre Tuschratta gewiss nicht mit den Ägyptern in Verbindung getreten. Auch das ist ein Hinweis darauf, dass der eigentliche Großkönig in dieser Zeit (657-671 ndFl) Nabonassar in Babylon war.

Die Assyrer waren in Kanaan damit beschäftigt, die nach politischer Unabhängigkeit strebenden Kleinkönige niederzuhalten, die zunehmend aus Ägypten Unterstützung erhielten. Schon bei Karkar (im Jahre 654 ndFl) hatten sie sich einem ägyptischen Kontingent gegenübergesehen. In seiner Position der Stärke überrascht es nicht, dass Tuschratta mit den neuen Feinden der Assyrer in Verbindung tritt und obendrein Beutestücke aus dem Chattiheer nach Ägypten sendet (Brief Nr. 17):

Siehe, ich habe einen Wagen, zwei Pferde, einen Jüngling und eine Jungfrau aus der Beute vom Chattiland dir übersandt. Zum Geschenk für meinen Bruder habe ich fünf Wagen und fünf Gespanne von Pferden dir übersandt.

Er ist derzeit alleiniger Herrscher sowohl über Mitanni-Medien als auch über Chattiland. In Kanaan muss aber eine starke Hand die mitannischen Interessen wahrgenommen und die Karawanenwege für sie frei gehalten haben, da sonst eine Karawane mit so hochwertigen Gütern, wie sie Tuschratta in seinem Brief aufzählt, kaum eine Chance gehabt hätte, durch Palästina nach Ägypten zu gelangen:

Und zum Geschenk für Giluchepa, meine Schwester, habe ich ..... Brustschmucke aus Gold, ein ..... Gehänge aus Gold, einen "masch-chu" (?) aus Gold und eine steinerne Büchse, die von gutem Öl voll ist, übersandt.

Es liegt Tuschratta sehr viel daran, recht bald zu erfahren, wie sein Brief und seine Geschenke aufgenommen wurden:

Siehe, ich habe Gila, meinen Botschafter, und Tunipiwri geschickt. Mein Bruder möge eilends sie entsenden, und sie eilends Bescheid zurückbringen, damit ich den Gruß meines Bruders vernehme und mich freue. Mein Bruder möge gute Freundschaft mit mir anstreben, und mein Bruder möge seine Boten schicken, damit sie den Gruß meines Bruders mitbringen und ich ihn vernehme.

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass hier nach einer Abkühlungsphase zwischen Mitanni und Ägypten um eine Neuaufnahme guter Beziehungen - vor allem zum Vorteil des Meders - gebuhlt wird. Auch der Brief Nr. 18 Tuschrattas, der sehr schlecht erhalten ist, lässt erkennen, dass der Fluss der Geschenke anhält. Arta-schum-ara wird - wie schon in Brief Nr. 17 - erwähnt, das Land Channigalbat (= Medien-Mitanni, das Land um die Stadt Channigalbat = Ekbatana) und der Bote Puchi. Sonst ist kaum etwas zu lesen.

Danach muss Nimmuria einen Brief an Tuschratta geschrieben haben, in dem er ihn um eine Tochter bittet. Der Überbringer dieses Briefes, von dem wir wie auch von anderen keine Kopie vorliegen haben (es existieren nur noch Briefe von Tuschratta an Nimmuria und andere in Ägypten, jedoch keine Kopien von Briefen aus Ägypten an ihn), war ein gewisser Mane. Das geht aus dem sehr gut erhaltenen Brief Nr. 19 Tuschrattas an Nimmuria hervor, in welchem bereits "dem Schwiegersohn in sehr hohem Grade Wohlbefinden" gewünscht wird.

Da ergibt sich nun zwangsläufig die Frage, wann denn der um 630 ndFl geborene Tuschratta eine heiratsfähige Tochter gehabt haben kann. Setzen wir voraus, dass er schon mit 18 Jahren geheiratet hat, dann könnte er 649 ndFl zum erstenmal Vater geworden sein. Spätestens 650 ndFl wäre dann die Tochter Taduchipa, um die es hier geht, geboren worden. Es wird allgemein angenommen, diese sei mit zwölf Jahren nach Ägypten gekommen, was im Hinblick auf die Heiratsfähigkeit einer Frau für unsere Vorstellung (noch!) schwierig ist.

Wenn diese Heirats-Korrespondenz in das letzte Jahr des Unterkönigs Nimmuria in Achet-Aton gehört, was anzunehmen ist, dann kann Taduchipa tatsächlich nicht viel älter gewesen sein. So ergibt sich auch aus dem Alter der Mitanni-Prinzessin, dass die Heiratsbriefe in die Jahre 662/3 ndFl gehören, was mit dem von mir angenommenen Beginn der Korrespondenz des Tuschratta (661 ndFl) gut harmoniert.

Im Brief Nr. 19 beteuert Tuschratta auch, dass

adi abekama (Originaltext) haben sie mit meinen Vätern in hohem Maße Freundschaft unterhalten. Du hast sie noch gesteigert und mit meinem Vater in sehr hohem Maße Freundschaft unterhalten.

