Sechstes Buch: Das Olympische Zeitalter von 624 bis 642 ndFl1. Kapitel: NebukadrezzurDas Ende des Amurru-ReichesMehr und genauere Augenzeugenberichte als zur Sintflut liegen uns zu Typhon 4 vor. Was diese Katastrophe in Ägypten anrichtete, wurde bereits besprochen. Mesopotamien, das selbstredend ebenfalls wieder in Mitleidenschaft gezogen worden war, wurde diesmal nicht - wie bei der Sintflut - völlig mit Wasser bedeckt; aber durch den Rückstau der beiden großen Flüsse gab es dennoch eine ansehnliche Überschwemmung im Süden, durch die das Grab des Ur-Nammu in Ur bis unter das Spitzgewölbe unter Wasser gesetzt wurde. Der Erbauer dieses Grabes war indes längst unter seinem Namen Hammurabi an anderer Stelle (in Kisch?) unter großköniglichem Prunk beigesetzt worden, so dass sein bescheidenes Grab in Ur seit hundert Jahren ungenutzt lag. Sieben Jahre nach der Katastrophe (frühestens 631 ndFl) entstand in Ur eine Dichtung, die neben den landschaftlichen auch die mittlerweile eingetretenen politischen Veränderungen beschreibt: Der böse Sturmwind hat, die Zeit zu ändern,
und das Gesetz zu tilgen, ein Orkan gewütet. Er stürzte Sumers alte, rechte Ordnung; die Zeit der guten Herrscher ist dahin. In Trümmern liegen nun des Landes Städte, und öde sind die Hürden, sind die Pferche. Wo sind die schweren Rinder hinter'm Gatter, wo sind die Schafe, die hier Lämmer warfen ? Das Wasser der Kanäle wurde bitter (salzig ?), und schütt'res Gras deckt das Getreidefeld; die Steppe bringt nur Wehkraut noch hervor... An fremdem Ort steht nun der Königssitz. Wo mag man da gerechten Schiedsspruch finden ? Die Herrschaft wanderte in fremdes Land, auf das man mit gebeugtem Rücken schaut... Den Strömen gar gab Enki neuen Lauf... Weh, Sumers König schied von dem Palaste. Ins Elamiterland ging Ibi-Sin, in ferne Zonen hin zu Anschans Grenze... O Sumer, Land der Furcht, da Menschen zagen: Der König ging, und seine Kinder klagen.1
Diese werden wir in dem Kapitel, in dem über Chatti und Mitanni abgehandelt wird, näher kennenlernen. Dass Assur-Uballit ein Halbbruder des Nimrod-Assurbanipal war, steht ebenso fest wie die Vaterschaft des Tudhaliyas an Arnuwandas. Samsi-Adad heiratete im Alter von etwa 70 Jahren die Witwe des Urdunanna, des Vaters von Kedor-Laomor (= Nebukadrezzur). Mit ihr, einer immerhin schon fast Vierzigjährigen, hatte er um 613 ndFl noch den Sohn Adad-schum-nassir, der mithin ein Halbbruder des Nebukadrezzur war. Beim Tode des Vaters war dieser älteste Sohn Samsi-Adads minderjähriger Thronerbe (etwa 16 Jahre alt), für den der Halbbruder als Prinzregent einspringen sollte. Dieser ließ sich jedoch nicht mehr das Zepter aus der Hand nehmen, obwohl Adad-schum-nassir spätestens im Jahre 635 ndFl volljährig und heerfähig geworden sein müsste. Möglicherweise hing mit dieser Weigerung Nebukadrezzurs die Revolte des Astyages zusammen, in die seine ganze Familie verwickelt wurde. Darauf komme ich weiter unten zurück.
*) = Ich bin neuerdings der Überzeugung, dass es sich bei Nabunassir nicht um einen Sohn der Semiramis handelt, sondern dass er mit Adad-schum-nassir identisch ist, der nicht 641 ndFl bei Assur fiel, sondern 657 ndFl sogar als Großkönig auf den Thron in Babylon kam: Zeitalter Nabonassars. Während die Herren mit den "Schum"-Namen direkt auf ihre Abstammung von (Ur-)Zababa-(Samsi-)Adad-schum-idin hinweisen, gibt es für Adad- (auch Ellil- oder Assur-)narari und Nabu-nassir nur textliche Hinweise darauf. Letzterer wird z.B. "Sohn des Priesters des Gottes Adad" genannt, was auf die Tatsache hinweist, dass sich Samsi-Adad als "Priester des Ellil (= Adad)" auffasste. Der Ellil-Tempel in Nippur lag auf einer Anhöhe (Höhenheiligtum!) und wurde Escharra oder Ekur genannt. Hier war der Lieblingsaufenthalt des Samsi-Adad. Der Tempel war mit dem Stein des gestirnten Nachthimmels ausgekleidet, dem nachtblauen Lapislazuli, dessen Einschlüsse metallisch blinken und an Sterne erinnern. Die Gleichsetzung Ellils mit dem hethitischen Wetter- und Vegetationsgott Adad bzw. Teschub wurde jetzt allgemein üblich. Das Keilschriftzeichen für Adad und für Teschub ist "Im", was mit dem Namen des Im-du-gud-anzi harmoniert, des "Wappentiers" des Ellil oder des Anu (löwenköpfiger Adler). Hinter der Person des Gottessohnes Ellil stand natürlich immer der Gottvater Anu. Daher liest man den Keilschriftnamen des Teschub-Adad auch "An-Im" geschrieben. In Assur standen Tempel für beide Gottheiten. Es gab hier einen Ellil-Tempel, der später zum Tempel des Gottes Assur wurde, und einen Tempel, der für die Gottheiten Anu und Adad gemeinsam geweiht worden war. Die Gottheit Assur, die - von Puzur-Assur hergeleitet wie der Name der Stadt - im unmittelbaren Zusammenhang steht mit dem historischen Gott Assur = Iluschuma = Adam-Zeus I, war in assyrischer Zeit dominierend. Im Prinzip handelt es sich dabei aber ebenfalls um einen Aspekt des Teschub-Adad, der ja in dem ersten Zeus-Adam seine Inkarnation erfuhr. Nabu-kudur(= kedor, "Krone")-ussur
