Zehntes Buch: Darius und Xerxes

2. Kapitel:

Hellas im Peloponnesischen Krieg
Teil III: Das Erste Buch im "Polemos" (1. Teil)

Wie ich an früheren Stellen dem Leser bereits deutlich gemacht habe, ist das dem Thukydides zugeschriebene Buch Der Peloponnesische Krieg1 ein von mindestens zwei Autoren verfasstes Werk, das offenbar noch von einem oder sogar von mehreren späteren Redakteuren (Kopisten) überarbeitet worden ist. Konventionell geht man davon aus, dass in dem Ersten Buch die Geschichte Griechenlands vor dem Peloponnesischen Krieg behandelt wird. Wie wir jedoch noch sehen werden, sind in dieser "Vorgeschichte" im Ersten Buch auch Begebenheiten enthalten, die in den Peloponnesischen Krieg und in die Zeit danach, ja sogar bis in die Zeit nach dem Perserkrieg gehören, der seinerseits in konventioneller Sicht bereits vor dem Peloponnesischen Krieg stattgefunden haben soll. Das Erste Buch ist also mit größter Vorsicht zu behandeln.

Trotzdem werde ich dem Leser den Inhalt des Ersten Buches nicht vorenthalten. Das heißt aber auch, dass Korrekturen an Ort und Stelle durchgeführt werden. Selbstverständlich bleiben einige Fragen noch offen, da die Überlieferung mit offensichtlichen Fehlern behaftet ist, die teilweise nur unter Vorbehalten richtigzustellen sind. Es wird von hier aus auch an Stellen, wo es mir geboten erscheint, auf die Umfeldgeschichte bezug genommen, wodurch der vorgegebene Rahmen Erstes Buch des "Polemos" natürlich gesprengt wird.

Gleich zu Beginn fällt auf, dass die Frühgeschichte Griechenlands im Ersten Buch des "Polemos" unbefriedigend dargestellt wird. Es fehlt der Hinweis auf die karisch-pelasgische Urbevölkerung, die in der Sage wie auch in der Wirklichkeit vor dem Eintreffen der arischen Einwanderer hier schon eine ansehnliche Kultur entwickelt hatte. Es wird lediglich gesagt, dass das Gebiet des pelasgischen Stammes (die Pelasger sind die Megalithiker, Kyklopen oder Karer der vorgriechischen Zeit) das größte vor dem Trojanischen Krieg in Hellas gewesen sei, und dass der Name "Hellas" dem gleichnamigen Sohn des Deukalion entlehnt sei. Diese Passage klingt gänzlich unhistorisch, so dass ich es mir versage, hierauf näher einzugehen.

Unter anderem wird die "Kolonisierung Ioniens", also der Küsten und Inselwelt Kleinasiens, als Ventil für die angewachsene Bevölkerung auf dem Boden von Hellas angesehen, obwohl doch eindeutig klargestellt ist, dass die Einwanderung in umgekehrter Richtung erfolgte. Hier müssen Fehler von späteren Kopisten (Redakteuren) eingeflossen oder gar absichtlich eingebaut worden sein. Eine spätere Rückwanderung von Europa nach Asien ist natürlich in geringerem Umfange nicht auszuschließen.

Konkret wird die Geschichtsdarstellung erst mit Thuk. I, 4 und einem eindeutigen Hinweis auf die Zeit vor dem Trojanischen Krieg:

Der älteste Hellene, der eine Flotte geschaffen hat, war, soweit unsere Kunde reicht, Minos (der Sohn des Asterion-Poseidon und der Thetis, nicht des Zeus mit Europa, wie gesagt wird). Er gewann die Herrschaft über den größten Teil des heutigen hellenischen (ägäischen) Meeres, eroberte die Kykladen (die Inseln der Kyklopen?) und besiedelte zum ersten Mal die meisten dieser Inseln, indem er die Karer (= Kyklopen) verjagte und seinen Söhnen die Leitung der Kolonien übertrug.

Hier hat der Schreiber Minos mit dessen Vater Poseidon verwechselt, der seine Söhne Minos (auf Kreta) und Atlas (auf Kaph-Thera, Atlantis) zu Erben seiner Thalassokratie eingesetzt hatte. Herodot (I, 171) bezweifelte schon die Angabe, die Karer seien erst nach der minoischen Zeit von den Inseln aufs ionische Festland gekommen:

Die Karer selbst widersprechen dem und behaupten, Ureinwohner des Festlandes zu sein, auch von jeher ihren heutigen Namen gehabt zu haben.

Ab Thuk. I, 9 wird die Darstellung wieder sagenhaft, und zwar besonders im Hinblick auf Agamemnon und den Trojanischen Krieg. Die geschichtlichen Tatsachen gehen in der bekannten Weise mit den sagenhaften Angaben durcheinander, wie sie schon in den entsprechenden Kapiteln von mir rehistorifiziert worden sind. Man merkt an dieser Stelle überdeutlich, dass der Verfasser des "Polemos" von den Ereignissen der Vergangenheit und der fernen Vorzeit nichts Genaueres in Erfahrung bringen konnte (Thuk. I, 1), wie er selbst sagt.

Gleichfalls unglaubwürdig sind die Angaben (Thuk. I, 12), dass sechzig Jahre nach dem Fall von Ilion (Troja) Thessalier die Boioter aus Arne verdrängt hätten, dessen Lage nicht näher zu bezeichnen ist, und alle weiteren Angaben, die dazu gemacht werden, und besonders die unhistorische Behauptung, die Peloponnesier hätten Italien und Sizilien besiedelt. Das alles spricht für eine wirklichkeitsferne Sicht aus späterer Zeit. Sechzig Jahre nach dem Untergang von Troja (636 ndFl) befinden wir uns schon im Peloponnesischen Krieg. Nicht die Peloponnesier, sondern die Dorer waren es, die schon vor längerer Zeit über die Adria nach Italien und Sizilien gezogen waren, von wo aus sie später auf die Peloponnes herübergezogen sind.

(Thuk. I, 13) Während Hellas mächtiger wurde und sich mehr als vorher daran machte, seinen Wohlstand zu heben, entstanden in den meisten Städten Tyrannenherrschaften, weil die Einkünfte reicher flossen - vordem herrschten Erbkönige mit bestimmten Ehrenrechten -, und Hellas rüstete Flotten aus und verlegte sich noch mehr auf die Schifffahrt.

Die Logik in diesem Textteil ist nicht gerade frappierend; aber die Tyrannenherrschaft stand tatsächlich am Anfang, wenn auch die Athener zunächst - wie die Spartaner noch lange - von Königen regiert wurden. Im Verständnis der damaligen Zeit waren Tyrannen nicht unbedingt Gewaltherrscher, sondern eher als Diktatoren zu bezeichnen, die aber auch, wie die Peisistratiden, eine königsähnliche Erbherrschaft anstrebten. Der Text fährt dann fort:

Die Korinther sollen die ersten gewesen sein, die das Seewesen ganz in der heutigen Weise handhabten; auch sollen in Korinth die ersten Dreiruderer der Hellenen gebaut worden sein. Es ist bekannt, dass der Korinther Ameinokles für die Samier vier Schiffe gebaut hat; seit der Ankunft des Ameinokles in Samos sind bis zum Ende dieses Krieges etwa dreihundert Jahre vergangen.

Auch diese Zeitangabe entspringt einer späteren Betrachtungsweise, als es längst zur Gewohnheit geworden war, die Geschichte zu überdehnen. Diese Angabe würde in ein Jahr um etwa 420 ndFl führen, also in die Zeit "zwischen den beiden Zeus". Es erscheint mir plausibel, dass Ameinokles noch vor dem Tyrannen Amphikrates auf Samos regierte. Das ist alles ziemlich unsicher; aber es entbehrt nicht einer gewissen Wahrscheinlichkeit, dass Ameinokles um das Jahr 650 ndFl (also siebzig Jahre vor dem Ende des Krieges) auf Samos lebte, und vierzig Jahre später, nämlich dreißig Jahre vor dem Ende des Krieges statt der angegebenen zweihundertsechzig Jahre vor diesem Zeitpunkt, die erste Seeschlacht zwischen Hellenen stattfand, nämlich die zwischen Korinthern und Korkyräern (689/691 ndFl), womit wir wieder in der in Rede stehenden Zeit angekommen wären. Dann heißt es:

(Thuk. I, 13) Später, unter der Regierung des Kyros, des ersten persischen Königs, und seines Sohnes Kambyses, bauten sich auch die Ionier eine starke Flotte und beherrschten in den Kriegen mit Kyros eine Zeitlang das ionische Meer. Auch Polykrates, der zur Zeit des Kambyses Tyrann von Samos war, hatte eine starke Flotte und unterwarf viele Inseln, darunter Rheneia ... Und die Phokäer besiegten, als sie Massalia (das heutige Marseille) kolonisierten, in einer Seeschlacht die Karthager.

Das letztere gehört schon in die ersten Kämpfe der Punischen Kriege. Vermutlich war es Dionysios aus dem ionischen Phokäa, der in der zweiten Hälfte des Peloponnesischen Krieges als Seeräuber in der Ägäis gekreuzt hatte, der über Massalia und das sizilische Phokäa nach Syrakus gelangte, wo er die Tyrannis für einige Jahre ausübte. Wie wir sehen, liegen alle diese Ereignisse nur kurz vor, im und teilweise sogar nach dem Peloponnesischen Krieg.

Thuk. I, 14 befasst sich mit den Schiffstypen der damaligen Zeit bei den Hellenen und den anderen Mittelmeervölkern. Da heißt es auch:

... Das waren die letzten bedeutenden hellenischen Flotten vor dem Feldzug des Xerxes. Die Ägineten und Athener nämlich ... hatten damals nur kleine Flotten, die meist aus Fünfzigruderern bestanden. Spät erst überredete Themistokles die Athener, für die Kriege mit Ägina und den bevorstehenden Einfall der Barbaren jene Schiffe zu bauen, mit denen sie dann die Seeschlacht (bei Salamis 728 ndFl) gewannen ...

Xerxes und Themistokles sind eindeutig Personen, die in die Zeit der Perserkriege gehören und zu deren Zeit ein Krieg Athens mit Ägina (auch Aigina geschrieben) stattgefunden hat. Wie ich noch zeigen werde, kann der "Polemos"-Autor den Perserkrieg wohl kaum noch erlebt haben, und somit sind alle Angaben im "Polemos" zu diesem Krieg unter dem Blickwinkel zu sehen, dass sie von einem späteren "Redakteur" stammen könnten. Weiter unten komme ich auch auf den alten Krieg zwischen Chalkis und Eretria zurück (Thuk. I, 15; vgl dazu auch Herodot V, 77; das betrifft das Jahr 679 ndFl!).

Dass Kyros schon die ionischen Festlandstädte und Darius die Inseln erobert haben sollen, wie in Thuk. I, 16 gesagt wird, steht im Widerspruch zu der geltenden Ansicht, dass der Delisch-Attische Seebund (geschlossen konventionell in den Jahren 478/477 v.Chr., de facto jedoch vor dem Perserkrieg 480/479 v.Chr.) diese Gebiete noch eindeutig perserfrei ausweist.2

Offensichtlich mangelt es auch in der Betrachtung des Seebundes, der konventionell zudem hundert Jahre später abermals geschlossen wird (so genannter 2. Attischer Seebund 378/377 v.Chr), an Übersichtlichkeit, und zwar ganz besonders, was die Rolle Milets, das (konv.) 494 v.Chr. schon zerstört worden sein soll, in diesem Bündnis angeht. Die Gründung des Delisch-Attischen Seebundes gehört bereits in das Jahr (konv.) 424 v.Chr., in dem die "Kleonschatzung" für eine (angebliche) Reorganisation der Tributzahlungen der Seebundsmitglieder gesorgt haben soll. Das entspräche dem Jahr 692 ndFl, also dem ersten Jahr des ("langen") Peloponnesischen Krieges, in dem Milet noch frei war. Der 2. Seebund wurde gegründet, als Hakoris, der Statthalter der Perser in Ägypten, von Persien abfiel (Diodor XV, 29); das wäre kurz nach 720 ndFl gewesen. Darauf komme ich wieder zurück.

Eine weitere Überdehnung wird in Thuk. I, 18 vorgenommen: Lakedaimon ... ist aber am frühesten zu einer Verfassung gelangt und nie von Tyrannen beherrscht gewesen; vierhundert und einige Jahre bis zum Ende des jetzigen Krieges sind schon verflossen, seitdem die Lakedaimonier ihre stets unveränderte Verfassung haben; ...

Interessant ist, dass Herodot (I, 65) hierzu ganz anderer Ansicht ist:

In noch früheren Zeiten hatten sie (die Spartaner) die schlechtesten Gesetze fast von ganz Hellas gehabt und waren so ungesellig gewesen, dass sie weder untereinander noch mit Fremden Verkehr pflegten. Sie erhielten dann auf folgende Weise eine Verfassung...(Gesetzgebung des Lykurg)

An Ungenauigkeiten ist kein Mangel. Der Autor (oder auch ein "Redakteur") des "Polemos" hat hier soeben das "Dunkle Zeitalter Griechenlands und Kleinasiens" geschaffen, nämlich die vierhundert Jahre zwischen Lykurg und dem Ende des Peloponnesischen Krieges; aber diese Zeitspanne in der konventionellen griechischen Geschichte lässt sich auch an anderer Stelle unterbringen! Überflüssig ist sie allemal. Lykurg lebte mitten im siebten nachsintflutlichen Jahrhundert, also nicht lange vor dem Peloponnesischen Krieg. Bis in die Zeit vor Lykurg-Lakedaimon, dem "göttlichen Vorfahren" des Lykurg, würden diese vierhundert Jahre zurückreichen, wenn es sie denn gegeben hätte. In einem Punkt hat Herodot jedoch recht: Die Spartaner hatten in dorischer Zeit - vorher gab es kein Sparta, sondern Amyklai - keine Tyrannen, sondern immer Könige. Als solche traten die Tyndariden schon von Anfang an auf.

Dann meldet sich ganz offensichtlich der von mir vermutete "Polemos"-Redakteur (oder einer von solchen) zu Wort:

(Thuk. I, 18) ... wenige Jahre nach der Vertreibung der Tyrannen aus Hellas, sage ich, fand die Schlacht der Meder gegen die Athener bei Marathon statt. Und zehn Jahre nach dieser Schlacht kamen die Barbaren von neuem mit jenem großen Heere nach Hellas, um es zu unterwerfen.

Die Bezeichnungen "Meder" und "Perser" gehen bei den alten Historiografen schon durcheinander. So wurde Zusammenarbeit mit den Persern "Medismos" (und nicht "Persismos") genannt. Die vorstehende "Verwechslung" ist daher kein Indiz für den Zeitpunkt, zu welchem diese Passage verfasst worden ist. Tatsache ist, dass die Schlachten bei Marathon und Salamis, um die es hier geht, erst während bzw. nach dem Ende des Peloponnesischen Krieges stattgefunden haben: 718 und 728 ndFl, mithin im Abstand von zehn Jahren, wie der Schreiber sagt.

Er weist aber auch daraufhin, dass Marathon "nur wenige Jahre nach der Vertreibung der Tyrannen" anzusetzen sei; konventionell liegt die Schlacht (490 v.Chr.) deutlich später als die Vertreibung des letzten Peisistratiden, des Hippias (510 v.Chr.). Dieser große Abstand verlangt nach einer berichtigten Sicht, in der ein kürzerer Abstand zwischen der Vertreibung des Hippias bis zu der von Herodot (VI, 102) beschriebenen Einmischung des Hippias in die Ereignisse um Marathon auf persischer Seite liegt, wie er sich aus neuer Sicht tatsächlich ergibt: 704 und 718 ndFl. Das sind immerhin nur vierzehn statt zwanzig Jahre.

Die Bezugnahmen auf den Perserkrieg im Ersten Buch des "Polemos" bestätigen meine Ansicht, dass es sich insgesamt um mindestens drei Autoren handelt, die sich um den "Polemos" bemühen: Neben dem Annalen-Schreiber Thukydides, der den Krieg als Feldherr mitgemacht und aufgezeichnet hat, kommt der von mir als "Polemos"-Autor bezeichnete zeitgenössische Historiograf dazu, der die Annalen verarbeitet und um das Erste Buch ergänzt hat, was dann von einem oder gar mehreren Redakteuren aus späterer Sicht, und zwar nach dem Perserkrieg, überarbeitet wurde. Wäre nämlich, wie ich vermute, Xenophon der "Polemos"-Autor gewesen, dann ergäbe sich die Frage, ob dieser überhaupt den Perserkrieg noch erlebt haben könnte? Er kann nur kurz davor verstorben sein, falls er ihn nicht mehr erlebt haben sollte, was nicht sicher ist.