Wie ich schon an einer früheren Stelle gezeigt habe (am Beispiel ina Kurigalzu abia ...), hat man bei der Interpretation dieser Briefe Rücksicht auf die entstellte Chronologie genommen. Hier greift man wieder zu der bekannten Interpretation und übersetzt adi abekama mit "zu der Zeit deiner Väter". Nach dem bereits erwähnten Glossar wäre in diesem Falle die Übersetzung "bis zu" Im Sinne von "noch vor" ebenfalls möglich. Da hier meines Erachtens "zu der Zeit" durchaus angebracht ist, so sehe ich darin eine Bestätigung, dass bei der Wahl des Wortes ina dem Schreiber keineswegs die Bedeutung "zu den Zeiten" vorgeschwebt haben kann. Er hätte sich in dem Falle für adi entschieden, wenn er dies gemeint hätte.

Zu den angeführten Freundschaften braucht nicht mehr viel gesagt zu werden. Auch die Bettelei um Gold, die wir schon von anderen Amarnakorrespondenten kennen, überrascht uns nicht mehr. Diesmal ist es ein karaschk (= Maussoleum?), das Tuschratta für seinen Großvater (gemeint ist gewiss Artatama) bauen will und dafür Gold aus Ägypten in Mengen benötigt. Bei Burnaburiasch war es ein Tempel. Bezeichnend für die Vorstellung, die die Könige des Nordens von den Goldvorräten Ägyptens hatten, ist die in Brief Nr. 19 gewählte Formulierung:

... ist doch inmitten des Landes meines Bruders Gold wie Staub in Menge da.

Man könnte auch frei übersetzen: "... wie Sand am Meer". Natürlich spart auch Tuschratta nicht mit Geschenken, die er alle in seinem Brief aufführt, damit nichts unterschlagen werden kann. Am Schluss des Briefes Nr. 19 heißt es dann:

... und 30 Weiber habe ich zum Geschenk für meinen Bruder übersandt.

Man dachte eben an alles.

Im Brief Nr. 20 verspricht Tuschratta, seine Tochter im selben Jahr noch nach Ägypten bringen zu lassen, in einem großen Gefolge, wie sich versteht. Man kann daraus schließen, dass die Verlobung zwar schon perfekt ist, dass die Tochter selbst aber noch in Medien weilt und erst zu einem späteren Zeitpunkt in die Ehe gegeben werden soll. Offenbar hatte Nimmuria die Absicht, diese Mitanni-Prinzessin zu seiner Hauptfrau zu machen; jedenfalls geht Tuschratta davon aus, wenn er schreibt, er werde sie "zur Herrin von Ägypten" seinem "Bruder" zuführen.

Interessant ist die von Tuschratta benutzte Bezeichnung Channigalbat für sein Land. Ursprünglich war dies nur der Name für die von Kain für seinen Sohn Henoch gegründete Stadt Ekbatana (channig-alu-mitan). Es ist daher korrekt, Mitan oder Mitanni-Medien als "das Land der Stadt Channigalbat" zu bezeichnen.

Auch im Brief Nr. 21 ist das Versprechen Tuschrattas enthalten, seine Tochter werde bald kommen. Im Brief Nr. 20 hatte er noch vom sechsten Monat gesprochen. Welches Jahr hier gemeint ist, bleibt offen. Ich meine aber, es kann sich nur um das Jahr 663 ndFl handeln. Die Vorsicht, mit der Tuschratta die Abreise seiner Tochter immer wieder hinauszögert, könnte mit den Kämpfen der Assyrer in Palästina zu tun haben. Im Jahre 662 ndFl hat es eine Schlacht zwischen Assyrern und Ägyptern bei Elteke/Altaku gegeben. Konnte es sich Tuschratta noch leisten, ägyptenfreundlich zu sein, ohne die Assyrer zu brüskieren, die Grenze an Grenze mit ihm wohnten? Offensichtlich konnte er es (noch), weil der überragende "Boss" in Babylon die Politik bestimmte: Nabonassar!

Im Brief Nr. 22 werden die Geschenke aufgelistet, die als Mitgift für seine Tochter von Tuschratta auf den Weg gebracht wurden. Wir erfahren nun auch endlich den Namen der jungen Dame: Tatuchepa. An anderer Stelle heißt sie auch Taduchepa oder Taduchipa. Im Brief Nr. 23 des Tuschratta an Nimmuria wird sie schon als in Ägypten befindlich erwähnt. Auf diesem Brief befindet sich der Eingangsvermerk Jahr 36 (des ägyptischen Kalenders: 628 + 35 = 663 ndFl; siehe dazu auch das vorige Kapitel). Es folgt in der Aufstellung Knudtzons der Brief Nr. 24 an Nimmuria, der aber eine Sonderstellung einnimmt, da er in der Mitannisprache statt in Keilschrift-Aramäisch (wie die meisten EA-Briefe) abgefasst ist. Lediglich die Grußformel steht in der aramäischen Diplomatensprache.

