Achtes Buch: 656 bis 676 ndFl

4. Kapitel: Der scheinbare Sonnenstillstand

Josua und die Mayas

Josua 10: (12) Da redete Josua mit dem Herrn an jenem Tage, da der Herr die Amoriter dahingab vor den Kindern Israel, und sprach vor dem gegenwärtigen Israel:

"Sonne stehe still zu Gibeon, und Mond im Tale Ajalon!"

(13) Da standen die Sonne und der Mond still, bis dass sich das Volk an seinen Feinden rächte. Ist dies nicht geschrieben im Buch des Frommen? Also stand die Sonne mitten am Himmel und verzog unterzugehen beinahe einen ganzen Tag. (14) Und war kein Tag diesem gleich, weder zuvor noch danach ...

Dieses Ereignis gehört gewiss zu den merkwürdigsten, die im Alten Testament geschildert werden. Viele Deutungsversuche für das Stillstehen der Sonne am Mittagshimmel, wenn man nicht den ganzen Vorfall als eine fromme "Erfindung" abtun will, wurden unternommen; doch es kam jedesmal nur ein "vorübergehendes Anhalten der Erdrotation" dabei heraus, was aber völlig abwegig ist. Die Erde ist nicht an ein Stromkabel angeschlossen, dessen Schalter auf "ein" oder auf "aus" gestellt werden kann.

Bekanntlich ist die Erddrehung eine Trägheitswirkung. Wird die Erde angehalten - wodurch das auch immer möglich sein sollte -, so bleibt sie stehen, bis sie wieder in Gang gesetzt wird. Das wiederum ist nur möglich, indem man sie in entgegengesetzter Richtung mit derselben Kraft anschiebt, mit der man sie vorher abgebremst hat. Selbst durch Typhon war es nie zu einem völligen Stillstand der Erdrotation gekommen, was auch physikalisch gar nicht zu erwarten war.

Es kann daher nur einen scheinbaren Sonnen- bzw. Erdstillstand und diesen nur auf eine einzige Art und Weise geben:

Die Rotation der Erde muss durch eine Ablenkung aus
ihrer Bahn kompensiert werden.

Die Winkelgeschwindigkeit der Erdrotation beträgt 360° in 24 Stunden oder 15°/h. Wird nun die Erde innerhalb einer Stunde um 15° aus ihrer Bahn entgegen der Rotationsrichtung abgelenkt, dann heben sich beide Bewegungen auf, so dass die Sonne "still am Himmel" steht. Wird die Erde um mehr als 15° aus ihrer Bahn abgelenkt, dann wird die Rotation überkompensiert, so dass die Sonne am Himmel zurückzuschreiten scheint (Retrogression). Offensichtlich hat es im Jahre 676 ndFl ein solches Ablenkungsmanöver gegeben.

Kommen Kompensation (scheinbarer Stillstand) und Überkompensation (Retrogression oder scheinbares Zurückschreiten) im Verlauf einer Bahnstörung vor, dann sind die Stationen, die nacheinander beobachtet werden können, folgende:

  1. langsames Abbremsen der Sonnenbewegung am Himmel;
  2. scheinbarer Sonnenstillstand;
  3. Höhepunkt, d.h. stärkste Einwirkung des "Fremdkörpers": Retrogression;
  4. neuerlicher scheinbarer Stillstand;
  5. langsam wieder einsetzendes Voranschreiten;
  6. ungestörter Verlauf, jedoch in einer veränderten Bahn gegenüber der vorigen.
Der scheinbare Sonnenstillstand müsste zu den jeweiligen Tageszeiten des Beobachtungsortes rund um den Erdball zu verfolgen gewesen sein; lediglich auf der Nachtseite unseres Planeten wäre eine Verwunderung darüber zu erwarten, dass die Nacht länger als gewöhnlich zu dieser Jahreszeit dauerte. Möglicherweise bemerkten aber wachende Bewohner dieser Hemisphäre - es handelte sich überwiegend um Südseeinsulaner - einen merkwürdigen Gegenstand über den Himmel ziehen.