an. Er errichtete Babylon an der Stelle des vorsintflutlichen Bad-Tabira = Pauti-Biblon völlig neu "auf der Brust der Unterwelt", dem felsigen Untergrund des mesopotamischen Schwemmlandes. Zwei Argumente sprachen dafür, dass Nebukadrezzur eine neue Hauptstadt baute: Erstens war Kisch wie alle anderen Städte in Mesopotamien, so zum Beispiel auch Assur, Ur und Uruk, durch den hier als "Sirrusch-Drachen" bezeichneten Typhon schwer in Mitleidenschaft gezogen worden, und zweitens floss der als Transportweg und Trinkwasserversorger unentbehrliche Euphrat wie durch ein Zeichen der Götter wieder an der Stelle entlang, wo die alte Da(on)os-Dumuzi- Hauptstadt Bad-tabira = Pauti-biblon gelegen hatte. Nebukadrezzur hatte den Sirrusch-Drachen besiegt, so wie Dumuzi-Etana-Marduk-Laomor (= Lachamu, Lach-Gumal) einst "die Tiamat (= Typhon) besiegt" und "dem Südwind die Flügel gebrochen" hatte. Als Wiedergeburt des fünfzignamigen Marduk baute er wie sein großer Vorgänger einen Turm zu Babel und legte sich den Beinamen der große Herr Marduk zu. Nebukadrezzur nannte seine Zikkurat, seinen "Turm zu Babel" Etemenanki (assyr.: Bit-amuk-kani). Er verehrte die Göttin Ischtar, was beweist, dass er ein Chaldäer aus der elamitischen Isin-Dynastie war. Ischtar war seine Urururgroßmutter (siehe das Schema weiter unten). Er regierte von 613 (in Elam beginnend) bis 642 ndFl, also insgesamt 29 Jahre, was mit den Angaben, Nebukadnezar, den man konventionell irrtümlich mit Nabu-kudur-ussur gleichgesetzt hat, habe 45 Jahre regiert, nicht zu harmonieren scheint; doch diese (35 bzw.) 44jährige Regierungszeit betrifft Nebukadnezar (= Nabuchodonoser, Nabu-ach-idin-zer), während die 29jährige Regierungszeit, die ebenfalls zu Nebukadnezar angegeben wird, Nebukadrezzur (= Nabu-kudurussur) betrifft: die Zeit von 613 bis 642 ndFl.
Zu Ehren des neuen Staatsgottes Marduk errichtete er nahe Babylon im Durotal2 die goldene Marduk-Statue, die konventionell zwar korrekt der Zeit des "Nebukadnezar I", also des Nebukadrezzur zugeschrieben wird, die jedoch dem Buch Daniel zufolge erst unter "Nebukadnezar II" aufgestellt wird, ohne dass die Wissenschaft diesen Zeitsprung erklären kann. Diese offensichtliche Asynchronizität entlarvt aber das Buch Daniel als eine geschickte und zugleich für die Altertumsgeschichte verhängnisvolle Verquickung zweier babylonischer Exile zu einem einzigen: das unter Nebukadrezzur (Exil Nr. 1) mit dem unter Nebukadnezar (Exil Nr. 2), so dass auch Nebukadrezzur von nun an nicht mehr exakt von Nebukadnezar unterschieden werden konnte - bis jetzt! Auf das erste Exil komme ich noch in diesem Kapitel wieder zurück. Daniel 3, 1: Der König Nebukadnezar ließ ein goldenes Bild machen, sechzig Ellen hoch und sechs Ellen breit, und ließ es setzen ins Tal Dura in der Landschaft Babel. (2) Und der König Nebukadnezar sandte nach den Fürsten, Herren, Landpflegern, Richtern, Vögten, Räten, Amtleuten und allen Gewaltigen im Lande, dass sie zusammenkommen sollten, das Bild zu weihen, das der König Nebukadnezar hatte setzen lassen. Wie die Ausgrabungen in Babylon gezeigt haben, wurde die Stadt in ihrer größten Ausdehnung bereits von Nebukadrezzur erbaut. Er selbst sagt dazu: Daniel 4, 27: Dies ist die große Babel, die ich erbaut habe zum königlichen Hause durch meine große Macht, zu Ehren meiner Herrlichkeit. Die mit seinem Namen Nabu-kudur-ussur gezeichneten Ziegel und Fundamentblöcke bestätigen, dass er es war und nicht Nabu-ach-idin = Nabuchodonoser, der Babylon baute. Wer sich auf die Abschätzung von Baukosten versteht, der wird sich ausrechnen können, was die Errichtung einer derartigen Superanlage in so kurzer Zeit an Geld verschlingt. Dazu kam noch die "Medische Mauer", die auch "Wall Nebukadnezars" und "Schanze der Semiramis" genannt wurde, und die sich an der Stelle, wo sich Euphrat und Tigris am nächsten kommen, vom einen zum anderen Strom erstreckte. Ganz zu schweigen von der im Durotal aufgestellten monumentalen Mardukstatue aus reinem Gold, die hier gewiss auch nicht auf freiem