Im Jahre 663 ndFl (= Jahr 36 ägKal), in dem die letzten Briefe Tuschrattas an Nimmuria abgingen, starb der Pharao Thutmoses III/IV Men-cheperu-Re. Sein Sohn Nimmuria stieg - nach der üblichen 70Tage-Frist - in Theben auf den Thron als Pharao Amenophis III Neb-maat-Re. Er war auch Ramses VI. In Achet-Aton wird Napchuria-Taharka nun bald zum zweiten Mal auf den Thron des Unterkönigs steigen und seine Amtszeit B beginnen. Doch zuvor wird seine Mutter Teje die Geschäfte hier führen. Fast ohne Übergang ging die Korrespondenz des Tuschratta mit Achet-Aton weiter.

Der Brief des Tuschratta an Teje

Die Korrespondenz Tuschrattas nach dem Umzug des Nimmuria nach Theben wird eingeleitet mit einem Schreiben an Teje (Brief Nr. 26), die Mutter des Napchuria-Taharka, der zu diesem Zeitpunkt offensichtlich noch nicht in Achet-Aton eingezogen ist. Knudtzon hat allerdings einer Geschenkeliste Tuschrattas, einem Pendant zu der mit der Nr. 22 an Nimmuria gerichteten, die Nummer 25 gegeben, da er annahm, dass sie eine Lieferung an Napchuria beträfe. Dies muss ich allerdings bestreiten und behaupte, dass sie ebenfalls zu Nimmuria gehört. Hier mögen noch Zweifel angebracht sein; nicht ist jedoch zu bezweifeln, dass Tatuchepa inzwischen die Schwiegertochter der Teje ist, was aus dem Brief Nr. 26 hervorgeht:

Zu Teje, Herrin von misri [Eig.Anm.: = Unterägypten], hat gesprochen also Duschratta, König von Mitanni: Mir ist Wohlbefinden, dir sei Wohlbefinden! Deinem Hause, deinem Sohn sei Wohlbefinden, meiner Tochter Tatuchepa, deiner Schwiegertochter, sei Wohlbefinden!

...

Du selbst weißt von mir, wie ich mit Mimmuria, deinem Gemahl, Freundschaft unterhielt...

Jetzt werde ich mit Napchuria, deinem Sohn, in zehnfachem Grade Freundschaft unterhalten...

Verwirrend ist hieran, dass Tuschratta von Mimmuria, also von Amenophis-Sethos II User-A-cheperu-Re, als dem Gemahl der Teje spricht, der auch Men-maat-Re setpen-Ptah-Ramesse ist (= Ramses X bzw. XI aus der 20. Dynastie und identisch mit Meren-Ptah aus der 19. Dynastie, dem angeblichen Sohn von Ramses II User-maat-Re), mit dem er sogar Freundschaft gepflegt und korrespondiert habe. Man kann die Erwähnung dieses Namens aber keinesfalls mit dem des ersten Gemahls der Teje und Vaters von Napchuria verbinden; denn erstens kann der zu den Zeiten des Amenophis II noch jugendliche Tuschratta weder der Freund noch der Korrespondent dieses Pharaos gewesen sein, und zweitens kam der Sohn Napchuria dieses Pharaos nicht sogleich nach seinem Vater auf den Thron, noch nicht einmal in Achet-Aton, wo nach Schabaka, Schabataka, Nimmuria zunächst seine Mutter Teje einzog.

Es kann hier ein Hörfehler des Schreibers vorliegen - oder sogar eine Verwechslung bei Tuschratta, der den Namen des ersten Gemahls der Teje schrieb bzw. diktierte, aber den des zweiten meinte, nämlich Nimmuria; denn nur der kommt als Korrespondent und Freund des Tuschratta in Frage. Das letztere ist sehr wahrscheinlich. Ich neige auch hier zu der Annahme, dass Teje nach dem Tode ihres ersten Gemahls, des Pharaos Amenophis-Sethos II, von Nimmuria geheiratet wurde, was damals nicht unüblich war, wie wir schon bei Giluchipa (weiter oben) gesehen haben.

Wir erfahren aus dem Brief an Teje, dass die Frau Tuschrattas Iuni heißt. Sie ist gewiss die Mutter Tatuchepas und vielleicht auch des Mattiuwaza, des Sohnes von Tuschratta, der uns bereits im vorigen Kapitel beschäftigt hat.

