Zehntes Buch: Darius und Xerxes

2. Kapitel: 

Hellas im Peloponnesischen Krieg

  Teil IV: 

Der Peloponnesische Krieg

    3. Teil: Die Jahre 695 bis 699 ndFl und Sizilien


Das Jahr 695 ndFl

(Thuk. II, 69) In dem folgenden Winter (konv. 430/429 v.Chr. analog 694/695 ndFl) schickten die Athener unter Anführung Phormions zwanzig Schiffe zur Umfahrung der Peloponnes ab. Phormion sperrte von Naupaktos aus den korinthischen Meerbusen, was eine Blockade Korinths bedeutete. Darauf war ich schon im vorangegangenen Kapitel eingegangen. Weiter unten komme ich wieder hierauf zurück.

(Thuk. II, 70) In demselben Winter begannen auch die Potidäer mit den athenischen Feldherren, die das Belagerungsheer führten: Xenophon, Sohn des Euripides, Hestiodoros, Sohn des Aristokleides, und Phanomachos (= Phainippos), Sohn des Kallimachos (= Kallias), wegen der Übergabe der Stadt zu unterhandeln. Von Phormion, der zu Beginn der Belagerung Poteidaias im Jahre 692 ndFl noch dabei war, ist keine Rede mehr; denn er steht ja bei Naupaktos. Die Bedingungen an die Poteidaier waren human: Sie durften abziehen, die Stadt wurde von athenischen Ansiedlern in Besitz genommen. In Athen machte man den Feldherren ernste Vorwürfe, dass sie so glimpflich mit Poteidaia verfahren waren.

(Thuk. II, 71) In dem folgenden Sommer (429 v.Chr. analog 695 ndFl, drittes Kriegsjahr) machten die Peloponnesier und Bundesgenossen keinen Einfall in Attika, sondern zogen gegen Platäa. Die Führung hatte der lakedämonische König Archidamos, Sohn des Zeuxidamos. Das kommt uns doch schon bekannt vor:

(Thuk II, 2) ... sechs Monate nach der Schlacht bei Poteidaia rückten zu Anfang des Frühlings ... bewaffnete Thebaner in Platäa, einer mit den Athenern verbündeten Stadt Böotiens, ein.

Eigenartigerweise können auch jetzt wieder ungefähr sechs Monate nach Ereignissen um Poteidaia, das im letzten Winter kapituliert hatte, vergangen sein; aber diesmal sind es nicht die Thebaner, sondern die Peloponnesier, und ihr Anführer ist derselbe wie vor zwei Jahren, als die Peloponnesier in Attika einfielen: Archidamos, der Sohn des Zeuxidamos. Außerdem ist jetzt Sommer.

Die ganze Geschichte mit Platäa zu diesem Zeitpunkt ist wenig glaubwürdig. Platäa wird übrigens auf einigen Landkarten in Attika statt in Böotien untergebracht. In Thuk. II, 71 heißt es dann weiter:

Die Platäer aber schickten sofort ihre Gesandten zu ihm hinaus und ließen ihm etwa folgendes sagen: "Archidamos und ihr Lakedämonier! Es ist Unrecht von euch und weder euer, noch eurer Väter würdig, dass ihr gegen das Land der Platäer zu Felde zieht. Pausanias nämlich, der Sohn des Kleombrotos aus Lakedämon, hat, nachdem er und diejenigen Hellenen, die mutig genug waren, jene Schlacht bei unserer Stadt mitzuschlagen, Hellas von den Persern befreit hatten ..."

Da haben wir es: dieser ganze Komplex Platäa gehört überhaupt nicht hierher. Er gehört erst in die Zeit nach dem Perserkrieg. Pausanias, der Held von Platäa (729 ndFl), war übrigens - wie ich an anderer Stelle schon sagte - ein Schwager und nicht der Sohn des Kleombrotos, der seinerseits kurz von dem Perserkrieg schon verstarb (728 ndFl). Wir sehen hieran auch, dass der "Polemos"-Redakteur sich bemühte, diese Begebenheit, die offenbar nur kurz nach dem Perserkrieg erfolgen wird, schon im Peloponnesischen Krieg unterzubringen.

Archidamos wird durch diesen Anachronismus eine Handlungsweise aufgezwungen, die selbst in Anbetracht der altertümlichen Mentalität, die bisweilen eigenartig anmutet, uns wenig überzeugend vorkommt: Er muss Platäa, das in Treue zu Athen stehen möchte, "bestrafen", obwohl Pausanias der Stadt nach der Schlacht im Jahre (konv.) 479 v.Chr. analog 729 ndFl ihre Eigenständigkeit und sonstige Vorrechte eingeräumt hatte; aber könnte es nicht auch anders gewesen sein?

(Thuk. II, 72) Auf diese Anrede der Platäer erwiderte Archidamos folgendes: "... Handelt doch so, wie es das von Pausanias euch verliehene Vorrecht verlangt! Erhaltet euch die Autonomie und befreit auch alle die anderen, die ..."

Es ist doch viel plausibler, die Dinge so zu sehen, als habe Archidamos den Platäern jetzt den Status verliehen, den ihnen Pausanias vor der Schlacht "damals" zugesichert haben soll. Archidamos könnte einer bis dahin zu Athen gehörenden Stadt die Selbstständigkeit mit der Maßgabe verliehen haben, dass sich die Platäer auf die Seite der "Befreier" stellen sollten. Nach der Schlacht des Jahres 729 ndFl bei Platäa hätte dann Theben unter den oben schon ausgeführten Umständen Platäa angegriffen. Ich erinnere in dem Zusammenhang an das Problem Eurymachos/Leontiades, auf das ich weiter oben ebenfalls schon eingegangen bin.

Eine Zerstörung Platäas durch die Thebaner in den konventionellen Jahren 374/3 bzw. 373/2 v.Chr., die in die jetzt in Rede stehende Zeit gehören würde, halte ich ohnehin für wenig plausibel. Eine Vernichtung dieser Stadt nach dem Perserkrieg zu der Zeit des Pausanias halte ich für wahrscheinlicher. Das gehört allerdings erst in ein späteres Kapitel, und das Thema Platäa sollte für diesen Krieg endgültig erledigt sein; bestenfalls eine kleine Bedeutung könnte diese Stadt darin gehabt haben, nicht jedoch die hier beschriebene Rolle gespielt haben.

Die Frage, warum die Athener an der belagerten Stadt ihrer treuen Verbündeten vorbei nach der Chalkidike marschieren, anstatt den Platäern zu helfen, beantwortet sich auf diese Weise von selbst: Archidamos brauchte gar kein schlechtes Gewissen zu haben, weil die Belagerung von Platäa in Wirklichkeit überhaupt nicht hierher gehört. Deshalb können die Athener jetzt auch bedenkenlos etwas ganz anderes tun, als sich um Platäa zu kümmern:

(Thuk. II, 79) in demselben Sommer (konv. 429 v.Chr. analog 695 ndFl) zu gleicher Zeit mit dem Angriff auf Platäa, unternehmen sie ... mit zweitausend einheimischen Hopliten (Schwerbewaffneten) und zweihundert Reitern einen Zug gegen die Chalkidier in Thrakien und die Bottiäer. Das Korn war gerade reif. Die Führung hatte Xenophon, der Sohn des Euripides, mit zwei anderen Feldherren. Sie erschienen vor Spartolos (auch Spartalos geschrieben), einer Stadt der Bottiäer, und verwüsteten die Kornfelder.

Die zwei anderen Feldherren könnten Chares und Charidemos heißen, die im Jahre (konv.) 352 v.Chr. die attische Herrschaft auf der thrakischen Chersonesos wieder aufgerichtet haben sollen; das bedeutet, es könnte sich um Miltiades den Älteren und seinen Bruder Kimon den Älteren handeln, welcher letzterer im Jahre (konv.) 465 v.Chr. einen Zug gegen die thrakische Chersonesos geführt haben soll. Beide konventionellen Jahreszahlen passen in ihren Strängen in diese Zeit! Dasselbe gilt für das (konv.) Jahr 429 v.Chr., in welchem folgendes geschah:

Spartalos erhielt Hilfe aus Olynth, und es kam zum Treffen bei der Stadt. Die chalkidischen Hopliten und einige ihrer Hilfstruppen wurden von den Athenern geschlagen und zogen sich in die Stadt zurück. Die athenischen Reiter und ihre Leichtbewaffneten, die plötzlich auch mit dabei sind, werden von den chalkidischen Reitern und Leichtbewaffneten besiegt. Die Athener hatten nämlich eine kleine Schar Peltasten (= Leichtbewaffnete) aus der sogenannten Krusis (= Landstrich in Makedonien unweit Poteidaia) in ihrem Heere (ebenda).

Der Kommentator vermerkt zu Peltasten: Soldaten mit einer im 5. Jahrhundert (v.Chr. konv.) aus Thrakien übernommenen Bewaffnung, nämlich einem kleinen Rundschild, der Pelte, nach der sie benannt sind, und leichtem Wurfspeer.

Als der eigentliche "Erfinder" der Peltasten gilt aber der Athener Iphikrates. Das weiß auch Bengtson (Seite 201):

... das vor Poteidaia freigewordene Belagerungsheer erlitt sogar bei Spartalos im Kampf mit Chalkidiern und Bottiäern eine empfindliche Niederlage; sie ist insofern von kriegsgeschichtlicher Bedeutung, als hier zum ersten Mal Leichtbewaffnete und Reiter über Hopliten obsiegten (Eig.Anm.: das geht aus dem "Polemos" allerdings nicht eindeutig hervor!): der ein Menschenalter später vor allem von Iphikrates herbeigeführte Umschwung in der Taktik kündete sich hierin von ferne an.

An anderer Stelle heißt es bei Bengtson (Seite 239/240): Ein schwerer Schlag für Sparta war die Niederlage eines seiner Regimenter, das durch athenische Peltasten unter Iphikrates überfallen wurde und empfindliche Verluste erlitt (Ende 392 konv.; ein Ort wird nicht angegeben; es war vermutlich eine Stelle nahe der Stadtmauer von Korinth).

Die Niederlage ist übrigens das Anzeichen einer künftigen Wandlung der hellenischen Kriegskunst. Die Zukunft gehört nicht der schwerbewaffneten, schwerbeweglichen Phalanx der Hopliten, sondern den mit leichten Schilden (Péltai), mit Stoßlanzen und Wurfspeeren ausgerüsteten "Peltasten", ... In Verbindung mit der äußeren Umwandlung des griechischen Kriegswesens hat sich in der 1. Hälfte des 4. Jahrhunderts v.Chr. die Theorie der Kriegskunst als eigener Zweig der Wissenschaft herausgebildet. Durch Dionysios I von Syrakus und Philipp II von Makedonien ist schließlich auch die Belagerungstechnik (Poliorketik; vgl. Demetrios Poliorketes = Philipp II) zum Range einer Wissenschaft erhoben worden. Ihre Blüte gehört jedoch erst der Zeit der Diadochen an.

Wir befinden uns bereits in dieser Zeit, und auch die Herren Iphikrates und Dionysios sind schon unter uns. Auch in der Zeit der böotischen Feldzüge der spartanischen Könige Agesilaos und Kleombrotos, als die Athener den zweiten Seebund schufen (konv. um 378 v.Chr., analog 726 ndFl), an dem das Finanzgenie Kallias (= Kallistratos von Aphidnai) mitgewirkt hatte, waren der mit Platon (geboren ca. 697 ndFl) befreundete Admiral Chabrias und der kluge Taktiker Iphikrates Söldnerführer auf der Seite der Athener (Bengtson, Seite 248).

Immanuel Velikovsky beschreibt die Ausrüstung der Peltasten noch genauer (Die Seevölker, Seite 79/80): Iphikrates ist dadurch berühmt geworden, dass er im Jahre -390 (oder -391; das Minuszeichen bedeutet "v.Chr.") mit einem Regiment athenischer Soldaten in der Nähe der Stadtmauer von Korinth einen Sieg über eine spartanische mora von Hopliten (Schwerbewaffneten) errungen hatte. Es war seine Idee, die Offensivkraft seiner Truppen auf Kosten ihrer defensiven Ausrüstung zu stärken. Anstelle von schweren Rüstungen trugen sie leichtere Tuniken; die Form der Schilde wurde verändert; die Speere wurden um die Hälfte ihrer bisherigen Länge verlängert, und die Schwerter wurden ebenfalls länger, und zwar bis auf mehr als das Doppelte, ja fast bis zum Dreifachen der bisherigen Länge. Das Markenzeichen der Peltasten waren ihre Langschwerter.

Zurück nach Spartalos: Nach wechselvollem Kampf vertrieb die chalkidische Reiterei schließlich die Athener und verfolgte sie, bis die sich in die Stadt Poteidaia retteten, die seit dem Winter oder Frühjahr in athenischer Hand war. Vierhundertdreißig Mann und alle Feldherren waren gefallen - also auch Xenophon, der Sohn des Euripides, sowie die beiden "anderen Feldherren", die den Zug angeführt hatten. Hier wird somit auch deutlich, dass der Feldherr Xenophon aus den ersten Jahren des Krieges nicht mit dem Historiografen gleichen Namens aus der Zeit nach diesem Krieg identisch sein kann. Der Rest des Heeres zog sich - wieder vorbei an dem "belagerten Platäa" - nach Athen zurück.

Es sind zwar die Tage des älteren Kimon gezählt; aber bei Spartalos wurde er nicht getötet, sondern er wurde von den Söhnen des Peisistratos im folgenden Jahr ermordet. Der "andere Feldherr", wenn er der ältere Miltiades gewesen sein sollte, könnte gefallen sein, wenn er nicht in diesem oder im folgenden Jahr gleichfalls ermordet worden sein sollte. Herodot lässt ihn in einem anderen Zusammenhang sogar schon "kurz danach" ermorden, was noch als zu Lebzeiten des Kroisos verstanden werden könnte; das aber ist zu früh.

In demselben Sommer (konv. 429 v.Chr. analog 695 ndFl), in dem die Lakedaimonier angeblich vor Platäa lagen, überredeten die bereits erwähnten Amprakioten (gemeinsam mit den Chaonern; Thuk. II, 80; vgl. Thuk. II, 68 im Vorjahr) die Lakedaimonier zu einem Heerzug gegen die Akarnanen und letztlich auch gegen die Athener, da man deren ionischen Inselbesitz gleich miteinkassieren und sogar Naupaktos, das Tor zum Golf von Korinth, erobern könne.

An dieser Stelle sollte der Leser, der sich in der Geografie Griechenlands nicht besonders gut auskennt, darauf hingewiesen werden, dass Ionien zwar an der Ägäis liegt (Inseln vor und Festlandstädte an der kleinasiatischen Küste), dass aber das Ionische Meer oder der Ionische Meerbusen mit den verwirrenderweise auch Ionischen genannten Inseln auf der anderen Seite von Griechenland liegt im südlichen Anschluss an das Adriatische Meer: Kerkyra (= Korfu), Ithaka und Kephallinia zum Beispiel.

Die Lakedaimonier schickten umgehend Knemos, der noch Nauarch (= Admiral) war, und die Hopliten auf Schiffen zur Insel Leukas vor Akarnanien, die den Spartanern gehörte. An die Bundesgenossen erging der Befehl, sich dort ebenfalls einzufinden. Die Korinther zeigten sich besonders eifrig, und zwar weniger - wie gesagt wird -, weil die Amprakioten korinthische Kolonisten waren, sondern weil ihnen das von den Athenern beherrschte Naupaktos an der Pforte zu ihrem Golf schwer im Magen lag.

Knemos soll schon im Vorjahr einen Zug mit hundert Schiffen gegen die Insel Zakynthos im Ionischen Meer vor der elischen Küste angeführt haben (Thuk. II, 66), wie weiter oben bereits gesagt wurde. Wenn er immer noch Nauarch war, welches Amt jährlich neu vergeben wurde, dann war das Jahr noch nicht zu Ende. Vermutlich gehört der erste Zug wegen des Waffenstillstandes aber in dieses Jahr statt ins Vorjahr.

Knemos war unbemerkt an Phormion vorbeigekommen, der seit dem Winter in Naupaktos Wache hielt, als sich die Verbündeten in Leukas trafen. Korinth und Sekyon konnten noch keine Schiffe senden, da sie nicht an Naupaktos vorbeikommen konnten. Im Heer der Peloponnesier befanden sich neben den Amprakioten und Leukadiern noch einige andere Zugehörige nordgriechischer Völker, darunter die Molosser und Atintaner unter Sabylinthos, dem Vormund des unmündigen Königs Tharyps.

Die Molosser bzw. Epiroter hatten demnach zu dieser Zeit (695 ndFl) keinen König, der von sich reden machte. Die Familie der Olympias (Pyrrhos, Lysimachos) war mithin nicht auf dem Thron. Jason, der 689 ndFl ermordet worden war, hatte einen Skopaden in Epirus als Statthalter eingesetzt. Vermutlich war nach dem Tode Jasons besagter unmündiger König auf den Thron gekommen, der von den Herrschern in Thessalien (Tetrarchen?) abhängig gewesen sein dürfte.

Weiter heißt es im selben Absatz, dass Perdikkas - ohne Wissen der Athener - aus Makedonien ebenfalls Truppen gesandt habe, die erst etwas später eingetroffen seien. Hatten die Bündnisse etwa schon wieder gewechselt?

In Athen hatte sich Peisistratos abermals gegen die Demokraten-Partei durchgesetzt, die seine Absetzung im Jahre 693 ndFl betrieben hatte (konv. Herbst 430 v.Chr.). Schon im Spätsommer 694 ndFl war er rehabilitiert worden. Er regierte dann noch bis zu seinem Tode im Herbst dieses Jahres (695 ndFl). Somit kann der Pakt mit Perdikkas, der in Abwesenheit der Peisistratiden geschlossen worden war, mittlerweile wieder von einem Pakt mit Philipp abgelöst worden sein.

Als Knemon vor Stratos angelangt war, der größten Stadt in Akarnanien, riefen die Akarnanen Phormion um Hilfe an. Der erklärte sich außerstande (Thuk. II, 81), ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt Naupaktos zu verlassen, da die korinthische Flotte kurz vor dem Auslaufen stünde. Die Stratier hatten indes großes Glück; denn aus nicht leicht einzusehendem Grund zogen die Peloponnesier unverrichteter Dinge wieder ab. Vermutlich hatte Knemon eingesehen, dass es ohne die Korinther keinen Zweck hatte, weiterzukämpfen (Thuk. II, 82).

Die Korinther hatten nämlich bei dem Versuch, die Sperre des Phormion bei Naupaktos zu durchbrechen, trotz ihrer Überlegenheit von siebenundvierzig zu zwanzig Schiffen der Athener vor Paträ (= Patras in Achaia auf der Peloponnes) eine Niederlage erlitten, woran auch die lakedaimonische Flotte nichts ändern konnte. Die korinthischen Feldherren waren Machaon, Agatharchidas und Isokrates. Mit dem Athener Isokrates war letzterer gewiss nicht identisch.

Sparta schickte drei Mitfeldherren zu Knemos: Timokrates, Brasidas, und Lykophron (Thuk. II, 85). Brasidas war im zweiten Kriegsjahr Ephoros eponymos gewesen (Hell II 3,10) und auch schon verstorben. Er war also an dieser Operation gar nicht mehr beteiligt. Ob obiger Timokrates der Vater des korinthischen Heerführers Timoxenos war, der im ersten Kriegsjahr erwähnt wird, bleibt offen. Der Name Timokrates steht auch für einen lakedämonischen Gesandten in Athen (Hell. VII 1, 13), der (konv. im Jahre 369 v.Chr.) über einen spartanisch-athenischen Waffenbund verhandelt. Diese Gespräche können in die Zeit des beginnenden Messenischen Krieges gehören, also in das Jahr 692 ndFl, als die Athener noch mit den Spartanern verbündet waren, und in die auch Brasidas noch gehört.