Daher neige ich zu der Ansicht, dass einer der späteren Redakteure des "Polemos" für die Bezugnahmen auf den Perserkrieg verantwortlich ist. Das gilt auch für die Feststellung, dass nach dem gemeinsam durchgestandenen Krieg gegen Xerxes das Bündnis der Hellenen wieder zerfallen sei (Thuk. I, 18):

... Das Bündnis hatte aber nicht mehr lange Bestand, dann entzweiten sich die Lakedämonier und Athener und führten, unterstützt von den Bundesgenossen, gegeneinander Krieg, und alle anderen Hellenen, die Streit miteinander hatten, traten auf die eine oder die andere Seite. So lebten sie von den Perserkriegen bis zu dem jetzigen Krieg teils im Vertragszustand, teils im Krieg miteinander oder mit ihren abgefallenen Bundesgenossen. Es folgt der banale Satz: Dadurch verstärkte sich ihre Kriegsrüstung, und das gefährliche Leben machte sie erfahrener und kriegstüchtiger.

Mit solchen simplen, geradezu überflüssigen Feststellungen kaschiert der "Polemos"-Redakteur den Übergang von einem Anachronismus zum anderen. Schon wieder fällt auf, dass sich der Schreiber auf den Perserkrieg bezieht, der doch noch gar nicht stattgefunden hat.

Auch Thuk. I, 19 ist nicht von überzeugendem Aufschlussreichtum. Hier heißt es:

Die Athener ließen sich mit der Zeit die Schiffe der anderen Städte ausliefern, ausgenommen die von Chios und Lesbos, und legten allen Städten Steuern auf.

Gemeint sein könnte die Gründung des Delisch-Attischen Seebundes bzw. die Kleonschatzung, mit der die Beiträge der Mitglieder festgelegt wurden. Auf diese Vorgänge komme ich wieder zurück.

Der "Polemos"-Autor entschuldigt sich dann für seine Ungenauigkeiten:

(Thuk. I, 20) So viel nur habe ich über die ältere Zeit ermittelt; dabei war es schwer, jedem beliebigen Zeugnis Glauben zu schenken.

Warum sollten wir ihm dann vertrauen? Warum sollten wir nicht berechtigt sein, an seine Angaben neue und andere Maßstäbe anzulegen, die wir aus der berichtigten Chronologie und der neuen Sicht gewonnen haben? Aber recht hat er, wenn er bedauernd feststellt: Die Menschen nehmen die Kunde von den vergangenen Ereignissen, selbst wenn diese im eignen Land vorgefallen sind, ohne Nachprüfung hin und tragen sie weiter.

Genau das ist das Problem, mit dem die gesamte Altertumswissenschaft zu kämpfen hat: Welche Überlieferung ist wahr und welche nicht? Alles andere als vertrauenerweckend ist auch der folgende Stoßseufzer des "Polemos"-Autors einige Zeilen darunter:

(Thuk. I, 20) Es gibt noch viele andere Irrtümer, auch über gegenwärtige Ereignisse, die nicht durch die Zeit verdunkelt sind, und auch bei den anderen Hellenen, nicht bloß bei den Athenern. ... So wenig Mühe verwenden die meisten auf die Erforschung der Wahrheit und geben sich mit den ersten besten Nachrichten zufrieden.

Man bekommt den Eindruck, als meine der "Polemos"-Autor oder -Redakteur mit seiner Kritik ganz besonders Herodot; denn dieser hat sich mit denselben Themen beschäftigt, die jener als Beispiele für solche Irrtümer anführt. Schließlich ist Herodot bestens bekannt für seine "erwürfelten" Ergebnisse und für seine Vorliebe für Zeichen und Wunder, was einen guten Historiografen, wie der Schreiber sich ihn wünscht, nicht gerade auszeichnet. Kann er bei solchen Voraussetzungen selbst aber ein besserer gewesen sein?

(Thuk. I, 21) Gleichwohl wird, wer das, was ich dargelegt habe, auf Grund der angegebenen Beweise als ungefähr richtig annimmt, nicht irre gehen.

Ganz besonders der folgende Satz umreißt die Problematik der antiken Geschichtsschreibung, indem er gleichzeitig auch meine schon oft in vorangegangenen Kapiteln geäußerte Kritik und diesbezüglichen Erklärungsversuche bestätigt:

Er wird nicht den Dichtern glauben, die die alte Zeit in übertreibender Weise verherrlicht haben, noch den Erzählungen der Logografen, die mehr auf Unterhaltung einer lauschenden Menge als auf Wahrheit aus sind. Freilich lässt sich die Wahrheit nicht mehr ermitteln, da das meiste mit der Länge der Zeit bis zu einem unglaubwürdigen Grade sagenhafte Züge angenommen hat.

Zunächst einige Worte zu dem Begriff "Logografen". Der Herausgeber desjenigen "Polemos", aus dem ich zitiere, hat dazu folgendes angemerkt:

Logografen sind Prosaschreiber im allgemeinen (im Gegensatz zu Dichtern), in diesem Zusammenhang offenbar speziell die Historiker vor und neben Thukydides (zum Beispiel Hellanikos). Ob eine Kritik an Herodot hier mitgemeint ist, bleibt zweifelhaft. Dazu siehe meine Ansicht oben!

Dann entschuldigt sich der "Polemos"-Autor abermals bei seinen Lesern:

Er wird aber einsehen, dass ich nach den einleuchtendsten Zeugnissen mit genügender Sicherheit festgestellt habe, was sich nach so langer Zeit überhaupt feststellen lässt.

Auf seinen Satz (Thuk. I, 1): ... denn er (gemeint ist Thukydides) sah voraus, dass es ein großer Krieg, der denkwürdigste von allen, die sich jemals ereignet, werden würde... nimmt der "Polemos"-Autor mit dem folgenden Satz noch einmal bezug:

(Thuk. I, 21) ... Und es wird sich, wenn man die Tatsachen selbst ins Auge fasst, auch zeigen, dass der gegenwärtige Krieg wirklich bedeutender ist als alle vorangegangenen, unbeschadet der menschlichen Eigentümlichkeit, dass man jeden Krieg während seiner Dauer für den allergrößten hält und, wenn er vorüber ist, wieder mehr die älteren bewundert.

Der "Polemos"-Autor wusste nämlich, dass der Perserkrieg, der von seiner Bedeutung her den zwar verlustreicheren und längeren Peloponnesischen Krieg bei weitem übertraf, noch nicht stattgefunden hatte. Vermutlich hat er ihn sogar nie kennengelernt.

Wie der "Polemos"-Autor andeutet, ist die Vorgeschichte des Peloponnesischen Krieges bei Thuk. I, 20 eigentlich zu Ende. Was nun folgt (Thuk. I, 22), betrifft die Reden, die teils am Vorabend des Krieges, teils während desselben gehalten worden sind. Bedauernd stellt der "Polemos"-Autor bezüglich dieser Reden fest:

... so war es mir als Ohrenzeugen sowie meinen Berichterstattern unmöglich, den genauen Wortlaut des Gesagten im Gedächtnis zu behalten.

Auf solche Probleme bei Reden, wie sie zum Beispiel bei Herodot sehr häufig vorkommen, habe ich schon mehrmals hingewiesen; denn auf Stenogramme kann offensichtlich auch der "Polemos"-Autor nicht zurückgreifen, wie aus dem weiteren Text hervorgeht:

Daher habe ich die einzelnen Redner so sprechen lassen, wie sie nach meinem Vermuten den jeweiligen Umständen am ehesten gerecht geworden sein dürften, indem ich mich dabei so eng wie möglich an den Gedankengang des wirklich Gesprochenen hielt.

Dem ist nichts hinzuzufügen. Auch der weitere Text enthält noch mehr "methodische Grundsätze", die allesamt darauf hinauslaufen, dass die Berichterstattung über den Krieg mit allergrößter Vorsicht zu genießen ist, da es überhaupt keine Gewähr dafür gibt, dass alles auch tatsächlich so war, wie es geschildert wird.

Vor allem wird neuerlich deutlich, dass der "Polemos"-Autor niemals auch der Annalen-Verfasser Thukydides gewesen ist, und beide hätten den folgenden Satz nicht schreiben können, der nur vom "Polemos"-Redakteur stammen kann:

(Thuk. I, 23) Von den Taten der Vergangenheit ist der Perserkrieg die größte...

Nachdem uns der Redakteur darauf eingestimmt hat, dass es aus verschiedener Zeiten Sicht zu unterschiedlichen Wertungen eines Krieges kommen kann, stuft er jetzt die vom "Polemos"-Autor vorgenommene Überhöhung des Peloponnesischen Krieges wieder zurück. Das hat er auch nötig; denn er will uns ja - im Gegensatz zum "Polemos"-Autor - davon überzeugen, dass der Perserkrieg vor dem Peloponnesischen Krieg lag. Das hätte der Autor niemals nötig gehabt, da der wusste, wie die Reihenfolge tatsächlich war. Der Autor hätte sich selbst auch niemals in dieser Form widersprochen, nachdem er vorher den Peloponnesischen Krieg als den bedeutendsten hingestellt hatte!

Im weiteren Verlauf von Absatz 23 wird der gegenwärtige Krieg als ein überaus schrecklicher geschildert, während der Perserkrieg in Anbetracht seiner kurzen Dauer als ein verhältnismäßig kleines Übel hingestellt wird. Im gegenwärtigen werden mehr Städte verwüstet, mehr Menschen vertrieben, verbannt und getötet als je zuvor. Sogar die Erdbeben seien in diesem Krieg heftiger als gewohnt, und auch Sonnenfinsternisse, die häufiger eintraten, als man von früheren Zeiten her sich erinnert, ... verängstigten die Menschen. Dann gibt es noch den Hinweis auf die Seuche, auf die ich weiter unten ebenso wie auf die Sonnenfinsternisse wieder zu sprechen komme.

Es folgt jetzt - noch mitten im Absatz Thuk. I, 23 - die Auflistung der Gründe und Anlässe zum Peloponnesischen Krieg, die Ereignisse kurz davor und die Reden am Vorabend des Krieges. Dies reicht bis zum Absatz Thuk. I, 88. Dann wird wieder auf die Vorgeschichte dieses Krieges zurückgegriffen, auf die schon vielzitierte Pentekontaëtie.

Dadurch, dass dieses von mir als Phantom bezeichnete Produkt der antiken oder mittelalterlichen Geschichtsfälscher einen besonderen Raum einnimmt und dazu noch im Anschluss an die zum Peloponnesischen Krieg direkt hinführenden Ereignisse folgt, entlarvt sich diese Fälschung quasi von selbst. Die Pentekontaëtie samt dem Perserkrieg an ihrem Anfang würden wir schon in den Absätzen bis Thuk. I, 23 zu erwarten gehabt haben, wenn die konventionelle Sicht der Dinge richtig wäre; denn dann hätte die Pentekontaëtie mit den Überlegungen zu den Gründen zum Peloponnesischen Krieg bereits ihr Ende gefunden und hätte nicht erst jetzt weit in die Vergangenheit zurückgreifen müssen. Es wäre überhaupt kein Problem gewesen, kontinuierlich in den vorangegangenen Absätzen des Ersten Buches die Entwicklung zum Peloponnesischen Krieg durch die Pentekontaëtie hindurchzuführen - aber es gab sie ja gar nicht!

Ich überspringe die Absätze bis 88 mit den Kriegsgründen und vertage deren Besprechung bis kurz vor die eingehende Besprechung des Peloponnesischen Krieges. Mit dem kurzen Übergangsabsatz Thuk. I, 88 endet diese Reihe:

Der Grund für diesen Beschluss der Lakedaimonier, dass der (dreißigjährige) Vertrag (des Jahres 679 ndFl) gebrochen sei und der Krieg erklärt werden müsse, war weniger der Eindruck, den die Reden der Bundesgenossen auf sie gemacht hatten, als die Besorgnis vor der wachsenden Macht der Athener. Sie sahen, dass bereits der größte Teil von Hellas den Athenern untertan war.

Dann beginnt die nach meiner Auffassung von einem späteren Redakteur eingebrachte Pentekontaëtie:

(Thuk.I, 89) Die Athener waren auf folgende Weise zu der Stellung gelangt, in der sich ihre Macht so sehr vergrößert hatte...

Wir sollten die Rolle, die Athen vor dem Peloponnesischen Krieg in Hellas spielte, nicht so hoch bewerten, wie dies der Redakteur suggeriert und wie es vermutlich erst nach diesem und erst recht nach dem Perserkrieg, der für den Redakteur gerade erst vorbei ist, der Fall war. Die eingehende Besprechung des Perserkrieges ist selbstverständlich einem späteren Kapitel vorbehalten.

Die Pentekontaëtie selbst müsste aus zwei Hälften bestehen, von denen die erste in die Zeit nach dem Perserkrieg und die zweite in die Zeit vor dem Peloponnesischen Krieg gehört. In der Berührungszone beider Hälften müsste dann die Trennung möglich sein, damit die beiden Hälften "umgekehrt" werden könnten: zuerst die eine, die vor den Peloponnesischen Krieg gehört, und dann die andere, die erst in die Zeit nach dem Perserkrieg gehört. Leider ist diese Methode nicht anwendbar, da es - wie auch nicht anders zu erwarten - zu Vermischungen gekommen ist. Ein einfacher Schnitt ist deshalb leider nicht möglich.

Der Text geht zunächst in der Zeit nach dem Perserkrieg weiter, obwohl bisher weder dieser selbst noch die lückenlose Zeit bis dahin besprochen wurden:

(Thuk. I, 89) ... Als die Perser, von den Hellenen zu Wasser und zu Lande besiegt, aus Europa abgezogen waren und auch die zu Schiffe nach Mykale geflüchteten ihren Untergang gefunden hatten, kehrte Leotychides, der spartanische König, der die Hellenen bei Mykale geführt hatte, mit den peloponnesischen Bundesgenossen nach Hause zurück.

Hierbei handelt es sich um den jüngeren Leotychides, den Herodot (VIII, 131) in dessen Eigenschaft als Flottenführer im Perserkrieg allerdings irrtümlich als den Sohn des Menares (= Menelaos) bezeichnet, was jedoch den älteren Leotychides betrifft. Es handelt sich bei dem jüngeren um den Sohn des Agis. Es ist jetzt jedoch nicht der Ort, die Folgen des Perserkrieges zu besprechen.

Ein treffendes Beispiel für die Vermischung innerhalb der Pentekontaëtie ist meines Erachtens der athenische Mauerbau, der durchaus schon vor dem Peloponnesischen Krieg und nicht erst nach dem Perserkrieg (479/478 v.Chr.) angesetzt werden kann, wie der "Polemos" suggeriert (Thuk. I, 89). Wenn allerdings der Name Themistokles im Zusammenhang mit dem Mauerbau auftaucht (Thuk. I, 90), dann könnte der Wiederaufbau der Mauern nach dem Peloponnesischen Krieg gemeint sein, da Themistokles-Perikles erst im Peloponnesischen Krieg geboren wurde. Demnach liefen hier verschiedene Zeiten parallel!

Wenn es sich um einen Wiederaufbau der Mauern handelt, dann müssten sie vor diesem Krieg schon einmal errichtet worden sein. Bei der Darstellung im "Polemos" handelt es sich meines Erachtens einmal um diesen frühen Mauerbau (um 690 ndFl) und zum anderen um einen späteren Wiederaufbau (724 ndFl) unter Themistokles kurz vor dem Perserkrieg. Der "Polemos" hat dann diese Mauererrichtungen zu einer einzigen zusammengezogen. Das Fazit aus der "Entmischung" könnte dann heißen:

Die athenischen Mauern wurden bereits vor dem Peloponnesischen Krieg gebaut, nach diesem Krieg gemäß dem Friedensvertrag niedergerissen und unter Themistokles kurz danach und noch vor dem Perserkrieg wieder aufgebaut.

Dafür, den in Thuk. I, 89ff. berichteten Wiederaufbau der Mauern für ein Ereignis zu halten, das in die Zeit nach dem Peloponnesischen Krieg gehört, spricht die Nennung der Person Aristeides, Sohn des Lysimachos, worauf ich an späterer Stelle zurückkommen werde. Außerdem lässt das ganze Verhalten des Themistokles gegenüber den Spartanern nicht den Schluss zu, es handele sich hier um die Zeit nach dem gemeinsamen Sieg über die Perser, sondern um die Zeit nach dem Sieg der Spartaner über die Athener, der für die letzteren eher demütigend war: 720 ndFl, Athen kapituliert am Ende des Peloponnesischen Krieges. An anderer Stelle habe ich schon darauf hingewiesen, dass es sich bei Themistokles um Perikles handeln könnte. Daran möchte ich festhalten.