Die Poststelle im königlichen Palast in Achet-Aton, die den Brief an Teje in Empfang nahm, vermerkte mit schwarzer Tinte in hiëratischen Schriftzeichen (ägyptische Schreibschrift), dass dieser Brief, der - wie die meisten anderen EA-Briefe auch - in Keilschrift-Aramäisch abgefasst ist,

für die Gemahlin des Königs von Oberägypten


bestimmt sei. Nicht jeder Palastbedienstete konnte Keilschrift lesen; aber interessant ist, dass Teje schon in Achet-Aton saß, als ihr zweiter Gemahl Nimmuria noch nicht Pharao sondern erst "König von Oberägypten" in Theben war. Der Aufenthalt des letzteren in Theben zu diesem Zeitpunkt (im Jahre 663 ndFl = Jahr 36 ägKal, dem Todesjahr Pharao Mencheperures) hängt sehr wahrscheinlich mit der bereits erwähnten 70Tages-Frist zusammen. Aber weshalb residierte seine Gemahlin Teje in Achet-Aton?

Tuschratta redet Teje mit

Herrin von Misri (= [Unter-]Ägypten)


an. Für die konventionelle Geschichtswissenschaft kann das nur unbefriedigend, ja problematisch sein; denn wenn - wie angenommen wird - Teje die Witwe des Pharaos Nimmuria gewesen wäre, als sie nach Achet-Aton kam, dann gäbe obiger Vermerk "für die Gemahlin des Königs von Oberägypten" keinen Sinn. Weiter unten komme ich hierauf zurück.

Die Briefe des Tuschratta an Napchuria

Der Brief Nr. 27 weist auch einen Eingangsvermerk auf, der diesmal jedoch nicht ganz zweifelsfrei zu interpretieren ist. Man hat

Jahr (-)2, Monat 1 des Winters, (Tag--)


gelesen. Hier hat vor der "2" tatsächlich eine Zehnerzahl gestanden; aber um welche kann es sich gehandelt haben? Wie sollen diese "Zehnerzahlen" überhaupt zustande kommen, wenn es doch gar kein Zehnersystem in Ägypten gegeben haben soll? Sollte es eine "1" gewesen sein, dann wäre das "Jahr 12" gemeint von 652 ndFl an, als Nimmuria in Achet-Aton auf den Thron kam, mithin das Jahr 663 ndFl. Weder im KNB- noch im neuen ägyptischen Kalender (ab 628 ndFl) ergäben die Jahreszahlen 2, 22 oder 32 einen Sinn. Sollte eine "4" gemeint gewesen sein, dann ergäbe das Jahr 42 KNB (= 651 ndFl) ebenfalls keinen Sinn, weil zu jener Zeit Amenophis II noch lebte und Tuschratta noch nicht mit Achet-Aton korrespondierte. Im neuen ägyptischen Kalender beträfe das Jahr 42 (äg.Kal.) das Jahr 669 ndFl, in dem Nimmuria nach sechsjähriger Pharaonenzeit starb.

Beide Jahreszahlen sind sinnvoll; denn es ist denkbar, dass Napchuria erst nach dem Tode von Pharao Amenophis III und nicht schon nach dem Auszug des Unterkönigs Nimmuria nach Achet-Aton kam. Wenn es sich tatsächlich um das Jahr 42 äg.Kal., also um das Jahr 669 ndFl handeln sollte, dann würde das bedeuten, dass der erste Brief Tuschrattas an Napchuria erst sechs Jahre nach seinem letzten Brief an Nimmuria abgeschickt worden wäre, und dazwischen müsste die Korrespondenz mit Teje oder sogar mit Napchuria an einem anderen Ort (etwa in Saïs im Delta?) geführt worden sein. Von einer Delta-Korrespondenz ist jedoch nichts bekannt.

Da dieser späte Anschluss an die Nimmuria-Korrespondenz in Achet-Aton zunächst wenig wahrscheinlich erscheint, so ist auch an die Möglichkeit zu denken, dass es sich bei dem Brief Nr. 27 um einen späten Brief in einer längeren Reihe von Briefen handelt, die in den Jahren zwischen 663 und 669 ndFl geschrieben wurden. Dabei ist in Kauf zu nehmen, dass gerade der Brief Nr. 27, der von Knudtzon als erster Brief Tuschrattas an Napchuria gezählt wird, den Anschluss an die Korrespondenz mit Nimmuria herzustellen scheint. Immerhin regierten sowohl Tuschratta als auch Napchuria noch über das Jahr 669 ndFl hinaus, so dass eine länger anhaltende Korrespondenz zwischen diesen beiden nicht auszuschließen ist.

Es bietet sich andererseits der Brief Nr. 26 an Teje auch als Erklärung dafür an, dass Napchuria erst sechs Jahre später in Achet-Aton antrat: Bis zum Tode Nimmurias war Teje die Königin von Unterägypten in dieser Stadt. Ihr Sohn Taharka war aber - wie aus dem Brief hervorgeht - durchaus berechtigt, Goldlieferungen an Tuschratta in die Wege zu leiten. Jedenfalls bittet dieser die Mutter, ihren Sohn dazu zu veranlassen.

Es ist daher nicht auszuschließen, dass Taharka Nebcherure (Napchuria) zu dieser Zeit Vizekönig des Goldlandes Nubien im Süden war. Er gilt konventionell als Äthiopier-König (25. Dynastie). Das würde eine sechsjährige Unterbrechung der Korrespondenz mit Tuschratta erklären: 663-669 ndFl, parallel zu Pharao Amenophis III Neb-maat-Re in Theben.