Die Mayas berichten, dass 52 Jahre nach einer großen Katastrophe (gemeint sein kann nur die Katastrophe Typhon 4) eines morgens die Sonne nicht aufgehen wollte. Dies ist übrigens die wichtigste Angabe zur Datierung dieses Phänomens, und außerdem erfahren wir in dem Zusammenhang, dass die voraufgegangene große (Typhon-)Katastrophe in Mittelamerika Flutwellen und Erdbeben auslöste.

52 Jahre nach Typhon 4, also im Jahre 676 ndFl, endete der jüdische Usia-Kalender, und der griechische Olympiadenkalender musste einer Revision unterzogen werden. Außerdem musste der König Josia, der mit obigem Josua in dessen Version Nr. 2 identisch ist, den Passah-Kalender reformieren.

Der Maya-Bericht ist sehr genau, was den Verlauf der gestörten Sonnenbahn angeht: Hiernach stolperte die Sonne, als sie gerade aufgehen wollte, über ein Seil, das ein böser Bube vor ihre Füße gespannt hatte, so dass sie rücklings wieder unter den Horizont hinabstürzte. Daraus geht hervor, dass die Sonne nicht nur scheinbar in ihrem Lauf anhielt, sondern dass sie - wie oben beschrieben - auch rückwärts ging. Hierauf gibt uns auch das AT einen deutlichen Hinweis:

Hiskia und Merodachbaladan

2. Könige 20: (7) Und Jesaja sprach: Bringet her ein Pflaster von Feigen! ... (8) Hiskia aber sprach zu Jesaja: Welches ist das Zeichen, dass mich der Herr wird gesund machen ...? (9) Jesaja sprach: Das Zeichen wirst du haben ...: Soll der Schatten [eig. Anm.: des Zeigers an der Sonnenuhr in Jerusalem] zehn Stufen fürdergehen oder zehn Stufen zurückgehen?

(10) Hiskia sprach: Es ist leicht, dass der Schatten zehn Stufen niederwärts gehe [Eig.Anm.: weil das an einer Sonnenuhr kurz vor Mittag ganz natürlich ist]; das will ich nicht, sondern dass er zehn Stufen hinter sich zurückgehe. [Beachte: Er sagt nicht "hinaufgehe", sondern er betont das "Zurückgehen" des Zeigers!]

(11) Da rief der Prophet Jesaja den Herrn an; und der Schatten ging hinter sich zurück zehn Stufen am Zeiger [der Sonnenuhr] des Ahas [oder des David II?], die er war niederwärts gegangen.

Der Prophet Jesaja war zwar im Jahre 676 ndFl, dem Jahr des oben beschriebenen Ereignisses, vermutlich schon tot; aber es handelt sich hier um eine Stelle von großer ideologischer Bedeutung, an der die Anwesenheit Jesajas, des Großvaters von Hiskia, unbedingt erforderlich war. Es ist das Pestjahr, das schon im Vorjahr einsetzte, als auch die Assyrer schwere Verluste in ihrem Heere durch die Pest einstecken mussten, als sie Jerusalem belagerten. Hiskia war spätestens im folgenden Jahr 677 ndFl schon wieder gesund, wurde aber von Josua-Josia getötet. Darüber ist im vorangegangenen Kapitel schon abgehandelt worden. Hiskia war mit Joas-Josia = Josua (II), seinem Widersacher, Zeitzeuge ein und desselben Sonnenereignisses. Dafür sprechen auch noch andere Hinweise:

2. Könige 20: (12) Zu der Zeit sandte Merodach-Baladan, der Sohn Baladans, König zu Babel, Briefe und Geschenke zu Hiskia... (13) Hiskia zeigte ihnen das ganze Schatzhaus... und das Zeughaus...

Daneben gibt es noch eine außerbiblische jüdische Überlieferung, die von der Kontaktaufnahme Merodachbaladans mit Hiskia berichtet:1

Merodach-Baladan nahm jeden Tag zur dritten Stunde nach dem höchsten Sonnenstand sein Mahl ein, zur neunten Stunde ging er schlafen. Sein Tageslauf wurde gestört, als Gott - um dem König Hiskia in Jerusalem ein Zeichen zu geben - die Sonne versinken und wieder hochsteigen ließ.