Der Name Lykophron erscheint in den Hellenika (II 3, 4) bei dem schon mehrfach erwähnten Tyrannen von Pherai, der zeitlich zu den thessalischen Tetrarchen gehören und ein Schwiegersohn des Jason von Pherai gewesen sein kann. Er war - wie ich weiter oben schon ausführte - ein Sohn des Korinthers Periandros. Er könnte ebenfalls in ein früheres Jahr gehören (Sonnenfinsternis 692 ndFl!).

Die Spartaner wie die Athener rüsteten sich für eine neue Seeschlacht. Phormion soll allerdings eine Menge Zeit verloren haben, weil er angeblich zunächst nach Kreta abkommandiert wurde, wohin ihn der athenische Proxenos Nikias aus Gortys gerufen habe, um gegen das Land und die Stadt Kydonia zu kämpfen (Thuk. II, 85). Ich halte das für ausgemachten Unsinn; denn nichts konnte wichtiger sein als die Sicherung der athenischen Flottenposition im Golf von Korinth. Hatte Phormion nicht schon den Akarnanen aus demselben Grund eine Absage erteilt? Der "Ausflug" nach Kreta gehört ins Jahr 690 ndFl (siehe weiter oben!).

Sollte auch die ganze Naupaktos-Angelegenheit eher noch zu den Kämpfen zwischen Korinth und Kerkyra gehören, die vor diesem Krieg und noch zu Lebzeiten des Timokrates wie des Brasidas stattfanden? Brasidas starb bereits im Vorjahr, und Timokrates wird dieses Jahr nicht überleben.

Sobald die Peloponnesier ihre Rüstungen auf der Werft der Eleier in Kyllene beendet hatten, trafen sie mit dem Landheer, das die Flotte unterstützen sollte, bei Panormos in Achaia zusammen. Phormion begab sich nach dem Rhion bei Molykreion, das zu Athen gehört (Thuk. II, 86). Auf der peloponnesischen Seite gegenüber liegt an der engsten Stelle des Golfes von Korinth das achaische Rhion (heute Rhion und Antirhion) unweit Panormos. So lagen sich die Flotten mehrere Tage gegenüber. Obwohl die Peloponnesier in der Überzahl waren, gewannen die Athener letztenendes die Schlacht nach wechselvollem Kampf, und Timokrates gab sich selbst den Tod.

Es kam zu einer zweiten Seeschlacht (Thuk. II, 90-92), in der zunächst die Peloponnesier, dann aber die Athener den Sieg davontrugen. Die zwanzig athenischen Schiffe aber, die Phormion noch vor der Schlacht zu Hilfe hätten kommen sollen, trafen erst danach in Naupaktos ein. Hier erwarteten die Athener das Ende des Sommers.

Zu Beginn des Winters (konv. 429/428 v.Chr. analog 695/696 ndFl; Thuk. II, 93-94) versuchen die Peloponnesier auf den Rat und mit der Unterstützung der Megarer einen Überfall auf den Piräus, können aber nur Teile der Insel Salamis verwüsten. Die Aktion scheitert, und die Lage ändert sich für Megara nicht.

(Thuk. II, 95) Um dieselbe Zeit ... unternahm der thrakische König Sitalkes, Sohn des Teres, seinem Stamme nach Odryse, einen Feldzug gegen den makedonischen König Perdikkas, Sohn des Alexandros, und gegen die thrakischen Chalkidier. Zwei Versprechen veranlassten ihn dazu; das eine wollte er erfüllt sehen, das andere selber einlösen. Perdikkas hatte ihm nämlich für den Fall, dass er ihn, der seit dem Beginn des Krieges in Bedrängnis war, mit den Athenern versöhne und seinem feindlichen Bruder Philippos nicht zum Throne zu verhelfen suche, Versprechungen gemacht, die Versprechungen aber nicht erfüllt; und den Athenern hatte er selber, als er das Bündnis mit ihnen abschloss, das Versprechen gegeben, dem Krieg auf der Chalkidike ein Ende zu machen. Aus diesen beiden Gründen also zog er aus.

Sitalkes ist zu dieser Zeit demnach noch mit Athen verbündet und steht an der Seite Athens gegen Perdikkas, dessen Bündnis mit Athen seit der Rehabilitierung des "Perikles"-Peisistratos wieder verfallen ist. Im "Polemos" heißt es dann weiter (Thuk. II, 95):

Er hatte Philippos' Sohn Amyntas bei sich, den er auf den makedonischen Thron setzen wollte, ferner athenische Gesandte, die um dieser Angelegenheit willen dort weilten, ferner als Feldherrn den Hagnon. Es sollten nämlich auch die Athener mit Schiffen und einem möglichst großen Landheer gegen die Chalkidier ins Feld rücken.

Gemeint ist konventionell mit Alexandros Alexander I Philhellen; tatsächlich geht es jedoch um Alexandros "Kyknos", den schwanenhalsigen Vater der Zwillinge Perdik-Kastor und Polydeikes-Pollux-Philipp I. Weiter unten klärt uns der "Polemos"-Autor auf, wie die Makedonen dieses Land erworben hätten:

(Thuk. II, 99) ... jedoch ist das am Meere gelegene, heute Makedonien genannte Land von Alexandros, dem Vater des Perdikkas, und deren Vorfahren, dem alten Temenidenhause aus Argos (man beachte die Übereinstimmung mit Herodot!), erworben und zu ihrem Königreiche gemacht worden, indem sie aus Pieria mit Gewalt die Pierer verdrängten, die sich später in Phagres und anderen Orten unterhalb des Pangäongebirges, jenseits des Strymon, niederließen ... und aus dem so genannten Bottiäa die Bottiäer verdrängten, die heute Nachbarn der Chalkidier sind. Sie erwarben ferner ... das so genannte Mygdonien, aus dem sie die Edoner vertrieben.

Das alles passt nicht zu dem angeblichen Vater Alexander I Philhellen des Perdikkas, zu dessen Zeit dieses Mygdonien-Makedonien schon bestanden haben muss. Es passt indes sehr gut zu den Anfangsbemühungen der Thrako-Phrygo-Mygdonen aus Kleinasien, die selbst einst von Europa nach Asien und von dort wieder nach Europa gekommen waren.

Herodot (VIII, 127) weiß, dass in der Zeit um den Perserkrieg Bottiaier, die von den Makedonen vom thermaiischen Golf vertrieben worden waren, in Olynth wohnten, also auf der Chalkidike.

Die Gesandtschaft aus Athen, die mit Sitalkes unterwegs war, hatten wir weiter oben schon namentlich kennengelernt (Learchos, der Sohn des Kallias, und Ameiniades, der Sohn des Philemon). Sie war wohl seit dem Vorjahr noch bei dem Thraker. Kallias (= Kallistratos) selbst kann sich - eventuell seit der Rehabilitierung des Peisistratos - in diesem Jahr (konv. 429 v.Chr.) bei Perdikkas in Makedonien aufhalten (konv. 361/360 v.Chr.), was dafür sprechen würde, dass sich Perdikkas noch nicht in Persien befindet.

"Perikles"-Peisistratos, der stets auf der Seite Philipps gestanden hatte, war in diesem Herbst gestorben. Er war es, der nur zwei Jahre und sechs Monate des ("kurzen") Krieges erlebte (Thuk. II, 65: Frühjahr 431 bis Herbst 429 v.Chr., analog 693 bis 695 ndFl). Kurz zuvor war er rehabilitiert worden (falls diese Rehabilitierung nicht den richtigen Perikles und somit eine spätere Zeit betreffen sollte). Seine Söhne Phokion-Hipparch und Demades-Hippias waren die neuen Tyrannen von Athen (konv. 529 v.Chr., also hundert Jahre = ein Säkulum vor dem Tod des Perikles!).

Der "Polemos" erwähnt den Tod des "Perikles"-Peisistratos an der richtigen Zeitstelle nicht noch einmal. Er belässt es bei dem Hinweis bei Thuk. II, 65. Plutarch, der sogar den gleichnamigen Sohn erwähnt, der als Mitfeldherr in der Seeschlacht bei den Arginusen die Peloponnesier besiegte, lässt Perikles an der Pest sterben (38). Wie unsinnig dies alles ist, das zweifellos später untergemischt wurde, geht letzlich auch daraus hervor, dass Plutarch die Biografie des Perikles mit schnulzigen Allgemeinplätzen enden lässt, ohne auch nur mit einem Wort einen Nachfolger zu erwähnen, der auf Perikles gefolgt wäre. Auch Herodot lässt sich über die Umstände des Todes des Peisistratos nicht aus.

Es verwundert nicht, dass durch den Tod des Tyrannen eine neue politische Situation eingetreten ist: Man tastet sich gegenseitig ab, wer zu wem steht. Wie ich an anderer Stelle schon deutlich gemacht habe, spielt Philipp I keine große Rolle in der konventionellen Altertumsgeschichte. Als Bruder des Perdikkas III taucht er als Philipp II erst siebzig Jahre später auf, was nur in der falschen Sicht möglich ist. Konventionell kann es daher auch keinen Amyntas als Sohn des Philipp geben, da Amyntas (III) der Vater des Philipp II ist, und zwar sowohl in der einen als auch in der anderen Sicht. Amyntas wird konventionell für den Sohn des Perdikkas angesehen, dem sein Onkel Philipp II die Krone vor der Nase wegschnappt.

Diese Irrtümer brauchen uns nicht mehr zu beschäftigen. Zurück zum "Polemos": Sitalkes war also dabei, sein eigenes Versprechen einzulösen, nämlich dem Krieg auf der Chalkidike ein Ende zu machen. Außerdem wollte er Perdikkas das von diesem gegebene Versprechen abtrotzen, dessen Inhalt uns aber nicht mitgeteilt wird. Perdikkas dürfte zu dieser Zeit (Winter 695/696 ndFl) noch nicht als Kanzler (Chiliarch) bei Kambyses in Persien beschäftigt sein.

Schließlich wird noch neben anderen, unbenamten Feldherren der Athener Hagnon im Gefolge des Sitalkes erwähnt. Dieser Sohn des Nikias war im Vorjahr (konv. 430 v.Chr.) gemeinsam mit Kleopompos, dem Sohn des Kleinias, zur Chalkidike abgefahren, wo sein Heer durch die Krankheit dezimiert worden war. Das Heer soll sich allerdings wieder in die Heimat abgesetzt haben, während die Belagerung von Poteidaia fortgesetzt wurde, dessen Kapitulation erst im letzten Winter erfolgt ist (694/5 ndFl). Wieso sich Hagnon nun wieder im Gefolge des Sitalkes befindet, wird uns gesagt: (Thuk. II, 95) Es sollten nämlich auch die Athener mit Schiffen und einem möglichst großen Landheer gegen die Chalkidier ins Feld rücken.

Der "Polemos"-Autor beschreibt ab Thuk. II, 96 das Reich der Odrysen mit ihren Bundesgenossen und meint, dass die Thraker damals das größte Reich in Europa hatten in bezug auf die Kriegsmacht, die Truppenzahl sowie die Einkünfte und den Wohlstand, und dennoch weit hinter den Skythen zurückgestanden hätten, die allerdings untereinander nicht einig waren. Den Thrakerkönig Seuthes, der von allen Thrakern die meisten Steuern erhoben habe, bezeichnet er als Nachbarn des Sitalkes. Daraus ist zu schließen, dass dieser um 674 ndFl geborene Zeitgenosse von Xenophons Anabasis (724/726 ndFl) schon jetzt auf einem Thron in Thrakien sitzt (695/696 ndFl). Es wird auch deutlich, dass konventionell ein "neuer" Seuthes (II) für die Zeit des Xenophon benötigt wird, da der Seuthes (I) des Herodot für die spätere Zeit zu alt gewesen wäre. Seuthes III, ein entschlossener Gegner des Lysimachos (Bengtson, S. 362), gehört als sein drittes Alterego natürlich ebenfalls in diese Zeit (der Diadochen wie des Xenophon).

Die Truppen im Heer des Sitalkes kamen aus vielen Völkerschaften dieser Gegend. Es waren überwiegend Fußtruppen, zu einem Drittel aber auch odrysische Reiterei und Thraker vom Rhodopegebirge mit ihren Kurzschwertern. Sie sammelten sich im päonischen Gebiet Doberos, also auf makedonischem Terrain, um von hier aus in die makedonische Ebene hinabzusteigen, in das Reich des Perdikkas.

Da die Makedonen noch nicht stark genug waren, sich einem so großen Heer entgegenzustellen, zogen sie sich in den Schutz der wenigen Städte zurück, die es jetzt nur erst gab. Erst Archelaos, der Sohn des Perdikkas, soll nach seinem Regierungsantritt die heutigen Städte gebaut und gerade Straßen angelegt haben. Auch für die Ausstattung des Heeres soll er besser gesorgt haben als die acht Könige, die vor ihm regierten, zusammen.

Archelaos (I) ist der tatsächliche Sohn des Perdikkas (II) und mit dem vermeintlichen Vater Alexander I Philhellen des Perdikkas (II) identisch. Über seine "acht Vorgänger" wurde an anderer Stelle schon abgehandelt. Dieser Alexander-Archelaos I hat den Beinamen Philhellen bekanntlich nie getragen. Der gehört zu dem richtigen Alexander Philhellen, zu Archelaos II, dem Sohn des Amyntas. Alexander-Archelaos I ist auch Alexander I/II der Große Nr. 1, der Indieneroberer und Heeresreformer, der Sohn des Perdikkas und der Olympias, der sich zu der jetzt in Rede stehenden Zeit auf dem Wege nach Indien befindet. Die Straßen wird er nach seiner Rückkehr bauen.

Von Doberos aus gelangten die Thraker in ein Gebiet, das früher Philipp gehört hatte. Hier kann auch konventionell kein Zweifel daran bestehen, dass es sich nicht um Philipp II handeln kann. Philipp hatte seinen Stammsitz nach dem Tode des Jason in Thessalien, möglicherweise in Pherai, wenn dort nicht Polydoros, der Mörder Jasons von Pherai, seinen Sitz hatte. Der kann aber auch in Larisa gesessen haben, wo er später ermordet werden wird.

Die Tatsache, dass Sitalkes den Sohn Amyntas des Philipp bei sich hat, den er auf den makedonischen Thron setzten will, besagt nicht, dass außer dem Bruder auch der Sohn gegen Philipp steht. Vielmehr könnte Amyntas einen Fürstenthron im Visir gehabt haben, den er auch tatsächlich eingenommen hat, wie Herodot erkennen lässt. Es ist naheliegend, Amyntas als den Nachfolger des Perdikkas in einer Eigenschaft als kommissarischer Verwalter des Königreiches Makedonien anzusehen, während sich Perdikkas und Philipp in Persien aufhalten, was schon in Kürze der Fall sein wird. Vorher wird Amyntas noch Besuch von einer persischen Delegation bekommen, die seine Unterwerfung fordert und dann spurlos verschwindet. Darüber hatte ich an anderer Stelle schon abgehandelt. Jedenfalls erleichtern jetzt schon die meisten Bewohner dieser Gegend dem Amyntas die Einnahme ihrer Städte, die eigentlich noch dessen Onkel gehören: Perdikkas.

Da es sich bei obigem Philipp um den Bruder des Perdikkas handelt, so fällt die Parallele zu Perdikkas III und dessen Bruder Philipp II auf, die konventionell erst in siebzig Jahren auftreten werden, wenn es angeblich um den Sohn Amyntas des Perdikkas geht. Über diesen Irrtum wurde ebenfalls schon an anderer Stelle abgehandelt. Wie aus dem "Polemos" hervorgeht, hatte Philipp I schon Besitzungen in Makedonien, die aus der Zeit vor seiner thessalischen Ära stammen dürften.

Da die Athener mit ihrer Flotte nicht eingetroffen waren, schickte Sitalkes selbst einen Teil seines Heeres in das Gebiet der Chalkidier und Bottiäer und verwüstete deren Land. Ohne den erhofften Erfolg seiner dreißigtägigen Operation zog er - auch wegen des Winters - wieder ab. Dazu soll ihn auch sein Neffe Seuthes überredet haben, der nach Sitalkes der mächtigste Mann im Reiche war. In Thuk. II, 101 wird dieser Sohn des Maisades mit einer Tochter des Teres, des Vaters von Sitalkes, als Sohn des Sparadokos bezeichnet, während dieser an anderer Stelle - wohl auch zutreffender - als älterer Bruder des Seuthes angegeben ist. Seuthes wiederum hatte sich mit Perdikkas hinter dem Rücken des Sitalkes geeinigt und die Tochter Stratonike des Perdikkas zur Frau genommen, die um 680 ndFl geboren sein dürfte.

Phormion, der mit seiner Flotte in Naupaktos überwinterte, von wo aus er kleinere Züge in die Nachbarorte unternahm, fuhr erst im Frühjahr wieder nach Athen zurück. Unter anderem setzte er Kynes, den Sohn des Theolytos, wieder als Herrn in seiner Stadt Koronta in Akarnanien ein. Damit sei das dritte Jahr des Krieges, den Thukydides im "Polemos" beschrieben hat, zu Ende gegangen (konv.) 429/428 v.Chr. (analog Winter 695/696 ndFl).

In Ägypten stürzt Necho den Pharao Haremhab und nimmt dessen Thron ein.

Alexander der Große Nr. 1 steht im östlichen Iran (konv. 329 v.Chr.).

Das Jahr 696 ndFl

Es ist das Jahr der 19. Olympiade. Kimon siegt mit dem Pferdegespann und wird anschließend von den Söhnen des Peisistratos ermordet. Der Rhodier Dorieus wird bei diesen Spielen zum zweiten Male Sieger. Es ist wenig wahrscheinlich, dass er der Bruder des Kleomenes war. Es sei denn, er war aus Afrika zunächst nach Rhodos und von dort zurück nach Sparta gegangen. Ich komme weiter unten auf den Spartaner Dorieus zurück.

Nur 25 Absätze hat das Dritte Buch des "Polemos" für die Ereignisse dieses Jahres (konv. 428 v.Chr.) übrig. Das wichtigste hieran ist der Abfall der Insel Lesbos von Athen. Der fand im Sommer nach dem neuerlichen Einfall des Archidamos in Attika statt. Lediglich die Stadt Methymna auf Lesbos hielt zu Athen. Obwohl einige Bürger der Stadt Mytilene, dem Hauptort auf Lesbos, die Proxenoi von Athen waren, den Athenern von den Vorbereitungen der Lesbier zum Abfall zu den Lakedaimoniern Meldung gemacht hatten, konnten die Athener den Abfall nicht verhindern.

In einer Rede zur Rechtfertigung des Abfalles sagt ein Mytilener, dass das Bündnis mit Athen aus der Zeit stamme, wo sich die Lesbier vom Perserkrieg zurückgezogen hätten (Thuk. III, 10). Hierbei handelt es sich natürlich wieder um eine Einfügung eines Redakteurs, der vermutlich die ganze Rede erfunden hat. Möglicherweise gehört dieser Abfall aber auch zu dem des Jahres 692 ndFl (siehe dort!).

Auf die Bitte der Akarnanier hin sandten die Athener dreißig Schiffe unter der Führung des Asopios, eines Sohnes des Phormion, um die Peloponnes herum nach Naupaktos. Aus diesem Grund hätten die Lakedaimonier und ihre Bundesgenossen, zu denen ab jetzt auch die Lesbier gehört haben sollen, ihre Schiffe über die Landenge von Korinth, über die "Diolkos" genannte Rollbahn an der schmalsten Stelle des Isthmos (6,5 km breit) ziehen müssen, um zum athenischen Meer zu gelangen. Daraus wurde dann aber doch nichts (Thuk. III, 15-16).

Später schickten die Peloponnesier den Alkidas mit einer Flotte nach Lesbos, und die Athener schickten zu Herbstanfang den Paches, Sohn des Epikuros, zur Einschließung von Mytilene nach Lesbos. Für die Kosten dieser Belagerung sollten Lysikles mit vier anderen Feldherren bei den Bundesgenossen Geld eintreiben, wurde aber in Karien getötet. Meines Erachtens handelt es sich um "Steuern" zu dem schon bestehenden (Delisch-attischen) Seebund.