Im Brief Nr. 27, dem ersten von Tuschratta an Napchuria, ist Taduchepa die Gemahlin des Napchuria. Uns muss diese Eheschließung überraschen; denn der ursprüngliche Bräutigam war ja Nimmuria, der diese Ehe auch tatsächlich noch geschlossen hat, wie aus dem Brief Nr. 29 hervorgeht. Meines Erachtens wurde Nimmuria vom Tode seines Vaters überrascht, noch bevor er die Ehe mit Taduchepa offiziell eingehen konnte. Der Einfachheit halber heiratete Napchuria die Mitanni-Prinzessin, da sie nun schon im Lande war. Wir werden sie in einem späteren Kapitel unter ihren Namen Duchat-Amun bzw. Dachamun als Gemahlin des Taharka wiedertreffen, der ja mit Napchuria identisch ist.

Napchuria scheint sich schwer zu tun mit der Freundschaft, die Tuschratta und auch Teje so gern sähen. Auch der Brief Nr. 28 ist voller Enttäuschung darüber, dass Napchuria sich zurückhält. Außerdem erwähnt dieser Brief eine nicht näher definierte Trauerfeier, unter welcher kaum noch die Beisetzung des Manachpiria (im Jahre 12 = 663 ndFl), sondern eher die des Nimmuria (im Jahre 42 = 669 ndFl) verstanden werden kann. Diese unterschiedlichen Rechnungen wurden oben erläutert.

Es könnte hier von konventioneller Seite eingewendet werden, dass dieser Brief zweifach beweise, dass Nimmuria der leibliche Vater Napchurias gewesen sei; denn erstens sei die erwähnte Trauerfeier doch wohl die, die den Vater und Vorgänger des Adressaten betrifft, da sich dieser sonst kaum durch diese Trauerfeier wegen eines entfernten Verwandten, der ihm obendrein noch die Thronfolge streitig gemacht hatte, von seinen Amtsgeschäften habe abhalten lassen (wie dies aus dem Brief zu entnehmen ist), und zweitens sei der Hinweis auf die "Freundschaft mit deinem Vater" doch nur auf den Vorgänger Napchurias zu beziehen, also auf Nimmuria, mit dem Tuschratta ebenfalls korrespondiert hatte.

In der Tat gibt der Brief Nr. 29 ganz entscheidende Hinweise auf die Vaterschaft Nimmurias an Napchuria. So heißt es schon ganz am Anfang:

... bis Nimmuria, dein Vater, an mich schrieb ...



Der ganze weitere, überaus lange Text wiederholt die Formulierung Nimmuria, dein Vater, noch mehrmals. Wir würden aber die gesamte rekonstruierte Geschichte des Altertums wieder in das konventionelle Chaos zurückstürzen, wenn wir diese Ausdrucksweise wörtlich nähmen.

Im Zuge der Eheschließung Nimmurias mit der Hauptfrau, der "Großen königlichen Gemahlin" Teje des Amenophis II, hatte er auch deren beider Sohn Taharka-Napchuria adoptiert, um dadurch die Thronbesteigung seines eigenen Vaters Manachpiria-Thutmose zu ermöglichen. Das war in Ägypten durchaus ein gebräuchliches Verfahren, und folglich musste Nimmuria offiziell als Vater Napchurias angesprochen werden. Dies musste konventionell zu der Annahme führen, Teje sei von Anfang an die Hauptfrau des Amenophis III Nimmuria gewesen, Giluchipa seine zweite Frau und "Amenophis IV Echnaton" Napchuria sein leiblicher Sohn von der Hauptfrau3.

Leider ist die Stelle in diesem Brief, an der der Vater des Nimmuria namentlich genannt wird, zerstört. Lesbar ist nur noch -m]e, wobei also das m sogar noch fraglich ist. Es kann kaum eine Beziehung zu der in den Briefen Nrn. 51 und 59 benutzten Schreibweise ma-na-ach-bi-(ir)-ia hergestellt werden. Da indes auch konventionell anerkannt werden muss, dass Amenophis Neb-maat-Re (= Nimmuria) der Sohn des Thutmoses Men-cheperu-Re (= Manachpiria) war, so darf davon ausgegangen werden, dass hier der Name Manachpiria und möglicherweise noch eine Apposition gestanden haben.

Dieser Vater Nimmurias, so heißt es dann in Brief Nr. 29 weiter, habe den Großvater Artatama des Briefschreibers um die Hand einer Tochter angehalten, um eine Schwester des Vaters (Schutarna) von Tuschratta. Es würde allen diplomatischen Gepflogenheiten - auch jener Zeit - ins Gesicht schlagen, wenn sich die folgende Briefpassage an den leiblichen Enkel des großen Pharaos Thutmoses-Manachpiria gerichtet haben würde:

Als ----, der Vater Nimmurias, an Artatama, meinen Großvater, hinschickte und die Tochter meines Großvaters, die Schwester meines Vaters, sich erbat, da schickte er fünf-, sechsmal hin, und er gab sie niemals. Zum siebten Mal schickte er an meinen Großvater hin, und da gab er sie notgedrungen.