Hier muss zunächst einiges klargestellt werden, da offenbar zuviel dichterische Freiheit darin steckt: Verglichen mit den übrigen Zeitangaben rund um den Globus kann es sich in diesem Falle nur um den Mittagsschlaf des Königs gehandelt haben. Interessant ist der Hinweis auf das Zeichen, das dem Hiskia gegeben werden soll: hier wird auf die Krankheit Hiskias angespielt. Der Text fährt fort:

Als die Sonne wieder an ihrem Platz war, da erwachte Merodach, der sich bei Sonnenuntergang [Irrtum; siehe oben!] schlafen gelegt hatte. Als er die Sonne in der Position des frühen Nachmittags [!] sah, da wurde er wütend gegen seine Knechte: Ihr habt mich schlafen lassen bis Mittag [Eig.Anm.: dies kommt der Wirklichkeit schon näher!]. Die Knechte antworteten: Der alte Tag hat nicht aufgehört und dauert noch immer an.

Da fragte der König: Welcher Gott hat einen Tag sofort auf den anderen folgen lassen? [gemeint ist: ohne Nacht dazwischen] Die Knechte sagten: Das war der Gott Hiskias. Merodach fragte darauf: Gibt es denn einen Gott, der mächtiger ist als mein Gott? Er erhielt die Antwort: Der Gott Hiskias ist der mächtigste von allen. Hierauf schickte der König von Babel Bücher und Geschenke nach Jerusalem [vgl. 2. Kön. 20, 12]. Er schrieb einen Brief, der so begann:

Friede Hiskia, dem Könige,
Friede der Stadt Jerusalem und
Friede dem großen Gott.

Als aber die Gesandten mit Brief und Geschenken eben gehen wollten, da dachte er: ich habe Unrecht getan, dass ich Hiskia und seine Stadt in der Anrede dem großen Gott vorangestellt habe.

Merodach erhob sich von seinem Sessel und machte drei Schritte, um die Boten zurückzuholen. Danach schrieb er einen zweiten Brief, dessen Überschrift lautete:

Friede dem großen Gott,
dem König Hiskia und
der Stadt Jerusalem !

Da sprach der Herr zu ihm: Du bist von deinem Thron aufgestanden und hast drei Schritte getan mir zu Ehren. Ich will dafür von deinen Nachkommen drei Fürsten erheben, die sollen über die ganze Welt herrschen. Diese drei sind: Nebukadnezar, Ewil-Merodach und Belsazar.

Ich werde zeigen, dass es sich bei diesen drei Herrschern um den Sohn Merodach-Baladans und dessen beiden Söhne handelt, was in der konventionellen Geschichte völlig ausgeschlossen wäre, da dort eine Identität des Sanherib-Zeitgenossen

Merodach-Baladan (= Marduk-apal-idin bzw. -ussur)

mit dem Assurbanipal-Zeitgenossen

Nabopolassar (= Nabu-apal-ussur bzw. -idin)

unmöglich ist. Letzterer ist anerkanntermaßen der Vater des Nebukadnezar (= Nabu-ach-idin, Nabu-acha-idinna[-zer] bzw. Nabuchodonoser), und dieser ist sowohl der Vater des Belsazar (Daniel 5, 2.11) als auch des Ewil-Merodach = Awil-Marduk, was in Bezug auf Belsazar konventionell bestritten wird.

Es heißt in einer Inschrift:

Im 1. Jahr Nabopolassars,
am 17. Nisannu, fiel ein
Schrecken auf Babylon.

Wer möchte daran zweifeln, dass dieser "Schrecken", der inmitten eines Thronfolgekrieges datiert wird, in dem ohnehin schlimme Dinge passieren, ein Schrecken von besonderer Art ist, und zwar der, den der scheinbare Sonnenstillstand verbreitete?