Dafür, den Bau der Mauern vor den Peloponnesischen Krieg zu datieren, spricht die Behandlung dieses Themas direkt im Anschluss an die Vorbereitungen zu diesem Krieg, deren Besprechung in Thuk. I, 88 zunächst abgebrochen wurde. Vor der Überarbeitung des "Polemos" durch den Redakteur folgte an dieser Stelle vermutlich der erste athenische Mauerbau, der dann von dem Redakteur mit dem Wiederaufbau nach dem Kriege vermischt und zum Wiederaufbau nach dem Perserkrieg umfunktioniert wurde.

Auch Thuk. I, 92 und 93 handeln noch vom Mauerbau, doch in Absatz 93 findet der Übergang zum Bau des Hafens in Piräus statt, der ebenfalls in die Zeit des Themistokles gehört. Auch hieran verwundert, dass diese Aktivitäten erst nach dem Perserkrieg stattgefunden haben sollen wie der Mauerbau, obwohl die persische Gefahr als noch bevorstehend angedeutet wird. Daher befriedigt der letzte Satz in Thuk. I, 93 überhaupt nicht:

So befestigten gleich nach dem Rückzug der Perser die Athener ihre Stadt und setzten alles wieder instand.

Das ist eine jener banalen Bemerkungen, die nur dann von einem Redakteur hinterlassen werden, wenn er eine "redaktionelle Änderung" vorgenommen hat. Wir können getrost davon ausgehen, dass Themistokles, der Mauerbau und der Bau des Hafens in Piräus noch in die Zeit vor dem Perserkrieg gehören, und wir fragen uns, ob denn überhaupt etwas aus dem "Polemos" in die Zeit nach dem Perserkrieg gehört. Ab Thuk. I, 94 geht es auch nur scheinbar nach dem Perserkrieg weiter, und zwar mit Pausanias, dem angeblichen Sohn des Kleombrotos. Da wir aber an dieser Zeit derzeit noch nicht interessiert sind, so überspringen wir die Absätze bis einschließlich 95.

Eine Vermischung findet wieder statt im Absatz 96, in welchem jetzt der Seebund gegründet wird, ohne dass auch nur ein einziges Mal dieser Name genannt wird. Das überrascht nicht, da dieser Bund als Delisch-Attischer Seebund zwar nach konventioneller Auffassung in die Pentekontaëtie gehört, nach unserer hingegen ins Jahr 692 ndFl, in dem er die Verbündeten der Athener stellt. Als Neugründung Attischer Seebund gehört er tatsächlich in die Zeit zwischen den beiden Kriegen, ins Jahr 724 ndFl, allerdings in der umgekehrten Reihenfolge dieser Kriege, und somit nicht in die in Rede stehende Zeit vor dem Peloponnesischen Krieg, in die wir wieder zurückfinden möchten. Doch vorläufig lässt uns die spätere Zeit nur zögernd los:

(Thuk. I, 97) Als Führer der zuerst noch autonomen und in gemeinsamen Konferenzen beratenden Bundesgenossen (gemeint ist obiger Seebund) haben die Athener zwischen den Perserkriegen und dem gegenwärtigen Kriege folgende kriegerische und politische Unternehmungen ins Werk gesetzt, welche sich teils gegen die Barbaren richteten, teils gegen ihre eigenen aufrührerischen Bundesgenossen, teils gegen die allenthalben sich einmischenden Peloponnesier.

Der hieran anschließende Text in diesem Absatz scheint wieder einmal eine Kapitulation des Redakteurs vor den Tücken der Überlieferung zu sein:

Wenn ich hier über diese Dinge berichte und damit von meinem Gegenstande abschweife, so geschieht es deshalb, weil bei allen meinen Vorgängern diese Epoche fehlt, da sie entweder die hellenische Geschichte vor den Perserkriegen oder diese Kriege selber beschrieben haben.

Zu den Vorgängern des "Polemos"-Redakteurs, der im Gegensatz zu dem "Polemos"-Autor den Perserkrieg gekannt hat, gehören zum Beispiel Herodot, der aber die Ereignisse aus dem Peloponnesischen Krieg durchaus gekannt hat, wenn er auch diesen Namen des Krieges nicht erwähnt, und der sich ausführlich mit dem Perserkrieg befasst hat, und Xenophon, den ich für den "Polemos"-Autor halte, der den Perserkrieg höchst wahrscheinlich gar nicht mehr erlebt hat. Er ist es, der gemeint sein könnte mit dem Vorgänger, der die hellenische Geschichte vor den Perserkriegen beschrieben hat. Der Redakteur kennt noch einen weiteren Historiografen; er fährt fort (Thuk. I, 97):

Und Hellanikos, der in seiner "Attischen Geschichte" diese Dinge wenigstens berührt hat, behandelt sie zu kurz und der Zeit nach ungenau.

Zu diesem Historiografen, mit dem der Redakteur ebenfalls nicht zufrieden ist, schreibt der Herausgeber der von mir zitierten "Polemos"-Ausgabe: Hellanikos aus Mytilene auf Lesbos, der Generation zwischen Herodot und Thukydides angehörig, Verfasser mehrerer nicht erhaltener, nur noch durch eine Anzahl von Zitaten bekannter Geschichtswerke. Von diesen waren die wichtigsten "Die Priesterinnen der Hera in Argos", eine allgemein-griechische Chronik, die wahrscheinlich bis zum Frieden des Nikias 421 v.Chr. hinabreichte, und die hier von Thukydides angeführte Atthis, eine Lokalgeschichte Athens und Attikas, die sicher bis zum Jahre 407, vielleicht sogar bis zum Ende des Peloponnesischen Krieges, d.h. bis zum Jahr 404, hinabführte.

Diese zeitliche Einordnung könnte dazu verleiten, in dem Hellanikos der Atthis den Xenophon der Hellenika zu sehen. Möglichweise bekam Xenophon den Ehrentitel "Hellanikos", weil er die Hellenika geschrieben hatte. Festlegen möchte ich mich darauf jedoch nicht.

Für die Zeit nach dem Perserkrieg können die drei wichtigsten Historiografen der griechischen Geschichte allerdings nur bedingt herangezogen werden: Herodot eine kurze Phase, Thukydides und Xenophon (selbst als möglicher Autor des "Polemos") überhaupt nicht. Der "Polemos"-Redakteur hat zwar den Perserkrieg gekannt; aber er hat nicht allzu weit in die Geschichte danach gegriffen, um Teile daraus in seine Pentekontaëtie einzubauen.

Ab Thuk. I, 98 werden abermals unterschiedliche Phasen vermischt; denn das Vorkommen des Namens Kimon in diesen Absätzen verbunden mit der Erwähnung der Perser könnte auf Ereignisse, die in die Zeit nach dem Perserkrieg gehören, hinweisen und sie mit solchen aus der Zeit vor dem Peloponnesischen Krieg zusammenbringen:

(Thuk. I, 98) Zuerst wurde unter Führung des Kimon, Sohnes des Miltiades, Eion am Strymon, das sich noch in den Händen der Perser befand, erobert ...

Das sieht unbestreitbar nach einem Ereignis aus der Zeit nach dem Perserkrieg aus. Der Herausgeber hält daher auch zwangsläufig diesen Miltiades für den Sieger von Marathon 490 v.Chr., der unter Hippias auf der thrakischen Chersonnes die von seinem gleichnamigen Onkel unter Peisistratos begonnene athenische Hegemonialpolitik fortsetzte, athenische Kolonisten dort ansiedelte und die Insel Lemnos aus persischer Hand befreite. Kimon war der Sohn aus seiner Ehe mit der Tochter des thrakischen Königs Oloros.

Damit unterläuft dem Herausgeber ein gravierender Fehler; denn er vermischt, was der Redakteur vermutlich beabsichtigt hat, den älteren mit dem jüngeren Miltiades und den älteren mit dem jüngeren Kimon. Wie aus nachstehender Tabelle aber hervorgeht, war der ältere Miltiades zwar mit der Tochter Hegesipyle des Oloros verheiratet, er hatte jedoch Herodot zufolge überhaupt keine Kinder, kann also auch nicht den Sohn Kimon (den Ält.) gehabt haben, der sein Halbbruder war. Beide waren Zeitgenossen des Peisistratos, allerdings nicht mehr des Hippias während dessen Alleinherrschaft, und den Perserkrieg haben beide selbstverständlich auch nicht mehr erleben können.

Stammtafel der Ajakiden Nr. 1
             Ajax der Ältere
Kypselos     = Aias = Aiakos   Oloros, König von Thrakien
* ca. 598    * ca. 585 ndFl    * ca. 585 ndFl
|            |                 |
Tochter  oo  Philaios    oo    Hegesipyle  oo   1. Ehemann
* ca. 620 |  * ca. 608   |     * ca. 615        * ca. 600
  ndFl    |    ndFl      |       ndFl           | ndFl
          |              |               +------+
+---------+- --- -+------+               |
Miltiades d.Ä.    Kimon d.Ä.             Melesias?
oo Hegesipyle     * ca. 635 ndFl         * ca. 630 ndFl
nach Tod des      + 696 ndFl             |
Vaters?           Zeitgenosse des        Thukydides
* ca. 633 ndFl    Peisistratos           * ca. 662
+ ca. 695 "       |
kinderlos gem.    |
Herodot VI, 38    +---------------+
                  Miltiades d.J.  Stesagoras
                  * ca. 663 ndFl  * ca. 660 ndFl
                  Feldherr bei    + kinderlos gem.
                  Marathon        Herodot VI, 38
                  |
                  Kimon d.J., Zeitgenosse des Perikles
                  * ca. 690 ndFl + 727 ndFl vor Zypern

Es war der jüngere Kimon, der Sohn des jüngeren Miltiades, des Siegers von Marathon in der Zeit des Hippias, der Eion am Strymon nach dem Marathon-Feldzug den Persern abnahm. Darauf war ich schon zu Beginn dieses Kapitels (Teil I) zu sprechen gekommen und hatte gefragt, was die Makedonen dazu wohl gesagt haben könnten; denn Eion am Strymon lag auf makedonischem Gebiet. Das soll uns aber auch jetzt noch nicht beschäftigen. Vielmehr sollten wir fragen, ob Eion überhaupt den Persern oder richtiger den Makedonen oder sogar schon den Thrakern abgenommen wurde, und zwar von Kimon dem Älteren.

Von dem jüngeren Kimon als Zeitgenossen des Perikles ist weiter nicht viel bekannt. Da er die Strafe für seinen Vater nach dessen Tod bezahlt hat, so kann die Verfolgung der von Marathon abziehenden Perser durchaus von ihm vorgenommen worden sein. Ob es dabei zu einem Treffen bei Eion gekommen sein muss, bleibt offen; denn auch die reihenweise Unterwerfung der ägäischen Inselwelt, die sich an die Eroberung von Eion am Strymon anschließt, hat Züge, die an die Zeit vor dem Peloponnesischen Krieg, an die Eroberung der ionischen Inselwelt und der thrakischen Küste durch die Athener erinnert. Einzig der Hinweis auf die Perser in diesem Absatz gehört nicht zu dieser frühen Zeit des älteren Kimon. Der Redakteur hätte, wenn es wirklich so gewesen wäre, wie ich annehmen möchte, eine totale Verwirrung in die Geschichte eingebracht.

Als Erklärung wird für die in Absatz 98 geschilderten Operationen angeboten, die Athener hätten ihre Verbündeten wieder an die Kandare nehmen müssen, da sie alle von Athen abgefallen seien. In Wirklichkeit wird abermals auf die Zeit nach dem Peloponnesischen Krieg bezug genommen:

(Thuk. I, 99) Die Gründe, die die Städte zum Abfall trieben, waren verschieden; der Hauptgrund war, dass sie mit dem Tribut und den Schiffen im Rückstand blieben oder überhaupt jede Leistung verweigerten.

Mit dem Wort "Tribut" wurde die Geldsteuer der Bundesgenossen bezeichnet, die diese an die neugeschaffene Behörde der sogenannten "Hellenotamiai" zu entrichten hatten, die ihre Schatzkammer auf der Insel Delos hatte, wo auch die Bundessitzungen abgehalten wurden (Thuk. I, 96). Somit ist der Absatz 99 einer Zeit nach der Schaffung des Delisch-Attischen Seebundes zuzuordnen, und der Kimon in Eion am Strymon kann Charidemos gewesen sein, also Kimon der Ältere, der sich jedoch mit Philipp I statt mit den Persern herumschlagen muss.

Zurück in die Zeit vor dem Peloponnesischen Krieg führt auch der folgende Absatz, obwohl es am Anfang so scheint, als gehöre auch er in die Zeit nach dem Perserkrieg:

(Thuk. I, 100) Darauf fand auch die Land- und Seeschlacht der Athener und ihrer Verbündeten gegen die Perser am Eurymedonfluss in Pamphylien (Region in Kleinasien) statt. Zu Wasser und zu Lande blieben die Athener - Kimon, des Miltiades Sohn, hatte die Führung - an diesem einen Tage Sieger. Sie eroberten und zerstörten die sämtlichen, etwa zweihundert phönikischen Schiffe. ...

Es ist natürlich wieder Kimon der Ältere, und es sind die phönikischen Schiffe, die dem Polykrates von Samos zu Hilfe kommen wollten (687 ndFl), auf welche ich an späterer Stelle in diesem Kapitel wieder zurückkommen werde. Kämpfe der Athener auf kleinasiatischem Gebiet sind unter der Perserherrschaft unrealistisch. Gegen wen aber die Athener in diesem Jahr, in dem Kyros den Lyder Kroisos absetzte, in Pamphylien "zu Lande" zu kämpfen hatten, ist nicht ersichtlich.

Dass die vorstehenden Ereignisse in die Zeit vor dem Peloponnesischen Krieg gehören dürften, bekräftigt der weitere Text, der eindeutig in diese Zeit führt:

(Thuk. I, 100) ... Einige Zeit später geschah der Abfall der Thasier, die wegen ihrer Handelsplätze ... mit Athen in Streit geraten waren. ...

Diese Passage werde ich an anderer Stelle im Zusammenhang mit Amphipolis wieder aufgreifen, das an der Mündung des Strymon liegt und an obiger Stelle zum ersten Male erwähnt und später noch eine wichtige Rolle übernehmen wird. Nach ihrer Niederlage in offener Feldschlacht gegen die Athener riefen die nunmehr belagerten Thasier die Lakedaimonier zu Hilfe:

(Thuk. I, 101) ... Die Lakedaimonier erklärten sich, ohne dass die Athener etwas merkten, dazu bereit und wollten schon an die Ausführung gehen, da wurden sie durch ein Erdbeben zurückgehalten, währenddessen die spartanischen Heloten und die Periöken von Thuria und Äthäa einen Aufstand machten und den Berg Ithome besetzten.

Um es gleich vorweg klarzustellen: dieser mit dem Erdbeben gleichzeitige Helotenaufstand gehört an den Anfang des Peloponnesischen Krieges und ist der 3. Messenische Krieg (konv. 464 v.Chr. analog 692 ndFl), in den sich auch die Athener unter Demosthenes im Jahre (konv. 425 v.Chr. analog 699 ndFl) einmischen. Es kommt dann zur Gründung eines unabhängigen messenischen Staates (konv. 369 v.Chr. analog 701 ndFl, im zehnten Jahr nach Beginn der Belagerung durch die Spartaner auf dem Ithomeberg).

Wer aber diese Heloten und Periöken sind, soll hier aus der Feder des "Polemos"-Autors nochmals erläutert werden; auch an anderer Stelle hatte ich diese Volksgruppe schon näher beschrieben.

(Thuk. I, 101) ... Der größte Teil der Heloten bestand aus den Nachkommen der alten Messenier, die zu Sklaven gemacht worden waren; deshalb nannte man die sämtlichen Heloten auch Messenier.

Die eigentlichen Sklaven dürften aber die Periöken gewesen sein, deren sozialer Stand noch unter dem der Heloten lag, die man ihrerseits als Halbfreie bezeichnen könnte.

(Thuk. I, 101) ... Die Lakedaimonier hatten also mit dem Kriege gegen die Aufrührer auf dem Berg Ithome zu tun...

Daher standen ihnen die Thasier etwas weiter weg.

Die Festung auf dem Ithomeberg hatte im 1. Messenischen Krieg schon eine Rolle gespielt, wie Hermann Bengtson (in Griechische Geschichte, Seite 58) ausführt:

Die Überlieferung der Messenischen Kriege ist größtenteils legendär. Sicher ist nur so viel, dass schon der erste Krieg, der wohl in das letzte Drittel des 8. Jahrhunderts fällt, ungemein langwierig war. Angeblich haben die Messenier erst im 20. Kriegsjahr die Bergfeste Ithome verlassen und den Widerstand aufgegeben.