Ähnliches widerfuhr der athenischen Gesandtschaft unter Melesandros, die im Winter (konv.) 430/429 v.Chr. (analog Winter 694/695 ndFl; siehe dort), also vor zwei Jahren, Geld in Karien und Lykien eintreiben sollte: Sie wurden im lykischen Inland getötet. Es scheint sich trotz der unterschiedlichen Namen um dieselbe Gesandtschaft zu handeln, die in beiden Fällen ins Jahr 692 ndFl gehören könnte. Gehört etwa das Folgende auch dorthin?

Am Ende des Winters wird der Lakedaimonier Salaithos mit einer Triere von Sparta nach Mytilene ausgeschickt, dann ist das vierte Jahr dieses Krieges, den Thukydides hier erzählt, zu Ende (Thuk. III, 25).

Im Winter sollen die Platäer, die angeblich immer noch von den Peloponnesiern und Böotern belagert werden, einen Ausfall unternommen haben (Thuk. III, 20). Der Plan stammte von Theainetos, dem Sohn des Tolmides, einem Wahrsager, und von Eupompidas, dem Sohn des Daimachos, der auch Stratege war. Was von Platäa in dieser Zeit zu halten ist, wurde schon mehrfach gesagt.

In diesem Jahr übernahm Nebukadnezar-Otanes die Regierung nach dem Tode seines Vaters Nabopolassar-Gobryas in Babylonien, die er möglicherweise seinem älteren Bruder Mardonios = Nebuscharadan = Nabu-schar-idin wegnahm. Letzterer steht ebenfalls in Diensten Persiens und hat mit seinem Bruder die entscheidende Schlacht bei Kadesch am Orontes gegen die Ägypter gewonnen. Danach führten sie die Bewohner Judas und Jerusalems ins zweite babylonische Exil.

Das Jahr 697 ndFl

Im folgenden Sommer machten die Peloponnesier mit ihren Verbündeten einen neuen Einfall in Attika (Thuk. III, 26), diesmal unter der Führung des anderen Königs von Sparta, des Kleomenes, den der "Polemos" als den Vertreter seines Brudersohnes, des noch unmündigen Königs Pausanias, Sohnes des Pleistoanax, vorstellt. Das ist nicht nur durch die Pentekontaëtie bedingter Unsinn, sondern auch gleichzeitig die Bestätigung dafür, dass es sich um denselben Kleomenes handelt, den Herodot uns schildert. Dieser müsste allerdings schon längst tot sein, wenn seine konventionelle Einordnung richtig wäre; denn der Bruder, der hier gemeint ist und der auch von Herodot als Bruder des Kleomenes beschrieben wird, ist Kleombrotos, der angebliche Vater des Pausanias, und nicht Pleistoanax. Hier musste gleichzeitig an mehreren Stellen von Redakteuren gepfuscht werden.

Selbstverständlich ist der hier gemeinte Kleomenes immer noch derselbe, der seinen Mitkönig Demaratos so schändlich vom Thron fegte und an dessen Stelle Leotychides den Älteren zum König machte. Mit diesem, der lt. Herodot (VI, 72-73) auf diesem Posten auch nicht alt geworden sein soll (er regierte tatsächlich nur etwa ein halbes Jahr), unternahm er einen Angriff auf die Insel Aigina, worüber an anderer Stelle schon abgehandelt und einiges richtiggestellt wurde (Band 5, X. Buch, 2. Kapitel: Das Erste Buch im "Polemos" Teil 2). Damals soll schon der Betrug des Kleomenes ruchbar geworden sein:

(Herodot VI, 74) Da aber kam es an den Tag, dass Kleomenes unehrliche Mittel gegen Demaratos angewendet hatte. Er entwich aus Furcht vor den Spartiaten nach Thessalien. Von dort aus ging er nach Arkadien und wiegelte die Arkader gegen Sparta auf. ... (75) Als die Lakedaimonier Kunde davon erhielten, fürchteten sie sich und holten Kleomenes nach Sparta zurück. Er wurde König wie vorher.

Der wahre Grund für die Rückholung des Kleomenes dürfte meines Erachtens ein anderer gewesen sein: Wenn für ihn kein Ersatz gekrönt worden war, dann war Archidamos, der Schwiegersohn und Nachfolger des älteren Leotychides, der einzige König in Sparta. Wir hören ja auch immer nur von ihm. Offenbar war Archidamos aber nach Italien gegangen, wo er im Jahre 699 ndFl (konv. 338 v.Chr.) den Tod erleiden wird, und zwar in der Stadt Mandonion. Sein Sohn Agis wird dann sein Nachfolger in Sparta als Mitkönig des Kleomenes. Wegen dieses Wegganges des Archidamos war es erforderlich geworden, Kleomenes wieder nach Sparta zu holen.

Es ist sogar denkbar, dass Archidamos mit der einzelnen Triere, die angeblich Salaithos nach Lesbos bringen sollte, nach Italien gesegelt ist; denn es ist doch unlogisch, wenn der erst später aufgebrochene Salaithos vergeblich auf die schon früher aufgebrochene Flotte unter Alkidas warten soll. Die Mytilenäer sollen deshalb Verhandlungen mit Paches aufgenommen haben. Die Verzögerung wird sehr unglaubhaft begründet. Auch die Rede eines gewissen Teutiaplos aus Elis, der dem Kriegsrat der Peloponnesier angehörte, an Alkidas und die anderen Heerführer ist - erwartungsgemäß wie alle Reden - (Thuk. III, 30) frei erfunden. Wie falsch diese ganze Stelle ist, geht auch aus der Erwähnung des Pissuthnes hervor, an den man sich wenden könne, der aber schon längst durch Artaphernes den Älteren in Sardes abgelöst worden ist. Auszuschließen ist hingegen nicht, dass diese ganze Geschichte gar nicht in diese Zeit gehört, sondern in die des Pissuthnes. Diese Ereignisse können das Jahr 687 ndFl betreffen und mit den Kämpfen um Samos zusammenhängen oder sogar in das Jahr 692 ndFl zum Aufbruch Alexanders nach Asien gehören (konv. 333 v.Chr.: Memnon stirbt bei der Belagerung von Mytilene!). Lediglich die Abreise des Archidamos mit Salaithos nach Sizilien ergibt hier Sinn. Es ist die Zeit der beginnenden Einmischung der griechischen Poleis in die Politik Unteritaliens und Siziliens. Gorgias von Leontinoi (Sizilien), der schon erwähnte Philosoph, bereitet sich auf seinen Besuch in Athen vor.

Für eine frühere Ansetzung spricht auch die Angabe, dass Brasidas, der Sohn des Tellos, als "dem Alkidas als Beirat zubeordert" (Thuk. III, 69) erwähnt wird, obwohl Brasidas bereits seit 694 ndFl tot ist. Außerdem spricht dafür die Teilnahme des Kleon, Sohn des Kleainetos, der schon 694 ndFl verstorben ist, an den Beratungen, was mit Mytilene geschehen solle. Seine fiktive Rede füllt wie die ebenfalls erfundene Rede des Diodotos, Sohnes des Eukrates, mehrere Absätze (Thuk. III 37-48). Jedenfalls entging Mytilene knapp dem Untergang, der schon so gut wie beschlossen gewesen war. Hier sind zweifellos zwei verschiedene und zeitlich getrennt liegende Ereignisse miteinander vermischt worden.

In demselben Sommer unternahmen die Athener unter Führung des Nikias, des Sohnes des Nikeratos, einen Zug gegen die zu Megara gehörende Insel Minoa. Wichtig ist hieran die Erwähnung des Nikias, der in den folgenden Jahren eine wichtige Rolle spielen wird, hauptsächlich mit Sizilien. Aber auch den Frieden des Jahres (konv.) 421 v.Chr. analog 703 ndFl wird er noch kurz vor seinem Tode schließen.

Die Kapitulation Platäas ist wie die anschließenden Reden (Thuk. III, 52 ff.) kein Thema mehr für uns. Vermutlich gehören die hier beschriebenen Ereignisse in die Zeit nach dem Perserkrieg. Dafür spricht der Bezug auf die Schlacht bei Artemision und die Erwähnung des Pausanias in der Rede der Platäer (54). Desgleichen stellt der Bezug auf eine Schilderung bei Herodot (VI, 108) in Absatz 55 einen deutlichen Hinweis auf redaktionelle Änderungen dar. In der anschließenden Rede der Thebaner (Thuk. III, 60ff.) ist ein Hinweis auf den Sieg der Böoter über die Athener bei Koroneia enthalten, der im Jahre (konv.) 446 v.Chr., also in der Pentekontaëtie, errungen worden sein soll. Hierbei handelt es sich meines Erachtens jedoch um den Sieg über die Athener aus dem Jahre 691 ndFl (bei Chaironeia!).

Es kann überhaupt kein Zweifel daran bestehen, dass das Kapitel Platäa nicht in den Peloponnesischen Krieg gehört. Wie allerdings gerechnet werden soll, dass Platäa dreiundneunzig Jahre Athens Bundesgenosse gewesen sei (Thuk. III, 68), bleibt offen. Konventionell hieße das von 520 bis 427 v.Chr. oder sogar 571 bis 478 v.Chr., in neuer Sicht von 639 bis 732 ndFl. Ich sehe in all diesen Zahlen keinen verwertbaren Hinweis.

Dass ein Teil der für dieses Kriegsjahr berichteten Angelegenheiten in eine frühere Phase der Geschichte gehören dürfte, geht auch aus anderen Hinweisen hevor. So wird in Thuk. III, 70 von den Parteikämpfen auf Kerkyra berichtet, die nach der Rückkunft der Kriegsgefangenen ausgebrochen waren, die nach den Seeschlachten bei Epidamnos von den Korinthern freigelassen worden waren. Sie hatten das Versprechen abgeben müssen, den Korinthern Kerkyra in die Hände zu spielen. Da hierbei die Volkspartei auf Kerkyra unter Peithias, einem Proxenos der Athener, eine Rolle spielt, so ist auch schon aus diesem Grunde an eine Zeit zu denken, zu der in Athen die demokratischen Kräfte das Sagen hatten (zwischen 682 und 692 ndFl, als die Peisistratiden im Exil waren).

(Thuk. III, 75): Als der Tag anbrach, traf von Naupaktos der athenische Feldherr Nikostratos, Sohn des Dieitrephes, mit zwölf Schiffen und fünfhundert messenischen Hopliten ein. Dieser Nikostratos war ein weiterer Mitfeldherr der Athener gegen Brasidas (Thuk. IV, 129) gewesen, und zwar auf der Chalkidike. Er dürfte schon vor Phormion in Naupaktos gelegen haben. Messenische Hopliten dürfte es nach dem Helotenaufstand des Jahres 692 ndFl (3. Messenischer Krieg) kaum noch in einem Heer, auch nicht in einem athenischen, gegeben haben; denn die Messenier wurden in ihrer Heimat dringend gebraucht. Dass diese breitangelegte Schilderung des Bürgerkrieges in Kerkyra nicht in dieses Jahr gehört, ist für mich ohne Zweifel.

Ähnlich muss wohl auch der "Polemos"-Übersetzer Horneffer hierüber denken; denn er hat im Dritten Buch zwei Kapitel nicht für echt gehalten und daher nicht übersetzt: Kapitel 17 (Sommer 428 analog 696 ndFl) und das zum Bürgerkrieg auf Kerkyra gehörende Kapitel 84. Zu letzterem merkt der Kommentator an: Schon von antiken Erklärern und auch heute überwiegend für unecht gehaltenes Kapitel, von Horneffer nicht mitübersetzt. Nach Ansicht von Eduard Schwartz könnte es ein früher Entwurf von Thukydides selber sein, der dann durch Kap. 82, 2 bis 83, 3 ersetzt wurde, aber versehentlich im Text stehenblieb.

Es darf also mit höchstschulwissenschaftlicher Genehmigung an der Richtigkeit der Angaben im "Polemos" gezweifelt und korrigiert werden. Dazu ist weit mehr Veranlassung, als "unsere Schulwissenschaft sich träumen lässt", könnte es ähnlich wie bei Hamlet heißen.

Gegen Ende des Sommers können wir wieder mit Angaben rechnen, die in der richtigen Zeit liegen dürften. Wir haben weiter oben schon den Feldherren-Wechsel von Archidamos zu Kleomenes mit Ereignissen im Zusammenhang gesehen, die auf Sizilien bzw. in Italien in Gang gekommen waren. Zwischen Syrakus und Leontinoi (auch Leontini geschrieben), zwei Städten an der Ostseite Siziliens, war es zu einem Krieg gekommen. Leontinoi gilt als eine der ältesten Kolonien der Griechen auf Sizilien. Dort wohnte der Philosoph und Erzieher des Jason von Pherai:

(Bengtson, Griech. Gesch., S. 192) In den ersten Jahren des (Peloponnesischen) Krieges hielt die "neue Lehre", die Sophistik, in der Gestalt des redegewaltigen Gorgias, des Gesandten aus Leontinoi, ihren offiziellen Einzug in Athen ... (S. 244) Einst hatte der hochbetagte Gorgias von Leontinoi vor den versammelten Hellenen auf dem olympischen Hochfest (etwa im Vorjahr schon, 696 ndFl?) eine flammende Rede gegen die Perser gehalten und die Griechen zur Eintracht ermahnt, in dem Epitaphios zu Ehren der im Korinthischen Kriege (konv. 395-392 v.Chr.) gefallenen Athener hatte er an die Siege über die Barbaren erinnert.

Wer hat denn diese Rede erfunden? Die "Siege über die Barbaren", wenn damit die Perserkriege (728/729 ndFl) gemeint sein sollen, wird der greise Gorgias kaum noch erleben können, selbst wenn er noch so hochbetagt werden sollte, und mit dem Korinthischen Krieg können die zwischen 694 und 696 liegenden Aktivitäten der Athener bei Naupaktos gemeint sein. Wichtig im Zusammenhang mit den bevorstehenden Sizilien-Expeditionen ist die Ankunft des Gorgias von Leontinoi in Athen noch in diesem Jahr. Der "Polemos" erwähnt Gorgias jedoch nicht mit dem Namen (Thuk. III, 86):

Ende dieses Sommers (konv. 427 v.Chr. analog 697 ndFl) schickten die Athener zwanzig Schiffe unter Führung des Laches, Sohnes des Melanopos, und Charoiades, Sohnes des Euphiletos, nach Sizilien. .. Im Bunde mit Syrakus standen alle dorischen Städte ... im Bunde mit Leontinoi die chalkidischen Städte und Kamarina (an der Südküste Siziliens). ... Leontinoi mit seinen Verbündeten hatte nach Athen geschickt und mit Berufung auf die alte Bundesfreundschaft und darauf, dass sie alle Ionier seien, die Athener überredet, ihnen Schiffe zu senden. Die Athener schickten ... um die Getreidezufuhr von Sizilien nach der Peloponnes zu unterbinden ... Sie erschienen in Rhegion in Italien und begannen von dort ... den Krieg. Darüber ging der Sommer zu Ende. Von dem jetzt beginnenden Sizilien-Abenteuer wird sich Athen lange nicht erholen.

Im folgenden Winter soll erneut die Krankheit ("Pest") in Athen ausgebrochen sein, da sie "nie ganz erloschen" war. Sie soll ein Jahr lang gewütet haben. Die Athener unternahmen mit den Rhegiern in diesem Winter einen Zug zu den Aiolischen (Liparischen) Inseln (Stromboli u.a.), ohne viel auszurichten (Thuk. III, 88). Damit sei das fünfte Jahr des Krieges (konv. 427 v.Chr. analog 697 ndFl), den Thukydides hier erzählt, zu Ende gegangen.

Alexander hat Indien erreicht. In Taxila trennt sich der Kyros-Sohn Gautama-Smerdes-Bardiya von ihm und bleibt als Gautama-Sidharta-Buddha im Land. Er ist 29 Jahre alt, was einem Geburtsjahr 668 ndFl entspräche, als sein Vater 23 Jahre alt war.

Das Jahr 698 ndFl

Dieses Jahr wird ein sehr ereignisreiches sein; doch der "Polemos" schweigt sich über die meisten Vorkommnisse aus. Der Autor konzentriert sich auf Sizilien und die Kämpfe in Zentralgriechenland. Die große Politik kommt dabei zu kurz (Verträge mit Persien). Doch hören wir zunächst, was der "Polemos" zu berichten weiß:

(Thuk. III, 89) Im folgenden Sommer kamen die Peloponnesier und ihre Verbündeten bei dem beabsichtigten Einfall in Attika unter Führung des lakedämonischen Königs Agis, Sohnes des Archidamos, nur bis zum Isthmos. Die vielen Erdbeben veranlassten sie umzukehren, und der Einfall unterblieb. Im vorigen Kapitel war schon auf die ungewöhnliche Häufung von Erdbeben in dieser Zeit hingewiesen worden. Der "Polemos"-Autor gibt übrigens an dieser Stelle auch eine zutreffende Erklärung für das Auftreten von Tsunamis und das typische Verhalten des Meeres hierbei.

Der wichtigere Hinweis ist jedoch der, dass nun Agis, der Sohn des nach Italien aufgebrochenen Archidamos, das Heer der Peloponnesier anführt. Ob er jetzt schon König oder nur der Stellvertreter seines Vaters ist, ist vordergründig nicht so wichtig.

Charoiades fiel im Kampf mit den Syrakusanern, und somit war Laches der alleinige Flottenführer. Er operierte weiter in der Gegend Rhegion-Messina.

Noch im selben Sommer schickten die Athener unter Führung des Demosthenes, Sohnes des Alkisthenes, und des Prokles, Sohnes des Theodoros, dreißig Schiffe um die Peloponnes herum, und sechzig Schiffe mit zweitausend Hopliten unter Führung des Nikias, Sohnes des Nikeratos, nach Melos, um diese Insel, die neutral geblieben war, dem athenischen (See-)Bund anzugliedern. Die neuerliche Weigerung, sich anzuschließen, bezahlten die Melier mit der Verwüstung ihrer Insel.

Diese Unterjochung des neutralen Melos wird ausführlicher im Jahre (konv.) 416 v.Chr. geschildert (Thuk. V, 84). Das ist ein weiterer Beweis dafür, dass die Ereignisse dieser späteren Jahre - zumindest zum Teil noch - in diese frühen Jahre gehören. Dazu kommt auch noch, dass in dem besagten späteren Jahr die Probleme mit Sizilien erneut beginnen, was hinsichtlich des für diese Jahre gültigen Nikias-Friedens (konv. 421-414 v.Chr.) ohnehin schon ein Problem darstellt. Außerdem hat die zwangsweise Einführung von Melos in den (Delisch-attischen) Seebund zu einem so späten Termin weniger Sinn als in diesem Jahr (698 ndFl), in dem auch die Sizilien-Abenteuer glaubhafter unterzubringen sind, die schon im Vorjahr begonnen haben. Demnächst werden wir Nikias in Sizilien antreffen.

Hier zunächst einmal das, was in Thuk. V, 84 ff. zu Melos gesagt wird:

Auch gegen die Insel Melos zogen die Athener mit einer Flotte von dreißig eigenen, sechs chiischen und zwei lesbischen Schiffen. Sie hatten zwölfhundert eigene Hopliten, dreihundert Bogenschützen und zwanzig berittene Schützen, ferner von den verbündeten Inselbewohnern ungefähr fünfzehnhundert Hopliten an Bord.

Das ergibt zwar 2700 Hopliten, deren Anzahl aber an die obige Zahl von zweitausend Hopliten nahe herankommt. Merkwürdigerweise wird hier Melos als eine Besitzung der Lakedämonier bezeichnet, deren Bewohner sich jedoch nicht wie die anderen Inselbewohner den Athenern unterwerfen wollen. Das sollte man von Verbündeten der Lakedämonier auch nicht unbedingt erwarten. Dann aber wird abschwächend gesagt: Doch anfangs verhielten sie sich still, ohne eine Partei zu ergreifen. Die Feldherren der Athener sind andere als in Thuk. III, 91. Diesmal heißen sie Kleomedes, Sohn des Lykomedes, und Teisias, Sohn des Teisimachos. Dann bringt der "Polemos" eine Redeschlacht der Athener mit den Meliern, die wir uns ersparen wollen.