Nabopolassar, der wie gesagt mit Merodachbaladan identisch ist, war der Chronik zufolge am 26. Arachsamnu (= Marcheschwan, etwa Oktober/November) auf den Thron von Babylon gestiegen. Der Schrecken fiel noch in seinem ersten Jahr (676 ndFl) auf die Stadt, und zwar am 17. Nisannu (= März/ April). Folglich kann das Jahr 677 ndFl, also das zweite Jahr Nabopolassars, nicht schon begonnen haben.

Nach heute gültiger Auffassung steht der Monat Abib oder Nisan zwar am Beginn des jüdischen Sakraljahres; doch ich bin der Ansicht, dass in dem damals gültigen Kalender - zumindest in Babylon - der Nisannu der letzte Monat des Jahres war, so dass der scheinbare Sonnenstillstand in das Jahr 676 ndFl gehört. Im bürgerlichen jüdischen Kalender ist der Nisan der 7. Monat des Jahres. Allerdings ist in diesem Falle der Marcheschwan ein Vorjahrsmonat. Da die Kalenderreform erst nach dem "Schrecken" vorgenommen worden sein kann, so können wir es bei der vorgeschlagenen Handhabung belassen.

Wenn auch die Chronik den "Schrecken" nicht näher bezeichnet, so halte ich es doch für vertretbar, in Kriegszeiten an einen außergewöhnlichen Schrecken zu denken, was auch im Hinblick auf die Identität von Merodach-Baladan mit Nabopolassar, von Sanherib mit Assurbanipal und von Joas-Josia-Josua (II) mit dem "Rabsakeh Jonas" des Sanherib nur mit dem scheinbaren Sonnenstillstand zu verbinden ist. Ich brauche wohl nicht zu betonen, dass sich auch die übrigen Fakten, die zu den genannten Identitäten gehören, mühelos in das Zeitgeschehen einordnen lassen.

Josias Passah-Reform fand in seinem 18. Jahr statt, also 678 ndFl, was mit dem 18. Jahr des Joas übereinstimmt, des Widersachers von Amazja, in dem wir Hiskia sehen dürfen. Es gibt kein anderes Jahr, das so gut für eine Kalender- oder Passah-Reform in dieser Zeit geeignet wäre wie gerade das Jahr 678 ndFl.

Wir wollen einen "Blick über den Zaun" in andere Kulturkreise werfen, um zu sehen, wie dort die Menschen diesen "Schrecken" erlebten:

Die "Maus" der Mayas
Wie ich oben schon sagte, glaubten die Mayas, dass die Sonne über ein Seil gestolpert sei, das ein böser Bube vor ihre Füße gespannt hatte. Sie fiel rücklings wieder unter den Horizont, was wir als Retrogression bezeichnet haben, als scheinbares Zurückschreiten (auf der Tagesbahn). Dann sei eine Maus gekommen, die habe das Seil durchgebissen, und die Sonne habe ganz normal ihren Tageslauf weiterge­führt.
Diese "Maus" war offensichtlich ein auf die Sonne gerich­teter Himmelskörper, der die Ablenkung der Erde aus ihrer Bahn bewirkte und von dem wir weiter nichts wissen, als dass er die Gestalt einer Maus hatte. Er zog seine Bahn außerhalb der Erdbahn, so dass er am Nachthimmel über Mit­telamerika sichtbar war. Von anderen Gegenden ist keine Beobachtung eines Himmelskörpers in Verbindung mit diesem scheinbaren Sonnenstillstand bekannt.
Falls die "Maus" der Erde entgegen kam, so musste sie am Westrand des Horizonts der Mayas untergegangen sein, was der Vorstellung zuwider­läuft, sie habe das Seil "vor den Füßen der Sonne" durch­gebissen. Kam die "Maus" aber "von hinten", also aus der Richtung, aus der auch die Erde kam, dann entfernte sie sich über dem Ostrand des Maya-Horizonts. Das entspräche der Vorstellung, die "Maus" habe das Seil unterhalb des Horizonts vor den Füßen der Sonne durchgebissen. Weniger wahrscheinlich ist es demnach, dass die "Maus" hoch am Himmel in den Tiefen des Weltraums verschwand. In diesem Fall entspräche das Bild nicht der Vorstellung, die "Maus" sei der Sonne entgegengeeilt, um sie aus ihrer misslichen Lage zu befreien.
Diese Verlängerung des Tages war nicht auf eine Verlangsamung der Erddrehung zurückzuführen, und die Sonne war schon gar nicht dafür verantwortlich. Man kann sich das so vorstellen, dass der Standort des Beobachters, der sich normalerweise mit einigermaßen konstanter Geschwindigkeit der Sonne im Osten entgegen bewegt, wegen der Ablenkung aus der alten Erdbahn mehr Zeit benötigt, um die Sonne zu treffen. Wenn er sie endlich getroffen hat, dann läuft sie ihm wieder davon, weil sein Standort (in der Retrogressions-Phase) erneut von der Sonne weg bewegt wird. Erst wenn keine Ablenkung mehr erfolgt, wandert der Standort des Beobachters wieder mit normaler Geschwindigkeit der Sonne entgegen.    
Aufgrund der angegebenen Jahreszeit (Frühlings-Tagnachtgleiche) lässt sich sagen, dass der Sonnenaufgang um 6 Uhr Ortszeit stattgefunden haben müsste. Wenn es in der Heimat der Mayas, in Yucatan (90° West), 6 Uhr ist, dann ist es in Palästina (35° Ost) acht Stunden und zwanzig Minuten später, also kurz nach 14 Uhr Ortszeit. In Babylon (42° Ost) ist es ungefähr eine halbe Stunde später, also kurz vor 15 Uhr Ortszeit. Das entspricht dem Hinweis auf den Beginn des Mittagessens bzw. –schlafes des Merodach-Baladan. Nicht genau würde es dem „Hinaufgehen“ an der Sonnenuhr in Jerusalem entsprechen; deshalb liegt hier die Betonung auf dem „Zurückschreiten“ des Zeigerschattens.
Es ist aber auch zu fragen, wie viel Zeit zwischen dem zu erwartenden Sonnenaufgang und dem Beginn des beobachteten Zurückschreitens anzusetzen ist; denn wenn in Yucatan die Sonne erst sichtbar wurde, als sie wieder unter den Horizont zurückfiel, dann war sie bereits „verspätet“, nämlich schon vor dem Aufgehen abgebremst worden bis zum scheinbaren Stillstand, so dass sie erst gegen 7 Uhr Ortszeit am Horizont sichtbar wurde und sogleich wieder für etwa eine halbe Stunde unter den Horizont zurückfiel, bis sie endlich wieder erschien und ihren Tageslauf fortsetzen konnte. Das Abbremsmanöver müsste demnach gegen 6 Uhr eingesetzt haben, aber auch nicht viel später, weil sonst das Zurückschreiten unter den Horizont - etwa eine Stunde später - nicht hätte beobachtet werden können.     
Was in Yucatan überdeutlich war, fiel in der alten Welt vermutlich zunächst gar nicht auf, sondern wurde erst deutlich, als die Sonne schon einige Zeit „stillstand“ und begann, rückwärts zu laufen. Insofern ist die Zeitangabe bei den Mayas besonders präzise, während wir zum Beispiel bei Babylon gesehen haben, dass die Angaben betreffs des Zeitpunktes des Geschehens eher etwas verworren sind. Einige Stunden später am Tag muss die Uhr in Ostasien schon angezeigt haben:
  
China
Aus China wird berichtet, der Fürst Lu-Yang habe eine Schlacht fast gewonnen gehabt, als der Abend hereinbrach. Aus Furcht, die drohende Dunkelheit könne seinen endgülti­gen Sieg gefährden, habe er der Sonne mit der Spitze sei­nes Speeres ein Zeichen gegeben, woraufhin diese sogleich durch "drei Sonnenhäuser" zurückgegangen sei. So konnte Lu-Yang seinen Sieg vollenden.