Wie ich in einem vorangegangenen Kapitel (Dorereinfall) bereits gesagt habe, dauerte der Krieg der in Messenien an Land gegangenen Dorer zwanzig Jahre (624-644 ndFl), bis die Reserven auf dem Ithomeberg aufgebraucht waren und die Messenier sich in ihr Schicksal fügten. Dieser Krieg ist, wie ich an besagter Stelle ebenfalls schon sagte, mit dem um die Mitte des 7. Jahrhunderts ausgebrochenen großen Helotenaufstand identisch. Damals hatten sich die Pisaten, die vorübergehend die Leitung der Olympischen Spiele den Eleern abgenommen hatten, und die Arkader, aber vor allem die Argiver auf die Seite der Messenier gestellt.

Dies ist die Situation beim Einfall der Dorer in Hellas in der Zeit unmittelbar nach der Katastrophe Typhon 4, in der Pheidon von Argos umgekommen war, den Bengtson ebenfalls in dieser Zeit sieht (Mitte des 7. Jahrhunderts v.Chr.). Von einem "Aufstand" der Messenier, die hier um ihre nackte Existenz gegen die dorischen Eindringlinge gekämpft haben, kann wörtlich genommen keine Rede sein. Ob aber der König Aristokrates von Orchomenos damals der Führer der Arkader gewesen sein kann, ist doch sehr fraglich; denn sein Name erinnert stark an die Aristo-Namen der dorischen Anführer. Das soll hier nicht weiter verfolgt werden.

(Thuk. I, 101) ...Die Thasier aber mussten sich nach dreijähriger Belagerung den Athenern ergeben. Die Bedingungen waren: ihre Mauern zu schleifen, ihre Schiffe auszuliefern, sich schätzen zu lassen und sofort wie auch in Zukunft eine bestimmte Abgabe zu zahlen, endlich ihren festländischen Besitz mit den Bergwerken aufzugeben.

Darum, um die Silberbergwerke der Thasier auf dem Festland, ging es den Athenern doch eigentlich nur. Die drei Jahre wären etwa zu derselben Zeit um gewesen, als auch Poteidaia nach ebenso langer Belagerung kapitulieren musste. Der Krieg mit den Messeniern dauerte indes noch an. Ich werde weiter unten in diesem Kapitel wieder darauf zurückkommen.

Es bleibt aber festzuhalten, dass wir uns jetzt mit den Angaben im "Polemos" dem Peloponnesischen Krieg nähern, und zwar schon zum zweiten Male; denn wir hatten bei dem Absatz 24 schon zum ersten Male am Vorabend des Krieges gestanden, hatten aber von dort den Sprung zum Absatz 88 gemacht, um der Pentekontaëtie den Vortritt zu lassen, die natürlich ebenfalls zu diesem Krieg hinführen soll.

Wir hatten uns weiter oben auch schon gefragt, warum der Perserkrieg und die Ereignisse danach in der angeblichen Pentekontaëtie nicht schon innerhalb der ersten Absätze (bis 24) abgehandelt wurden, wenn alles das doch vor dem Peloponnesischen Krieg schon passiert sein soll. Aber:

Das Einarbeiten der Pentekontaëtie nach dem Zeitpunkt, an dem sie eigentlich abgelaufen sein sollte, ist meines Erachtens der beste Beweis dafür, dass ein Redakteur dieses Kunstgebilde nachträglich in den "Polemos" eingebaut hat.

Der "Polemos"-Redakteur macht jetzt einen Sprung, den der "Polemos"-Autor niemals gemacht hätte; denn dieser hätte nur die ihm bekannte tatsächliche Vorgeschichte des Peloponnesischen Krieges im Ersten Buch untergebracht, nicht jedoch die Geschichte danach. Deshalb werde ich auch jetzt die Absätze 103 (Schicksal der Messenier nach zehn Jahren) und 104 (Aufstand des Ägypters Inaros gegen die persische Oberhoheit unter Artaxerxes, der im Jahr 720 ndFl stattfand) überspringen und deren Besprechung auf einen späteren Zeitpunkt vertagen.

Bei dieser Gelegenheit gebe ich zu Bedenken, dass in konventioneller Sicht die Pentekontaëtie zunächst in der Zeit des Xerxes und ab 466 v.Chr. in der Zeit des Artaxerxes I Longimanus, des Sohnes von Xerxes, abläuft. Durch den von Herodot erzeugten Fehler, dass Xerxes unmittelbar auf seinen Vater Darius (I) gefolgt sei, und durch die Verleugnung der Existenz der Pentekontaëtie schlechthin würden alle Gleichzeitigkeiten der darin geschilderten Ereignisse mit Artaxerxes entfallen, sofern sie noch in die Zeit vor dem Perserkrieg gehören, was für die Mehrzahl dieser Fälle gilt. Das wäre aber voreilig; denn es gab schon vor dem Perserkrieg einen Artaxerxes Mnemon, nämlich den Sohn des Darius (II = I), der noch vor seinem Bruder Xerxes auf den Thron kam, von seinem Bruder Kyros dem Jüngeren abgesetzt wurde, und auf den dann erst Xerxes folgte. Dies alles war Herodot entgangen. Insofern ist die Gleichzeitigkeit des tatsächlichen Artaxerxes I, des Sohnes Ariobarzanes-Arses-Arsames des Darius (I), mit Ereignissen aus der Pentekontaëtie durchaus gegeben; aber es handelt sich bei ihm eben nicht um den vermeintlichen ersten Artaxerxes, den Sohn des Xerxes, wie konventionell angenommen wird. Dieser Longimanus wurde übrigens schon kurze Zeit nach seiner Thronbesteigung von seinem Onkel, dem schon zweimal abgesetzten Artaxerxes Mnemon, abgesetzt und womöglich ermordet. Letzterer regierte dann noch einige Jahre bis zu seiner Ermordung durch Darius (III) Kodomanus. Das alles gehört aber erst in die Zeit um 740 ndFl.

Der "Polemos"-Autor kommt nach diesen Einschüben wieder zu Wort, indem er sich auf die Absätze davor bezieht:

(Thuk. I, 105) Eine andere athenische Flotte landete in Haliä (vermutlich an der Küste der Argolis), und es kam zu einer Schlacht gegen die Korinther und Epidaurier, in welcher die Korinther siegreich waren. ...

Epidauros liegt an der Ostküste der Peloponnes und wird sowohl zur Argolis als auch zu Lakonien gerechnet. Korinth und Epidauros waren vor kurzer Zeit noch verfeindet gewesen, weil Periandros von Korinth mit seinem Schwiegervater Prokles in Epidauros im Streit lag, weil dieser den Söhnen des Periandros verraten hatte, dass ihr Vater ihre Mutter Melissa - wenn auch aus Versehen - getötet habe (Herodot III, 48 ff.). Periandros zog gegen Prokles zu Felde, eroberte Epidauros und nahm Prokles gefangen.

Dies kann nicht sehr lange zurückliegen; denn der ältere Sohn des Periandros, Lykophron, der sich mit dem Vater ob der Tötung seiner Mutter entzweit hatte, spielt am Beginn des Peloponnesischen Krieges eine wichtige Rolle. An dieser Stelle konzentrieren sich aber auch andere mit Korinth zusammenhängende Geschehnisse, wie wir sehen werden.

(Thuk. I, 105) Darauf hatten die Athener eine Seeschlacht gegen die Flotte der Peloponnesier bei Kerkryphaleia zu bestehen, und diesmal siegten die Athener. ...

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich bei diesem ansonsten unbekannten Ort um die Insel Kephalineia oder um deren Nachbarinsel Kerkyra (Korfu) handelt (oder eine Zusammenziehung beider Namen?), wo die Athener einen Seesieg über die Flotte der Korinther errangen, als sie im Jahre (konv.) 433 v.Chr. analog 691 ndFl den Korkyräern zu Hilfe kamen. Die Korinther sannen sogleich auf Rache an den Athenern. Das gehört zur Vorgeschichte des Peloponnesischen Krieges. Ob das daran Anschließende auch noch in die Vorgeschichte gehört, ist zweifelhaft:

(Thuk. I, 105) ... In dem Kriege, den Athen mit Ägina hatte, kam es dann ebenfalls zu einer großen Seeschlacht zwischen den Athenern und Ägineten bei Ägina, an der auch die beiderseitigen Verbündeten teilnahmen. Die Athener siegten, eroberten siebzig Schiffe, stiegen ans Land und belagerten unter Führung des Leokrates, Sohnes des Stroibos, die Stadt.

Diese Seeschlacht kann auch in die Zeit nach diesem Krieg gehören, zumal der Absatz 104 ebenfalls erst in die Zeit danach gehört. Auf diese Ereignisse komme ich natürlich noch zu sprechen. Zunächst möchte ich aber auf die Ereignisse um Aigina eingehen, die schon vor dem Peloponnesischen Krieg stattfanden, und im Zusammenhang mit Aigina, der Insel im Saronischen Golf vor der Küste Athens, muss ich auch auf Samos eingehen, die Insel vor dem ionischen Festland:

Schon vor dem Peloponnesischen Krieg waren die Aigineten in einen Krieg mit Samos verwickelt gewesen, als dort noch der König Amphikrates regierte. Die Samier hatten einen Kriegszug gegen Aigina unternommen und der Stadt arg zugesetzt, allerdings auch selbst Verluste erlitten (Herodot III, 59). Die Aiakiden Pantagnotos, Polykrates und Syloson können bei dieser Gelegenheit erstmals mit den Samiern in Berührung gekommen sein, da sie alle von Aigina stammten. Kurz darauf scheint der Krieg zwischen Samos und Milet wegen Priene (der Heimatstadt des Bias, eines der Sieben Weisen des Altertums) ausgebrochen zu sein. Diese Stadt liegt auf dem ionischen Festland unweit Milets. Über diesen Streit wird auch im "Polemos" berichtet. Ich greife deshalb hier schon etwas vor:

(Thuk. I, 115) ... Sechs Jahre später brach der Krieg zwischen Samos und Milet wegen Priene aus. Die Milesier, die in diesem Krieg den kürzeren zogen, kamen nach Athen und verklagten die Samier; sie wurden dabei sogar von einigen Bürgern von Samos unterstützt, die die Verfassung ihrer Stadt stürzen wollten. Die Athener fuhren mit vierzig Schiffen nach Samos, richteten dort die Demokratie ein und nahmen fünfzig Knaben und ebenso viele Männer der Bürgerschaft als Geiseln mit, die sie nach Lemnos brachten. Unter Zurücklassung einer Besatzung fuhren sie dann wieder heim.

Dieser Krieg brach dem Vortext zufolge sechs Jahre nach dem auf dreißig Jahre zwischen Athen und Sparta geschlossenen Friedensvertrag aus, der nach vierzehn Jahren durch den Ausbruch des Peloponnesischen Krieges schon gebrochen wurde. Folglich begann die Einmischung Athens auf Samos (konv.) 440/439 v.Chr. analog 685 ndFl.

Die Einrichtung einer Demokratie auf Samos kann nur in der Zeit nach der Absetzung des Tyrannen Amphikrates und auch nur unter der Prämisse stattgefunden haben, dass so lange Zeit vor der Einführung der Demokratie in Athen schon mit demokratischen Gedanken gespielt wurde (685 ndFl). Offenbar setzten die Athener den Tyrannen ab und gaben Priene an die Milesier zurück. Eine Begebenheit mit Knaben schildert auch Herodot (III, 48). Darauf komme ich weiter unten zurück. Es scheinen nicht alle Samier mit der Demokratie einverstanden gewesen zu sein:

(Thuk. I, 115) Nun gab es Leute in Samos, die unter diesen Umständen nicht auf der Insel bleiben wollten und nach dem Festland flohen. Sie verabredeten sich mit den Häuptern der aristokratischen Partei und mit Pissuthnes, dem Sohn des Hystaspes, der damals in Sardes den Oberbefehl führte, sammelten gegen siebenhundert Mann Hilfstruppen und fuhren heimlich bei Nacht nach Samos hinüber.

Die Erwähnung des Hystaspes, der auch der Vater des Darius war, in einem Absatz des "Polemos", der konventionell etwa im Jahre 440 v.Chr. angesetzt wird, muss überraschen; denn Pissuthnes müsste schon sehr alt sein und seinen Bruder Darius (gestorben konv. 486 v.Chr.) lange überlebt haben, wenn er noch ein Sohn desselben Hystaspes gewesen sein sollte, dessen Sohn Darius im Jahre (konv.) 522 v.Chr. auf den Thron kam, als er etwa dreißig Jahre alt war (geboren konv. ca. 552 v.Chr.).

Pissuthnes kann ein anderer Name für Pharnakes-Artaphernes sein, den Halbbruder des Darius, der etwas älter war als letzterer. Unter diesem Aspekt müsste Pissuthnes in konventioneller Sicht zur Zeit des Samier-Aufstandes über hundert Jahre alt gewesen sein! Es ist nicht auszuschließen, dass Pissuthnes ein echter Bruder des Darius war, der mit dem von Kyros in Sardes eingesetzten Lyder Paktyas identisch sein könnte, der schon gleich nach seiner Einsetzung einen Aufstand gegen die Perser unternahm (Herodot I, 153 ff.) und sich nach dem schlechten Ausgang dieser Aktion absetzen musste. Nachfolger war dann vermutlich Artaphernes der Ältere.

Selbst in dem Falle, dass Hystaspes den Sohn Pissuthnes erst sehr spät bekommen hätte, was wegen seines Todes etwa (konv.) im Jahre 520 v.Chr. äußerst unwahrscheinlich ist, wäre Pissuthnes an die achtzig Jahre alt gewesen. In Wirklichkeit liegen die Verhältnisse natürlich anders, und zwar so, dass es keine Probleme mit Hystaspes zu diesem Zeitpunkt gibt. Da Darius im Jahre 687 ndFl erst von Kyros in (Chatti-)Susa = Hattusas eingesetzt wurde, so kann sein (Halb-)Bruder ebenfalls erst in demselben Jahr seine Residenz in Sardes genommen haben, und zu diesem Zeitpunkt hat Hystaspes sogar noch gelebt. Wie ich an anderer Stelle schon sagte, kann Pissuthnes auch Darius = Lipit-Ischtar = Telipinus selbst sein.

Thuk. I, 115 fährt fort: Zunächst wendeten sie sich gegen die demokratische Bürgerschaft und überwältigten sie fast gänzlich, holten dann heimlich die Geiseln aus Lemnos zurück und brachten so die Samier zum Abfall von Athen. Die athenische Besatzung und die Beamten, die in Samos weilten, lieferten sie an Pissuthnes aus und rüsteten sich nun sofort zu einem Feldzug gegen Milet. Mit den Samiern zugleich fielen auch die Byzantier ab.

Obige Aktion betrifft die Abschaffung der Demokratie auf Samos durch aristokratische Kräfte. Dazu holten sie vermutlich die Aiakiden von Aigina zu Hilfe. Die Umstände der Machtergreifung der Aiakiden und besonders des Polykrates schildert Herodot (III, 39):

Polykrates (der Sohn des Aiakes) hatte sich in einem Aufruhr zum Herrn gemacht und anfangs die Stadt (Samos) in drei Teile geteilt, die er mit seinen Brüdern Pantagnotos und Syloson gemeinsam beherrschte. Später aber tötete er den einen und vertrieb den anderen, nämlich den jüngeren Syloson. ... Er schloss Freundschaft mit Amasis, dem König von Ägypten ... Viele Inseln hatte er schon erobert und viele Städte des Festlands. So besiegte er auch die Lesbier in einer Seeschlacht, als sie mit ihrer ganzen Macht Milet zu Hilfe kommen wollten.

Übrigens war Philaios, der Sohn des Aias-Aiakos, des Sohnes des Aiakides, der erste, der von Aigina nach Athen ausgewandert und der Stammvater des Hauses des Miltiades geworden war, wie Herodot (VI, 35) sagt. Sie alle waren Nachfahren des Aiakides-Telamon von Salamis, die nach der Auswanderung des älteren Ajax = Aia(ko)s nach Aigina auf dieser Insel lebten. Der jüngere Ajax = Aiakes wurde hier schließlich der Vater der Brüder, die später nach Samos gingen.