Von Melos fuhr Nikias nach Oropos im graischen Land (im Norden von Attika) und marschierte mit den Hopliten in das Gebiet des böotischen Tanagra. Dort trafen sie mit dem athenischen Heerbann unter Führung des Hipponikos, Sohnes des Kallias, und des Eurymedon, Sohnes des Thukles, zusammen. Am nächsten Tag gewannen sie eine Schlacht gegen die Tanagräer und einige zu Hilfe gekommenen Thebaner (handelt es sich hierbei um die Schlachten bei Tanagra und Oinophyta des konv. Jahres 457 v.Chr.?). Von Oropos fuhr Nikias an der lokrischen Küste entlang, wo er Verwüstungen hinterließ, und kehrte nach Hause zurück (Thuk. III, 91).

Wenn jedoch "um diese Zeit" (Thuk. III, 92) die Lakedämonier erst ihre Pflanzstadt Heraklea in Trachis (Herakleia Trachinia; vierzig Stadien vor Thermopylä, zwanzig Stadien vom Meer vor der Südgrenze Thessaliens gelegen) gegründet haben sollen, dann können die Züge des Demosthenes und des Nikias nicht erst in dieses Jahr gehören; denn Herakleia Trachis spielte schon kurz vor diesem Krieg eine Rolle. Das würde mit den Ereignissen um Kerkyra harmonieren, bei denen Eurymedon (Absätze 81 und 85) ebenfalls eine Rolle spielte. Auch die anderen Feldherren bei Melos würden das unterstreichen; ebenso die Teilnahme von Schiffen aus Lesbos, das mittlerweile von Athen abgefallen ist. Nikias hat in diesem Jahr andere Aufgaben.

Der Volksstamm der Trachinier, der zu den Maliern gehörte, hatte damals gegen seine Nachbarn Verluste erlitten und suchte Schutz bei den Lakedämoniern. Ihr Gesandter war Teisamenos. Auf seiten der Lakedämonier waren die Herren Leon, Alkidas und Damagon die Führer des Unternehmens. Es ist aber dennoch möglich, dass es den Ort schon vorher gab, der jetzt nur mit einer neuen Stadtmauer umgeben und in Herakleia umbenannt wurde.

Für eine frühere Einordnung dieser Ereignisse (Absätze 91-92) spricht wiederum, dass Die Athener über diese Gründung anfangs in Furcht [gerieten] und merkten, dass man es hauptsächlich auf Euböa abgesehen habe. Das sieht alles nicht nach Taten innerhalb eines Krieges aus, und die Gier nach Euböa ist typisch für die Zeit kurz vor dem Krieg.

Auch das in Thuk. III, 94 beschriebene Geschehen, das um dieselbe Zeit, als die Athener auf Melos waren, passiert sein soll, könnte in die frühere Zeit gehören, wenn auch die Herren Demosthenes und Nikias kurz davor stehen, in Sizilien aktiv zu werden. In diesem Absatz zieht Demosthenes aber zunächst mit den dreißig Schiffen und mit dem Heerbann der Akarnanen gegen Leukas. Wieder sind unter den Verbündeten des Demosthenes auch Messenier, was ebenfalls für eine frühere Ansetzung spricht. Es kommen auch Ätoler und Ozolische Lokrer sowie Phoker (alte Freunde der Athener) ins Gespräch, was an die Zeit des "Heiligen" (Bundesgenossen-)Krieges erinnert (689-691 ndFl). In der Schlacht bei der ätolischen Stadt Ägition fiel der athenische Feldherr Prokles. Da von ihm bisher keine Aktivitäten in diesem Krieg bekannt geworden sind, so kann sein Tod durchaus in den früheren Krieg gehört haben. Prokles von Epidauros, der Schwiegervater des Peiriandros und Großvater des Lykophron, dürfte kaum mit ihm identisch sein.

Noch etwas anderes könnte dafür sprechen, dass die meisten Geschehnisse, die in diesem Kapitel aufgeführt werden, in eine andere Zeit gehören: (Thuk. III, 99) Um dieselbe Zeit fuhren die in Sizilien befindlichen Athener nach dem italischen Lokri, landeten, besiegten die herbeieilenden Lokrer und nahmen ein am Fluss Halex gelegenes Kastell.

Das ist der komplette Absatz 99. Er stellt die Beziehung zu der am Anfang des Kapitels berichteten Expedition des Laches nach Sizilien wieder her, jedoch ohne dass es in Absatz 100 damit weitergeht. Vielmehr knüpft dieser an die vorhergehenden an: die Spartiaten Eurylochos, Makarios und Menedaios ziehen mit einem Heer nach Naupaktos, wo sich Demosthenes seit seinem Rückzug aus Ätolien noch aufhält. Auch die Absätze 105-114 handeln von den Amprakioten und Akarnanen, von Demosthenes und Eurylochos, der allerdings in Absatz 109 von Menedaios abgelöst wird, da er und Makarios gefallen sind.

Alle diese Unternehmungen sind es nicht wert, dass man sich darüber Gedanken macht, in welche Zeit sie wirklich gehören. Im Winter geht die Berichterstattung dann erst wieder auf Sizilien ein; doch die von Laches unternommenen Anstrengungen zum Schaden von Syrakus bewirken nur wenig (Thuk. III, 103).

Für diesen Winter wird auch noch etwas vermeldet, was mit dem Krieg nicht eigentlich zu tun hat (Thuk. III, 104):

In demselben Winter (konv. 426/5 v.Chr. analog 698/9 ndFl) nahmen die Athener zufolge eines Orakelspruchs eine Reinigung der Insel Delos vor. Schon der Tyrann Peisistratos hatte das einst getan, hatte jedoch nicht die ganze Insel, sondern nur den von dem Tempel aus sichtbaren Teil der Insel gereinigt. Jetzt wurde die ganze gereinigt, und zwar auf folgende Weise. Alle Gräber, die sich auf Delos befanden, wurden entfernt und für die Zukunft wurde verboten, dass man Menschen auf der Insel sterben und geboren werden lasse; vielmehr sollten die Sterbenden und Gebärenden nach (der Insel) Rheinia hinübergeschafft werden.

Diese Bemühungen betreffen meines Erachtens Peisistratos und somit die frühere Zeit; denn wie wir weiter oben schon gesehen haben, enthält dieses Kapitel Ereignisse, die in derselben Weise zurückliegende Jahre betreffen, wie das auch für die nachfolgenden Kapitel gilt (z. B. Sonnenfinsternisse und Brasidas). In einem Krieg sollten Dinge wie Reinigungen von Inseln von untergeordneter Bedeutung sein. Dafür spricht auch das folgende (Thuk. III, 104):

Nach Vollendung dieser Reinigung feierten jetzt die Athener zum ersten Mal das alle vier Jahre wiederkehrende Fest der Delien. Schon von alters her waren die Ionier und die Bewohner der umliegenden Inseln zu großen Festen nach Delos gekommen... Dass es so war, bezeugt vor allem Homer in folgenden, aus dem Hymnus an Apollon stammenden Versen.

Die Verse selbst sollen hier nicht interessieren; aber die Erwähnung Homers, der konventionell und in Wirklichkeit schon lange nicht mehr lebt, ist doch bezeichnend; denn es handelt sich bei diesen Versen (146 ff.) um die vollendete Ilias, die überhaupt nicht von Homer stammt, sondern erst in einigen Jahrzehnten geschaffen werden wird. Umständlich musste der Redakteur deshalb vor das "erste Mal" ein "von alters her" erfinden, um diese Verse Homer zuschreiben zu können. Damit das auch jeder glaubt, schiebt er am Schluss von Thuk. III, 104 noch den Hinweis nach: Dies sind die Zeugnisse Homers, dass schon in alten Zeiten große ... Feste auf Delos stattgefunden haben.

In Thuk. V, 1 (konv. Sommer 422 v.Chr.) wird ein ähnlicher Vorgang beschrieben:

Während des Waffenstillstandes (des Laches; das wäre noch der Winter gewesen) trieben die Athener die Bevölkerung von Delos aus ihrer Heimat: wegen einer alten Schuld meinten sie, seien diese für die Vornahme der Weihung nicht rein genug gewesen; außerdem sei jene Reinigung, die ich früher erwähnt habe, insofern mangelhaft gewesen, als sie die Wegschaffung der Särge mit den Toten für genügend erachtet hätten. Die Delier siedelten sich in dem von Pharnakes zugewiesenen Orte Atramyttion in Kleinasien an.

Die frühere Erwähnung betrifft Thuk. I, 8, worin von der Wegschaffung der Sarkophage "neuerdings" in diesem Krieg die Rede ist. Das kann aber auch kurz davor noch gewesen sein, wie wir annehmen dürfen. Wir fragen uns allerdings, ob ausgerechnet Pharnakes, also Artaphernes der Ältere, an diesen vertriebenen Deliern ein Interesse gehabt haben könnte. Beachtet man aber, dass Pharnakes-Artaphernes mit Antipatros, dem Strategen Europas in der Armee des Darius, identisch ist, dann ist die Einmischung dieses Strategen nicht mehr so verwunderlich; allerdings würde dann diese letzte Delos betreffende Maßnahme in die konventionell angegebenen Jahre gehören, in denen Peisistratos nicht mehr leben würde. Der Redakteur hat hieraus eine zweihundertjährige Geschichte gemacht; denn eine Verbindung zu Delos und Peisistratos besteht zwischen Thuk. III, 104 und Herodot (I, 64): ... Ferner entsühnte er (gemeint ist Peisistratos) die Insel Delos... und zwar auf folgende Weise: er ließ die Leichen rings um den Tempel, soweit das Auge reichte, ausgraben und begrub sie an einer anderen Stelle der Insel.

Der Absatz 115 beginnt dann mit einem Hinweis in der Art, wie wir schon andere kennengelernt haben: banal und ganz offensichtlich eingeschoben, um an tatsächlich in diese Phase gehörende Begebenheiten wieder anzuschließen:

(Thuk. III, 115) So verliefen die Dinge in Amprakia. - Die Athener in Sizilien unternahmen in demselben Winter eine Landung in Himera (an der Nordküste Siziliens), während zugleich die Sikeler (sizilische Urbevölkerung) von der Landseite her in das Grenzgebiet von Himera einfielen. Sie fuhren auch nach den äolischen Inseln. Dann kehrten sie nach Rhegion zurück und trafen dort den athenischen Feldherrn Pythodoros, Sohn des Isolochos, der an Stelle des Laches den Oberbefehl über die Flotte übernehmen sollte.

Vermutlich handelt es sich bei Pythodoros um den Archonten des ersten Kriegsjahres (692/3 ndFl), der kaum noch Archon des letzten Kriegsjahres gewesen sein kann (720 ndFl). Das hatten wir schon in einem früheren Kapitel besprochen.

Die Überlegenheit der Syrakusier zu Lande wird vom Autor des "Polemos" zugegeben, und deshalb wollen die Athener eine Entscheidung zur See herbeiführen. So werden weitere Schiffe aus Athen abgesandt unter Sophokles, dem Sohn des Sostratides, und Eurymedon, dem Sohn des Thukles. Dadurch wird es umso unwahrscheinlicher, dass Eurymedon in diesem Jahr bei Tanagra eingegriffen hat.

Interessant ist die Feststellung (Thuk. III, 116), dass der Ätna in diesem Frühjahr im fünfzigsten Jahr nach seinem letzten Ausbruch wieder Feuer gespien habe, im ganzen seit der Besiedlung Siziliens durch die Hellenen zum dritten Male. Das würde einer kaum mehr als hundertjährigen Anwesenheit der Hellenen auf der Insel entsprechen, wenn man die gleichen Abstände in etwa voraussetzen kann. Dorer müsste es jedoch schon seit etwa zweihundert Jahren in Magna Graecia (biblisches Elisa?) geben. Auf keinen Fall wäre damit eine (in konventioneller Sicht) dreihundertjährige Kolonialzeit der Griechen in Italien und Sizilien, wie angegeben wird, plausibler.

In dieses Jahr gehört - wie ich schon sagte - auch noch mehr und vor allen Dingen große Politik. Deshalb wäre es wünschenswert, wenn der "Polemos"-Autor mehr von diesen als von den läppischen Zwischenfällen berichten würde, die ohnehin nicht in dieses Jahr zu gehören scheinen.

Vermutlich noch ins Vorjahr gehört zum Beispiel der oben zitierte Vorfall am Hofe des Amyntas, worüber schon in einem vorangegangenen Kapitel ausführlich berichtet wurde. Ich meine das Verschwinden einer persischen Gesandtschaft, die von Amyntas Erde und Wasser als Zeichen der Unterwerfung gefordert hatte. Der junge Amyntas-Sohn Alexander, der spätere Philhellen, hat diese Delegation buchstäblich "vaporisiert". Das muss noch vor der Konferenz geschehen sein, auf der der Freundschafts- und Nichtangriffspakt zwischen Makedonien und Persien geschlossen wurde. Dieser Vorgang, der in dieses Jahr 698 ndFl gehört, erscheint an mehreren Stellen in der konventionellen Geschichte:

523 v.Chr.: Ein Jahr vor seinem Tod macht Kambyses den Vater seines einstigen Gegners Alexander, Prexaspes-Perdikkas, zu seinem Chiliarchen (Kanzler, Reichsverweser) - oder er bekommt ihn von Darius-Telepinus = Lipit-Ischtar, dem Unterkönig in Susa-Hattusas, aufgezwungen. Das kann ein Ergebnis des besagten Vertrages sein.

449 v.Chr.: Athenisch-persischer Vertrag des Kallias, wohl irrtümlich als Kallias-Frieden bezeichnet und als Folge der Normalisierung der Beziehungen zwischen beiden Parteien nach dem Perserkrieg (dreißig Jahre nach 480/79 v.Chr.!) angesehen. Beachte: Kallias-Kallistratos hält sich derzeit (konv. 361/360 v.Chr.) in Makedonien auf.

367 v.Chr.: "Wettkriechen" (Bengtson!) zu Susa: Vertrag zwischen Persien und Böotien unter Pelopidas = Philipp I.

343 v.Chr.: Freundschafts- und Nichtangriffspakt zwischen Makedonien (Philipp II) und Persien.


In den letzten drei Fällen ist jeweils ein Artaxerxes auf der persischen Seite. Tatsächlich ist es Kambyses. Der König von Makedonien, Perdikkas, schließt den Vertrag mit dem König von Persien, Kambyses. Deshalb halte ich den "Königsfrieden" des Antialkidas aus dem Jahre (konv.) 386 v.Chr. ebenfalls für diesen Vertrag: Antialkidas = Kallias? Auf der Fürstenebene schließen Philipp-Pelopidas und Darius-Telepinus ihren Vertrag.   

H. Bengtson (Griechische Geschichte, Seite 184/5) sieht den Vertrag, den Kallias in Susa (= Hattusas) nach schwierigen Verhandlungen abschließt (konv. 449 v.Chr.), nicht als einen regelrechten Friedensvertrag an, womit er auch recht hat; denn erstens hatte es noch gar keinen Krieg zwischen Athen und Persien gegeben, und zweitens war der Vertrag nur mit einem Unterkönig in Susa abgeschlossen worden, der noch gar kein Großkönig war. Es wurden nach der Ansicht Bengtsons lediglich Vereinbarungen getroffen, die auf die Abgrenzung von Interessenssphären in der Ägäis hinausliefen. Die wichtigste Vereinbarung scheint mir die gewesen zu sein, dass in Westkleinasien an der Ägäis (in Ionien und Aiolien) eine entmilitarisierte Zone geschaffen wurde, einen Pferdelauf oder drei Tagesmärsche breit, die von persischen Truppen nicht betreten werden durfte.

Außerdem sollte kein persisches Schiff in die Ägäis einlaufen dürfen, was in der derzeitigen Situation nur so zu erklären ist, dass die Perser bzw. Darius in Susa, quasi hinter dem Rücken des nach Ägypten orientierten Kambyses, Verbündete suchte, um beim Ableben des letzteren eine gute Ausgangsposition für die Verwirklichung der eigenen Interessen zu haben. Anders sind solche Zugeständnisse, wie sie eine Landmacht von der Stärke Persiens selbst nach den Niederlagen von Salamis, Platäa, Artemision und Mykale niemals gemacht hätte, gar nicht zu erklären.

Wenn der Großkönig (Artaxerxes I Longimanus) diesen Vertrag durch eine bindende Erklärung bekräftigte, wie Bengtson meint, dann drückt sich darin das hohe Niveau aus, auf dem diese Verträge geschlossen wurden - allerdings mit Kambyses und nicht mit Longimanus. Völlig recht hat Bengtson, wenn er sagt, dass Sparta nicht bereit gewesen sei, diesen Vertrag zu unterstützen; denn Sparta hielt sich in den obigen Verhandlungen auffallend zurück, so auch bei den ebenfalls hierher gehörenden des Jahres (konv.) 343 v.Chr.:

(Bengtson, S. 295) Inzwischen hatte der Makedone (gemeint ist Philipp II, der in Wirklichkeit Philipp I und statt König von Makedonien Tagos von Thessalien ist) seine Politik durch einen Freundschafts- und Nichtangriffspakt mit Persien (Sommer 343) auf eine neue Grundlage gestellt. Wie es scheint, hatte der kluge Politiker dadurch freie Hand in Thrakien erhalten, indem er sich seinerseits verpflichtete, nicht in Kleinasien einzugreifen. Man beachte die "entmilitarisierte Zone"!

Der Perserkönig, der diesmal gemeint ist, heißt Artaxerxes III Ochos, der im folgenden Winter (konv. 343/2 v.Chr.) Ägypten zurückerobern wird. Dieser "Artaxerxes" heißt in der berichtigten Geschichte immer noch Kambyses und wird dasselbe tun, nämlich im folgenden Jahr, seinem Todesjahr, Ägypten erobern. In demselben Jahr (konv. 342 v.Chr.) wird dann auch die thrakische Provinz als eine persische Satrapie geschaffen werden.

Bengtson (S. 256) sieht das von Beloch so genannte "Wettkriechen" um die Gunst des Artaxerxes II Mnemon im Jahre (konv.) 367 v.Chr. als größeren Erfolg an als den Bemühungen auf der Friedenskonferenz von Delphi im Vorjahr zuteil geworden war. Dabei wissen wir doch seit dem "Heiligen" Krieg (689-691 ndFl), dass die Delphi-Konferenz an diesen unmittelbar anschließt. In den konventionellen Sechziger- und Siebzigerjahren des vierten Jahrhunderts v.Chr. ist ein schlimmes Chaos der Chronologie entstanden. Aus den Hellenika geht eine sofortige Folge dieser Ereignisse auch gar nicht hervor; doch dafür bestehen in den Hellenika andere Anachronismen, auf die hier noch nicht eingegangen werden soll. Zum Thema heißt es in den Hellenika (VII 1, 33ff.) wie folgt:

Die Thebaner waren bei ihren unaufhörlichen Überlegungen, wie sie wohl zur Herrschaft über ganz Hellas gelangen könnten, auf den Gedanken gekommen, wenn sie einen Gesandten zum Perserkönig schickten, würden sie vielleicht an ihm einen Verbündeten finden, der ihnen von Vorteil sein könne. Demzufolge gingen, nachdem sie die Bundesgenossen bereits zu sich gerufen hatten mit der Begründung, dass auch der Lakedaimonier Euthykles sich beim Großkönig aufhalte, folgende Männer hinauf [nach Susa]: von den Thebaiern Pelopidas, von den Arkadern Antiochos, der Pankrationkämpfer, von den Eleiern Archidamos; diesen schloss sich noch ein Argeier an.