Diese Brautwerbung muss schon lange zurückliegen; denn Artatama wurde bereits von Chus und Astyages (spätestens im Jahre 609 ndFl) aus Ekbatana vertrieben und eventuell sogar getötet. Da hier aber von "hinschicken", also von einer sehr frühen Korrespondenz zwischen Medien-Mitanni und den Ägyptern die Rede ist, so kann der Verdacht nicht aufkommen, dass Manachpiria mit Chus unterwegs war. Vielmehr muss es zwischen Mitanni und dem Pharaonenhaus des Anubis, des Vaters von Manachpiria, schon vor 609 ndFl Beziehungen gegeben haben. Sinnvoll erscheinen diese in der Zeit des "Großen Ramses" Amenophis-Sesostris I, dessen Eingreifen in die chattisch-medische Geschichte verbürgt ist.

Es kämen die Jahre  606/607 ndFl in Frage, in denen Chus schon Verbindung mit Mitanni-Medien aufgenommen und die Revolte des Herakles noch nicht stattgefunden hatte. Der etwa 27jährige Manachpiria war als Sohn eines zwar gekrönten, aber nicht amtierenden Pharaos nur bedingt ein adäquater Schwiegersohn für den Meder, der deshalb eher zögerte und dann doch "notgedrungen" unter dem Druck des Chus seine Tochter hergab. Zwei Jahre später wurde Artatama abgesetzt.

Ähnlich schwerfällig wie im vorigen Fall gestaltete sich auch die Brautwerbung eines anderen nach Medien:

Zu der Zeit, als Nimmuria, dein Vater, an Schutarna, meinen Vater, hinschickte und um die Tochter meines Vaters, meine Schwester, bat, da schickte er drei, vier Mal hin, und er gab sie niemals. Zum fünften und sechsten Male schickte er hin, und notgedrungen gab er sie.

Hier ist die Formulierung "notgedrungen" deshalb nicht so verletzend (falls die hier übersetzte Formulierung in der Originalsprache überhaupt verletzend gewesen sein sollte!) wie in dem vorigen Fall, da Nimmuria nicht annähernd so viel für Mitanni-Medien getan hat wie sein Vater. Der Name der Schwester wird nicht erwähnt. Konventionell wird hier natürlich sogleich an Giluchipa gedacht, die im Jahre 10 (= 637 ndFl) mit großem Gefolge nach Ägypten kam, um den Pharao Amenophis "Starker Stier" zu heiraten. Bei diesem handelte es sich aber um Amenophis II Acheperure und nicht - wie konventionell nicht anders angenommen werden kann - um Amenophis III Nebmaatre = Nimmuria. Bei der Werbung des großen Pharaos Acheperure dürfte sich Schutarna wohl kaum geziert haben; wenn sich natürlich ein unbedeutender Sohn eines Feldherrn ebenfalls berufen fühlte, eine Mitanni-Prinzessin zu ehelichen, dann kann man damit wohl warten, bis sich die Verhältnisse gewandelt haben: Als ägyptischer Statthalter von Kanaan konnte sich Schutarna nicht mehr zieren, dem Sohn des ägyptischen Caesars (= Manachpirias) eine Tochter zur Frau zu geben.

Weshalb Tuschratta weit in die Vergangenheit ausholt, wird sogleich klar, wenn er fortfährt (Brief Nr. 29):

Zur Zeit, als Nimmuria, dein Vater, an mich hinschickte und um meine Tochter bat, da sagte ich: "---". Vor seinem Boten sprach ich also: "Ich will sie wirklich geben." Als dein Bote ... kam und Öl für ihren Kopf brachte, und als er den Brautpreis für sie mitbrachte, da gab ich sie. Und der Brautpreis Nimmurias, deines Vaters, den er übersandte, hatte keine Grenzen; zum Himmel und zur Erde reichte er hinauf. Nicht sagte ich "nicht werde ich sie geben", und Chamaschi, den Vogt meines Bruders, schickte ich an Nimmuria zum gallê (?) hin. Und in drei Monaten ließ er in großer Eile ihn zurückkehren, und vier S(ch)ekel, die von Gold voll waren, übersandte er. Es wurde hingeschickt ein Schatz --- als Erwiderung dessen, was er übersandte.

Sobald ich meine Tochter gegeben hatte, und als er sie gebracht hatte, und Nummuria, dein Vater, sie sah, freute er sich.

Leider sind diese Stellen stark beschädigt. Der wesentliche Inhalt ist aber klar zu erkennen, ebenso die Absicht Tuschrattas:

So frage denn Teje, deine Mutter, ob unter den Worten, die ich spreche, auch nur ein einziges unwahres Wort ist, ob Nimmuria, dein Vater, nicht gesagt hat: "Wann immer ich Gold von Ägypten in Channigalbat anlangen lasse, ist es vollwichtig; minderwertiges übersende ich nicht".