Stammtafel der Aiakiden Nr. 2
Chus-Sesostris-         Aiakides = Telamon von Salamis (?)
Sisiphos                * ca. 560 ndFl
* ca. 550 ndFl          |
|                       Ajax der Ältere
Kypselos                = Aias = Aiakos ging von Salamis
* ca. 598 ndFl          * ca. 585 ndFl       nach Aigina
|                       |
+------------+          +-----------------+
Periander    Tochter oo Philaios          Ajax der Jüngere
| ca. 635    * 620      * 608 ndFl, ging  = Aiakes
|     ndFl              |     nach Athen  * ca. 610 ndFl
|            +----------+--+              |
|            | (Halbbrüder)|              |
Psammetich   Kimon         Miltiades d.Ä. (Pantagnotos,
* ca. 656    * ca. 635     * ca. 633 ndFl  Syloson und)
      ndFl?  + 696 ndFl    + ca. 695 "     Polykrates
             |             kinderlos gem.  * ca. 635 ndFl
             |             Herodot VI, 38  + 699 ndFl
+------------+----------+                    gingen nach
|                       |                    Samos
Miltiades d.J.          Stesagoras
* ca. 663 ndFl          * ca. 660 ndFl
Feldherr bei            lebte auf Samos gem. Thuk. I, 116
Marathon                + kinderlos gem. Herodot VI, 38


Sobald Polykrates seine Brüder ausgeschaltet und sich zum Tyrannen von Samos aufgeschwungen hatte, da entfachte der Streit zwischen den Demokraten bzw. den tyrannenfeindlich und den tyrannenfreundlich gesonnenen Samiern erneut. Die ersteren wurden offensichtlich von der Insel vertrieben. Das alles kann noch im Jahre 687 ndFl geschehen sein, das heißt mindestens zwölf Jahre vor dem Ägyptenzug des Kambyses. Insofern ist die nachstehende Zeitangabe bei Herodot (III, 39) falsch:

Während Kambyses gegen Ägypten zog, unternahmen ... die Lakedaimonier einen Kriegszug ... gegen Samos und dessen Herrscher Polykrates, den Sohn des Aiakes.

Einer anderen Angabe Herodots zufolge wurde Polykrates ermordet, als Kambyses krank lag (699 ndFl); und das ist das, was zu dessen Ägyptenzug gehört. Daher brauchen wir obige zeitliche Einordnung des Zuges der Lakedaimonier gegen Samos nicht zu glauben; denn dieser Zug gehört in die in Rede stehende Zeit (687 ndFl). Außerdem war Amasis mit Polykrates zu einer Zeit befreundet, als er in Athribis (Unterägypten) Gaukönig war (677-699 ndFl). Der Pharao jener Zeit war Haremhab (683-696 ndFl), und der König von Unterägypten war Psammetich-Necho. Als Kambyses dann gegen Amasis zog, war Necho, der seit 696 ndFl auf dem Pharaonenthron saß, gerade gestorben und sein Sohn Psammetichos-Amasis noch nicht als Pharao gekrönt (699 ndFl).

Herodot erzählt nun die Geschichte vom Ring des Polykrates (III, 40-43), und im folgenden Kapitel heißt es:

(Herodot III, 44) ... Polykrates aber schickte Boten an Kyros' Sohn Kambyses, der damals Truppen gegen Ägypten warb, und bat ihn, er möchte doch auch nach Samos schicken und sich von ihm, Polykrates, Truppen erbitten.

Hier ist derselbe Anachronismus verborgen wie oben; denn zum Zeitpunkt des Zuges der Lakedaimonier gegen Polykrates regierte noch Kyros als Großkönig von Persien, Pissuthnes oder Artaphernes der Ältere in Sardes und Darius in Susa-Hattusas: 687 ndFl, im Jahr des Beginns der Tyrannis des Polykrates. Herodot selbst hat auch seine Zweifel, dass es sich hierbei um an Kambyses verschacherte Samier gehandelt habe; denn er fährt fort:

(Herodot III, 45) Nach einigen Berichten sind diese von Polykrates ausgesandten Samier gar nicht bis Ägypten gesegelt, sondern haben schon, als sie bei der Insel Karpathos angelangt waren, beschlossen, nicht weiter zu fahren. Nach anderen Berichten sind sie bis nach Ägypten gefahren, aber von dort, obwohl sie bewacht wurden, entflohen. Jedenfalls sind sie nach Samos zurückgekehrt, und Polykrates musste ihnen entgegentreten und ihnen eine Seeschlacht liefern. Er wurde geschlagen, die Heimgekehrten stiegen an Land, unterlagen aber in einem Landkampf, und nun fuhren sie davon nach Lakedaimon.

Herodots Zweifel gehen noch weiter, wenn er fortfährt:

Einige stellen es so dar, als ob diese von Ägypten Heimgekehrten Sieger geblieben seien, was mir aber unrichtig scheint. Denn sie hätten doch nicht nötig gehabt, die Lakedaimonier herbeizuholen, wenn sie allein Polykrates hätten bezwingen können. Zudem kann man nicht glauben, dass Polykrates, der auswärtige Söldner und einheimische Bogenschützen in Menge hatte, von den wenigen heimkehrenden Samiern sollte besiegt worden sein.

Diese Vorgeschichte ist also selbst Herodot - oder einem seiner Kopisten? - nicht ganz geheuer; denn der wirkliche Sachverhalt war doch wohl der, dass Polykrates die totale Herrschaft gegen seine Brüder durchgesetzt hatte und alle von der Insel vertrieb, die ihm gefährlich werden konnten. Ein ganz normales Verhalten eines Diktators mithin. Diese Vertriebenen wandten sich an Sparta:

(Herodot III, 44) Gegen diesen ... Polykrates zogen also die Lakedaimonier zu Felde. Ein Teil der Samier, der später Kydonia (das heutige Kandia) auf Kreta gründete, hatte sie zu Hilfe gerufen. Diesen Hilferuf schildert Herodot merkwürdigerweise erst danach:

(Herodot III, 46) Als nun die von Polykrates vertriebenen Samier nach Sparta gekommen waren und vor die Archonten traten, baten sie in langer Rede inständig um Hilfe...

Macht Herodot hier einen offensichtlichen Fehler? Denn in Sparta waren es die Ephoren und nicht die Archonten, die die Regierung stellten. Kann daher ein Kopist hier am Werk gewesen sein? Nach langem Hinundher beschlossen jedenfalls die Spartaner, den tyrannenfeindlichen Samiern zu helfen, was bei der oligarchisch-aristokratisch-monarchistischen Gesinnung der Spartaner eher befremdet.

Es kann auch anders gewesen sein: Gegner des Polykrates können sich an die Athener gewandt haben, und die Archonten (!) lehnten die Hilfe ab. Dann gingen die Samier nach Sparta, und die Ephoren gewährten ihnen Unterstützung.

Oder: Die Archonten lehnten zunächst ab, stimmten dann aber zu und sandten Hilfstruppen, wie es im "Polemos" beschrieben wird. Dann sprachen die Athener die Spartaner um Beistand an, und die zogen sowohl gegen die Aiakiden auf Aigina als auch gegen Polykrates, wie Herodot es beschreibt. Das alles kann ohne die "ägyptische" Vorgeschichte abgelaufen sein.

(Herodot III, 47) Und nun rüsteten sich die Lakedaimonier und zogen gegen Samos, aus Dankbarkeit, wie die Samier sagen, weil sie den Lakedaimoniern einst eine Hilfsflotte gegen die Messenier geschickt hätten.

Dieser Hinweis auf Messenien kommt etwas zu früh; denn der Helotenaufstand (3. Messenischer Krieg) steht erst kurz bevor. Insofern ist die Auffassung der Spartaner verständlicher, die sich auf zeitgemäße Vorfälle bezieht:

(Herodot III, 47) Die Lakedaimonier dagegen sagen, nicht um den bittenden Samiern Genugtuung zu verschaffen zogen sie in den Kampf, sondern ... um den Raub jenes Mischkruges zu rächen, den Sparta einst an Kroisos geschickt hatte, und ferner den Raub eines Panzers, den ihnen Amasis von Ägypten zum Geschenk gemacht hatte. Auch diesen Panzer hatten nämlich die Samier auf der Meerfahrt, ein Jahr vor dem Mischkrug, gekapert.

Diese Ereignisse gehören noch vor die Tyrannis des Polykrates; allerdings setzt Herodot deren Datierung noch viel früher an, was jedoch irreführend ist:

(Herodot III, 48) Dem Zug (der Lakedaimonier) gegen Samos schlossen sich aus freien Stücken die Korinther an. Auch gegen Korinth hatten die Samier einen Frevel verübt, ein Menschenalter vor diesem Kriegszug, zur Zeit als sie auch den Mischkrug raubten.

So lange kann der Raub des Mischkruges allerdings nicht zurückliegen; denn Kroisos regierte nur vierzehn Jahre (673-687 ndFl). Herodot fährt fort:

Periandros, der Sohn des Kypselos (Herrscher von Korinth), nämlich sandte dreihundert Söhne vornehmer Männer von der Insel Kerkyra (Korfu) zu Alyattes nach Sardes, um sie kastrieren zu lassen. Als die Korinther mit diesen Knaben an Bord in Samos anlegten, verleiteten die Samier, die den Zweck der Fahrt erfuhren, die Knaben, nach dem Artemisheiligtum zu entfliehen... Die Knaben wurden befreit, und die Korinther segelten heim... Dann brachten die Samier die Knaben nach Kerkyra zurück.

(Tudh-)Alyattes ist seit 656 ndFl tot, und ein Menschenalter danach (etwa dreißig Jahre später; gemeint ist eine Generation, nicht ein volles Menschenalter) ziehen die Lakedaimonier mit den Korinthern gegen Samos:

(Herodot III, 54) Die Lakedaimonier landeten mit einem großen Heere auf Samos und belagerten die Stadt... Da aber kam Polykrates mit großer Macht herzu und trieb sie wieder zurück.

Dann sagt Herodot etwas ganz Entscheidendes für die Chronologie:

(Herodot III, 55) Hätten an diesem Tage alle Lakedaimonier so tapfer gekämpft wie Archias und Lykopas, so wäre Samos gefallen... Mit einem Enkel dieses Archias, der ebenfalls Archias hieß und ein Sohn des Samios war, bin ich selber in Pitane, dem spartanischen Demos, zu dem er gehörte, zusammengetroffen... Sein Vater habe deshalb den Namen Samios erhalten, weil sein Großvater in Samos den Heldentod erlitten habe.

Konventionell kann Herodot mit dem Enkel eines Mannes, der in die Zeit des Kroisos gehört, der mindestens einen Sohn hat und der offenbar in jungen Jahren den Heldentod starb, durchaus zusammengetroffen sein; aber diese Chronologie ist für uns nicht verbindlich. Wenn Archias um 660 ndFl geboren sein sollte und sein Sohn Samios im Jahr des Sieges über Kroisos (687 ndFl), in dem auch der Zug der Lakedaimonier und Korinther gegen Samos stattfand, dann kann des letzteren Sohn Archias d.Jüng. um 710 ndFl geboren und ein Zeitgenosse Herodots gewesen sein. Der Unterschied zur konventionellen Auffassung ist der, dass in der berichtigten Geschichte alle diese von Herodot und im "Polemos" geschilderten Vorgänge in die Zeit unmittelbar vor dem Peloponnesischen Krieg gehören.

Das heißt im Klartext: Die Angabe Herodots, er habe mit dem jüngeren Archias über dessen Vater und Großvater gesprochen, fügt sich trotz der unterschiedlichen Einordnung des Peloponnesischen Krieges problemlos in die berichtigte Geschichte ein!

(Herodot III, 56) Als nach vierzigtägiger Belagerung der Stadt noch keine weiteren Erfolge erzielt waren, segelten die Lakedaimonier wieder heim nach der Peloponnes. ...

Bestechung soll im Spiel gewesen sein. Den mit Polykrates verfeindeten Samiern blieb nichts anderes übrig, als sich abzusetzen. Sie gelangten nach der an Gold reichen Kykladeninsel Siphnos, wo sie jedoch unfreundlich aufgenommen wurden, und landeten schließlich auf Kreta, wo sie die Stadt Kydonia gründeten. Hier blieben sie und lebten fünf Jahre in blühendem Wohlstand (Herodot III, 57-59), das hieße von 687 bis 692 ndFl.

Während Herodot den Zug der vereinigten Lakedaimonier und Korinther (im Jahre 687 ndFl) gegen Samos beschreibt, hat der "Polemos" die Athener im Visir, die auf den Aufstand der Samier gegen die Demokratie (im Jahre 687 ndFl) ebenfalls mit einem Hilfszug regagieren:

(Thuk. I, 116) Auf die Kunde hiervon fuhren die Athener mit sechzig Schiffen gen Samos. Sechzehn davon wurden anderswo verwendet, teils wurden sie nach Karien geschickt, um nach der phönikischen Flotte zu spähen, teils nach Chios und Lesbos, um Hilfe zu verlangen. Mit den übrigen vierundvierzig Schiffen kämpften die Athener unter Perikles (!) und neun anderen Feldherren bei der Insel Tragia (bei Milet) gegen siebzig samische Schiffe ... sie kamen sämtlich von Milet her -, und die Athener siegten. Darauf kamen noch vierzig Schiffe aus Athen nach und fünfundzwanzig aus Chios und Lesbos. Nun stiegen die Athener an Land, und da sie auch den Landtruppen überlegen waren, schlossen sie die Stadt Samos durch drei Mauern und zugleich von der Seeseite her durch die Flotte ein.

Gemeint ist mit Perikles diesmal nicht Peisistratos; denn der ist zu dieser Zeit im Exil auf Euböa. Es findet Thuk. I, 116 offensichtlich eine Vermischung dreier Ereigniskomplexe statt; es ist vermutlich Kimon der Ältere gemeint, der die Flotte im Jahre 687 ndFl gegen Samos führt. Milet steht jetzt tatsächlich auf dem Höhepunkt seiner Macht in Ionien. Seine Zerstörung erfolgt erst in zwanzig Jahren etwa, also während des Peloponnesischen Krieges, genauer gesagt in dessen zweitem Teil, der auch als dekeleïsch-ionischer Krieg bezeichnet wird (konv. 414-404 v.Chr. analog 710-720 ndFl). Konventionell liegt die Zeit des Perikles (ab 461 v.Chr,) erst nach der Zerstörung Milets (494 v.Chr. am Ende des so genannten Ionier-Aufstandes). Könnte Milet inzwischen wieder aufgebaut worden sein? Davon ist nirgendwo die Rede, und es ist äußerst unwahrscheinlich, dass die Perser dies auf ihrem Territorium zugelassen hätten. Insofern ist die Gleichzeitigkeit von Perikles und Milet ohnehin sowohl konventionell als auch in der berichtigten Altertumsgeschichte ein Anachronismus.

Perikles (!) aber nahm sechzig von den Belagerungsschiffen und fuhr mit ihnen in Eile nach Kaunos in Karien, weil die Nachricht eingetroffen war, dass phönikische Schiffe gegen die athenische Flotte im Anzuge seien. Aus Samos waren nämlich Stesagoras und andere mit fünf Schiffen entwichen, um die phönikische Flotte zu holen.

Perikles kann durchaus, wie ich noch zeigen werde, schon vor dem Perserkrieg in Athen zu Rang und Würden gekommen sein. Dann könnten er und Konon zu dem Komplex "Konon in Kaunos in Karien" gehören (konv. 396 v.Chr. analog etwa 726 ndFl), während Kimon der Ältere zu dem Samos-Zug vor dem Peloponnesischen Krieg gehören würde. Der Hinweis auf Stesagoras, bei dem es sich um den um 660 ndFl geborenen Sohn dieses älteren Kimon handelt, bestätigt meine weiter unten hergestellte Verbindung zu der in Thuk. I, 100 erwähnten Vernichtung der phönizischen Flotte durch Kimon den Älteren statt durch Perikles, der noch gar nicht geboren ist. Ganz ohne Zweifel sind auch in den noch folgenden Absätzen Vermischungen enthalten:

(Thuk. I, 117) Jetzt aber machten die Samier einen unvermuteten Ausfall, stürzten sich auf das ungeschützte Lager, bohrten die auf Wache liegenden Schiffe in den Grund und lieferten den entgegenfahrenden eine siegreiche Seeschlacht. Vierzehn Tage lang blieben sie nun Herren des dortigen Meeres und konnten ein- und ausführen, was sie wollten. Als aber Perikles (!) zurückkam, wurden sie durch die Flotte von neuem eingeschlossen. Und wiederum kamen weitere vierzig Schiffe aus Athen unter Thukydides, Hagnon und Phormion, ...