Zunächst bis hier: Abgesehen von der unbeholfen-schlichten Einleitung ist auch die Begründung dieser thebanischen Mission wenig überzeugend. Wenn es sich bei dem Lakedaimonier Euthykles um den Vater des in Thuk. I, 46 erwähnten korinthischen Admirals Xenokleides handeln sollte, der in den Seeschlachten zwischen den Korinthern und den Kerkyräern Feldherr war, dann kann das in Rede stehende Kapitel der Hellenika konventionell nicht etwa sechzig Jahre nach diesen Seeschlachten angesetzt werden. In der berichtigten Geschichte liegen nur etwa zehn Jahre dazwischen; insofern könnte der Lakedaimonier der Korinther Euthykles gewesen sein, der Vater des Xenokleides, und für den Lakedaimonier würde der angebliche Eleier Archidamos einspringen. Dazu hatte ich schon in einem vorangegangenen Teilkapitel meine Meinung gesagt, auch hatte ich dort den Argeier bereits mit Pelopidas-Philipp identifiziert, der jedoch zu dieser Zeit nicht aus Argos kam, sondern aus Thessalien und nicht etwa aus Theben. Wenn er dennoch in dieser Stadt seinen Sitz gehabt haben sollte, dann vermutlich als Stellvertreter des mit Alexander in Asien weilenden Epaminondas bzw. Parmenion-Pammenes.

Archidamos ist seit dem Vorjahr oder schon seit 696 ndFl in Italien, wo er alsbald den Tod erleiden wird. Möglicherweise wäre doch ein Interesse Spartas an diesen Verhandlungen vorhanden gewesen, was auch eigentlich anzunehmen war. Es könnte aber trotzdem nichts für Sparta dabei herausgekommen sein, weil die Messenien-Frage im Wege stand. Dazu Bengtson (S. 256):

Der zwischen Persien und den Böotern geschlossene Vertrag enthielt als wichtigste Bestimmung die Unabhängigkeit Messeniens ... Da Sparta unnachgiebig blieb, strandete der Kongress an der messenischen Klippe. Die letzte Bemerkung gehört zwar zu dem anachronistischen Delphi-Kongress; aber sie passt auch zu dem konventionell schon im Jahr darauf gesehenen "Wettkriechen" von Susa. In Messenien wird sich im folgenden Jahr (699 ndFl) schon etwas tun. Weiter heißt es in Hellenika VII 1, 34:

Als die Athener das hörten, sandten sie ihrerseits Timagoras und Leon hinauf. Dort angelangt, war es Pelopidas, der beim Perserkönig weit im Vorteil war; denn er hatte für sich anzuführen, dass die Thebaier als einzige von allen Hellenen bei Platää an der Seite des Perserkönigs gekämpft hatten und dass sie später niemals gegen ihn zu Felde gezogen seien ... Diesen Grund hatte ich an besagter anderer Stelle ebenfalls schon ad absurdum geführt, da der Perserkrieg noch gar nicht stattgefunden hat. Dies ist eine von einem Kopisten oder Redakteur nachträglich erst eingefügte Privatmeinung. Tatsache ist indes, dass Philipp-Pelopidas und Darius, um den es sich auf persischer Seite handelt, gute Freunde wurden, während Perdikkas zu Kambyses hielt, dessen Chiliarch er wurde.

Eine Folge dieser neuen Männerfreundschaft war der gemeinsame Skythenzug des Darius (konv. 513/2 v.Chr.) und des Philipp (konv. II 339 v.Chr.), der noch in diesem Jahr in die Wege geleitet wurde. Auf ihn komme ich weiter unten (im Jahr 699 ndFl) ausführlich zu sprechen.

Das Jahr 699 ndFl

(Thuk. IV, 1): Im folgenden Sommer (konv. 425 v.Chr.), zur Zeit da das Getreide Ähren ansetzte, fuhren die Syrakusier mit zehn Schiffen und ebensoviel lokrischen Schiffen aus und nahmen die sizilische Stadt Messina in Besitz. Die Einwohner hatten sie selber gerufen und ihren Abfall von Athen erklärt... und überdies hatten Verbannte aus Rhegion zu dem Zuge getrieben, die sich in Lokri aufhielten. In Rhegion gab es nämlich seit längerer Zeit Parteikämpfe, und die Stadt war gegenwärtig nicht imstande, sich der Lokrer zu erwehren, was diese umso mehr zum Angriff ermutigte.

Die Parteikämpfe in Rhegion können zu dem Thema "Ende der Tyrannis in Sizilien (Messana-Rhegion)" gehören, das in der Pentekontaëtie (konv. 461 v.Chr.) gesehen wird, hierin jedoch offenbar nichts mit der Tyrannis des Anaxilaos von Rhegion zu tun hat (konv. 494-476 v.Chr.). Über die Verhältnisse und Entwicklungen in Sizilien werde ich weiter unten ausführlicher abhandeln.

(Thuk. IV, 2): Um dieselbe Zeit des Sommers, ehe noch das Getreide reif war, machten die Peloponnesier mit ihren Verbündeten wiederum einen Einfall in Attika, der von dem lakedämonischen König Agis, Sohn des Archidamos, befehligt wurde. Sie setzten sich fest und verwüsteten das Land.

Dass Agis mittlerweile die Führung hat, ist einleuchtend; aber dass die Athener nichts besseres zu tun haben, als die nunmehr fertig ausgerüsteten vierzig Schiffe nach Sizilien und mit ihnen die noch fehlenden Feldherren Eurymedon und Sophokles zu senden, ist eine strategische Fehlleistung. Also entweder startet die Flotte, von der schon im Vorjahr die Rede war, oder die Peloponnesier verwüsten Attika. Beides gleichzeitig anzuerkennen ist vom Leser zu viel verlangt. Pythodoros war im Vorjahr schon in Sizilien eingetroffen und sollte Laches ersetzen.

Im Vorbeifahren sollte sich die Flotte der Kerkyräer in der Stadt Kerkyra annehmen, die von ihren Verbannten und von einer peloponnesischen Flotte bedrängt wurden. Hier sind Vermischungen mit früheren Ereignissen um Kerkyra vorgenommen worden. Der Achtjahresabstand wirkt sich folglich auch hier aus (433 gegen 425 v.Chr.), so wie wir ihn bei den Vermischungen der Jahre 432 mit 424 (Sonnenfinsternisse, Brasidas), 431 mit 423 (Waffenstillstand zu der Zeit des Brasidas) und 430 mit 422 v.Chr. (Ende des Waffenstillstandes im Panathenäenjahr) schon gesehen haben.

Demosthenes wird wieder ins Spiel gebracht (Thuk. IV, 3): Als die Schiffe auf ihrer Fahrt bis zur lakonischen Küste gekommen waren und dort erfuhren, dass die peloponnesische bereits in Kerkyra sei, eilten Eurymedon und Sophokles, nach Kerkyra zu gelangen, Demosthenes aber riet, sie sollten vorerst in Pylos landen.

Hier setzt der tatsächliche Ablauf der Ereignisse in Hellas wieder ein. Nicht Kerkyra, sondern Pylos und Messenien sind die Brennpunkte in Hellas. Auf die Unternehmungen des Eurymedon und des Sophokles in Kerkyra kommt der "Polemos" in Thuk. IV, 46ff. wieder zurück, wo ausführlich darüber berichtet wird. Diese Ereignisse gehören offensichtlich zu der oligarchischen Revolution auf Kerkyra, die schon im Jahre (konv.) 427 v.Chr. blutig niedergeschlagen worden war. Danach erst können die Athener weiter nach Sizilien fahren, ihrem eigentlichen Ziel.

Daneben laufen die Ereignisse in Sizilien ab. Und ob es wirklich nur ein zufällig vorbeikommendes Unwetter war, was Demosthenes zur Landung im messenischen Pylos veranlasste, sei dahingestellt; tatsächlich stand das Problem Messenien, das die Lakedämonier mittlerweile Koryphasion nennen, jetzt an. Der dritte Messenische Krieg kam in die entscheidende Phase, und Agis begab sich von Attika nach Messenien, da dies den Spartanern näher stand als Athen. Nur fünfzehn Tage sollen sie auf attischem Boden geweilt haben; vielleicht waren sie auch gar nicht dort gewesen.

Nur ganz kurz ist der Absatz 7, der hier eingefügt wird und in dem es heißt, der athenische Feldherr Simonides habe das thrakische Eion (am Strymon), eine Kolonie der Mendäer, durch Verrat in seine Hände gebracht. Dies ist mit ziemlicher Sicherheit ein Anachronismus, der uns weiter nicht beschäftigen soll.

Die Spartaner trommeln nun ihre Bundesgenossen zusammen, um gemeinsam gegen die Athener bei Pylos vorzugehen. Um den Athenern die Zufuhr von Hilfe abzusperren, besetzen sie die Insel Sphakteria, die der athenischen Stellung bei Pylos gegenüberliegt. Diese Truppe von vierhundertzwanzig Mann steht unter der Führung des Epitades, des Sohnes des Molobros. Sobald die Athener Aufstellung zum Kampf nehmen, setzen sich auch die Lakedämonier in Bewegung und greifen den Platz der Athener zugleich mit dem Landheer und mit der Flotte an, die unter der Führung des Spartiaten Thrasymelidas, Sohnes des Kratesikles, steht.

Bei den nun folgenden Gefechten soll sich vor allen anderen Brasidas hervorgetan haben, der in unserer Sicht schon längst tot ist, der für die falsche Geschichts-Darstellung jedoch noch gebraucht wird; denn in ihr stirbt er erst im Jahre 422 v.Chr., was dem Jahr 702 ndFl entsprechen würde. Wie wir gesehen haben, gehört der Tod des Brasidas jedoch in das Jahr (422 + 8 =) 430 v.Chr. analog (702 minus 8 =) 694 ndFl. Er wird im Kampf mit den Athenern verwundet, was auch an einer anderen Stelle in früheren Jahren passiert sein kann, möglicherweise (425 + 8 = konv.) 433 v.Chr. im Zusammenhang mit Kerkyra? Dafür spricht, dass auch jetzt athenische Schiffe aus Zakynthos erscheinen, also aus derselben Ecke, in der Kerkyra liegt.

Mit Hilfe dieser Schiffe gelingt den Athenern ein Überraschungsangriff auf die Spartaner und die Isolierung der spartanischen Besatzung auf der Insel Sphakteria. Daraufhin wird ein Waffenstillstand abgeschlossen, demzufolge die Spartaner alle ihre Schiffe den Athener ausliefern und nach Pylos bringen müssen. Im Gegenzug wird den Gefangenen auf Sphakteria humane Behandlung zugesagt. Dieser Waffenstillstand soll für die Zeit gelten, die die spartanische Gesandtschaft in Athen zubringt. Die Rede dieser Gesandten in Athen (Thuk. IV, 17-20) ersparen wir uns.

Dass es sich hier wieder um eine Vermischung handelt, geht aus der Erwähnung des Kleon hervor, des Sohnes des Kleainetos, der im selben Jahr wie Brasidas gefallen ist (694 ndFl). Meines Erachtens gehören diese Verhandlungen zu dem Waffenstillstand im Jahr der "Pest" in Athen, der demnach doch nicht hinter dem Rücken des Brasidas geschlossen worden ist, wie es zunächst aussah. Unabhängig von diesen Verhandlungen gehören die Kämpfe um Pylos (Messenien) hier her, und der Sieg der Athener unter Demosthenes führt zu weitreichenderen Konsequenzen, als sie hier erscheinen.

Da die Athener die Bedingungen des Waffenstillstandsvertrages nicht voll einhalten und die Schiffe nicht wieder an die Spartaner herausgeben wollen, kommt es erneut zu Kämpfen. Auch spähen die Spartaner nach einer Gelegenheit, ihre Leute auf Sphakteria zu befreien. Der Kampf um Pylos und Messenien ist noch nicht zu Ende.

Doch zunächst führt uns der "Polemos" wieder nach Sizilien (Thuk. IV, 24ff.). Die Syrakusier, angestachelt von den Lokrern, die schon mit ihrem ganzen Heerbann in Rhegion eingefallen waren, wollen den Krieg von Messina aus wieder aufnehmen. Zwischen den Städten Messina auf Sizilien und Rhegion in Kalabrien auf dem italienischen Festland ist die Straße von Messina am engsten (3 km breit). Wenn der "Polemos" jetzt sagt, dass diese Stelle wegen der hier herrschenden starken Strömungen die Charybdis sei, die Odysseus einst durchfahren habe, dann kann diese Textstelle nur dann vom Autor stammen, wenn es diese Sage schon vor der Schaffung der Odyssee gegeben haben sollte. Falls es sich aber um einen Bezug auf die vollendete Odyssee des vermeintlichen "Homer" handeln sollte, dann kann diese Stelle nur von einem späteren Redakteur eingefügt worden sein, da es die vollendete Odyssee im Peloponnesischen Krieg so wenig schon gab wie die vollendete Ilias.

Die Kämpfe an der Meerenge bringen beiden Seiten keine großen Vorteile. Es folgen Aktionen des Archias von Kamarina, der seine Stadt an die Syrakusier verriet und damit die Athener provozierte, und der Syrakusier gegen das benachbarte chalkidische Naxos, worauf die (nichtgriechischen) Sikeler Naxos zu Hilfe eilten. Die Bezeichnung "chalkidisch" bezieht sich auf das euböische Chalkis und nicht auf die Halbinsel Chalkidike. Die Syrakusier wurden geschlagen, und ihre Flotte mussten sie von Messina abziehen. Die Athener zogen sich nach einigen Kämpfen, mit denen sie auch die Leontiner gegen die Lokrer unter der Führung des Demoteles, der in Messina zurückgeblieben war, unterstützten, ebenfalls (nach Italien) zurück. Die sizilischen Hellenen setzten ihre Kämpfe gegeneinander ohne Beteiligung der Athener zu Lande weiter fort.

(Thuk. IV, 26): Bei Pylos belagerten die Athener immer noch die auf der Insel eingeschlossenen Lakedämonier, und auch das auf dem Festlande liegende Heer der Peloponnesier blieb auf seinem Posten. ... Da die Athener die Versorgung der Gefangenen auf der Insel nicht verhindern können, wird man in Athen unruhig; denn der Winter steht bevor, der den Athenern für eine Belagerung noch ungünstiger erscheint als der Sommer. Eigenartigerweise ist es der schon 694 ndFl verstorbene Kleon, der sich von der allgemeinen Unzufriedenheit über den Fortgang in Messenien betroffen fühlt. Die Athener wollen ihn und Theogenes nach Pylos schicken, damit sie nach dem Rechten sehen.

Kleon wählt Demosthenes als Mitfeldherrn und unternimmt die Fahrt nach Pylos. Vermutlich ist hier jedoch eine Verschleierungstaktik in die Wege geleitet worden, um Nikias, der als Auftraggeber des Kleon erscheint, noch nicht ins Spiel zu bringen. Ich halte daher ihn für den Partner des bereits in Pylon anwesenden Demosthenes. Möglicherweise gehört die ganze Pylos-Mission der Athener ins Jahr des Waffenstillstandes 694 ndFl, in welchem die Gefangenen auf Sphakteria ebenfalls schon erwähnt werden (siehe dort!). Lediglich das Auftreten der Herren Demosthenes und Nikias, die beide im Jahre 703 ndFl in Sizilien zugrunde gehen werden, dürfte in dieses Jahr 699 ndFl gehören. Beide treffen hier bei Pylos zusammen und beginnen den Angriff auf die Insel Sphakteria, wo die Gefangenen immer noch festsitzen, möglicherweise seit fünf Jahren. Die Lösung des Problems Messenien kann in diesem Jahr stattfinden; sie muss nicht schon ins Jahr 694 ndFl gehören.

Ein Vergleich, den der "Polemos"-Redakteur mit Thermopylä anführt, entlarvt dessen Technik; denn Thermopylä, als die Perser sie auf jenem Fußweg umgingen und dann niedermachten, (Thuk. IV, 36)... findet erst in neunundzwanzig Jahren statt.

Kleon (besser Nikias) und Demosthenes schließen einen Waffenstillstand mit den Lakedaimoniern auf Sphakteria und verhandeln mit deren übergabewilligem Führer Styphon, dem Sohn des Pharax. Der ursprüngliche Führer Epitadas war nämlich gefallen, und der an seine Stelle getretene zweite Mann Hippagretos war schwer verwundet. Es kann aber auch sein, dass dieser Waffenstillstand schon in das Jahr 694 ndFl gehört, als Epitadas noch lebte. Jetzt könnte Styphon der Anführer sein, der sich schließlich - nach Rückfragen in Sparta, was sie tun sollten, und der Antwort von dort, was sie für richtig hielten - den Athenern ergibt. Im ganzen hatte die Belagerung der Truppe auf Sphakteria, von der Seeschlacht bis zu dem Kampf auf der Insel gerechnet, zweiundsiebzig Tage gewährt. Das kann nur die Endphase betreffen. Die Gefangenen werden nach Athen gebracht und sollen als Geiseln dienen für den Fall, dass die Peloponnesier wieder in Attika einfallen sollten.

Der 3. Messenischen Krieg soll (konv.) 459/8 v.Chr., also mitten in der Pentekontaëtie, stattgefunden haben. Damit wird er zu einem "Phantom-Objekt". Er ist mit den hier im "Polemos" geschilderten Ereignissen zeitgleich.

Was der "Polemos" vermissen lässt, ist hier der Hinweis auf die Schaffung eines unabhängigen messenischen Staates, die in diesen Zusammenhang gehört (konv. 369 v.Chr.). Es heißt sogar (Thuk. IV, 41), in Pylos, das zu dem ehemaligen Messenien gehöre, hätten die Athener eine Besatzung behalten. Dies ist in sofern verwunderlich, da die vom "Polemos" berichteten Ereignisse konventionell noch lange vor dem Hinweis auf die Befreiung Messeniens im Jahre 369 v.Chr. liegen. In den Hellenika wird darüber nicht berichtet, was zu großem Vertrauen in die griechische Altertumsgeschichte ebenfalls nicht gereicht. Das gilt auch für das Folgende.

(Thuk. IV, 42) In demselben Sommer, gleich darauf, unternahmen die Athener mit achtzig Schiffen, zweitausend athenischen Hopliten und zweihundert Reitern auf besonderen Pferdeschiffen einen Kriegszug gegen Korinth. ... Die Führung hatte Nikias, Sohn des Nikeratos, mit zwei anderen Feldherren. Die Fahrt ging vor sich, und bei Tagesanbruch landeten die Schiffe zwischen Chersonesos und Rheiton an jener Stelle der Küste, über der der Hügel Solygeios liegt ...

Nikias und zwei andere Feldherren im Zusammenhang mit der Chersonesos kommt uns bekannt vor (Chares und Charidemos), und wenn die Chersonesos dann auch noch bei Korinth zu liegen kommt, dann sind wird neugierig, was es mit den anderen Ortsangaben auf sich hat: Rheiton und Solygeios werden - wie auch ein zweites Chersonesos - als "Orte im Korinthischen" bezeichnet. Ich denke, wir sollten hier ganz schnell weiterblättern; denn auch der Name Lykophron eines der beiden Feldherren auf korinthischer Seite kann uns nicht dazu bewegen, Korinth an der Chersonesos zu sehen. Es kann hier eine sehr frühe Begebenheit, in der der Feldherr Lykophron (der Sohn des Periandros) eine Rolle gespielt hat, mit Ereignissen um die Chersonesos vermischt worden sein. Da auch Argos erwähnt wird, liegt eine Verbindung zum korinthisch-argivischen Doppelstaat (konv. 392-386 v.Chr.) nahe.

In einiger Entfernung vom Kriegsschauplatz Hellas setzt sich ein anderer Heerzug in Marsch. Es ist der des Darius, der zu seinem Skythenzug aufbricht. Wir werden sehen, dass er diesen nicht ohne seinen neuen Freund Philipp-Pelops unternimmt. Allerdings gibt es keinen Hinweis in der antiken Literatur darauf, dass diese Züge gemeinsam durchgeführt werden. Aus der berichtigten Chronologie geht dies aber eindeutig hervor.

Die Beschreibung des zu Darius gehörenden Teilzuges finden wir bei Herodot, und die beginnt mit einem Anachronismus, für den aber vermutlich Herodot selbst noch zuständig ist: (Herodot IV, 1) Nach der Eroberung Babylons folgte der Kriegszug des Dareios gegen die Skythen. Dem widerspricht auch der Kommentator (Anm. IV, 1). Die Eroberung Babylons wird nämlich erst im Jahre 716 ndFl stattfinden.