Feld stand. Die dazugehörige Zikkurat (= Stufenturm), die später Kurigalzu zugeschrieben wurde, war meines Erachtens ebenfalls schon von Nebukadrezzur errichtet worden. Solche Riesensummen an Baukosten zur Verherrlichung nur eines einzigen Mannes müssen auch damals schon als unangemessen angesehen worden sein. Die übrigen Provinzen und Städte wurden nicht nur vernachlässigt, sondern sie wurden auch ausgebeutet, um diese Bauten bezahlen zu können. Ganz abgesehen von den Kosten erregte der Bau einer so stark befestigten Stadt auch den Verdacht bei den angeschlossenen tributpflichtigen Völkerschaften, dass hier ein Machtzentrum entstehen sollte, ein "Zwing-Uri", dem sich keiner der Vasallen mehr zu entziehen vermöchte. Besonders angefeindet mit Worten wurde die Stadt durch die biblischen Propheten. Da der Aufbau Babylons einige Jahre in Anspruch genommen haben dürfte, so muss der Vogt Arioch zunächst mit seinem neuen Oberherrn in Kisch gelebt haben, möglicherweise aber auch noch immer in Assur. Seine Mutter Semiramis, die als offizielle Königin von Assur erscheint (Assur-scharrat), heiratete nun Nebukadrezzur, der für sie in dem Palast der neuen Hauptstadt die weltwunder-berühmten Hängenden Gärten der Semiramis anlegte. Wer diesen Bau mit einem Nebukadnezar "II" synchronisiert, wird Erklärungsnöte bekommen: Konventionell liegen zwischen Semiramis und Nebukadnezar "II", der für den Erbauer Babylons gehalten wird, mehr als zweihundert Jahre. Und selbst dann, wenn man Nebukadnezar "I" (= Nebukadrezzur) heranzieht, können sie konventionell ebenfalls keine Zeitgenossen gewesen sein. Dann liegen diese zweihundert Jahre nämlich nach der anderen Seite, da "Nebukadnezar I" um 1000 v.Chr., Semiramis um 800 v.Chr. und "Nebukadnezar II" um 600 v.Chr. datiert werden. Ebensowenig wird erkannt, dass Amytis, die Tochter des Mederkönigs Astyages und Gemahlin "Nebukadnezars II", für die er die "nach Semiramis benannten Hängenden Gärten" gebaut haben soll, die mit Schamuramat (= Schamur-Amytis) identische Tochter Semiramis des Astyages ist, deren Abstammung in der Überlieferung eher abenteuerlich zu nennen ist3. In der falschen und überdehnten Chronologie konnte weder die Herkunft der Semiramis erkannt werden, noch konnte man "Nebukadnezar" (welchen auch immer) als ihren Zeitgenossen ansehen. Stutzig machte allerdings die Benennung der babylonischen "Hängenden Gärten" nach einer längst verstorbenen assyrischen Königin, und man versuchte, dies damit zu erklären, dass Nebukadnezar sie für seine Gemahlin Amytis angelegt habe, "einer medischen Prinzessin, die dadurch an ihre heimatlichen Gefilde erinnert werden sollte". Wenn man will, findet man für die skurrilsten Dinge noch eine Erklärung. Die erste Babylonische Gefangenschaft (626-642 ndFl) Wie ich oben schon andeutete, kamen in den Jahren 626 und 628/629 ndFl die ersten Geiseln aus Edom-Israel nach Amurru und letztlich auch nach Babylon. Wir haben es hier mit der ersten Babylonischen Gefangenschaft der Juden zu tun, mit dem ersten Exil. Durch die Vermischung der beiden Exile entstand im AT und erst recht in der Altertumsgeschichte ein Exil-Chaos, das schwer zu durchschauen ist, wenn man davon ausgeht, dass es sich nur um ein einziges Exil gehandelt habe. Dann nämlich besteht es überwiegend aus Widersprüchen und Anachronismen. Zum Zeitpunkt der Fortführung Daniels und der anderen "Juden" existierte weder ein "Reich Nebukadnezars" noch die Hauptstadt Babylon. Es gab auch noch keinen Staat Juda als Gegengebilde zu einem Staat Israel. Dieser Antagonismus entstand aber schon bald nach der ersten Fortführung. Das Reich Nebukadrezzurs begann noch im Jahr der letzten Fortführung, und zwar unmittelbar nach dem Tode Samsi-Adads. Noch im selben Jahr muss Nebukadrezzur mit dem Bau von Babylon begonnen haben, der innerhalb weniger Jahre abgeschlossen war - wie die Quellen erkennen lassen. Ob es hierbei eine Fronarbeit der "Juden" gegeben hat, ist wenig wahrscheinlich; denn es scheint sich bei diesem Exil - wie auch bei dem zweiten unter Nebukadnezar - nur um eine Geiselnahme aus der Oberschicht gehandelt zu haben, während die zwischen den Exilen liegende Fortführung der "zehn Stämme Israel" durch die Assyrer ein Austausch demographischer Querschnitte der Bevölkerungen innerhalb des assyrischen Machtbereiches war, wodurch die Bildung von Oppositionen verhindert werden sollte. Auf diesen Vorgang gehe ich zu gegebener Zeit ein. Das wichtigste Dokument im AT für die Betrachtung beider Exile ist das Buch