Diese Aktion, die dem vergeblichen Ansturm der Spartaner auf Samos entspricht, den Polykrates abwehren konnte, kann frühestens im Jahre 687 ndFl stattgefunden haben, nachdem Kyros Sardes erobert hatte; denn vorher kann kein Sohn des Hystaspes hier residiert haben, und die Erwähnung der Herren Thukydides, Hagnon und Phormion sprechen ebenfalls für die chronologische Einordnung dieser Vorgänge in diese Zeit. Bei Thukydides soll es sich nach antiker Erklärung nicht um den Verfasser der Annalen im "Polemos" handeln. Ich kann mich dieser Ansicht jedoch nicht anschließen. Was Perikles angeht, der "von neuem" auftaucht, so brauche ich nicht mehr zu sagen, dass er in die Zeit nach dem Peloponnesischen Krieg gehört und vom "Polemos"-Redakteur in diesen Absatz hinein "gemischt" worden ist. Es soll doch so aussehen, als gehöre dies alles in die "Pentekontaëtie" vor dem Peloponnesischen und nach dem Perserkrieg.

Da die Athener und die Spartaner im Jahre 687 ndFl noch an ein und demselben Strang zogen (30jähriger Vertrag aus dem Jahre 679 ndFl), so können die gemeinsamen Aktionen beider Städte nur in die Zeit gehören, als Polykrates sich Samos unterwarf: Athen und Sparta machen dieselben Erfahrungen vor und auf Samos. Nach dem Peloponnesischen Krieg war das Verhältnis Sparta-Athen stark belastet bis kurz vor dem Perserkrieg, in dem beide Städte Seite an Seite gegen den gemeinsamen Gegner Persien standen.

Die auffallende Ähnlichkeit der Darstellungen bei Herodot und im "Polemos" - soweit es hierin die frühen Aktionen betrifft - kann als ein weiterer Beweis dafür angesehen werden, dass es sich bei beiden um ein und dieselbe Begebenheit handelt, und dass Herodot schon über solche Ereignisse Bescheid wusste, die konventionell erst lange nach seiner Berichtszeit stattgefunden haben sollen.

Zu den späteren Aktionen im "Polemos", die die Zeit nach dem Peloponnesischen Krieg betreffen, gehört zweifellos auch die folgende:

(Thuk. I, 117) Und wiederum kamen weitere vierzig Schiffe aus Athen ... ferner zwanzig unter Tlepolemon und Antikles ... Die Samier ... mussten aber ... im neunten Monat die Stadt übergeben und in folgenden Vergleich willigen: ...

Sie müssen die Mauern schleifen, Geiseln stellen, Schiffe ausliefern und ratenweise die Kriegskosten an Athen erstatten. Auch sollen die Byzantier sich wieder unterworfen haben.

Unter Polykrates ist ein derartiger Vergleich nicht gut vorstellbar. Hierbei handelt es sich um eine Begebenheit aus späterer Zeit, zumal die Namen Tlepolemon und Antikles überhaupt nicht in die frühe Phase passen. Auf die spätere Zeit komme ich natürlich zu gegebener Zeit ausführlich zu sprechen. Der folgende Absatz schließt an die Erwähnungen von Thukydides, Hagnon und Phormion an, also an die frühere Phase:

(Thuk. I, 118) Wenige Jahre darauf traten nunmehr die oben berichteten Ereignisse ein: die Vorgänge in Kerkyra und in Poteidaia. Mit anderen Worten: kurze Zeit später begann der Peloponnesische Krieg.

Allerdings dürfte es sich bei der folgenden Beschreibung um eine Vermischung von Ereignissen, die eindeutig vor den beiden Kriegen stattgefunden haben, mit solchen handeln, die erst nach dem Peloponnesischen Krieg Sinn ergeben; denn wann sonst sollten Aigineten Medismos begangen haben und dafür bestraft worden sein können?

(Herodot VI, 49): Unter den Inselbewohnern, die Dareios Erde und Wasser gaben, befanden sich auch die Aigineten. Das ließ Athen sie sofort entgelten. Die Athener meinten, Aigina habe es nur deshalb getan, um im Verein mit den Persern gegen sie zu Felde zu ziehen. Mit Freuden ergriffen sie die Gelegenheit und gingen nach Sparta, die Aigineten wegen Verrats an Hellas zu verklagen.

Der Kommentator meint an dieser Stelle: Hieraus geht hervor, dass sich schon vor dem ersten Feldzug des Dareios gegen Griechenland ein hellenischer Bund unter Führung Spartas gebildet hatte.

Der Kommentator kann aus seiner konventionellen Sicht heraus nicht anders argumentieren. Es handelt sich hier aber auch nicht um den Hellenischen Bund des Demosthenes; vielmehr beziehen sich die Athener auf den Frieden des Nikias. In dieser Zeit fanden auch die Bestechungen der Griechenstädte durch die Herren Ariobarzanes und Ismenias statt. Danach konnten die Aigineten unter Darius ihre Unterwerfung durch die Übergabe von Erde und Wasser nicht mehr vollzogen haben. Trotzdem sehe ich dieses Eingreifen Athens unter Berufung auf gesamthellenische Interessen nicht "sofort"; ich halte es vielmehr für ein Ereignis aus der Nachkriegszeit unter Artaxerxes, dessen Regierung Herodot ohnehin völlig übergeht und Xerxes direkt auf Darius folgen lässt.

An diesen Artaxerxes hatten einige hellenische Gemeinwesen schon Erde und Wasser gegeben, als er noch unter seinem Namen Ariobarzanes, Sohn des Darius, durch Hellas zog mit einem Sack voll Gold und reihenweise Städte und Inseln einsammelte. Das war während des Peloponnesischen Krieges gewesen. Jetzt, nachdem der Krieg zu Ende war, schritten die freiheitlich gesinnten Städte gegen die Abtrünnigen ein. Nicht auszuschließen ist jedoch, dass der Angriff der Athener auf Aigina noch während dieses Krieges erfolgte, als Sparta und Athen Gegner waren. Dafür spricht einiges, das aber in aller Ausführlichkeit an dieser Stelle noch nicht behandelt werden soll.

Dass es Bemühungen seitens der Perser gab, die achäionischen Küstenstädte und Ägäis-Inseln, ja sogar darüber hinaus die hellenischen Inseln und Städte des europäischen Festlandes zu unterwerfen, kann als gegeben angesehen werden. Ob es jedoch zu dem frühen Zeitpunkt, also vor dem Peloponnesischen Krieg, bereits eine solche Absicht des seit 687 ndFl in (Chatti-)Susa = Hattusas residierenden Darius-Telipinus (= Lipit-Ischtar) oder seines Oberherrn und Schwiegervaters Kyros-Umak-Ischtar-Chundu gegeben hat, muss zunächst offen bleiben. Eine Verbindung zu Thrako-Phrygern (= Mager, Mygdonen, Makedonen) bestand zunächst noch nicht, wurde mit Sicherheit aber schon sehr bald hergestellt. Aus persischer Perspektive war das ganze Hellas ein einziges Machtvakuum mit wetteifernden Stadtstaaten, die alle nach der Hegemonie strebten und auch nicht davor zurückschreckten, Bündnisse mit den Persern einzugehen, wenn es denn ihren Absichten dienlich war.

Nach Herodot (III, 55-59) im sechsten Jahr nach der Flucht der Samier bzw. nach der Machtergreifung des Polykrates besiegten die mit den Kretern verbündeten Aigineten, die immer noch zu Polykrates hielten, auf Kreta diese Flucht-Samier von Kydonia. Das müsste im Jahre 692 ndFl geschehen sein. Auf Kreta soll auch der Athener Phormion gegen sie gekämpft haben. Diese Ereignisse müssen vor und können nicht nach dem Peloponnesischen Krieg stattgefunden haben, da Polykrates im Jahre (konv.) 522 v.Chr. analog 699 ndFl, dem siebten Jahr dieses Krieges, von dem Perser Oroites getötet werden wird. Zudem bestätigen auch die Auseinandersetzungen zwischen Periandros von Korinth und den Korkyräern, dass wir uns in der Zeit unmittelbar vor dem Peloponnesischen Krieg befinden (Seeschlachten zwischen Korinth und Kerkyra in den Jahren konv. 435/433 v.Chr. analog 689/691 ndFl).

Zu der Feindschaft des Periandros mit Kerkyra kam es Herodot (III, 53) zufolge, weil die Kerkyräer, deren Insel damals zu Korinth gehörte, den Sohn Lykophron des Periandros getötet hatten. Dieser Lykophron ist meines Erachtens auch der Schwiegersohn des Jason, der nach dessen Tod die Einigung Thessaliens unter seiner Oberherrschaft herbeiführen wollte und scheiterte. Allerdings müsste er das erste Jahr des Kriegs (mit der Sonnenfinsternis) noch erlebt haben, was nicht für seinen Tod vor diesem Krieg sprechen würde.

Herodot kannte diese Vorfälle zur Zeit des Jason offenbar, obwohl sie lange nach dem Perserkrieg erst stattgefunden haben sollen. Herodot geht mit diesen Tatsachen um, als lägen sie schon einige Jahre zurück, was ja auch zutrifft.

Der Grund für die Klage der Athener gegen Aigina war die Übergabe von Erde und Wasser in der späteren Zeit. Das von Herodot in diesem Zusammenhang geschilderte Vorgehen der Spartaner auf der Insel Aigina war indes keine Reaktion auf die Anklage, sondern diese Aktion läuft parallel zu den spartanischen Kämpfen bei Samos in der Vorkriegszeit, die Herodot fälschlicher Weise mit der Übergabe von Erde und Wasser in der späteren Zeit zusammengebracht hat. Das Vorgehen der Spartaner in Aigina passt auch nicht in die Zeit, in der die Athener die Aigineten auswiesen, die dann von Sparta unterstützt wurden. Darauf komme ich weiter unten zurück. Die jetzigen Gegner der Spartaner auf Aigina sind noch die Verwandten des Polykrates:

(VI, 50) Auf diese Anklage hin fuhr der König von Sparta, Kleomenes, Sohn des Anaxandrides, hinüber nach Aigina, um die Hauptschuldigen gefangen zu nehmen. Aber einige Aigineten widersetzten sich ihrer Gefangennahme, namentlich Krios, Sohn des Polykritos, der ausrief, Kleomenes würde keinen Aigineten ungestraft fortschleppen; er käme überhaupt nicht im Auftrage der Gemeinde Sparta, sondern sei von den Athenern bestochen worden, sonst wäre er doch mit dem anderen König gemeinsam gekommen. Er sagte das alles im Auftrage des zweiten spartanischen Königs Demaratos.

Mit dem Vaternamen Polykritos kann in diesem Zusammenhang durchaus Polykrates gemeint sein, obwohl Herodot Polykrates gekannt und beschrieben hat; denn Polykrates stammte bekanntlich aus Aigina und kann zu dieser Zeit erwachsene Kinder gehabt haben, die dort noch verblieben sein können. Möglicherweise hat Herodot sogar Polykrates geschrieben, was von einem Kopisten in Polykritos abgeändert wurde.

Möglicherweise betrifft obige Aktion der Spartaner gegen Aigina aber auch noch eine letzte Hilfsaktion Spartas für Athen in dessen Krieg gegen Aigina wegen Kydonia, das mit Athen verbunden gewesen zu sein scheint; denn die Flucht-Samier waren die ehemaligen Demokraten, die einstigen Verbündeten Athens, die durch den Aigineten Polykrates vertrieben worden waren. Dieser Konflikt ergibt mehr Sinn für die Feindschaft zwischen Athen und Aigina vor dem Peloponnesischen Krieg (im Jahre 692 ndFl) als die Übergabe von Erde und Wasser an die Perser durch die Aigineten, die zu diesem frühen Zeitpunkt anachronistisch wäre.

Es kann sich im Jahre 687 ndFl ohnehin nicht um den spartanischen König Kleomenes handeln, und auch Demaratos kann noch nicht der andere König sein; denn beider Väter, Anaxandrides und Ariston, waren im Jahre 687 ndFl noch in ihren Ämtern. Insofern ist die Ansetzung dieser Aktion der Spartaner ins Jahr 692 ndFl plausibler. Doch der von Herodot in diesem Zusammenhang gesehene Anlass, aus dem Kleomenes sich an Demaratos rächen wollte, war ein anderer.

An anderer Stelle im "Polemos" (Thuk. II, 85) wird gesagt, der athenische Flottenbefehlshaber Phormion habe vor Naupaktos im Golf von Korinth der spartanischen Flotte gegenüber gelegen und auf eine Gelegenheit zur Seeschlacht gewartet (konv. 429 v.Chr. im dritten Kriegsjahr analog 695 ndFl). Dann habe er aber eine Menge Zeit verloren, weil er zunächst nach Kreta abkommandiert wurde, wohin der athenische Proxenos Nikias aus Gortys ihn gerufen habe, um gegen das Land der Stadt Kydonia zu kämpfen. Diese Expedition ist 695 ndFl und in dieser Situation blanker Unsinn. Sie gehört schon in das Jahr 692 ndFl, und Phormion kämpfte auf der Seite der Kydonier gegen die Aigineten!

Auf den Krieg der Athener gegen die Aigineten nimmt dann der "Polemos" (Thuk. I, 105) bezug, wie weiter oben schon erwähnt wurde. Allerdings sind die Fronten jetzt gegenüber der Situation zuvor verändert: Die Spartaner sind Gegner der Athener und Verbündete der Aigineten, die doch von den Athenern wegen "Medismos" in Sparta verklagt worden waren. Aus dem direkten Anschluss dieser Berichterstattung an den Absatz 104, in dem das Eingreifen der Athener in Ägypten besprochen wird, ist zu schließen, dass dieser Krieg gegen die Aigineten jener schon erwähnte ist, der erst nach dem oder am Ende des Peloponnesischen Krieges stattfand. Auf diesen Krieg werde ich zur rechten Zeit zurückkommen. Hier sollen nur kurz die Angaben aus dem "Polemos" aufgeführt werden:

Nachdem die Athener die Aigineten in deren eigenen Gewässern besiegt hatten, stiegen sie unter der Führung des Leokrates an Land und belagerten die Stadt Aigina. Darauf geschah folgendes:

(Thuk. I, 105) ... Nun setzten die Peloponnesier, um den Ägineten beizustehen, dreihundert Hopliten, die bisher Korinth und Epidauros beschützt hatten, nach Ägina über...

Auch in den Hellenika wird auf diesen Krieg zwischen Athen und Aigina bezug genommen (Hell. V 1, 1ff.), und die Spartaner stehen auch hier auf der Seite der Gegner Athens. Der Lakedaimonier Eteonikos soll nun schon zum zweiten (!) Male in Aigina sein. Er war vermutlich vor dem Krieg, also vor mehr als dreißig Jahren schon einmal hier, und er wird uns auch in Xenophons Anabasis begegnen (724/726 ndFl). Jetzt soll er, da der Krieg eindeutig auf dem Meer ausgetragen wurde, mit Zustimmung der Ephoren Freiwillige auf Raubzüge nach Attika hinüber [schicken].

Dieser Raubzug kann zu seiner früheren Tätigkeit gehören, als er vor dem Peloponnesischen Krieg zum ersten Male hier war. Möglicherweise handelt es sich bei diesem Krieg der Athener gegen Aigina um einen Vorgang, der inmitten des Peloponnesischen Krieges spielt. Eher in eine späte als in die frühe Phase gehören auch die Hinweise auf Ägypten und die Schleifung der Mauern auf Aigina. Dafür spricht auch das daran Anschließende, das ebenfalls in eine spätere Zeit gehören könnte:

Die ... Athener sandten nun Hopliten unter ... Pamphilos nach Aigina ... Teleutias jedoch, der gerade zur Beschaffung von Geldmitteln irgendwo bei den Inseln eingetroffen war, kam ... den Aigineten zu Hilfe; er verjagte die Schiffe, während die feste Stellung auf dem Land von Pamphilios gehalten werden konnte.

Teleutias ist der Sohn des Archidamos und Bruder des Agesilaos sowie Halbbruder des Agis; bei einem Feldzug gegen Olynth wird er im Kampf fallen (Hellenika V 3, 6). Die Zeit seiner Tätigkeit fällt in eine Phase, in welcher die Hellenika ein besonders großes Chaos aufweisen. Darauf komme ich weiter unten zurück.

Es folgt in Hell. V 1, 3 die Ablösung des Nauarchen Teleutias durch den neuen Flottenkommandeur Hierax, der mit der Flotte wieder nach Rhodos fuhr, in Aigina aber zwölf Trieren und als Harmostes (= Statthalter) seinen Epistoleus (= Unterbefehlshaber der Flotte und Stellvertreter des Nauarchen) Gorgopas zurückließ. Auf Grund eines Volksbeschlusses wurde im fünften Monat der Belagerung die athenische Besatzung des Forts auf Aigina zurückgeholt. Da die Raubzüge der Aigineten jedoch nicht aufhörten und auch Gorgopas den Athenern Schwierigkeiten bereitete, rüsteten die Athener dreizehn Schiffe unter dem Nauarchen Eunomos aus. Das Amt des athenischen Nauarchen, so sagt man, sei allerdings nicht mit der Machtfülle eines lakedaimonischen Nauarchen zu vergleichen.