Herodot (IV, 1) lässt sich erst einmal über die Sitten und die Herkunft der Skythen aus, dann auch über die Thraker ("Völker nördlich der Skythen") bis zu den Hyperboräern, den "Übernördlichen", mit denen die weißhäutigen ("durchsichtigen"), von der Sonne nicht gebräunten Bewohner von Mittel- und Nordeuropa gemeint sind. Dann erst kommt er wieder auf den Skythenzug des Darius zurück:

(Herodot IV, 83) Dareios rüstete sich zum Zuge gegen die Skythen. Er sandte Boten aus, die dem einen Volk die Stellung von Fußtruppen, dem anderen die Lieferung von Schiffen, dem dritten den Bau einer Brücke über den thrakischen Bosporus anbefehlen mussten. Sein Bruder Artabanos, Sohn des Hystaspes (und Vater des Feldherrn Tritantaichmes im Heer des Xerxes; Herod. VII, 82), riet ihm dringend von dem Zug gegen die Skythen ab und stellte ihm vor, wie schwer den Skythen beizukommen sei. Da aber sein guter Rat kein Gehör fand, ließ er ab, und Darius brach, als alles bereit war, mit dem Heer aus Susa auf.

Das bedeutet, dass Darius seinen Wohnsitz in Susa-Hattusas hatte, wo Herodot stets dessen Wohnsitz angibt, auch als Darius Großkönig war. Es ist schwer vermittelbar, dass Kambyses in demselben Jahr nach Ägypten aufbrach, in dem Darius den Skythenzug begann. Man möchte erwarten, dass sich Darius statt dessen an dem Ägyptenfeldzug seines Großkönigs beteiligen würde. Im Heere des Darius zogen die Ioner und Aioler mit, die in den nördlichen Gebieten um das Marmarameer (Propontis) herum wohnten. Ein Teil der Vertragspartner hatte sich vermutlich dazu verpflichtet, Truppen zu dem Ägyptenzug des Kambyses bereitzustellen, was von Herodot bestätigt wird. Dabei könnte es sich um weiter südlich lebende Ioner, Aioler und Karer gehandelt haben. So würden beide Züge in dieselbe Zeit passen. Dennoch fällt die Selbständigkeit in der Handlungsfreiheit des Darius auf, der nach Europa aufbricht, während Kambyses seinen Zug nach Ägypten unternimmt. Von dieser Doppelstrategie kann Herodot natürlich nichts wissen, da er die Aktivitäten des Darius alle erst zu dessen Großkönigszeit sieht, das heißt nach dem Tode des Kambyses.

(Herodot IV, 85) Nun zog er aus Susa davon und kam an den Bosporos (dass diese Reise nicht vom persischen Schuschan = Susa aus angetreten wurde, wird aus dieser Formulierung deutlich; eine solche Entfernung hätte nur in wochenlangen Märschen zurückgelegt werden können) im Gebiet von Kalchedonia (auf kleinasiatischer Seite, heute Kadikoy), wo die Brücke geschlagen war...(87)...die ein Werk des Mandrokles aus Samos war...(89)...Und Dareios zog...hinüber nach Europa. Den Ionern befahl er, in den Pontos einzufahren bis an die Mündung des Istros (Donaudelta), dort eine Brücke über den Strom zu schlagen und ihn zu erwarten. Die Flotte nämlich stand unter Führung der Ioner, der Aioler und der Hellespontier ...Zwei Tage fuhr [die Flotte] den Strom aufwärts, und schlug an der engen Stelle, wo sich der Istros in die Mündungsarme teilt, eine Brücke hinüber. Dareios aber zog, nachdem er den Bosporos auf seiner Brücke überschritten hatte, durch Thrakien und gelangte an die Quellen des Flusses Tearos, wo er drei Tage lagerte.

In der Nähe der Quellen dieses Flusses liegen die Städte Heraion (nahe Perinthos; heute Eregli) und Apollonia (heute Sozopol) am Schwarzen Meer (am Golf von Burgas). Die Entfernungen sind allerdings in Wirklichkeit größer als sie von Herodot angegeben werden.

(Herodot IV, 92) Weiter zog Dareios und kam an einen anderen Fluss, namens Arteskos (die heutige Tundja), der durch das Land der Odrysen fließt. Als er an diesen Fluss gekommen war, gab er den Befehl, jeder Mann des Heeres solle an einem bestimmten Platz im Vorübergehen einen Stein niederlegen. Auf diese Weise sei ein gewaltiger Steinhaufen entstanden.

Warum gebe ich diese merkwürdige Geschichte weiter? Dieser "Steinhaufen" war in Wirklichkeit ein regelrechter Steinwall oder eine Mauer, griechisch teichos. Hier hat Herodot offensichtlich etwas verwechselt oder vermischt: Heraion Teichos ist der Endpunkt von Philipps thrakischem Feldzug des Jahres (konv.) 352/1 v.Chr., der kurz nach der Wiederaufrichtung der attischen Herrschaft auf der thrakischen Chersonesos durch Chares (Kimon oder Miltiades) stattfand. Dieser Zug des Philipp gehört zu seinem Illyrer-Feldzug.

(Herodot IV, 93) Ehe [Dareios] an den Istros (Donau) kam, besiegte er noch die Geten, die an die Unsterblichkeit des Menschen glauben. Die bisherigen Stämme, die Thraker von Salmydessos und die nördlich von Apollonia und Mesambrie wohnenden, genannt Skyrmiaden und Nipsaier, hatten sich Dareios ohne Kampf ergeben. Die Geten aber wehrten sich, unterlagen jedoch bald. Der Kommentator zieht daraus den richtigen Schluss, dass Darius die Küstenstraße entlang dem Schwarzen Meer durch die Dobrudscha gezogen ist auf seinem Weg zur Donaumündung.

(Herodot IV, 97) Nachdem der Stamm, der einen so merkwürdigen Glauben hat, von den Persern besiegt war, schloss auch er sich dem Heere an. So kam Dareios und mit ihm sein Landheer an den Istros (Donau). Als alle die Brücke überschritten hatten, befahl Dareios den Ionern, die Brücke abzubrechen und mit der ganzen Flottenmannschaft dem Heere zu Lande zu folgen.

Der Führer der mytilenischen Flotte, Koes, der Sohn des Exandros, schlug Darius vor, die Brücke lieber stehen zu lassen und zu bewachen. Darauf band Darius sechzig Knoten in einen Riemen und befahl den ionischen Fürsten, nach seinem Weiterzug jeden Tag einen dieser Knoten zu lösen und nach Lösung des letzten Knotens, falls er bis dahin noch nicht wieder mit dem Heer zurück sei, in ihr Vaterland heimzufahren. Dann brachen Darius und das Heer auf.

Das Land der Skythen begann laut Herodot (IV, 99) gleich hinter dem Istros und erstreckte sich am Schwarzen Meer entlang über die Krim bis zum Asowschen Meer und bis zur Mündung des Donez in den Don. In der Gegend der Krim lag das Land der Taurer, eingebettet in das Land der Skythen. Die Nordgrenze des Skythenlandes lässt sich nur annähernd bestimmen (100). Nordwärts vom Istros folgen die Länder der Agathyrsen (im heutigen Siebenbürgen) und der Neurer (in der heutigen Bukowina), weiter die der Androphagen ("Männerfresser"; bis zum Dnjepr oberhalb Dnjepropetrowsk) und der Melanchlainer ("Schwarzröcke"; nördlich der Konskaja bis zum Asowschen Meer). Zu diesen nördlichen Nachbarn sandten die Skythen mit der Bitte um militärischen Beistand gegen Darius.

Aus den Agathyrsen hatten wir schon bei der Betrachtung der Thraker (im vorangegangenen Teilkapitel) deren König Spargapeithes kennengelernt, der den Skythenkönig Ariapeithes ermordete (Herod., IV 78), der mit einer Frau aus Istrie (Dobrudscha) den Sohn Skyles hatte, der der Nachfolger seines Vaters wurde. Diese Frau war keine Skythin, was nach dem oben Beschriebenen bedeuten könnte, dass sie eine Getin war. Mein Verdacht, es könne sich bei dem Agathyrsen Spargapeithes in Wirklichkeit um den Mossynoiken Spargapises = Argischti (II), den Urartäer, handeln, der von Kyros im Jahre 686 ndFl ermordet wurde, bleibt in Anbetracht der Ungenauigkeiten bei Herodot dennoch bestehen.

Darius scheint die Absicht gehabt zu haben, durch das Land der Skythen bis zum Kaukasus und an diesem vorbei, also um das Schwarze Meer herum, wieder in sein Heimatland zu ziehen. Er muss seinen Entschluss jedoch geändert und wieder in westlicher Richtung den Rückmarsch angetreten haben. Den Skythen gelingt es, Darius und seine Verbündeten in die Nachbarländer zu ziehen und auf diese Weise diejenigen, die ihnen vorher die Hilfe versagt hatten, in Schrecken zu versetzen. Die Agathyrsen verbitten sich diese Vorgehensweise der Skythen und drohen ihnen mit Krieg. Auch Darius ist dieses Skythenspieles überdrüssig und fordert den Skythenkönig Idanthyrsos auf, entweder gegen ihn zu kämpfen oder sich zu unterwerfen.

Idanthyrsos antwortet Darius (Herodot IV, 127), er werde nicht mit ihm kämpfen, solange er keinen Grund dazu habe, und statt Erde und Wasser (als Zeichen der Unterwerfung) werde er ihm andere Geschenke machen. Schließlich setzt Darius zum Rückzug an; doch die Skythen sind eher an der Brücke über den Istros als die Perser und ihre Verbündeten. Sie überreden die Bewacher, die Brücke abzubrechen und nach Hause zu fahren.

Daraufhin halten die Ioner Rat (IV, 137): Miltiades aus Athen, Feldherr und Tyrann der Chersonesos am Hellespont, riet, den Skythen zu folgen. Hier liegt ein Anachronismus vor; denn Miltiades der Ältere ist bereits seit einigen Jahren tot, und der Jüngere, der hier gemeint sein könnte (* 663 ndFl), war nicht Tyrann auf der Chersonesos. Ein für die Folgezeit wichtiger Mann widerspricht Miltiades:

Histiaios aus Milet meint, sie seien doch alle nur durch Darius das, was sie seien, und sie alle würden mit ihm untergehen, und die Bevölkerung jeder Stadt würde die Demokratie der Tyrannis vorziehen. Ihm stimmten die anderen bei.

(Herodot IV, 138): Die Namen der Männer, die an dieser Beratung teilnahmen und beim König in Gunste standen, sind folgende:

Daphnis, Tyrann von Abydos (am Hellespont auf asiatischer Seite)

Hippoklos von Lampsakos (nordöstliche Nachbarstadt von Abydos auf derselben Seite)

Herophantos von Parion (nordöstliche Nachbarstadt von Lampsakos auf derselben Seite)

Metrodoros von Prokonnesos (heutige Insel Marmara im Marmarameer = damalige Propontis)

Aristagoras von Kyzikos (gegenüber von Prokonnesos auf dem asiatischen Festland)

Ariston von Byzantion (am Bosporus auf europäischer Seite; heutiges Istanbul)

Außer Histiaios von Milet waren folgende Ioner ebenfalls dessen Meinung:

Strattis von Chios, Laodamas von Phokaia und - man höre und staune: Aiakes von Samos. Sollte es sich hierbei um einen Nachfahren des Polykrates aus der Nachkommenschaft des Aiakes handeln, dann hat uns Herodot diesen bisher unterschlagen; denn es kann wohl kaum der Vorfahre Aiakes gemeint sein. Selbst Polykrates starb schon im letzten Jahr des Kambyses, wie Herodot sagt. Und wie sollte dann dessen Vorfahre im 15. Jahr des Darius noch leben? In diesem Jahr (699 ndFl) wurde Polykrates von Oroites ermordet, und zwar in der Abwesenheit des Darius aus Susa. Dieser übergab Samos später an Syloson, den jüngeren Bruder des Polykrates.

Aristagoras von Kyzikos dürfte mit dem späteren Tyrannen von Milet, einem Verwandten des Histiaios, identisch sein. Auf beide komme ich wieder zurück. Herodot nennt aber auch einen Aioler aus diesem Kreis Aristagoras, und zwar den Tyrannen von Kyme (das auch Phrikonis genannt wurde, nordöstlich von Phokaia und südöstlich der Insel Lesbos auf asiatischem Boden). Dieser Aristagoras könnte noch eher der spätere Milesier gewesen sein.

Trotz einiger Probleme mit der Brücke über den Istros, die von den Skythen verursacht werden, gelingt es Darius, mit seinem Heer wieder hinüberzukommen. Dabei macht sich der Milesier Histiaios verdient. Dann ziehen die Verbündeten durch Thrakien und kommen nach Sestos auf der Chersonesos, wo sie mit Schiffen nach Asien hinübersetzen. Darius lässt den Feldherrn Megabazos jedoch mit einem Heer von achtzigtausend Mann in Europa zurück, worauf ich an einer früheren Stelle schon eingegangen bin, die ich hier noch einmal in Kurzform wiederhole:

Nach dem Skythenzug des Darius (698/699 ndFl), an dem sich auch Philipp I beteiligte hatte, unterwarf der persische Feldherr Megabazos die Thraker. Hierbei kann es sich um die Bildung der thrakischen Provinz handeln, die konventionell in das Jahr 342 v.Chr. datiert wird. Bis zu diesem Zeitpunkt muss die Unterwerfung Thrakiens bereits erledigt gewesen sein; denn die nach dem Tode des Kambyses ergangenen Beschlüsse von Babylon sahen Lysimachos schon als den Satrapen von Thrakien vor.

Die Feldherrnaktivitäten des Megabazos gehören noch in die Zeit des Kambyses und des Pseudo-Smerdis, als Darius-Telepinus nur Unterkönig in Susa-Hattusas war. Nebukadnezar-Otanes übernahm die Truppen des Megabazos-Pharnakes-Artaphernes-Intaphernes-Antipatros nach dem Tod des Kambyses erst. Kurz vorher hatte er noch in Ägypten gekämpft. Er übernahm das Heer des Megabazos am Hellespont (700 ndFl).

Herodot sagt im Zusammenhang mit Otanes (V, 26), dieser sei unter Darius der Nachfolger des Feldherrn Megabazos geworden. Wenn man das so versteht, dass Megabazos, der "Stratege Europas", in dieser Position abgelöst wurde, dann kann er mit dem "Strategen Europas" Antipatros, Intaphernes und Artaphernes dem Älteren, also mit Pharnakes, identifiziert werden. Im Jahre (Triparadeisos, konv.) 321 v.Chr. wurde Antipatros Reichsverweser. Als Halbbruder des Darius stand er diesem näher als Prexaspes-Perdikkas, der ehemalige Chiliarch (= Kanzler oder Reichsverweser) des Kambyses, der auf der Reichsordnungskonferenz von Triparadeisos-Hattusas nicht wieder in dieses Amt beordert wurde.

Soweit meine früheren Auslassungen. Ich halte die Größe des Heeres, das bei Megabazos-Antipatros zurückblieb, für zutreffend angegeben. Es war aber nicht die Zahl der Soldaten, die den Skythenzug mitgemacht hatten. Vielmehr war es das Heer, das dem Strategen von Europa zur Verfügung gestellt worden war. Megabazos sollte nun die Städte am Hellespont, die noch nicht medisch waren, unterwerfen. Das würde bedeuten, dass die ehemals von Miltiades und Kimon (= Chares und Charidemos) beherrschten Gebiete jetzt, nach deren Tod, an die Perser gefallen wären.

Es geht übrigens aus Herodot IV, 143 hervor, dass der Bruder Artabanos des Darius, ein Sohn des Hystaspes, nicht mit dem Halbbruder Artaphernes-Megabazos des Darius und Sohn des Pharnaspes-Burnaburiasch-Arnuwandas identisch sein kann.

Bisher haben wir von dem Partner am Skythenzug des Darius, von Philipp, der seinen Skythenzug im Jahre (konv.) 339 v.Chr. unternommen haben soll, noch nichts gehört oder gelesen. Herodot geht auf keinen Makedonen oder Thessalier ein. In konventioneller Sicht unternimmt Philipp (II) eine ganze Reihe von Zügen in den Norden: 358 besiegt er die Illyrer, 351 thrakischer Feldzug bis Heraion Teichos, 344 wieder in Illyrien, was von mir schon mit 359/8 gleichgesetzt worden ist, 339 Skythenzug Philipps. Auf Heraion Teichos hatte ich weiter oben schon hingewiesen. Es ist meines Erachtens nicht verfehlt, wenn man den thrakischen Zug Philipps des Jahres (konv.) Ende 352 oder 351 v.Chr. nicht nur mit seinem Skythenzug (339 v.Chr.) identifiziert, sondern auch mit dem Skythenzug des Darius (konv. 513/12 v.Chr.) synchronisiert.

Bengtson (S. 289f.) sieht in diesem Zusammenhang athenische Bemühungen an den Meerengen im Norden: Obwohl Athen einen Bündnisvertrag mit dem thrakischen Teilfürsten Kersebleptes geschlossen hatte, begünstigte es dennoch offen seinen Rivalen Amadokos und die Hellenenstädte Perinthos und Byzanz, da ein gewisses Gleichgewicht der Kräfte im athenischen Interesse lag. Im Jahre 352 richtete Chares die attische Herrschaft in der thrakischen Chersonesos wieder auf, Sestos wurde im Sturme genommen und die Halbinsel mit attischen Kleruchen besiedelt. Da schuf (Ende 352?) Philipps thrakischer Feldzug, der ihn in kurzer Frist bis Heraion Teichos führte, eine vollständig neue Lage. Die thrakischen Teilfürsten Amadokos und Kersebleptes beeilten sich, mit den Makedonen zum Abschluss eines Vertrages zu gelangen.

Wie ich an anderer Stelle schon sagte, kann der Name Kersebleptes aus Cherson und Pelop(ida)s, zwei anderen Namen für Philipp, gebildet worden sein. Insofern wäre es einleuchtend, wenn die Athener einen Vertrag mit Kersebleptes von Thessalien und Sitalkes von Thrakien gehabt hätten, die sogar als Rivalen bezeichnet werden können. Amadokos, der mit Medokos identisch sein könnte, käme als Rivale des Sitalkes noch besser zur Geltung. Am Ende wurden hier die Vorgänge der Jahre 695 ndFl (Miltiades-Chares richtet die attische Herrschaft auf der thrakischen Chersonesos wieder auf) und 699 ndFl (Züge des Philipp) miteinander vermischt. Das gilt ebenso für die angeblich spätere Begebenheit:

(Bengtson, S. 297): Die große Überlegenheit seiner Gegner zur See machte Philipp nicht wenig zu schaffen. Seine eigene Flotte sah sich in das Schwarze Meer gedrängt und aus den Operationen ausgeschaltet. Athenische Schiffe unter dem Kommando des Chares sperrten den Südeingang zum Bosporus. Als auch die von den Makedonen eingeleitete Belagerung von Byzanz kein Ergebnis zeigte, entschloss sich der König überraschenderweise zu einem Zuge gegen die Skythen an der unteren Donau, um das Selbstvertrauen seines Heeres wiederherzustellen (339). Beim Kampfe gegen die Triballer auf dem Rückweg trug er abermals eine schwere Wunde davon.

Zu der "therapeutischen Maßnahme" habe ich ebenso wie zu der Wunde (Auge ausgestochen oder Schulter verletzt?) in dem Teilkapitel über Philipp abgehandelt. Eine Ansetzung der Thrakerzüge Philipps in der Zeit, als Chares noch lebte, kommt meines Erachtens nicht in Betracht. Es können aber Kämpfe zwischen Philipp und Chares wenige Jahre vor dem Thrakerzug in der Gegend der Chersonesos (Hellespont) und des Bosporus angestanden oder stattgefunden haben. Dafür spricht, was Bengtson (S. 299) schreibt, worauf ich aber auch schon im Kapitel über Philipp eingegangen bin:

Der erste Schlag des makedonischen Löwen traf die Söldner unter Chares und Proxenos bei Amphissa (im Ozolischen Lokris). Sie wurden überraschend angegriffen und vernichtend geschlagen. Hier sind bekanntlich frühere Ereignisse, die in den "Heiligen" amphiktyonischen Krieg gehören (689-691 ndFl), mit solchen vermischt worden, die erst in die in Rede stehende Phase des Peloponnesischen Krieges gehören. Auch kann die eine oder andere Philippika des Demosthenes in die jetzige statt in die frühere Phase gehören. Chares - gleichgültig, ob er Kimon oder Miltiades ist - kann in die jetzige Phase nicht mehr gehören, da beide tot sind.