Daniel. Es gilt nicht nur als ein Buch der Geschichte, sondern vor allem als ein prophetisches Buch. Die Traumdeutungen durch Daniel nehmen einen großen Raum hierin ein. Zwei weitere wichtige Begebenheiten, die das Interesse Gottes an denjenigen dokumentieren sollen, die sich zu ihm kompromisslos bekennen, sind der Feuerofen und die Löwengrube. Bekanntlich weigern sich die Freunde Daniels, die oben erwähnte goldene Marduk-Statue anzubeten, was den Aufenthalt der "drei Männer im Feuerofen" zur Folge hat (Daniel Kap. 3). Diese Geschichte gehört in die Zeit des ersten Exils. Unter dem Perser oder angeblichen "Meder" Darius wird Daniel in die Löwengrube geworfen. Das gehört folglich in die Zeit des zweiten Exils, das von Nebukadnezar "II" schon einige Jahre vor dem Regierungsantritt des Darius I verursacht worden war. Statt Daniel ist hier allerdings Jojachin zu lesen, der von dem Redakteur des Buches Daniel in der weiter unten beschriebenen Weise in dieses hineingearbeitet wurde. Abgesehen davon, dass obige Wundergeschichten zu den Glaubensdingen und nicht zu dem historisch relevanten Material zählen, mit dem wir uns zu beschäftigen haben, liegt in dem dazu mitgelieferten historischen Umfeld der Beweis dafür, dass Daniel und seine Freunde nicht in die Zeit Jojachins, das heißt in die Zeit des zweiten Exils gehören. Sie sind seit 626 bzw. 629 ndFl in Babylon bzw. Amurru. Was liegt hier vor? Ganz offensichtlich will uns das AT suggerieren, es habe nur ein einziges Exil unter ein und demselben Nebukadnezar gegeben, der im 3. Jahr Jojakims u.a. die Herren Daniel, Asarja, Hananja und Misael, Söhne aus königlichem Hause, aus Jerusalem nach Babylon mitnahm. Die Erwähnung Jojakims, der erst ans Ende des 7. nachsintflutlichen Jahrhunderts in die Zeit des Nabuchodonoser-Nebukadnezar gehört, macht den Anachronismus deutlich, allerdings erst in der berichtigten Chronologie. Um die Suggestion eines einzigen Exils möglich zu machen, musste der Sohn Jojachin des Jojakim, der durch Nabuchodonoser-Nebukadnezar weggeführt wurde, nicht nur zu einem bereits amtierenden König, sondern auch zu einem zweiten Aspekt des Daniel gemacht werden. Dadurch, dass der achtzehnjährige Jojachin bereits als Nachfolger seines Vaters Jojakim auf den Thron gesetzt wurde, bevor man ihn wegführte, ergibt sich im AT ein zweimaliges Erscheinen des babylonischen Heeres vor Jerusalem: erst unter Jojakim und dann nochmal unter Jojachin (2. Könige 24). Auch auf diese Ungereimtheiten komme ich erst in einem späteren Kapitel zu sprechen. Das Buch Daniel kompiliert zwei voneinander unabhängige Vorgänge zu einem einzigen. Es muss demnach selbst ein Kompendium zweier älterer Bücher sein: Das eine berichtete über das Exil Nr. 1, und das andere berichtete über das Exil Nr. 2. Wie lässt sich das heute noch erkennen? Der Redakteur der letzten, heute vorliegenden Fassung des Buches Daniel vereinigte die Daniel-Berichte, die dieser selbst in aramäischer Sprache verfasst hatte, mit denen, die über Jojachin in hebräischer Sprache berichteten, und machte diesen so zu "Daniel Nr. 2". Iddo, der Schauer, dessen Identität mit Daniel offensichtlich ist, gilt als Verfasser historischer Abhandlungen. Es liegt daher auf der Hand, dass er auch der Verfasser des aramäischen Textteils des Buches Daniel ist. Iddo-Daniel, der in den Amarnabriefen Adda-Dani heißt, war der Sohn Daniel des David I. Die aramäische Sprache und (Keil-)Schrift wird auch in den Amarnabriefen benutzt, die in diese Zeit bzw. in die Jahre kurz nach dem ersten Exil (um 650 ndFl) gehören. In derselben Sprache, in der er sein Buch schrieb, wurde der Bericht des Daniel später ergänzt, indem man Ereignisse hinzufügte, die unter den späteren Nebukadnezar bzw. seinen Sohn Belsazar gehören. Der letzte Redakteur schloss die beiden aramäischen Fassungen in einen voranstehenden und einen angefügten hebräischen Text ein. Im Endstadium ergibt sich dann folgendes Schema: DANIEL A (erster hebräischer Textteil; Daniel 1 - 2,3) Nebukadnezar (Nabu-ach-idin-zer, Nabuchodonoser) deportiert im 3. Jahr Jojakims, des Königs zu Jerusalem, die "Söhne aus königlichem Geschlecht" mit Namen Daniel, Hananja, Misael und Asarja. In Babylon sucht Aspenas, der Oberste Kämmerer, die "Knaben" für eine besondere Laufbahn aus. Ein mit Namen nicht genannter Kämmerer benennt dann die Knaben um; Daniel bekommt den Namen Beltsazar. Am Ende des Kapitels 1 wird dann ein weiterer Anachronismus eingefügt: (21) Und Daniel erlebte das erste Jahr des Königs Kores.