Während sich Hierax noch in Rhodos aufhielt, entsandten die Lakedaimonier Antalkidas als neuen Nauarchos, in der Erwägung, dass sie damit dem Tiribazos einen großen Gefallen erweisen könnten (Hell. V 1, 6).

Die Herren Antalkidas und Tiribazos gehören in die spätere Zeit, nämlich in die nach dem Krieg, in die der Anabasis des Xenophon und des jüngeren Kyros sowie des Agesilaos (konv. um 401/399 v.Chr.) und zu den späteren Vorgängen um Aigina (konv. 389-387 v.Chr.). Folglich handelt es sich bei der Erwähnung der Vorgänge um Antalkidas und Tiribazos um eine Vermischung mit früheren. Wie sehr selbst die konventionelle Wissenschaft durch das Kapitel Hellenika V in Zweifel an der Richtigkeit der Kapitelfolge innerhalb der Hellenika geraten ist, werde ich weiter unten verdeutlichen.

Obiger Hellenika-Vers V 1, 6 fährt fort: Antalkidas fasste nach seiner Ankunft in Aigina die Schiffe des Gorgopas mit seiner Flotte zusammen und fuhr weiter nach Ephesos. Dann schickte er den Gorgopas mit den zwölf Schiffen wieder nach Aigina zurück, ...

Hier handelt es sich doch um einen absolut blödsinnigen Vorgang; denn weshalb sollte Gorgopas erst nach Ephesus reisen, die athenische Bedrohung Aiginas außer Acht lassend, und dann wieder dorthin zurückkehren? Hier sind doch zwei zeitlich auseinander liegende Vorgänge krampfhaft in einen Zusammenhang gezwungen worden. Auch die Fortsetzung des obigen Verses klingt nicht sonderlich überzeugend:

... die übrigen übergab er dem Befehl seines Epistoleus Nikolochos.

Letzterer als Unterbefehlshaber des Antalkidas kann natürlich ebensowenig in die frühe Zeit gehören wie sein Chef; denn es war bei den Spartanern Gesetz, dass jeder Nauarch für ein ganzes Jahr und auch nur für ein einziges Mal gewählt wurde. Auch dem Herausgeber der Hellenika ist die Häufung der Nauarchen an dieser Stelle eine Anmerkung wert (Nr. 6 zu Buch V):

... Die neueste Ausgabe, von Hatzfeld, geht davon aus, dass Teleutias nicht Nauarchos werden konnte, solange Antalkidas Nauarchos war, und streicht daher das Wort "Nauarchos". Nach Eduard Meyers Rechnung (G.d.A. V 268) kam aber Teleutias, zum dritten Male zum Nauarchos gewählt, im Herbst 387 nach Aigina, während Hierax 389/88 und Antalkidas 388/87 dieses Amt bekleidet haben.

An einer anderen, noch zu besprechenden Stelle, ist von dem Problem die Rede, den großartigen Lysandros für ein weiteres Jahr zum Nauarchen zu machen. Man musste ihn zum Epistoleus machen, damit er für den weniger geeigneten Arakos, den man zum Nauarchen machte, gewissermaßen "in dessen Rücken" die eigentliche Führung übernehmen konnte (Hell. II 1, 7). Es dürfte daher angebracht sein, diese Angaben alle auf jeweils nur eine einzige Amtszeit eines Nauarchen in nur einem ganz bestimmten Jahr zu beziehen. Die Frage bleibt allerdings zunächst offen, welches Jahr bei Teleutias gemeint ist.

Der Beginn des Krieges zwischen Athen und Aigina wird für die Jahre (konv.) 488 bzw. 389/388 v.Chr. (Hierax soll der Nauarch gewesen sein) und eine Einschließung Aiginas durch die Athener für das Jahr (konv.) 459 v.Chr. angegeben. Das betrifft den Krieg Athens mit Aigina in der Zeit nach dem Peloponnesischen Krieg; aber ein Teil hiervon kann durchaus die Kämpfe mit Aigina des Jahres 692 ndFl betreffen. Im Jahr darauf kapituliert Aigina: (konv.) 487, 388/387 v.Chr. und 456 v.Chr.: Auch das betrifft die spätere Zeit; aber Teleutias kann in dieser Zeit nicht mehr Nauarch gewesen sein, da er schon tot sein dürfte. Möglicherweise ist der angeblich im Herbst 387 v.Chr. als Nauarch amtierende Teleutias Teil einer früheren Phase der Kämpfe um Aigina, vermutlich noch vor 700 ndFl.

(Thuk. II, 27) Auch wiesen die Athener in ebendiesem Sommer (konv. 431 v.Chr., analog 693 ndFl) die Aigineten aus Aigina aus: Männer, Kinder und Frauen. Sie warfen ihnen vor, dass sie die Hauptschuld an dem Kriege trügen, dachten auch, dass es sicherer sei, wenn die der Peloponnes so nahe gelegene Insel Aigina von den eigenen Landsleuten besiedelt werde. Bald darauf schickten sie denn auch die Kolonisten nach der Insel hinüber. Den zur Auswanderung gezwungenen Aigineten wiesen die Lakedaimonier die Stadt Thyrea zur Wohnung und das dazu gehörige Gebiet zur Bebauung an, teils aus Feindschaft gegen Athen, teils weil die Aigineten ihnen zur Zeit des Erdbebens und des Aufstandes der Heloten Dienste erwiesen hatten. Das Gebiet von Thyrea grenzt an das argeiische und lakonische Gebiet und erstreckt sich nach dem Meere hin. Ein Teil der Aigineten also siedelte sich dort an, der andere zerstreute sich über ganz Hellas.

In diesem Sommer soll es eine Sonnenfinsternis gegeben haben, deren Berechnung heute schwierig sein dürfte, da der moderne Kalender erst im Jahre 728 ndFl entstand. Der Hinweis auf das Erdbeben von Sparta und den Helotenaufstand, also den 3. Messenischen Krieg, wird konventionell auf frühere Ereignisse bezogen (464 v.Chr.); er betrifft aber das erste Jahr des Peloponnesischen Krieges. Die Frage ist hier jedoch, ob die Vertreibung der Aigineten in dieses erste Kriegsjahr gehört! Auf die Sonnenfinsternisse dieser Zeit, die sich merkwürdigerweise alle in kurzen Abständen ereignet haben, komme ich weiter unten wieder zu sprechen.

Wie ich zeigen werde, gehört die Vertreibung der Aigineten (konv. 431 v.Chr.) nicht in das erste Jahr des Peloponnesischen Krieges, wie es im "Polemos" heißt, sondern in die spätere Phase, als Antalkidas Nauarch war (angeblich 388/ 387 v.Chr.); denn vertriebene Aigineten können nicht nach dreißig Jahren von Aigina aus gegen Athen Krieg führen. Es ist in diesem Fall auch nicht Peisistratos statt Perikles, der die Aigineten von ihrer Insel vertreibt, sondern vermutlich tatsächlich Perikles, der um diese Zeit bereits in Athen Einfluss hatte, nämlich zwischen den Kriegen (in der richtigen Reihenfolge: Peloponnesischer vor Perserkrieg). Nach der Vertreibung der Aigineten von ihrer Insel kann es keine kriegerischen Handlungen gegen Aigina seitens der Athener mehr gegeben haben, da fortan die eigenen Landsleute dort gewohnt haben dürften.

Zu einem Bündnis zwischen Theben und Aigina, das Herodot (V, 80ff.) zufolge zur Zeit des Spartanerkönigs Kleomenes abgeschlossen worden sein soll, kann es demnach nur während dessen Mitkönigschaft gekommen sein. Das Jahr der Thronbesteigung des Kleomenes liegt um das Jahr 690 ndFl, in dem Anaxandrides, der Vater des Kleomenes, gestorben sein muss. Kleomenes und seine Rache an seinem Mitkönig Demaratos habe ich im 3. Kapitel des IX. Buches schon besprochen und werde weiter unten nochmal ausführlich darauf eingehen. Hier folgt zunächst einmal das, was Herodot zu dem Bündnis zwischen Theben und Aigina beizutragen hat:

Nach dem undramatischen Ende der Truppenversammlung auf den eleusischen Gefilden (Herodot V, 75), wo sich die feindliche Heeresmacht ruhmlos aufgelöst hatte (V, 77), sandten die Thebaner nach Delphi, um wegen eines Rachezuges gegen Athen das Orakel zu befragen (Herodot V, 79). Die Pythia antwortete, ihnen allein würde die Rache nicht gelingen. Sie sollten die Volksversammlung berufen und ihre Nachbarn um Hilfe bitten.

Die Zeit, in der die Pythia von den Alkmeoniden bestochen wurde, scheint vorbei zu sein. Wenn auch Herodot an dieser Stelle frühere Ereignisse (z. B. die Gründung athenischer Kolonien auf Euböa, was mindestens vierzehn Jahre vor dem Peloponnesischen Krieg stattgefunden haben muss) mit zeitgenössischen vermischt hat, so spricht für eine Einordnung in die Zeit kurz vor dem Peloponnesischen Krieg, dass die Thebaner sich an ihre Nachbarn auf der Insel Aigina erinnern, die mit Athen im Krieg liegen, und ein Bündnis mit ihnen schließen wollen:

(Herodot V, 80) ... Da keiner einen besseren Rat zu geben wusste, schickten sie alsbald nach Aigina, die Stadt möchte ihnen gemäß dem Orakelspruch zu Hilfe kommen; denn die Aigineten seien ihre nächsten Nachbarn. ... Dann rutscht Herodot wieder ab in die frühere Zeit: Diese versprachen, ihnen die Aiakiden als Helfer zu schicken.

Dieses Bündnis - das hatte ich weiter oben schon gesagt - wurde dem Kontext Herodots zufolge zu einer Zeit geschlossen, als Kleomenes schon König war, also nach 690 ndFl. Im Jahre 679 ndFl, als die Athener Euböa eroberten, oder im Jahre 687 ndFl, als die Aigineten die Aiakiden als Helfer nach Samos schickten, kann er noch gar nicht König gewesen sein.

Die Aiakiden sind die Familie des Telamon, zu der auch der derzeitige Herrscher Polykrates von Samos gehört. Herodot (oder die späteren Redakteure?) und sein Kommentator sehen in den Aiakiden allerdings wieder Blech- oder Holzfiguren anstatt der leiblichen Heerführer und verpassen damit die Chance, diese Ereignisse zeitlich richtig einzuordnen.

Auch die an obige Geschehnisse anknüpfende Fortsetzung der Geschichte spricht dafür, dass diese Dinge zum Vorspiel des Peloponnesischen Krieges gehören:

(Herodot V, 89) ... Als jetzt die Thebaner sie um Hilfe baten, folgten daher die Aigineten ... gern ihrem Ruf. Die Aigineten also verwüsteten die attische Küste, ...

Das klingt wie die Vorgehensweise des Eteonikos (siehe weiter oben!) in der späteren Phase. Es muss bei Herodot aber nicht unbedingt derselbe Vorgang gemeint sein wie in den Hellenika (V 1, 1ff.). Bei Herodot (V, 89) heißt es dann weiter:

... und als die Athener ihnen entgegentreten wollten, kam ... (90) ... ein Hemmnis von seiten der Lakedaimonier. Die Lakedaimonier hatten erfahren, was die Alkmeoniden mit der Pythia getan und was wiederum die Pythia mit Sparta und den Peisistratiden getan hatte, und sie bereuten, dass sie ihre Freunde aus ihrem Reiche vertrieben hatten, und waren ergrimmt, dass ihnen die Athener nicht einmal dankbar dafür waren.

Das Hemmnis der Lakedaimonier klingt hier nicht sehr überzeugend; es handelt sich in Wirklichkeit um das Erdbeben und den daran anschließenden Helotenaufstand. Es handelt sich schlechthin um den (frühen) Beginn des Peloponnesischen Krieges (692 ndFl).

Zurück zu Thuk I, 105: Nachdem die Athener unter Leokrates mit der Belagerung von Aigina-Stadt begonnen und die Peloponnesier die dreihundert Hopliten, die vorher Korinth und Epidauros beschützt hatten, auf Aigina abgesetzt hatten, um den Aigineten beizustehen, bestätigt der "Polemos", dass es sich hierbei um Ereignisse handelt, die eindeutig in die spätere Phase gehören:

Außerdem besetzten die Korinther mit den Verbündeten die Höhen der Geraneia (Gebirge zwischen Megara und Korinth) und stiegen ins Gebiet von Megara hinab. Sie meinten, die Athener würden außerstande sein, den Megarern zu helfen, weil sie große Heere in Ägina und in Ägypten hatten.

Das ist kein Anachronismus; denn hier muss der Redakteur dem Diktat seiner Pentekontaëtie gehorchen und sich wieder auf Absatz 104 und den Ägyptenaufstand des Inaros beziehen (siehe weiter oben!). Zu diesem Aufstand hatten die Athener Hilfstruppen gesandt; das gehört in das Jahr 720 ndFl, und der Krieg mit Aigina gehört in dieselbe Zeit, nämlich in die spätere Phase.

Athen hat zu Beginn des Peloponnesischen Krieges keine Veranlassung, der Stadt Megara zu helfen; im Gegenteil: die Athener greifen Megara mehrfach in dieser Zeit an, bis sie den Hafen Nisäa der Megarer endlich in der Hand haben. Es muss sich daher bei der oben erwähnten Hilfe Athens für Megara um diese spätere Zeit handeln (Thuk. I, 105; 106), nachdem die Athener Megara längst erobert und sogar die langen Mauern zum Hafen Nisäa für sie gebaut hatten.

Wir hatten weiter oben schon gesehen, dass die athenischen Mauern bereits vor dem Peloponnesischen Krieg gebaut, nach diesem Krieg gemäß dem Friedensvertrag aber niedergerissen und unter Themistokles kurz danach, und zwar noch vor dem Perserkrieg, wieder aufgebaut wurden. Ebenfalls noch vor dem Perserkrieg wurden auch die so genannten langen Mauern gebaut:

(Thuk. I, 107) Um diese Zeit begannen auch die Athener, die langen Mauern ans Meer hinab, die eine nach Phaleron, die andere zum Piräus zu bauen.

Im selben Absatz wird ein Kriegszug der Phoker in dorische Gebiete erwähnt, den die Lakedämonier mit einem gewaltigen Heerzug erwidern. Man möchte jetzt diesen Streit mit den Aktivitäten aus dem "Heiligen" amphiktyonischen Krieg verbinden; und tatsächlich wird in Thuk. I, 112 auch gesagt:

Darauf führten die Lakedämonier den so genannten Heiligen Krieg. Sie bemächtigten sich des Heiligtums in Delphi und gaben es an die Delphier zurück. Als sie aber abgezogen waren, kamen die Athener, nahmen das Heiligtum den Delphiern ab und gaben es wieder an die Phoker.

Das kennen wir doch, und zwar aus dem zweiten Teil dieses Kapitels, der von Philipp (I statt II) handelt. Wir würden daher diese Angaben sofort in die Zeit vor dem Peloponnesischen Krieg einordnen, wenn da nicht der Name des spartanischen Anführers genannt würde:

Nikomedes, der Sohn des Kleombrotos, der den noch jungen Sohn Pleistoanax des Pausanias vertrat. Diese Namen gehören in eine spätere Zeit, und zwar sowohl nach dem Peloponnesischen als auch nach dem Perserkrieg. Beide Söhne werden in den Hellenika nicht genannt, und Herodot lässt Pausanias als Vormund für Pleistarchos, den Sohn des bei den Thermopylen gefallenen Leonidas, in den weiteren Perserkrieg ziehen (IX, 10). Da Herodot aber auch den Fehler begeht, Pausanias als Sohn des Kleombrotos und Vetter des Pleistarchos zu bezeichnen, so ist die Stelle im "Polemos" (Thuk. I, 132), an welcher es heißt: Und Pausanias stammte nicht nur aus dem königlichen Geschlecht, sondern besaß gegenwärtig selber die Königswürde, da er als Vetter des minderjährigen Königs Pleistarchos, Sohnes des Leonidas, die Vormundschaft über denselben führte." als direkte Übernahme aus Herodot durch den "Polemos"-Redakteur zu entlarven. Nur der Redakteur hatte Zugang zu den Büchern Herodots, nicht jedoch der "Polemos"-Autor, weil der den Perserkrieg und die spartanischen Thronfolgen an dessen Beginn sehr wahrscheinlich gar nicht mehr erlebt hat.