Ich erbat mir zwei Bilder aus Gold von Nimmuria...

Es ging wie immer um Gold. Entscheidend für die Datierung in das Jahr 42 äg.Kal. (= 669 ndFl) dieser Korrespondenz sind die folgenden Bemerkungen:

Und, mein Bruder, als Nimmuria zu seinem Geschick gegangen (Eig.Anm.: verstorben) war, rief man es aus, und was man ausrief, erfuhr auch ich. In der Ferne war er ..., und ich weinte an jenem Tag. In der Mitte der Nacht saß ich; Speisen und Wasser genoss ich an jenem Tage nicht und hatte Schmerz. --- ich, und wenn doch gestorben wäre der --- in meinem Lande oder im Lande meines Bruders die ...

Als aber schrieb Napchuria, der große Sohn Nimmurias von Teje, seiner Gattin, der großen, an mich: "Ich werde die Königsherrschaft ausüben", da sprach ich also: "Nicht ist Nimmuria tot. Jetzt hat Napchuria, sein großer Sohn von Teje, seiner großen Gattin, sich an seine Stelle gesetzt, und er wird fürwahr keine Dinge von ihrer Stelle, wie sie früher standen, verrücken."

Dieser Brief schließt die Korrespondenz Tuschrattas mit Napchuria ab. Es kann nicht daran gezweifelt werden, dass es sich um das letzte Jahr des Pharaos Amenophis III Neb-maat-Re (= Nimmuria) handelte. Folglich muss Tuschratta in diesem Jahre (669 ndFl) noch gelebt haben. Verwirrend ist indes die Formulierung, dass sich der Sohn auf den Thron seines Vaters gesetzt habe; denn Pharao wurde Napchuria nicht. Es sieht aber so aus, als habe es nach Amenophis-Nimmuria zunächst überhaupt keinen Pharao gegeben. Darüber soll hier jedoch noch nicht abgehandelt werden.

Wenn Tuschratta im Jahre 669 ndFl mit Ägypten diplomatisch verkehren konnte, dann kann der Assyrer Sanherib-Assurbanipal zu dieser Zeit (noch) nicht Herr über Medien-Mitanni gewesen sein. Das gleiche gilt für Chattiland; denn auch Suppiluliumas beglückwünschte (Nap-)Churia zur Thronbesteigung (als König von Unterägypten doch offensichtlich):

Brief Nr. 41 des Suppiluliumas an Napchuria

Folgendermaßen hat Schubbiluliuma, der große König von Chattiland, zu Churia, dem König von misri, meinem Bruder, gesprochen: Mir ist Wohlbefinden, ...
---
Nun bist du, mein Bruder, auf den Thron deines Vaters hinaufgestiegen ...
---

Dass der nächste Brief ebenfalls von Suppiluliumas stammen sollte, wie angenommen wird, muss bezweifelt werden; denn darin befindet sich eine Formulierung, die eine solche gemeinsame Abstammung ausschließt:

Brief Nr. 42

Mein Bruder, so etwas vernimm: --- unser Großvater ...

Die Großväter des Napchuria waren Amenophis-Sesostris I, der Vater seines Vaters Amenophis-Sethos II, und Eje, der Vater seiner Mutter Teje. Keiner von beiden kann als Großvater des Suppiluliumas gelten. Sollte der Brief an Nimmuria gerichtet gewesen sein, so müsste entweder Ramses III Anubis, der Vater Manachpirias, oder Chus-Sesostris, der Vater der Hatschepsut-Mutemudja, ein Großvater des Suppiluliumas gewesen sein. Beide Alternativen können demnach nicht zutreffen; denn die Großväter des letzteren waren Hattusilis I/II und Astyages.

Der weitere Text des (stark zerstörten) Briefes Nr. 42 mag aber Aufschluss geben, wer der Absender und der Empfänger dieses Briefes gewesen sein könnten:

... mein Bruder wegen Bundesgenossenschaft --- hast du geschrieben ?



Chus-Sesostris war der Großvater sowohl des Nimmuria als auch der Söhne Nimrud-Sanherib-Assurbanipals. In den Jahren von 652 bis 663 ndFl war Nimmuria Vizekönig von Unterägypten in Achet-Aton. Im Jahre 654 ndFl fand bei Karkar eine Schlacht statt, in der ein kleines ägyptisches Kontingent auf der Seite der Kanaaniter gegen die Assyrer focht. Die nächste, ernsthaftere Begegnung fand im Jahre 662 ndFl bei Altaku-Elteke statt. Möglicherweise korrespondierte Salmanassar, der Sohn Sanheribs, mit seinem Vetter Nimmuria noch kurz vor diesem Treffen.