Aspenas ist ein persischer Name, der in die Zeit Nebukadnezars "II" gehört. Letzterer war zu der Zeit des Beginns dieses zweiten Exils ein Heerführer des großen Kyros II bzw. dessen Sohnes Kambyses. Es war Perserzeit. Der nicht mit Namen genannte Kämmerer gehört zu Nebukadrezzur, und er muss kein Perser gewesen sein. Er aber war es, der die Namen der obigen Geiseln änderte, die einwandfrei und als erwachsene Personen in die Zeit des ersten Babylonischen Exils gehören. Auf ihre neuen Namen gehe ich weiter unten ein. Die "Knaben" hingegen wurden von Aspenas erst Jahrzehnte später in dem zweiten Exil ausgesucht. Tatsächlich war Jojachin, der von Nebukadnezar "II" weggeführt wurde, noch ein Knabe (bestenfalls 18 Jahre alt). Er war es auch, der als erwachsener Mann das "erste Jahr des Königs Kores" erlebte: 724 ndFl. Es ist das erstes Jahr Kyros' des Jüngeren gemeint. Die konventionelle Überzeugung, Kyros II der Große oder der Ältere sei der biblische Kores, ist irrig. Der "echte" Daniel erlebte vermutlich noch nicht einmal den Regierungsantritt des älteren Kyros, geschweige den des jüngeren. Der Teil A enthält die geschickte Kombination der Geiselnahme unter Nebukadrezzur mit der Fortführung Jojachins durch Nebukadnezar "II": Jojachin wird zu "Daniel II". Der hebräisch schreibende Redakteur zieht die Begebenheiten, die zu Daniel gehören, in die Vorgänge um Jojachin hinein. Mit gleicher Geschicklichkeit wird auch die Überleitung zu Teil B vorgenommen: DANIEL B (erster aramäischer Textteil; Daniel 2,4 - 4,27) Im 2. Jahr des Reiches Nebukadnezars hatte der König einen Traum (noch Dan. 2,1). Er lässt Daniel diesen Traum deuten, was diesem ein hohes Ansehen beim König verschafft. Es folgt die Geschichte um das "goldene Bild im Tale Dura", dessen Anbetung die Gesellen des Daniel verweigern und dafür im Feuerofen landen, aus dem sie aber errettet werden. Dann hat der König einen neuen Traum, dessen Auslegung selbst Daniel betrübt. Nach einjähriger Regierungszeit (Dan. 4,26) erfolgt der Ausruf des Königs "Das ist die große Babel..." (siehe oben), und erst anschließend, am Beginn von Teil C, wird der König wahnsinnig.
Bei dem "Nebukadnezar" des Teiles B kann es sich nur um Nebukadrezzur handeln; denn Nebukadnezar "II" war weder vor noch nach der Fortführung des Jojachin ein Großkönig. Er war ein Unterkönig der Perser. Wie wir sehen werden, kam Jojachin-Daniel erst spät zu Ehren in Babylon, was natürlich mit seiner Jugend zusammenhing. Der erste Daniel war bereits erwachsen, als er nach Babylon kam, und "sein Nebukadnezar" wurde auch nicht wahnsinnig. Das gehört einwandfrei zu dem späteren. Der bei seiner Fortführung an Jahren wesentlich jüngere Jojachin musste erst noch eine "Lehre" bei den Chaldäern durchmachen (Daniel Teil A, 1,19), die drei Jahre dauerte. Auf das zweite Exil komme ich zu gegebener Zeit ausführlich zurück. Die Deutung beider Träume ist Bestandteil des aramäischen Textteils B. Das bedeutet, dass Iddo-Daniel, der Schauer, sie selbst niedergeschrieben hat, wenn auch die Ich-Form vermisst wird. Es ist daher nicht auszuschließen, dass der Redakteur, der den zweiten aramäischen Teil C hinzufügte, den von Iddo-Daniel zweifellos in der Ich-Form niedergeschriebenen Teil B in die gegenwärtige Form abänderte. Kapitel 3 enthält die oben bereits geschilderte Errichtung der goldenen Marduk-Statue, deren Anbetung die drei Männer im Feuerofen verweigern. Es werden ausschließlich deren babylonische Namen benutzt. Von Daniel ist im Kapitel 3 überhaupt keine Rede; aber am Ende des Kapitels 2 wird die Erhöhung Daniels zum "Fürsten über die ganze Landschaft Babel" beschrieben, was im Klartext nichts weniger heißt, als dass Daniel-Beltsazar Satrap oder Unterkönig von Babylonien im Reich des Großkönigs Nebukadrezzur wird. Sein Name Beltsazar bedeutet babylonisch Balatsu-ussur4. Als historisch verbürgte Namen bieten sich Marduk-balatsu-ikbi und Melischipak an, die auf Daniel-Beltsazar bezogen werden können. Auf jeden Fall ist er mit Baladan identisch, der (2. Könige 20, 12) als Vater des Merodach-Baladan erwähnt wird. Der Teil B handelt von Nebukadrezzur und Daniel, dem Sohn von David I und der Abigail, der bei seiner Fortführung etwa 50 Jahre alt war. Dieser Teil ist mit allergrößter Wahrscheinlichkeit von Iddo-Daniel selbst (ursprünglich in der Ich-Form?) in aramäischer Sprache niedergeschrieben worden. Ebenfalls in dieser Sprache verfasst ist der daran anschließende Teil C, der meines Erachtens eine spätere Ergänzung ist. Dafür spricht einiges. DANIEL C (zweiter aramäischer Textteil; Daniel 4,28-7,28) Restkapitel 4 spricht von den "sieben Zeiten", die der wahnsinnige Nebukadnezar in der Wüste verbrachte, als er wie ein Tier lebte, ihm die Haare und die Nägel ungeschoren und ungeschnitten wuchsen, als er verstoßen war von allen Menschen.