Ich kann mich des Eindruckes nicht erwehren, dass diese Geschichte auf Josua übertragen wurde - und nicht etwa umgekehrt -, da auf dem Schlachtfeld in Palästina erst Mittag war und keine Gefahr bestand, dass die Sonne vor Josuas Sieg untergehen würde - falls es hier überhaupt eine Schlacht gegeben haben sollte, was ich im vorangegan­genen Kapitel bereits bezweifelt habe. Der 18 Uhr-Meridian, wenn es in Yucatan 6 Uhr ist, entspricht dem 90sten Längengrad Ost, verläuft also durch Tibet und die westliche Mongolei. Sollte hier der Schlachtort des Lu-Yang liegen? Weiter im Osten, im eigentlichen China, war es schon dunkel.

Lu-Yangs Gegner war Han, dessen Dynastie vorsichtig in das 5. vorchristliche Jahrhundert gelegt wird. Auch darin sehe ich ein Zugeständnis an die falsche Chronologie der gesamten Antike. Bezüglich der chinesischen Geschichte, auf die ich hier natürlich nicht ausführlich eingehen kann, möchte ich zeigen, dass auch hier die falsche Chronologie Einzug gehalten hat.

So werden die sog. "streitenden Reiche" in die Zeit von 722 bis 221 v.Chr. verlegt, also auf einen Zeitraum von 500 Jahren. Im Anschluss daran kommt der Kaiser Shi Huang Di aus der Qin-Dynastie auf den Thron (221-206 v.Chr.), der die berühmte Terrakotta-Armee geschaffen hat und in dessen Tagen tatsächlich der scheinbare Sonnenstillstand stattgefunden hat: 676 ndFl = 204 v.Chr.! Ist Shi-Huang etwa identisch mit Lu-Yang? In Anbetracht der Bedeutung des neuen imperialen Herrschers für China wäre die Verbindung seines Sieges mit dem Sonnenspektakel - ähnlich wie bei Josua - mehr als angebracht.

Bei der Betrachtung der Zahl 500 im vorigen Absatz kommen mir Erinnerungen an die römische Zahl "D" (= 500), die wir aus dem AUC(D)-Kalender eliminiert haben! Die konventionellen Datierungen des Sonnenspektakels in der Geschichte des vorderasiatischen Altertums seien hier nochmals zusammengefasst wiedergegeben:

12. Jhdt. v.Chr.: Josua
 8. "     "     : Hiskia, Merodachbaladan, Sanherib (und sein Rabsakeh = hebräischer Feldherr Jonas-Joas-Josia-Josua)
 7. "     "     : Nabopolassar, der Vater Nebukadnezars, der mit Merodachbaladan identisch ist.


Die astronomischen Auswirkungen der "Maus" 676 ndFl

Wie im 6. Kapitel des fünften Buches in Band 3 (Die Katastrophe Typhon 4) schon gesagt wurde, erfuhr die Erdachse im Jahre 676 ndFl eine nicht unerhebliche Drehung, durch die der Himmelspol vom Sternbild des Großen Bären in das Sternbild Drache verlagert wurde. Das bedeutet, dass sich der Stand der Jahreszeit fast um einen halben Monat veränderte. Demnach erfolgte die Verlagerung des Himmelspols vom Großen zum Kleinen Bären im Jahre 676 ndFl zunächst in Form einer Teilverlagerung.

Die Erdachse hat sich nach Typhon 4 zunächst sehr schnell aufgerichtet. Ihre Aufrichtungstendenz war bis 676 ndFl auf einen im Verhältnis zu den zurückliegenden Bewegungen sehr geringen Wert abgesunken. Die Achse erfuhr 676 ndFl wahrscheinlich zusätzlich noch eine ebenfalls geringfügige Aufrichtung.

Die Erde setzte nach dieser Bahnstörung ihren Sonnenumlauf in einer neuen Bahn fort, deren Ebene (die Ekliptik) gegen die vorige in der Weise gekippt war, dass der Ekliptikpol vermutlich weder dort lag, wo er vor 676 ndFl gelegen hatte, noch dort, wo er nach 728 ndFl lag und auch heute noch liegt: im Sternbild Drache, auf der Brust des Nilpferdes; denn dort lag der Himmelspol.