Gleichwohl war auch der Chattikönig Suppiluliumas im Jahre 669 ndFl kein Vasall der Assyrer. Vielmehr waren Mitanni-Medien, Chattiland und Assyrien selbstständige  Machtgebilde nebeneinander. Das änderte sich allerdings schon wenige Jahre später.

Der Tod des Napchuria-Taharka fällt in das Jahr 677 ndFl. Es folgte sein Neffe ("der Sohn seiner Schwester") mit Namen Tanutamun auf dem Thron von Unterägypten, während sich Haremhab (mit Hilfe der Assyrer?) in Theben auf den Thron von Oberägypten setzte. Nachdem Tanutamun im Jahre 683 ndFl nach sechsjähriger Regierung verstorben war, erhielt Suppiluliumas einen Brief der Dachamun. Konventionell nimmt man irrtümlicherweise an, es handele sich hierbei um die Witwe Anch-ises-en-Amun des Tut-anch-Amun. Diesen hält man ja bekanntlich für einen Schwiegersohn und Nachfolger des Amenophis IV Echnaton, den man wiederum mit Naphuria identifiziert. Diese Identifizierung beruht auf der leichtsinnigen Lesart "Nafuria", in welcher man das "ph" mit dem griechischen φ (f) gleichsetzt. Leichtsinnig ist dies insofern, als das "h" im Namen "Naphuria" ganz deutlich als umschriftliches "ch" kenntlich gemacht ist (mit dem Unterbogen). Es kann also nicht argumentiert werden, "Nafuria" sei die aramäische Form des Namens "Nefer"-cheperu-Re, den Echnaton als Thronnamen führte, in ägyptischer Schreibung. Vielmehr ist "Nap-churia" die aramäische Version des ägyptischen Namens Neb-ch(er)u-Re des Taharka, des Zeitgenossen von Tanutamun und nicht des ähnlich klingenden, jedoch längst verstorbenen Tut-anch-Amun.

War Tanutamun mit einer Frau namens Dachamun bzw. Duchat-Amun verheiratet, in deren Namen wir den Namen Ta-duch-ipa entdecken können? Hatte auch hier eine "Witwen-Übernahme" stattgefunden? Dagegen spricht folgendes:

Konventionell wurde nicht beachtet, dass Mursilis II, der Biograph seines Vaters Suppiluliumas, den verstorbenen Gatten der Dachamun ausdrücklich "Nib-chururia" nennt, was deutlicher an Neb-cheru-Re als an Neb-cheperu-Re anklingt, den Thronnamen Tut-anch-Amuns. Diesen Irrtum deckte Velikovsky schon auf, dem es jedoch nicht gelang, Tirhaka bzw. Taharka mit dem Napchuria der Amarnabriefe zu identifizieren. Seine Richtigstellung der Altertumsgeschichte leidet daher unter der zwangsweisen Annahme eines zweiten Suppiluliumas, worauf hier jedoch nicht weiter eingegangen werden soll. Wir entnehmen aber aus dem Mursilis-Text, dass es keine Ehe Tanutamun/Taduchipa gegeben hat, sondern dass diese Frau nach dem Tode des Tanutamun einen Neuanfang in Ägypten anstrebte, bei dem sie selbst eine Hauptrolle zu spielen gedachte.

Übrigens war die Einführung eines zweiten Suppiluliumas in die Geschichte durch Velikovsky für mich der entscheidende Anstoß, die Berichtigung der Altertumsgeschichte selbst in die Hand zu nehmen.

Mursilis II sagt in der Biographie seines Vaters, Dachamun sei die Witwe des Nib-chururia gewesen (also des Taharka und nicht des Tanutamun). Sie habe Suppiluliumas gebeten, ihr einen seiner vielen Söhne zu schicken, der Bett und Thron mit ihr teilen sollte, und sein Vater habe, nachdem er alles gründlich recherchiert hatte, den Sohn Zananda nach Ägypten gesandt, der dort zum König gekrönt werden sollte. Dieser sei aber nicht lebend in Ägypten angekommen. Vermutlich wurde er von den Schergen des Haremhab abgefangen und getötet, bevor er in Ägypten ankam. Haremhab stieg als neuer Pharao Necht-cheperu-Re Hor-em-heb auf den Thron in Theben.

Mursilis II schreibt weiter, dass sein Vater vier Jahre nach dieser Begebenheit gestorben sei, also im Jahre 687 ndFl. In konventioneller Sicht kommt jetzt Mursilis II auf den hethitischen Thron in Hattusas. Darüber wird erst in einem späteren Kapitel abgehandelt.

Letzter Stand: 21. Juli 2013

 


 

1 Otto Weber, Kommentar zu J.A. Knudtzon, Die EL-Amarna-Tafeln, Otto Zeller Verlagsbuchhandlung, Aalen 1964, Seite 1074 f.
2 Winckler, Vorl.Nachr. S.40; [Zusätze] in eckigen Klammern vom Autor des Kapitels;
3 Zu Adoptionen vgl. auch Schepnewepet und Amenerdis!

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