Kapitel 5 enthält die Beschreibung von Belsazars (nicht Beltsazars!) Gastmahl in Babylon, von der Einnahme Babylons durch Darius, den Meder, und vom Tode Belsazars, des Sohnes Nebukadnezars. Kapitel 6 und 7 sind der prophetische Hauptteil des ganzen Buches Daniel. Während das Kapitel 6 unter Darius handelt, der Daniel in die Löwengrube werfen lässt, greift Kapitel 7 zurück auf das 1. Jahr des Königs Belsazar. Das Kapitel 7 enthält das berühmte Traumgesicht Daniels, das zu vielerlei Spekulationen angeregt hat: die vier Tiere. Dieser unmittelbar an den ersten aramäischen Textteil anschließende Part gehört eindeutig in die Zeit des Nebukadnezar "II". Er kann nicht vor dem Tode Belsazars verfasst worden sein, muss aber nicht viel später entstanden sein. Da dieser Textteil sich nicht mehr mit Iddo-Daniel befasst, so muss Teil C als nachträgliche Ergänzung zum Teil B aufgefasst werden. Die in Teil C erwähnten historischen Ereignisse handeln in den Jahren 714 bis 716 ndFl: Nach seiner Niederlage in einer Feldschlacht gegen Darius I (dieser Perserkönig ist mit Darius, dem Meder, wie er im Buch Daniel heißt, identisch) floh Nebukadnezar "II" in die Wüste, wo er sich "sieben Zeiten" aufhielt. Damit sind sieben Doppeljahre zu je 750 Tagen im Epagomenen-Kalender gemeint, der von 676 bis 728 ndFl gültig war. Es sind die vierzehn Jahre von 714/5 bis 729 ndFl gemeint. Im Jahre 729 ndFl kam Nebukadnezar nach Babylon zurück; denn Xerxes hatte in diesem Jahr in Hellas eine Niederlage hinnehmen müssen, nach der viele seiner Provinzen von ihm abfielen. Sein Vater Darius hatte in seinem 62. Lebensjahr (Dan. 6,1 bzw. 5,31) Babylon 20 Monate lang belagert (Herodot III 153), erobert und anschließend eine (Neu-)Verteilung der Satrapien vorgenommen, die sowohl von Herodot als auch vom Buch Daniel bestätigt wird. Die Bemühungen einiger Wissenschaftler und Bibelexperten5, die voll und ganz in der falschen Chronologie und Altertumsgeschichte befangen sind, Darius, den Meder, der nach konventioneller Ansicht vor Darius I, dem Perser, Babylon schon erobert haben muss, und zwar als Gefolgsmann Kyros', des Großen (II), als eine eigenständige historische Person zu identifizieren, sind überflüssig. Allerdings hilft diesen auch nicht die Erkenntnis allein weiter, dass der biblische Kores nicht der ältere Kyros II der Große, sondern dessen Enkel Kyros der Jüngere ist, solange ihnen nicht die Berichtigung der gesamten Umfeldgeschichte zugänglich gemacht wird. Dazu gehört auch, dass Belsazar den Vater Nebukadnezar wieder zugewiesen bekommt, was konventionell hartnäckig verneint wird. Die Schulwissenschaft hält irrigerweise Nabonid für den Vater Belsazars, was aber nur halbwegs glaubhaft gemacht werden kann. Kapitel 7 ist - bis auf den ersten Vers - in der Ich-Form von Daniel geschrieben worden. Das verführt geradezu zu der Annahme, dass es sich um ein aramäisches Original aus der Feder des älteren Daniel handelt, das durch den einleitenden Vers ins 1. Jahr des Belsazar vordatiert wird, zu dessen Zeit Daniel gar nicht mehr lebte. Dafür spricht auch die anachronistische Einordnung dieses Kapitels nach dem Tod des Belsazar. Besonders deutlich spricht in diesem Kapitel 7 die Traumdeutung für eine Einordnung in die Zeit Nebukadrezzurs, dessen Untergang viel spektakulärer war als der des bereits besiegten und kaum noch regierungsfähigen Nebukadnezar "II". Daniel I erlebte den Untergang des Nebukadrezzur noch mit, bevor er und die übrigen Juden wieder heimkehren konnten. Jojachin erlebte den Tod des Nebukadnezar zwar auch noch, aber er war nach dessen Rückkehr sogleich wegen Zusammenarbeit mit den Persern ins Gefängnis geworfen worden, aus dem Awil-Marduk, der Sohn und Nachfolger Nebukadnezars, ihn in seinem ersten Regierungsjahr erst wieder befreite, nachdem Jojachin 36 Jahre insgesamt in Gefangenschaft gewesen war (2. Könige 25, 27-30; in der berichtigten Chronologie entspricht das den Jahren 696-732 ndFl). Offenbar hatte er sich zu der Zeit, als Kores im Jahre 724 ndFl den Gefangenen die Heimkehr ermöglicht hatte, für ein Verbleiben in Babylon entschlossen, was ihn nachher gereut haben dürfte. DANIEL D (zweiter hebräischer Textteil; Daniel Kap. 8-12): Kapitel 8 wird ins 3. Jahr des Belsazar datiert, der am Übergang vom 5. zum 6. Kapitel aber schon ermordet wurde. Daniel schreibt auch hier in der Ich-Form, und zwar auch den einleitenden Vers mit der Datierung. Die Ortsangabe (Vers 2) befremdet zunächst, da sich Daniel - wenn auch im Traum - "zu Schloss Susan im Lande Elam am Wasser Ulai" aufhält. Sein Traum handelt wie der in Kapitel 7 von Tieren. Der König von Griechenland erscheint als der Erbe aller Königreiche.