Die Bahn der Erde war außerdem länger geworden als die vorige: Das Jahr hatte nun 375 Tage, der mittlere Erdbahnradius - das ist die große Halbachse der Ellipsenbahn - betrug mit 152,15 Mio km "nur" 2,65 Mio km mehr als heute, aber etwa 4 Mio km mehr als vor Typhon 4. Die seit dieser Katastrophe gültigen Kalender mussten geändert werden.

Die Masse der "Maus", die mehr als nur ein mausgestaltiger Komet gewesen sein dürfte, war ansehnlich, da sonst eine so dramatische Bahnänderung nicht zu erklären wäre. Wegen der kurzen Umlaufzeit und der ausgebliebenen Verwüstungen kann bei diesem Himmelskörper kaum an Typhon gedacht werden. Wenn die "Maus" der Erde entgegengekommen sein sollte, dann ist Typhon sofort wegen der "falschen" Richtung auszuschließen. Kam sie jedoch von der anderen Seite und in einem wesentlich größeren Abstand als Typhon zu früheren Zeiten, dann kann sie mit ihm identisch gewesen sein. Alles das sind vage Spekulationen, da auf nähere Einzelheiten keine Hinweise vorliegen. Wir kennen lediglich die Auswirkungen, d. h. den scheinbaren Sonnenstillstand und -rückschritt.

Die im 7. Kapitel des ersten Buches in Band 1 (Kalender und Chronologie) bereits besprochenen Auswirkungen des scheinbaren Sonnenstillstands auf den Kalender und die Astronomie ganz allgemein sollen hier noch einmal kurz zusammengefasst werden:

Im ganzen Vorderen Orient wurde der Epagomenen-Kalender eingeführt, der einen Zweijahres-Zeitraum mit 25 Monaten zu je 30 Tagen umschloss. Die Römer bevorzugten hingegen ein Jahr mit 10 Monaten zu abwechselnd 38 und 37 Tagen. Die Griechen wandelten ihren Olympiaden-Kalender ab in einen Kalender, der nur noch die Jahre seit der Einführung dieses Kalenders im Jahre 624 ndFl zählte. Sie machten aus dem 1. Jahr der 14 Olympiade das 53. Olympiadenjahr. Diese Zählung behielten sie bis in die Römerzeit bei.

Es ist zu bedenken, dass das Epagomenenjahr extrem lang war und deshalb in den folgenden 52 Jahren bis zur Xerxesnacht ein ganz ansehnlicher Überhang an Tagen gegenüber dem 360- bzw. 361,25-Tage-Jahr zusammenkam, der ungefähr zwei Jahre von "normaler" Länge ausmachte. Insofern waren die nominalen Abstände von je 52 Jahren zwischen den Bahnverlagerungen in Tagen gezählt nicht gleich.

Um dem Leser eine Vorstellungshilfe an die Hand zu geben - die keineswegs den Tatsachen entsprechen muss, sondern nur kann -, dienen die zwei schematischen Zeichnungen am Ende dieses Kapitels, aus denen der von der Erde aus zu beobachtende Vorgang eindeutig hervorgeht. Die Bahn der "Maus" kann aber auch über die Erde hinweg, also über den Nordpolarbezirk, auf die Sonne gerichtet gewesen sein. Diese Version würde sowohl erklären, dass die Mayas die "Maus" auf die Sonne zu laufen sahen, als auch mit der Tatsache harmonieren, dass aus den im Tageslicht liegenden Gegenden keine anderen optischen Eindrücke überliefert sind als die von der Sonnenanomalie an sich.

Erdbahn und Bahn der "Maus"
Abb. 8 Blick von Norden auf die Erdbahn mit eingezeichneter möglicher Bahnrichtung der "Maus".


Erdbahnablenkung und Retrogression
Abb. 9 Schematische, nicht ganz maßstabgerechte Darstellung der Ablenkung der Erde aus ihrer Bahn durch die "Maus". Der Punkt P behält nach der ersten Stunde seine Mittagsposition bei, liegt in der zweiten Phase jedoch vor dem Mittagspunkt: Retrogression.


Letzter Stand: 25.11.2011

1 Entnommen aus Gerhard Konzelmann, Aufbruch der Hebräer, Desch Verlag München, Seiten 144/145


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