Im Winter (konv.) 425/424 v.Chr. analog 699/700 ndFl soll der Führer eines Schiffes, das die Athener zum Eintreiben der Steuern bei den Bundesgenossen ausgesandt hatten, mit Namen Aristeides, Sohn des Archippos, Artaphernes in Eion am Strymon gefangengenommen haben. Hierzu hatte ich im vorangegangenen Teilkapitel schon Stellung genommen. Ich hatte dort geschwankt, ob es sich bei dem gleichzeitigen Tod des Artaxerxes, des Sohnes des Xerxes, in Wirklichkeit um den Tod des Kyros oder des Kambyses gehandelt haben könnte, die acht Jahre (!) auseinanderliegen. Möglicherweise handelt es sich bei diesen acht Jahren um die "magische" Zahl, um die einige Kapitelinhalte differieren. Es hat sich nach meinem Dafürhalten um den Tod des Großkönigs (Artaxerxes) Kyros gehandelt. Insofern ist eine Besprechung an dieser Stelle nicht mehr erforderlich. Tatsache bleibt aber, dass auch in diesem Jahr ein "Artaxerxes" stirbt: Kambyses. Darüber habe ich in einem vorangegangenen Kapitel schon ausführlich abgehandelt.

Der hier genannte Aristeides, Sohn des Archippos, kann der Großvater jenes ebenfalls schon erwähnten Sohnes gleichen Namens des Lysimachos gewesen sein, der gleichfalls mit der Seebundkasse in Verbindung gebracht werden kann (vgl. Aristeidesphoros als Einheitswährung des Bundes). Identisch mit einander können beide Aristeides nicht sein.  

Als Darius aus dem Skythenlande nach Susa zurückkehrte, saß der "Artaxerxes" Baryaxes-Arrhidaios = Pseudo-Smerdis schon auf dem Thron. Da Herodot uns hiervon keine genauen verwertbaren Erkenntnisse zu vermitteln vermochte, so können wir nur vermuten, dass Darius zunächst selbst an die Rechtmäßigkeit des Thronfolgers geglaubt hat, bis im folgenden Jahr die Täuschung offenbar wurde.

Der "Polemos" beschließt dieses Jahr mit der Feststellung, dass die Chier (Bewohner der Insel Chios) auf Befehl der Athener ihre neugebauten Mauern schleifen mussten, da man sie verdächtigte, einen Abfall vorzuhaben. Damit sei das siebente Jahr des ("kurzen") Krieges zu Ende gegangen. Da aber - erfahrungsgemäß - zu erwarten ist, dass einige dieses Jahr (konv. 425 v.Chr. analog 699 ndFl) betreffende Ereignisse erst unter (konv.) 417 v.Chr. im "Polemos" auftauchen werden, werfen wir einen Blick "in die Zukunft":

(Thuk. V, 83) Nach einigen Argos betreffenden Angaben, die meines Erachtens in das Jahr (konv.) 417 v.Chr. analog 707 ndFl gehören dürften, in dem der in diesem Zusammenhang erwähnte Agis, Sohn des Archidamos, noch König von Sparta war, fährt der "Polemos" fort: In demselben Winter schnitten die Athener den Makedoniern den Zugang zum Meere ab, aus Groll über den von Perdikkas mit den Argeiern (?) und Lakedämoniern beschworenen Pakt und auch deshalb, weil er bei der Vorbereitung ihres Zuges gegen die Chalkidier im Gebiet von Thrakien und Amphipolis unter Führung des Nikias, Sohnes des Nikeratos, die Bundespflicht verletzt hatte und das ganze Unternehmen hauptsächlich wegen seiner Absage ins Wasser fiel. Er wurde daraufhin ihr Feind. ...

Perdikkas ist im Jahre (konv. 417 v.Chr. analog) 707 ndFl längst tot. In welches Jahr diese Passage tatsächlich gehört, auf jeden Fall in ein Jahr spätestens 699 ndFl, soll dahingestellt sein. Es kann sogar ein sehr frühes Jahr (etwa 692 ndFl?) gemeint sein.

Alexander steht in Pattala/Haiderabad, während Nearchos, sein Admiral, schon die Rückreise vom Indusdelta antritt.

Sizilien

Es ist jetzt, am Vorabend der Sizilien-Kriege, die Gelegenheit, auf die Geschichte Siziliens näher einzugehen. Sowohl Herodot als auch der "Polemos" unterrichten uns darüber. Zu der ganz frühen Geschichte möchte ich aus den Erläuterungen H. W. Haussigs in der von mir benutzten Herodot-Ausgabe (Alfred Kröner Verlag Stuttgart; Anm. Buch VII, 205) zitieren.

Die vorindogermanischen Ureinwohner Siziliens waren die Sikaner, nach denen die Insel Sizilien Sikania genannt wurde (Odyssee XXIV, 307). Die Sikuler (oder auch Sikeler) kamen erst später nach Sizilien (Odyssee XX, 383: an der Ithaka gegenüberliegenden Küste Italiens). Sie gehören wahrscheinlich wie die Iapygen (Bewohner von Gabii?) zu den Illyrern, die über das Meer nach Süditalien gekommen waren. - Hier bestätigt die Schulwissenschaft meine Sicht der "dorischen Einwanderung in Magna Graecia", wozu auch Sizilien zählte. Selbstverständlich handelt es sich hierbei um Indogermanen (auch Indoarier genannt). Der Stammvater dieser Völkerschaft war Illyrios-Lykurg I, der Sohn des Doros-Enos-Kain-Seth I = Hephaistos, Sohn des Zeus-Adam I. - Nach ihnen nannten die Griechen die Insel später Sikelia bzw. lateinisch-römisch Sicilia, also Sizilien. Aus dem gleichen Grund wurde der Name der in Kalabrien wohnenden Italoi (indoarische Italiker) zu der Bezeichnung Italia bzw. Italien für die ganze Halbinsel.

Über die Geschichte Siziliens berichtet der "Polemos" an einer Stelle, die uns aufmerken lässt: Mit der Unterwerfung der Melier durch die Athener (Winter 416/415 v.Chr.) endet das Fünfte Buch des "Polemos". Das Sechste Buch beginnt dann mit demselben Winter. Die Athener wollen erneut nach Sizilien fahren, um es diesmal zu erobern. Warum aber der "Polemos" an dieser Stelle (mitten im Winter und nicht erst am Ende des Jahres) ein neues Buch aufschlägt, bleibt unerklärlich. Für uns ist dieser Teil jetzt von Interesse, da hier die Geschichte Siziliens aus Sicht des "Polemos"-Autors ausgebreitet wird.

(Thuk. VI, 2) Die Besiedlung des Landes geschah schon in alten Zeiten, und die Völkerschaften insgesamt, welche es bewohnten, waren die folgenden. An Kyklopen und Lastrygonen als erste Bewohner des Landes glaubt der "Polemos"-Autor nicht so recht. ... Nach ihnen sind augenscheinlich die Sikaner die ersten Ansiedler gewesen; nach ihrer eigenen Überlieferung sogar vor jenen, denn sie wollen Autochthonen ("Selbsterdige", d.h. Eingeborene) sein. In Wirklichkeit aber sind sie Iberer und von dem Flusse Sikanos im Lande Iberien durch die Lygier vertrieben worden. (Der "Polemos"-Kommentator vermutet hier Gegenden und Völker zwischen Pyrenäen und Rhone) Nach ihnen erhielt damals die Insel den Namen Sikania, die vordem Trinakria hieß. Noch heute bewohnen sie die Gebiete im westlichen Sizilien.

Nach Einnahme Ilions kamen Troer auf der Flucht vor den Achäern mit ihren Fahrzeugen nach Sizilien (das erinnert an den Auszug des Äneas-Romulus aus Troja), siedelten sich als Grenznachbarn der Sikaner an und hießen nun mit dem gemeinsamen Namen Elymer; ihre Städte waren Eryx und Egesta (diese Stadt heißt auch Segesta; ich werde mich künftig dieses Namens bedienen; sie lag im Nordwesten Siziliens auf dem heutigen Monte Barbaro bei Calatafimi). Mit ihnen zusammen siedelten sich auch Phoker an, die ebenfalls von Troja gekommen und durch einen Sturm zunächst nach Libyen, dann weiter nach Sizilien verschlagen worden waren.

Die Einnahme Ilions (= Trojas) gehört in das Jahr 636 ndFl "in den Tagen des Trojanischen Krieges", und nicht, wie konventionell angenommen, an den Beginn des zwölften Jahrhunderts v.Chr.; dadurch entfallen viele Luftjahrhunderte, die hier im "Polemos" überflüssigerweise gefüllt werden sollen, wie wir sehen werden. Thuk. VI, 2 fährt fort:

Die Sikeler dagegen kamen aus Italien, wo ihre Heimat war, herüber, verdrängt von den Opikern, und zwar, wie glaubhaft berichtet wird, auf Flößen, auf denen sie bei günstigem Winde über den Sund (die Straße von Messina) setzten, aber vielleicht auch mit einer anderen Art von Schiffen. Noch heute gibt es in Italien Sikeler, und nach einem König der Sikeler, Italos, erhielt sogar das ganze Land den Namen Italien.

Mit großer Heeresmacht waren sie in Sizilien eingezogen, hatten die Sikaner in einer Schlacht besiegt und drängten sie in die südlichen und westlichen Teile zurück, gaben der Insel nun auch den Namen Sizilien anstelle von Sikanien und besiedelten nach ihrer Ankunft das beste Land. Das war nahezu dreihundert Jahre, bevor die Hellenen in Sizilien erschienen. Noch heute bewohnen sie die Mitte und den Norden der Insel.

Das deckt sich weitgehend mit dem, was ich oben zitiert habe (Kommentar von H. W. Haussig in der von mir benutzten Herodot-Ausgabe, Alfred Kröner Verlag Stuttgart; Anm. Buch VII, 205). Man kann daraus schließen, dass die konventionelle Wissenschaft ihre Kenntnisse der Geschichte Siziliens hauptsächlich aus diesen "Polemos"-Absätzen gewonnen hat. Die "nahezu dreihundert Jahre" würden bedeuten, dass es sich bei der Einwanderung der Sikeler unter Italos um die Italiker gehandelt haben kann, die durchaus dreihundert Jahre vor der Einwanderung der Dorer des Illyrios-Lykurg (* ca. 420 ndFl), des Sohnes des Doros, gelegen haben kann. Diese um etwa 445 ndFl begonnene Westwanderung der Illyrer nach Magna Graecia erreichte um 450 ndFl, ungefähr zweihundertfünfzig Jahre vor der in Rede stehenden Zeit (um 700 ndFl), Sizilien. Das würde aber auch bedeuten, dass die Sikeler (= Italiker?) schon lange vor den Troern hier ansässig wurden, und dass andererseits die Sikaner noch viel früher nach hier gekommen sein müssen, wenn sie denn nicht sogar zu den Megalithikern (Karern), das heißt zu den oben schon erwähnten Kyklopen gerechnet werden müssen, womit diese kaum glaubhafte und wenig geglaubte Angabe doch noch einen Funken Wahrheit enthielte. Der "Polemos" berichtet weiter (Thuk. VI, 2):

Es siedelten sich auch die Phöniker rings um das ganze Sizilien an, nahmen Höhen dicht am Meeresufer und vergelagerte Inselchen in Besitz, um mit den Sikelern Handel zu treiben. Später, als dann die Hellenen zahlreich über das Meer kamen, verließen jene die meisten Plätze wieder und setzten sich in Motye, Soloeis (Städte in Westsizilien) und Panormos (Stadt in Nordsizilien) fest, wo sie die Elymer zu Nachbarn hatten und auf ihr Bündnis mit den Elymern vertrauen konnten, auch weil von hier aus die Überfahrt von Sizilien nach Karthago am kürzesten ist. Das ungefähr sind die Völker und Wohnsitze der Barbaren in Sizilien.

Von den Hellenen waren die Chalkidier (besser: die Chalkider von Eubäa) die ersten, die mit Thukles von Euböa nach Sizilien kamen, um hier zu siedeln. Sie bauten die Stadt Naxos am Fuße des Ätna. Der Sohn des Thukles, Eurymedon, war im Vorjahr (698 ndFl) mit Hipponikos, dem Sohn des Kallias, bei Tanagra gewesen. Insofern kann die Gründung von Naxos nicht allzu weit zurückliegen.

Im nächsten (welchem?) Jahr gründete der Heraklide Archias aus Korinth die Stadt Syrakus. Nach konventioneller Auffassung und Rechnung müsste das im Jahre ca. 735 v.Chr. geschehen sein, also vierzig Jahre etwa nach Beginn des Olympiaden-Kalenders, mithin um das Jahr 665 ndFl, in dem Eurymedon dem Thukles geboren worden sein kann. Syrakus war damals noch eine Insel, die jedoch bald schon durch Auffüllung des Wassergrabens mit dem Festland verbunden wurde. Fünf Jahre nach Gründung von Syrakus zog Thukles weiter und gründete Leontinoi und Katane (= Catana an der Ostküste Siziliens; Thuk. VI, 3), was demnach ins Jahr 670 ndFl etwa gehören müsste.

Um dieselbe Zeit gründete Lamis aus Megara zunächst einen Ort namens Trotilon am Pantakyas-Fluss (an der Ostküste Siziliens), schloss sich dann als Mitbewohner den Leontinern an und gründete, von diesen vertrieben, Thapsos nahe Syrakus. Nachdem Lamis in Thapsos verstorben war, gründeten seine Genossen unter der Führung des Hyblon, Königs der Sikeler, der sein Gebiet aufgab, das so genannte hybläische Megara (Megara Hyblea) nördlich von Syrakus. Zweihundertfünfundvierzig Jahre haben sie dann hier gewohnt, bis sie von Gelon, Tyrann von Syrakus, aus dieser Stadt und Gegend verdrängt wurden. Schon hundert Jahre nach der Gründung schickten sie Pamillos aus Megara, ihrer Mutterstadt, zur Gründung der Stadt Selinus aus (Thuk. VI, 4).

Die Angaben "zweihundertfünfundvierzig" und "hundert" Jahre müssen wir nicht ernst nehmen. Es handelt sich um Vorgänge innerhalb der zweiten Hälfte des siebten nachsintflutlichen Jahrhunderts, überwiegend um die Zeit zwischen 665 und 680 ndFl.

(Thuk. VI, 4 Fortsetzung) Was Gela betrifft, so ist es von Antiphemos aus Rhodos und von Entimos aus Kreta, welche Ansiedler mitbrachten, gemeinsam fünfundvierzig Jahre nach Syrakus gegründet worden, Der Name der Stadt rührt von dem Fluss Gela her; eigentlich hieß die Stelle, auf welcher sich heute die Stadt befindet und wo sie damls ummauert wurde, Lindii. Dorische Verfassung gaben sie sich, ...

Die doppelte Endung auf "ii" ist typisch für die "etruskischen" Ortsnamen, das heißt für die Ortsnamen der Rasen. Es könnten sich unter der Urbevölkerung Siziliens demnach auch Rasen bzw. Resen befunden haben, die irrtümlich gern als "Etrusker" bezeichnet werden. Fünfundvierzig Jahre nach Syrakus (um 665 ndFl gegründet) käme weit über die in Rede stehende Zeit hinaus. Diese "Füllzeit" kommt der konventionellen "Dunkelzeit"-Geschichte sehr entgegen; so auch die folgende Angabe:

... und fast einhundertundacht Jahre nach der Gründung von Gela begründeten ihre Bewohner Akragas, wobei sie den Namen von dem Fluss Akragas entlehnten, und machten Aristonus und Pystilos zu Koloniegründern. Sie gaben der Stadt dieselben Gesetze wie in Gela.

Bei Herodot (VII, 153ff.) erfahren wir, dass zu der Zeit des Xerxes ein gewisser Gelon in Sizilien mächtig gewesen sein soll, dessen Ahnherr ebenfalls Gelon geheißen habe und nach Gela ausgewandert sei. Diese Stadt liegt an der Südostecke Siziliens etwa auf derselben Höhe wie Syrakus, allerdings auf der westlichen Seite dieses "Zipfels". Gegründet wurde Gela von Rhodiern und Kretern unter Führung des Antiphemos nach obiger Rechnung im Jahre (konv.) 689 v.Chr., was dem Jahr der Zerstörung Babylons durch Sanherib entsprechen würde, also dem Jahr 675 ndFl. Zwischen diesem und dem Jahr 689 ndFl müsste der Hippokrates-Friede mit Syrakus geschlossen worden sein, an dem Korinth und Kerkyra beteiligt waren.

Dieser ältere Gelon sei von der Insel Telos gekommen, die heute Episkopi heißt und westlich der Insel Rhodos in der Ägäis liegt. Er könnte demnach - in der berichtigten Chronologie ist das möglich - mit zu den Gründern Gelas gehört haben. Ich bin der Ansicht, dass Gelon (= der von Gela) selbst jener Telines (= der von der Insel Telos) war, der angeblich dessen späterer Nachkomme gewesen sein soll, der das Hierophantenamt (= Priesteramt) der chthonischen Gottheiten Demeter und Persephone übernahm; denn Gelon-Telines hatte ebenfalls einen Nachkommen namens Gelon, der bei Herodot auffallend die Rolle jenes Gelon übernimmt, den er eingangs als Nachkommen des älteren Gelon vorgestellt hat.

Erster Tyrann von Gela scheint Kleandros, der Sohn des Pantares, gewesen zu sein. Er wurde von dem Gelier Sabyllos ermordet. Sein Nachfolger war sein Bruder Hippokrates, dessen Leibwächter der jüngere Gelon mit vielen anderen Männern wurde, darunter Ainesidemos, Sohn des Pataikos. Der jüngere Gelon avancierte bald zum Führer der gesamten Reiterei des Hippokrates, der seinerseits schon bald damit begann, die sizilischen Städte reihenweise zu belagern: Kallipolis (Gallodoro), Naxos, Zankle (Messina), Leontinoi und Syrakus sowie noch weitere nichtgriechische Städte. Außer Syrakus konnte Hippokrates diese Städte auch alle unterwerfen.

Syrakus war zwar am Fluss Eloros (heute Abisso im Südosten der Insel) in einer Schlacht besiegt worden, konnte aber mit Unterstützung der Korinthier und der Kerkyräer einen Frieden mit Hippokrates schließen, demzufolge es Kamarina (heute Camerina an der Küste südöstlich von Gela) an ihn abtreten musste. Diese Gemeinsamkeit von Korinth und seiner ionischen Insel Kerkyra spricht für die Ansetzung dieser Schlacht vor dem Jahre 689 ndFl, da ab diesem Jahr der (See-)Krieg zwischen beiden Parteien ein gemeinsames Vorgehen in Sizilien wenig wahrscheinlich gemacht hätte.

(Herodot VII, 155) Auch Hippokrates fand nach ebenso langer (besser: ebenso kurzer) Regierung wie sein Bruder Kleandros den Tod, und zwar auf einem Feldzug gegen die Sizilier (Sikuler) bei der Stadt Hyble (vermutlich Megara Hyblea). Gelon trat scheinbar für die Söhne des Hippokrates, Eukleides und Kleandros, ein, deren Herrschaft die Bewohner von Gela sich nicht fügen wollten, in Wirklichkeit machte er sich aber nach einem Siege über die Bürgerpartei selber zum Herrn und setzte die Söhne des Hippokrates ab.

Nach diesem Handstreich führte Gelon mit Waffengewalt den syrakusanischen Grundherrenadel aus der Stadt Kasmene nach Syrakus zurück. Diese so genannten Grundherren waren vom Volke und von ihrer Sklavenbevölkerung, Killyrier genannt, vertrieben worden. Gelon gelangte selber in den Besitz der Stadt, denn das Volk von Syrakus übergab sich und die Stadt, als er heranrückte.