Kapitel 9 ist datiert ins 1. Jahr eines anderen Darius, der aber ebenfalls "aus der Meder Stamm" ist, der aber diesmal als "Sohn des Ahasveros" bezeichnet wird und "König über das Königreich der Chaldäer" geworden sei. Daniel schreibt wieder in der Ich-Form. Er spielt auf die Prophezeiung des Jeremia (Jer. 25, 11.12) an, wonach Jerusalem "solle siebzig Jahre wüst liegen". Kapitel 10 wird ins "dritte Jahr des Königs Kores aus Persien" gelegt, und zwar von einer anderen Person; Daniel selbst fährt dann in der Ich-Form fort. Die Kapitel 11 und 12 schließen daran an. Bei "Schloss Susan im Lande Elam am Wasser Ulai" handelt es sich entgegen aller konventioneller Behauptung nicht um das persische Susa; gemeint ist das Chatti-Susa = Hattusas in Elam-West am Fluss Halys (= Wasser Ulai). Unter Daniel I ergibt eine Beziehung nach hier weniger Sinn, als dies zu der Zeit des Jojachin der Fall ist; denn in Hattusas war die Residenz des Darius, seines Sohnes Xerxes = Ahasveros und womöglich auch noch dessen Sohnes Artaxerxes Longimanus, der in Kapitel 9 "Darius" genannt wird, was erlaubt ist; denn nach Darius I wurde dieser Name mehrmals angenommen. Jojachin war also noch zu der Zeit des Longimanus in Elam-Persien, das heißt noch in den Jahren 736/38 ndFl. Nur von ihm können diese Berichte handeln; unter Daniel I ergeben sie keinen Sinn, schon gar nicht im Hinblick auf den "König von Griechenland", auf Alexander den Großen. Dessen Sieg über Darius-Nabonid gehört in die ersten Jahre nach dem Tod des Artaxerxes-Longimanus (kurz vor 740 ndFl). Der "Traum", in dem der König von Griechenland eine Rolle spielt, kann daher frühestens zu dessen Erfolgszeit "geträumt" worden sein. Auf das "Wüstliegen" Jerusalems braucht hier noch nicht eingegangen zu werden. Kapitel 10-12 erweisen sich in der berichtigten Chronologie als zurückdatiert, da das 3. Jahr des Kores dem Jahr 726 ndFl entspricht. Auch wieder einmal entgegen aller konventioneller Ansicht hat der jüngere Kyros tatsächlich zwei Jahre in Babylon regiert. Sein angeblicher Tod nach dem Sieg über seinen Bruder Artaxerxes Mnemon bei Kunaxa war eine gezielte Falschmeldung des Mithridates, der es besser wissen musste; denn er war dabei, als Kyros der Jüngere die "Gefäße des Hauses des Herrn, die Nebukadnezar aus Jerusalem genommen und in seines Gottes Haus getan hatte" an die Juden zurückgab: (Esra 1,8): Aber Kores, der König in Persien, tat sie heraus durch Mithredath, den Schatzmeister; der zählte sie dar Sesbazar, dem Fürsten Juda's. Es ist hier noch nicht die richtige Zeit, um den Betrug des Schatzmeisters Mithridates an den griechischen Söldnertruppen zu besprechen, die dem jüngeren Kyros, dem Sohn des Darius I, auf den Thron geholfen hatten. Auch kann auf Sesbazar hier noch nicht eingegangen werden. Selbstverständlich gehört dies in die Zeit des Jojachin. Für die Zeit des Daniel unter Nebukadrezzur haben wir alle wesentlichen Informationen aus dem Buch Daniel herausgelesen: Iddo-Daniel war ein "Schauer" im Sinne von Zuschauer, von Beobachter oder zeitgenössischem Berichterstatter. Ob er ein Prophet oder "Zukunftsschauer" war, kann ich nicht beurteilen. Prophetie ist eine Glaubensangelegenheit, die in einem Geschichtsbuch nicht behandelt werden kann. Folglich müssen wir bei der Betrachtung der obigen Texte davon ausgehen, dass die darin beschriebenen wie die vorhergesagten Ereignisse bereits eingetreten waren, als sie aufgezeichnet wurden. Im Band 2 (Kapitel 12: Die Nachfahren Davids) habe ich bereits gesagt, dass die Exilheimkehrer (hebr.: jaschub) Seru-Babel und Esra ein und dieselbe Person sind, nämlich der Sohn Schear-Jaschub des Jesaja, der mithin ein Bruder des David II ist, des Sohnes von Isai = Jesse = Jesaja. Esra gilt als der Sohn des Seraja, der wiederum der Vater des von Nebukadnezar ("II") fortgeführten Jozadak ist. Sera-ja ist aber Esra selbst. Er ist derselbe Hohepriester Seraja, der von Nebusaradan gefangengenommen und vor Nebukadnezar in Ribla im Lande Hamath geführt wird, der ihn hinrichten lässt (2. Könige 25, 18-21). Seraja war nicht - wie es an mehreren Stellen im AT heißt - ein Vorfahre des Esra, sondern er war Esra selbst. So endete dessen Leben noch vor dem zweiten Exil. Sein Sohn Jozadak aber wurde sowohl von diesem Nebukadnezar "II" als auch von Nebukadrezzur fortgeführt; allerdings war er zu der Zeit des früheren Exils noch ein kleiner Junge. Der Name Esra-Scheschak (oder Sasak, Esek), worin das Wort scheschak für Babel6 steht, wurde zu Serubabel. Es ist einleuchtend, dass der Name Sera-ja erst in der Jahwe-Ära entstehen konnte, also frühestens zur Zeit des Amoz-Amos bzw. Moza, des Benjaminiters. 