Es liegt der Verdacht nahe, dass es sich ohnehin bei dem Sohn Pleistoanax des Pausanias um den Sohn Pleistarchos des Leonidas handelt. Dass Pausanias auch schon deshalb zu einem Sohn des Kleombrotos gemacht werden musste, da sein Auftreten im Peloponnesischen Krieg als König der Lakedaimonier (konv. 408-394 v.Chr.) sonst nicht möglich gewesen wäre, kann nicht als Begründung herangezogen werden; denn es kann konventionell ohnehin nicht der Pausanias aus der Zeit nach dem Perserkrieg, auf den hier noch nicht eingegangen werden soll, mit dem aus dem Peloponnesischen Krieg identifiziert werden, obwohl beide ein und derselbe sind.

Der Redakteur war es aber dann auch, der den Bau der langen Mauern, den der Autor noch richtig "um diese Zeit" angesetzt hatte, also kurz nach dem Peloponnesischen Krieg, in "seine" Pentekontaëtie, also in die Zeit nach dem Perserkrieg, hinübergezogen hat. Das Resultat ist die vorliegende Vermischung, die hiermit noch keineswegs zu Ende ist.

Noch in Absatz 107 werden wir Zeuge von weiteren Anstrengungen des Redakteurs, ein Chaos zu erzeugen, in dem die Zeiten von einem Satz zum anderen wechseln. Als besonders interessant sind folgende Hinweise zu entnehmen:

(Thuk. I, 107) ... Zum Teil aber auch wurden sie durch den Umstand bewogen (die oben schon erwähnten Phoker auf ihrer verzweifelten Suche nach einem sicheren Heimweg), dass gewisse Athener sie heimlich nach Athen zu ziehen suchten, um die Demokratie zu stürzen ... und: Gemäß dem Bundesvertrag stießen auch thessalische Reiter zu den Athenern, die aber während der Schlacht zu den Lakedämoniern übergingen.

Das erinnert doch lebhaft an die Rückkehr der Peisistratiden, die, um in Athen die Demokratie wieder abzuschaffen, Verbindung mit dem Thessaler Philipp und mit den Spartanern aufgenommen hatten und von "gewissen Athenern" namens Isagoras usw. sehnlichst erwartet wurden: 692 ndFl. Demnach wären die Phoker auch nach dem amphiktyonischen Krieg noch kriegerisch in Erscheinung getreten. Eine Verbindung von diesen frühen Begebenheiten zu Söhnen des Kleombrotos und des Pausanias konnte nur der "Erfinder der Pentekontaëtie" herstellen, der die falsche Reihenfolge der Kriege zu verantworten hat.

In Thuk. I, 108 werden dann die Schlachten von Tanagra und Oinophyta (konv. 457 v.Chr.) in die Zeit des langen Mauerbaues projiziert, was aber nur zutreffen kann, wenn diese gleichzeitig mit den Stadtmauern, also noch vor dem Peloponnesischen Krieg, gebaut worden sein sollten; denn ganz offensichtlich gehören obige Schlachten in die Kämpfe der Bundesgenossenkriege oder des "Heiligen" amphiktyonischen Krieges (689-691 ndFl). Erwähnt wird auch Megara. Der Name des athenischen Feldherrn lautet Myronides, der auch schon in Thuk. I, 105 im Zusammenhang mit Aigina und Megara erwähnt wurde. Die Athener und ihre Verbündeten werden auch von Tolmides, dem Sohn des Tolmaios, angeführt, der kurze Zeit später Chäronea (auch Chaironeia geschrieben) erobern wird, das wie Koroneia in Boiotien (oder Böotien) liegt. Bei dem letztgenannten Ort wurden die Athener von den böotischen Verbannten aus Orchomenos, von den mit diesen vereinigten Lokrern, ferner von euböischen (!) Verbannten und allen, die zu derselben politischen Partei gehörten, angegriffen und in einer Schlacht besiegt.

Diese Ballung von Ereignissen, die an die Kriege 689 bis 691 ndFl erinnern, unter anderem auch an die Schlacht bei Chaironeia, an der der Thessaler (noch nicht Makedonenkönig) Philipp I teilnahm, zwingt zu der Annahme, dass auch hier wieder Ereignisse aus zwei verschiedenen Epochen vermischt worden sind. Ohnehin habe ich den Eindruck, dass es sich bei Koroneia und Chaironeia um ein und denselben Ort handelt. Diese ganze Palette der Kämpfe, die zu besagtem Krieg gehören, ist vermutlich über dutzende von Kapiteln und Textstellen verstreut überliefert und dazu noch mit anderen, späteren Ereignissen vermischt worden.

Ähnlich wie ich weiter oben schon den Ägyptenaufstand des Inaros, Sohnes des Psammetichos (Thuk. I, 104), übersprungen habe, so werde ich auch jetzt mit den Absätzen 109 und 110 verfahren, da beide ebenfalls nicht in die Zeit vor dem Peloponnesischen Krieg gehören. Vielmehr nehmen auch diese Absätze bezug auf die athenischen Streitkräfte, die zur Unterstützung der Aufständischen in Ägypten stehen. Diese Ereignisse betreffen das Todesjahr des Darius und die Zeit danach. Auch in Absatz 112 wird dieser Aufstand nochmals angesprochen. Darauf komme ich weiter unten wieder kurz zu sprechen, werde aber den ganzen Komplex "Ägyptenaufstand" erst in einem späteren Kapitel abhandeln.

Wir werden in Thuk. I, 111 an Jason von Pherai erinnert, der sich ja bekanntlich zum Tagos von Thessalien gemacht hatte. Zum Teil hatte er dabei auf das Erbe seiner Familie zurückgegriffen, zum Teil muss er aber auch Konkurrenten ausgeschaltet haben, die ihr Erbe in anderen Provinzen von Thessalien hatten. Einer dieser Erben könnte Orestes, der verbannte Sohn des thessalischen Königs Echekratides gewesen sein, der die Athener überredete, ihn wieder in sein Land zurückzuführen:

Die Athener zogen wirklich mit dem Aufgebot ihrer verbündeten Böoter und Phoker nach Thessalien gegen die Stadt Pharsalos ... aber die Stadt eroberten sie nicht, erreichten auch sonst den Zweck des Feldzuges nicht und kehrten endlich mit Orestes unverrichteter Sache wieder heim.

Dieser Versuch war also ebenso gescheitert wie der des Lykophron, und es sieht so aus, als habe auch Orestes erst nach dem Tode des Jason seinen Versuch unternommen, der an der starken Gegenwehr der Argeaden Polyphron-Philipp und Polydoros und der starken thessalischen Reiterei zerbrach.

Kurz darauf sollen die Athener unter Perikles, Sohn des Xanthippos, die Sikyonier vor deren Stadt besiegt haben. Auch die Stadt der Oiniaden in Akarnanien versuchten sie zu erobern, mussten aber aufgeben und wieder heimfahren. Die Oiniaden können die Nachfahren des Oineus von Kalydon in Aitolien gewesen sein, das unmittelbar an Akarnanien angrenzt. Natürlich muss hier wieder einmal Perikles durch seinen Vater Xanthippos oder einen anderen Verwandten aus der Familie des Megakles oder sogar aus der Familie des Kleisthenes (von Sekyon!) ersetzt werden.

Der folgende Absatz schließt dann wieder an die Ägyptenabenteuer der Athener an:

(Thuk. I, 112) Drei Jahre später wurde zwischen den Peloponnesiern und Athenern ein fünfjähriger Waffenstillstand geschlossen.

Drei Jahre wonach? Konventionell wird dieser fünfjährige Waffenstillstand unsicher in das Jahr 453 v.Chr. gelegt, also erst in die Zeit nach der Ägyptenexpedition. Das geht aus dem Text nicht unbedingt hervor; lässt man aber Absatz 111 außen vor, dann schließt Absatz 112 an Absatz 110 an, wo es heißt, die Sache (in Ägypten) sei für die Hellenen nach sechsjährigem Kampf verloren gewesen. Wenn man den Beginn der Expedition auf das Jahr 721 ndFl datiert, dann wäre 727 ndFl sechs Jahre später. Hier passen die drei Jahre demnach nicht hin. Ich glaube, dass dieser fünfjährige Waffenstillstand im Jahre 727 ndFl im Angesicht der persischen Bedrohung geschlossen wurde (Allgemeiner Landfriede konv. 481 v.Chr.): Drei Jahre nach dem Ende des Ägyptenabenteuers, das schon nach drei statt nach sechs Jahren zu Ende war: 721-724 ndFl.

Die Athener ... unternahmen ... unter Führung Kimons einen Kriegszug nach Kypros (Zypern) mit zweihundert athenischen und bundesgenössischen Schiffen. Sechzig von diesen Schiffen gingen weiter nach Ägypten, wohin sie Amyrtaios, der König des Sumpflandes (des Deltas), rief, die übrigen belagerten Kition (Stadt an der Ostküste von Zypern). Aber da Kimon starb und eine Hungersnot ausbrach, verließen sie Kition wieder. Auf der Höhe des kyprischen Salamis kam es zu einer See- und Landschlacht mit den Phönikern, Kyprioten und Kilikiern. Die Athener erfochten einen doppelten Sieg und fuhren dann wieder heimwärts, die aus Ägypten zurückkehrenden Schiffe mit ihnen.

Ohne auf diese Begebenheiten im einzelnen einzugehen, halten wir bereits jetzt folgende Tatsachen fest:

Im Todesjahr des Darius (I = II) (720 ndFl) wird dessen Sohn und Thronfolger Achaimenes der Jüngere (in Ägypten: A-ach-mes, der König des Nordens) von Inaros, einem Sohn des Amasis-Psammetichos, ermordet, der auch den größten Teil Ägyptens zum Abfall vom Großkönig Artaxerxes brachte. Gedacht wird hierbei konventionell an Artaxerxes I Longimanus, den Sohn des Xerxes, in Wirklichkeit handelt es sich aber um den Bruder Arses-Arsames-Ariobarzanes des Xerxes, der unter seinem Königsnamen Artaxerxes Mnemon an die Stelle seines älteren Bruders Achaimenes nachgerückt war.

Inaros rief die Athener zu Hilfe, die gerade - und jetzt wird es interessant - bei Kypros mit zweihundert athenischen und bundesgenössischen Schiffen lagen. Sollte dieses Kommando nicht erst "drei Jahre später" unter Kimon in See stechen (Thuk. I, 112)? Wo sollten dann aber noch die weiteren sechs Jahre bleiben? Hier ist einiges verworren!

In Thuk. I, 109 kämpfen die athenischen und bundesgenössischen Truppen noch immer in Ägypten, und erst nach sechsjährigem Kampf wurde Inaros durch Verrat gefangengenommen und gekreuzigt. Nur sein Bruder Amyrtaios konnte sich noch im Sumpfland halten. Die Athener zogen wieder ab, und die Spartaner werden bald unter Agesilaos kommen und sich mit Amyr-Teos = Psammis, Psamuthis, Psamtschek = Ptolemaios (von Aloros!) Euergetes = Sethos Men-maat-Re beschäftigen, um ihn auf den Pharaonenthron zu bringen. Davon wissen die modernen Althistoriker jedoch noch nichts!

Dieser Ägyptenaufstand unter Amyrtaios (I) wird konventionell ins Jahr 460 v.Chr. datiert; er ist aber auch unter Amyrtaios II für das Jahr (konv.) 404 v.Chr. vermerkt; es sind natürlich beide Anführer und Aufstände miteinander identisch und gehören in das Jahr 720 ndFl!

Und diese ist die Stelle, an der sich die Pentekontaëtie "selbst in den eigenen Schwanz beißt"!

Denn wenn ein Ereignis, das vom "Polemos"-Redakteur in der Pentekontaëtie untergebracht wird, in Wirklichkeit erst in die Zeit nach dem Peloponnesischen Krieg gehört, und zwar konentionell unter Amyrtaios II und ebensogut in der neuen Sicht, dann spricht das gegen das Machwerk Pentekontaëtie! Was soll das dann noch anderes, welchen Sinn könnte es sonst noch haben, als die Zeit zu dehnen?

Das erschien auch dem "Redakteur" des "Polemos" die richtige Stelle, auf dieses Konstrukt direkt hinzuweisen. Nur wenige Zeilen später (Thuk. I, 118) spricht er es aus:

... Ein Zeitraum von fünfzig Jahren ist es ungefähr, in welchem die Hellenen alle die erwähnten Kriege untereinander und mit den Barbaren geführt haben, die zwischen dem Rückzug des Xerxes und dem Anfang dieses (des Peloponnesischen) Krieges liegen...

Diese Geschichtslüge eines Kopisten wurde jahrhunderte-, wenn nicht sogar jahrtausendelang geglaubt und half dabei mit, die Überdehnung der Altertumsgeschichte zu bewerkstelligen. Ich kann mich des Verdachtes nicht erwehren, dass es klösterliche Kreise waren, die an einer Dehnung der Altertumsgeschichte auf biblische Ausmaße interessiert waren. Bekanntlich ist die biblische (AT-)Geschichte über viel zu viele Jahrhunderte und fiktive Generationen hinweg angelegt worden.

Kimon der Jüngere starb auf einem Feldzug bei Zypern im Jahre 727 ndFl, bevor seine Flotte dem Hilferuf des Amyr-Teos folgen konnte. Es war nicht seine Flotte gewesen, die dem Inaros gleich zu Beginn dessen Aufstandes zu Hilfe gekommen war. Es ist möglich, dass zu Beginn der athenischen Expedition zur Unterstützung des Inaros jene fünfzig Dreiruderer nach Ägypten ausgelaufen waren, von denen Absatz 110 spricht. Sie könnten nach sechs Jahren, also 727 ndFl, von den Persern und Phöniziern vernichtet worden sein, so dass die Flotte des Kimon nach dessen Tod von Zypern ins Nildelta geschickt wurde, um wenigstens Amyrtaios noch zu retten, woraus allerdings nichts mehr wurde.

Wenn Kimon, der für seinen Vater Miltiades noch die Strafe gezahlt hatte, ein Zeitgenosse des Perikles gewesen sein soll, dann muss letzterer bereits vor dem Perserkrieg in Athen ein Machtwort zu sagen gehabt haben. Perikles war schon im Peloponnesischen Krieg dabei, und zwar bei den Arginusen (siehe seinen Prozess!). Es ist denkbar, dass gar nicht Peisistratos im Jahre seines Todes rehabilitiert wurde, nachdem man ihn im Vorjahr abgesetzt hatte, sondern tatsächlich Perikles, wie es im "Polemos" bekanntlich auch heißt (Thuk. II). Dann hätte sich Perikles während des Perserkrieges womöglich gar nicht in Athen aufgehalten, was konventionell übrigens gar nicht auffallen würde.

Vieles, was am Beginn des Peloponnesischen Krieges stattgefunden haben soll, werden wir tatsächlich jedoch erst im Anschluss an den Perserkrieg wiederfinden!

Da Herodot (VI 131) Perikles nur ein einziges Mal erwähnt, so hege ich den Verdacht, dass diese Stelle von einem späteren Kopisten stammt; selbst der Herausgeber H.W. Haussig findet das merkwürdig (Anm. VI, 188): Herodot erwähnt die Geburt des berühmten athenischen Staatsmannes Perikles, dessen Tod im Jahre 429 v.Chr. er noch erlebt hat. Er scheint hier, wie auch an anderen Stellen, wo er sich mit den Alkmäioniden beschäftigt, eine Familienchronik dieses berühmten Geschlechtes benutzt zu haben.

Könnte es nicht eher so gewesen sein, dass Herodot diesen berühmten Mann, dessen Tod er gewiss erlebt hat, wenn auch wesentlich früher als die unglaubhaften fünfzig Jahre nach dem Perserkrieg, unter einem anderen Namen geführt hat? Etwa unter Themistokles?

Die See- und Landschlacht in Thuk. I, 112 auf der Höhe des kyprischen Salamis hat mich seit eh und je gereizt, darin die Seeschlacht bei Salamis im Saronischen Golf vor Athen aus dem Jahre 728 ndFl (konv. 480 v.Chr.) zu sehen, also ziemlich genau in derselben Zeit. Hat hier der Redakteur seine Hände im Spiel gehabt? Ich werde daraus aber keinen Gelehrtenstreit machen.

Letzter Stand: 1. Dezember 2013


 

1 Originaltitel Polemos ton Peloponnesion kai Athenaion = Der Krieg der Peloponnesier und der Athener; siehe auch meine Erläuterungen dazu in Buch IX, 3. Kapitel, und in Buch X, 2. Kapitel (Teil 1)!
2 Siehe dazu die Karte IV Griechenland am Vorabend des Peloponnesischen Krieges 431 v.Chr. bei H. Bengtson, Griechische Geschichte! Hiernach wären diese Gebiete konventionell noch unter Xerxes und Artaxerxes I perserfrei gewesen!
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