Wir haben es hier offensichtlich wieder einmal mit einem Hinweis auf bürgerlich-demokratische Tendenzen zu tun, wie sie für diese Zeit typisch sind. Gelon hält das Volk für eine "unbequeme Einwohnerschaft" und verkauft Anhänger der Volksparteien in seinen Städten ins Ausland in die Sklaverei (Her. VII, 156). Wenn allerdings dieser Gelon II zur Zeit des Xerxes in Syrakus herrschen soll, dann muss er erst noch Hermokrates und Dionysios den Vortritt lassen. Bis dahin bleibt er wohl in Gela. 

(Herodot VII, 156) Nachdem Gelon Herr von Syrakus geworden war, nahm seine Teilnahme für Gela ab; er überließ die Stadt seinem Bruder Hieron und verlegte seinen Herrschersitz nach Syrakus, dem er seine ganze Sorgfalt zuwendete. Und schnell blühte nun die Stadt unter ihm auf. Er verpflanzte nicht nur die ganze Bevölkerung von Kamarina nach Syrakus, sondern tat mit der Hälfte seiner Landsleute von Gela dasselbe.

Herodot (VII,157) bringt Gelon II richtig in der Zeit des Xerxes unter: Als jetzt die hellenischen Gesandten nach Syrakus kamen und Zutritt bei Gelon erhielten, sprachen sie folgende Worte: "Du hast gehört, dass er Hellas angreift, dass ein Perser eine Brücke über den Hellespont geschlagen hat und die gesamte östliche Kriegsmacht aus Asien herbeiführt."

Da die Rede der griechischen Gesandtschaft ebenso erfunden sein dürfte wie die Antwort des Gelon, so halte ich nur die einzige glaubhafte Bemerkung Gelons fest:

(Herodot VII, 158)... "Welch anmaßendes Begehren von euch, dass ich euch gegen den Barbaren zu Hilfe kommen soll. Auch ich habe euch einst um Hilfe gegen ein Barbarenvolk gebeten, damals, als ich im Felde lag mit den Karchedoniern (Karthagern), als ich euch beschwor, die Ermordung des Dorieus, Sohnes des Anaxandrides, an (S)Egesta zu rächen."

Wir müssen uns jetzt mit einem Mann beschäftigen, der bisher in unseren Betrachtungen zu kurz kam im Vergleich zu seiner Verwandtschaft. Ich meine Dorieus, den Sohn des Anaxandrides, des Agiadenkönigs von Sparta. Von Dorieus behauptet Herodot (V, 41-48), er sei zwar gleichaltrig mit Kleomenes gewesen, habe aber eine andere Mutter gehabt als dieser, und zwar eine Nichte des Anaxandrides. Das habe ich in meinen bisherigen Tabellen zu dem Teil berücksichtigt, der die Nichte betrifft, wobei sich jedoch eine spätere Geburt des Dorieus ergab, da die Nichte nicht genauso alt wie die Mutter des Kleomenes gewesen sein konnte. Es ergibt sich jedoch jetzt die Notwendigkeit, die Geburt des Dorieus in die Zeit der Geburt des Kleomenes zu verlegen, so dass der Nichte nur noch die übrigen Kinder des Anaxandrides zugeschrieben werden können. Das würde natürlich wieder die Behauptung Herodots bestätigen, beide Söhne seien ungefähr gleichaltrig gewesen.

Ich gehe jetzt davon aus, dass die Mutter der beiden dieselbe Frau ist und möglicherweise, was damals in Spartas Königshäusern keine Seltenheit war, Zwillinge geboren hatte, was Herodot verwechselt haben muss. Es haben sich aus meinem früheren falschen Ansatz der Geburt des Dorieus keine Sinnentstellungen in der bisherigen Geschichte ergeben, so dass auch - außer an den diversen Tabellen - keine Änderungen in voranstehenden Texten erforderlich sind.

(Herodot V, 42) Der Erstgeborene, Kleomenes, soll etwas schwachsinnig gewesen sein. Dorieus dagegen war der Erste unter all seinen Altersgenossen und wusste recht wohl, dass der Tüchtigkeit nach die Königswürde ihm zukäme. Als Anaxandrides starb und die Lakedämonier ihren Gesetzen gemäß seinen ältesten Sohn Kleomenes (auch bei Zwillingen gibt es immer einen älteren) zum König machten, grollte Dorieus und wollte Kleomenes nicht als König über sich dulden. Er bat die Spartiaten um Mannschaften und wanderte aus ... Grollend segelte er davon nach Libyen ...

Zwei Jahre später vertrieben ihn der libysche Stamm der Maker und die Karchedonier (= Karthager, Punier), und er kehrte nach der Peloponnes zurück. Das müsste etwa im Jahre 693 ndFl gewesen sein und kann im Zusammenhang mit der Exilierung des Kleomenes gestanden haben, dessen Machenschaften mit der Absetzung des Demaratos ruchbar geworden waren. Ob Dorieus allerdings Zweitkönig neben Archidamos geworden ist, wird nirgendwo vermerkt.

(43) Nun riet ihm ein Orakeldeuter, Antichares aus Eleon, auf Grund der Orakelsprüche des Laios (= Dionysos-Lyaios, der Vater des Oidipos-Eurytos, unter dessen Name eine vermutlich auf Tierhäute geschriebene Sammlung von Weissagungen überliefert ist. Anm. 48), er solle das Land des Herakles in Sizilien kolonisieren. Das ganze Land am Eryx (ein Gebirge an der Westküste Siziliens oberhalb von Trapani, wo sich jetzt das Kastell San Giuliano befindet. Anm. 49), sagte er, gehöre den Herakliden, denn Herakles habe es besessen.

Bestärkt durch diesen Orakelspruch von Delphi begab sich Dorieus mit seiner Mannschaft, die ihn schon nach Libyen begleitet hatte, nach Sizilien. Das kann durchaus in einem doppelten Zusammenhang gesehen werden: Einmal kann dieser Auszug gemeinsam mit Archidamos gesehen werden, und zwar im Lichte der Spannungen, die sich in diesem Jahrzehnt auf Sizilien aufgebaut haben, in die auch die Karthager-Punier verwickelt waren. Archidamos war einem Hilferuf der unteritalienischen Stadt Tarent gefolgt, die von den Lukanern bedrängt wurde (konv. 342 v.Chr.). Bei Mandonion fand er an der Spitze eines Söldnerheeres im Kampf gegen Lukaner und Messapier den Tod (konv. 338 v.Chr.).

Lukaner bzw. Lucani sind die Römer selbst, die Truppen des Lucius Tarquinius Superbus, der jetzt noch als letzter König in Rom regiert. Mandonion und Tarent liegen nicht weit entfernt von Sybaris (auf dem italienischen Festland an der kalabrischen Küste des Golfes von Tarent am Fluss Crati, der in diesen Golf mündet und damals Krathis hieß und versandet war) und Kroton (am selben Golf gelegene südliche Nachbarstadt von Sybaris), wo Dorieus, dessen Mannschaft das erwähnte Söldnerheer gewesen sein könnte, sich am Ende von Archidamos getrennt hat und nach Eryx weitergezogen ist. Die Rückkehr des Kleomenes wäre unter dieser Doppelauswanderung zwingend gewesen. Wie allerdings (Dionysos-)L(y)aios schon etwas von (dem Ägypter) Herakles gewusst haben soll, bleibt fraglich; denn letzterer lebte erst hundert Jahre nach Laios.

(Herodot V, 44) Zu jener Zeit, so erzählten die Sybariten, wollten die Stadt Sybaris und ihr König Telys gegen Kroton zu Felde ziehen. Die Stadt Kroton aber bat in ihrer Not den Dorieus um Hilfe, die dieser auch gewährte. Dorieus nahm an dem Zug gegen Sybaris teil und nahm die Stadt ein. Diese Überlieferung der Sybariten von der Kriegsbeteiligung des Dorieus und seiner Schar wird von den Krotoniaten bestritten; kein Fremder habe in dem Krieg gegen Sybaris mitgekämpft, nur der Seher Kallias aus Elis (an anderer Stelle wurde auch von Archidamos gesagt, er sei aus Elis gekommen!) ... Dieser sei dem Tyrannen Telys von Sybaris entlaufen und zu ihnen übergegangen...(45) Beide bringen Beweise für ihre Behauptungen bei.

Wir wollen uns in diesen Streit nicht einmischen, obschon es verlockt, darauf hinzuweisen, dass es typisch für die Sieger ist, die Schuld am Krieg den Verlierern zuzuschieben und ganz allgemein die Geschichte in ihrem Sinne zu fälschen. Die Zerstörung von Sybaris durch Kroton wird konventionell um das Jahr 510 v.Chr. gesehen, was zeitlich in dieser Sicht zu einem Bruder des Kleomenes durchaus passen würde. Kleomenes wird von Herodot mit Ereignissen in Verbindung gebracht, die konventionell ebenfalls in diesen Jahren untergebracht werden. Sie können selbstverständlich nicht einen Kleomenes betreffen, der in dem konventionelle hundert Jahre später erst gesehenen Peloponnesischen Krieg aktiv ist. Es handelt sich immer um denselben Kleomenes, der auch im Jahre (konv.) 227 v.Chr. als Kleomenes III einen Staatsstreich in Sparta unernimmt.

Die allgemein als äußerst tragisch und unter dem Blickwinkel des Völkermordes gesehene Zerstörung von Sybaris durch Kroton wird konventionell in derselben Zeit gesehen, in der Darius seinen Skythenzug durchführt. Wir stimmen demnach hierin mit der alten Sicht überein. Es ist auch klar, dass Herodot, der den Perserkrieg miterlebt hat, in dieser Zeit schon gelebt haben muss. Der Kommentator merkt an (V 51), dass Herodot seine Angaben den aus Sybaris stammenden Bewohnern von Thurioi verdanke. Diese Stadt wurde an derselben Stelle errichtet, an der Sybaris gestanden hatte. Herodot soll (konv.) im Jahre 444 v.Chr. dabei mitgewirkt und anschließend hier gewohnt haben. Eine dermaßen große Zeitspanne von (510 ./. 444 =) 66 Jahren ergibt sich aber bestenfalls in der Pentekontaëtie; in Wirklichkeit waren es gewiss nur wenige Jahre, und Herodot war nicht 36 Jahre älter als im Perserkrieg, sondern noch jünger als zur Zeit des Perserkrieges. Er wurde etwa im Jahre 675 ndFl geboren und ist um das Jahr 705 ndFl im Alter von dreißig Jahren in Thurioi eingezogen. Während des Perserkrieges wäre er demnach über fünfzig Jahre alt gewesen und könnte im Alter von fast sechzig Jahren nochmals nach Ägypten gefahren sein. Ich vermute, dass er seine Berichte über die Lyder und Perser aus seiner Heimat Halikarnassos in Karien mitgebracht hat. Gestorben wäre er um etwa 740 ndFl in der Zeit Alexanders des Großen Nr. 2.

(Herodot V, 46) Mit Dorieus fuhren noch andere Spartiaten als Kolonisten aus: Thessalos, Paraibates, Kelees, Euryleon. Als der ganze Auswandererzug in Sizilien angekommen war, wurde er in einer Schlacht gegen die Phoinikier und Egestaier (= Leute von Segesta unweit des Eryx-Gebirges) besiegt und vernichtet. Euryleon war der einzige Führer, der mit dem Leben davonkam. Er sammelte die Reste des Heeres und eroberte [Herakleia] Minoa (Stadt an der Mündung des Halykos, die heute Platani heißt), die Pflanzstadt der Selinusier, nahm auch an dem Befreiungskampf Selinus' von dem Tyrannen Peithagoras teil...

(Herodot V, 47) Unter den Begleitern und Mitgefallenen des Dorieus war auch Philippos, der Sohn des Butakides aus Kroton. Er war verlobt mit der Tochter des Königs Telys von Sybaris und wurde deshalb aus Kroton verbannt. Um die Heirat betrogen, wandte er sich dann nach Kyrene (Libyen; vgl.: Cyrenaica) und schloss sich dort mit einem eigenen Dreiruderer und eigener Mannschaft dem Auswanderungszuge an. ... Um seiner Schönheit willen erwies ihm die Stadt (S)Egesta eine Ehre, die sonst niemandem zuteil wurde. Sie erbauten auf seinem Grabe einen Heroentempel und opferten ihm.

Hier kann doch einiges nicht stimmen; denn wenn Dorieus schon gleich bei der Einwanderung in der Nähe seines Zielortes am Eryx fiel, dann kann seine Beteiligung an den Kämpfen bei Sybaris nicht glaubhaft sein. Andererseits ist seine Beteiligung an diesem Streit durch die Verwicklung eines seiner Mitstreiter hierin glaubhaft, wenn auch von Kroton bestritten, und sein Tod könnte im Anschluss daran eingetreten sein, als sie auf Eryx zuwanderten. Hier fiel dann auch obiger Schönling Philipp, der dann in dem nicht sehr weit entfernten Segesta beigesetzt wurde. In diesem Zusammenhang erinnere ich auch an die "Heiratsangelegenheit", die zu den Problemen zwischen Selinus und Segesta geführt hatten (Thuk. VI, 6), indem die Selinusier durch die Syrakusier unterstützt worden waren. Diese Schmach war der Anlass für die Segestäer, in Athen um Beistand gegen Syrakus nachzusuchen.

Auf jeden Fall ist der Name der Stadt Herakleia Minoa ein deutlicher Hinweis auf die Anwesenheit des Herakles hier im Westen der Insel, und zwar als Statthalter der Minoer, wie wir ihn auch immer gesehen haben. Von wann bis wann er aber hier residierte, muss offen bleiben.

(Herodot V, 48) So fand Dorieus seinen Tod. Hätte er sich darein gefunden, dass Kleomenes den Thron innehatte, und wäre in Sparta geblieben, so wäre er selber König geworden; denn Kleomenes blieb es nicht lange.

Tatsache ist jedoch, dass Kleomenes seinen Bruder überlebte; denn Dorieus dürfte um 699 ndFl gefallen sein. Herodot erwähnt den Namen Dorieus zum letzten Male im Zusammenhang mit dem Perserkrieg (IX, 10): Pausanias wählte als zweiten Feldherrn den Euryanax, Sohn des Dorieus, der auch aus dem königlichen Hause stammte, ... Euryanax müsste demnach um 695/700 ndFl geboren sein, was zu einem früheren Ansatz der Geburt des Dorieus passen würde.

Herodot führt den Leser alsbald in den Punischen Krieg ein (VII, 165), ohne dass dies bisher bemerkt worden zu sein scheint. Er nennt im Zusammenhang mit Gelon von Syrakus die Namen der Karchedonier (Karthager) Amilkas, Sohn des Annon. Dahinter verbergen sich unüberhörbar die uns besser vertrauten Namen Hamilkar, Sohn des Hanno, aus der Familie des Hannibal. Ähnliches lesen wir in Xenophons Hellenika, wo mehrmals auf Annibas, also auf Hannibal, hingewiesen wird. Diese Passagen gehören in dieselbe Zeit wie besagte Stelle bei Herodot.

Konventionell ist dies nach der Palmström-Regel "nicht sein kann, was nicht sein darf" unerhört; denn da die Schulwissenschaft diese Punierfamilie zweihundert Jahre später erst ansetzt, muss es sich hierbei "rein zufällig" um ähnliche Namen und Familienverhältnisse handeln. Wir werden in dieser Zeit aber auch Agathokles Basileus, den Sohn des Lysimachos, antreffen, der - wie ich an anderer Stelle schon sagte - mit dem Attilius Regulus aus dem Punischen Krieg identisch ist. Das alles sind nicht zu übersehende Hinweise auf eine in Wirklichkeit viel kürzere Altertumsgeschichte. Ich werde auf die Punier später noch ausführlich zurückkommen.

Bevor wir auf Sizilien im Peloponnesischen Krieg weiter eingehen, lassen wir zur Geschichte der Insel nochmals den "Polemos" zu Wort kommen:

(Thuk. VI, 4 Forts.) ... Die ersten Ansiedler von Zankle (Messina; den Namen Zankle hatte diese Gegend wegen ihrer Sichelform; die Sichel heißt auf sikelisch Zanklon) waren Räuber, die aus Kyme, der chalkidischen Stadt im Lande der Opiker (Küstenstadt etwa hundertfünfzig Kilometer südöstlich von Rom), gekommen waren; später gesellte sich eine von Chalkis und dem übrigen Euböa gekommene Schar von Ansiedlern hinzu, deren Führer Perieres und Krataimenes waren, jener aus Kyme (möglicherweise ist hier nicht das opische, sondern das ionische Kyme gemeint), dieser aus Chalkis... Später wurden die Bewohner durch Samier und andere Ionier (etwa jetzt erst durch Perieres von Kyme in Ionien?), welche, von den Medern vertrieben, in Sizilien landeten, hinausgeworfen, worauf dann nicht viel später Anaxilas (an anderer Stelle auch Anaxilaos geschrieben; konv. 494-476 v.Chr.), Tyrann von Rhegion, wiederum die Samier vertrieb, seinerseits die Stadt mit einer Mischbevölkerung besiedelte und ihr den Namen Messina gab, nach seinem eigenen ehemaligen Vaterlande (gemeint ist Messenien).

Mit diesem Anaxilaos kämpfen vermutlich auch noch immer die sizilischen Hellenen, nachdem sich die Athener schon vom Kriegsschauplatz zurückgezogen haben (siehe weiter oben!). Es scheint hier das Ende der Tyrannis in Rhegion und Messina (konv. 461 v.Chr.) beschlossen zu sein.

(Thuk. VI, 5) Von Zankle aus wurde auch Himera (Stadt an der Nordküste Siziliens) gegründet, durch Eukleides, Simos und Sakon. Der größte Teil dieser Auswanderer war aus Chalkis gekommen, jedoch siedelten sich auch Verbannte aus Syrakus mit an, welche bei einem Bürgerkrieg besiegt worden waren und sich Myletiden nannten. Weitere Stadtgründungen sind Akrai (Stadt auf dem Festland zwischen Syrakus und Kamarina, siebzig Jahre nach Syrakus von Syrakusiern gegründet) und Kasmenai (Festlandstadt 30 km südlich von Akrai, zwanzig Jahre nach diesem von denselben gegründet). Die erste Besiedlung von Kamarina durch Syrakusier soll sogar erst hundertfünfunddreißig Jahre nach der Gründung von Syrakus erfolgt sein. Alle diese Zeitangaben sind im Sinne der Zeitdehnung falsch und ergeben auch im konventionellen Schema wenig Sinn.

Einige Zeit nachdem Daskon und Menekolos Kamarina gegründet hatten, fielen die Kamariner von Syrakus ab und wurden verjagt, und nicht lange danach kam der Tyrann Hippokrates von Gela, der das Gebiet von Kamarina als Lösegeld für kriegsgefangene Syrakusier erhalten hatte (noch vor 689 ndFl), und besiedelte Kamarina von neuem. Aber auch er wurde wieder vertrieben, und zwar von Gelon, wie wir weiter oben schon gesehen haben, und so kam es zu einer dritten Gründung Kamarinas durch die Bewohner von Gela. Im Jahre 697 ndFl, als Laches mit der athenischen Flotte nach Sizilien kam, standen Kamarina und die chalkidischen Städte an der Seite von Leontinoi gegen Syrakus.

Die Athener waren 697 ndFl nach Rhegion in Kalabrien (Süditalien) gefahren, und in diesem Jahr (699 ndFl) sind sie, nachdem die Flotte der Syrakusier besiegt und von Messina abgezogen war, nach hier wieder zurückgekehrt. Dort liegen sie demnach noch immer, während die sizilischen Hellenen (unter anderen Leontinoi) ihre Kämpfe gegeneinander ohne Beteiligung der Athener zu Lande weiter fortsetzen.

Wir sind mit der Geschichte Siziliens jetzt wieder in der Zeit angekommen, die wir vorübergehend verlassen hatten.

Letzter Stand: 15. Februar 2014
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