1. Chronik 8,37ff. führt die Nachfahren Mozas auf, unter denen die Namen Eleasa, Azel, Asri-kam, Sear-ja und Esek vorkommen! Die Namensbezeichnungen (Esra-)"Scheschak" und (Schear-) "Jaschub" für "die aus Babel Zurückgekehrten" konnten vor dem Ende des Exils nicht aufgekommen sein. Da aber auch Jesaja vor der Jahwe-Ära diesen Namen nicht getragen haben kann, liegt es nahe, in ihm Eleasa, den Vater von Esek = Schaschak zu sehen, der seinerseits vor der Deportation nach Scheschak-Babel anders geheißen haben muss, nämlich Asrikam wie der Sohn des Judäers Nearja (1. Chron. 3, 23; hier gehen die Geschlechterfolgen unentwirrbar durcheinander). Unter den Söhnen Azels wird Hanan aufgeführt (1. Chron. 8, 38; 9,44), der sich nach dem Exil Hanan-ja genannt haben dürfte, und Hanan und Hananja sind auch Söhne Schaschaks (1. Chron. 8, 23.24). Da es sich bei Azel um die Tochter Hazlelponi (= Asahel, Pnuel) des Jesaja handelt, so könnte der Verdacht aufkommen, Esra-Serubabel habe seine Halbschwester geheiratet; denn Hanan-ja ist auch ein Sohn Serubabels (1. Chron. 3, 19). Außerdem wird Hananja als Vater von Jesaja (1. Chron. 3,21) angegeben, was zwar eine Torsion darstellt, was aber vor allen Dingen eine weitere Beziehung dieser Namensträger untereinander verdeutlicht, besonders im Hinblick auf das Exil; denn die Verbindungen all dieser Personen zu einem Exil sind überdeutlich. So verwundert es dann auch nicht mehr, wenn im Buch Daniel ein Hananja auftaucht, der in Babylon den aramäischen Namen Sadrach zugewiesen bekommt. Er ist einer von den drei Freunden Daniels. Nach seiner Rückkehr nannte er sich natürlich Josab- bzw. Jaschub-Chesed, welcher Name zu einem Sohn Serubabels gehört. Diese Angabe ist zutreffend; denn Jaschub-Chesed ist auch mit seinem "Bruder" Hasadja (= Chesed-ja) identisch (1. Chron. 3, 20). Ich halte ihn für den oben schon erwähnten von Nebukadnezar "II" fortgeführten Priester Jozadak, den Sohn Serajas (1. Chron. 5,40); denn der Name Jo-Zad-ak kann aus Che-sed = Jo-Sad(r)-ach gelesen werden. Jozadak wurde demnach von beiden "Nebukadnezars" fortgeführt, und zwar im Abstand von fast siebzig Jahren. Daraus ergibt sich, dass die Brüder Hananja und Misael erst kurz vor dem ersten Exil geboren wurden. Sie können daher kaum die Anbetung der Mardukstatue verweigert haben. Das zweite Exil erlebten sie als Erwachsene, zumindest Hananja-Jozadak allein, wenn Misael-Mesach bis dahin schon verstorben sein sollte. Der neben Hananja erwähnte Sohn Mesullam (1. Chron. 3, 19) des Serubabel ist der zweite Mann im Feuerofen: Misael, der den babylonischen Namen Mesach bekam. Er stand nach dem Exil neben Esra, als der vor dem Volke predigte (Neh. 8,4). Wer aber war der dritte Mann? Etwa Esra selbst? Das habe ich eine Zeitlang angenommen; ich halte es aber für wenig wahrscheinlich, dass Esra-Seraja auch mit dem Asarja identisch ist, der den Namen Abed-Nego zugewiesen bekommt; denn ich sehe in Asarja den auch unter dem Namen Usia geführten König, der mit Salomo und "ihrer beider Priester" Asarja identisch ist, der folglich nicht Seraja-Esra sein kann. Die Bestrafung der "drei Männer im Feuerofen", die mit Sicherheit keine Kleinkinder mehr waren, gehört zweifellos unter Nebukadrezzur. Sie sollten für die Nichtanbetung der Marduk-Statue bestraft werden, was durch Daniel-Beltsazar vermutlich abgewendet wurde. Es kann sich bei den dreien um Serubabel-Esra (statt seiner kleinen Söhne), um Asarja-Usia (= Abed-Nego, den von seinem Onkel Ba-Asa abgesetzten Ex-König von Juda und späteren "Salomo") und womöglich um Jesaja selbst gehandelt haben, der folglich den Einzug der aus Ägypten kommenden "Chabiru" unter Eleasar nicht miterleben konnte, weil er zu dieser Zeit in Babylon war. An Jozadak wird als Sohn der Hohepriester Josua angehängt, der somit erst nach dem zweiten Exil in Jerusalem aufgetaucht sein kann. Er wäre dann aber weder mit dem Chileab-Labaja-Josua noch mit dem Joas-Josia-Josua identisch. Als Väter des Serubabel, der zwangsläufig in das einzig anerkannte Exil (Nr. 2) unter Nebukadnezar "II" eingeordnet werden musste, werden zwei unterschiedliche Personen angegeben:
Hierbei handelt es sich nicht nur um eine geradezu "klassische" Torsion, um die Anhängung älterer Personen an eine jüngere (Jechonja-Jojachin), sondern auch um eine Umbenennung ein und derselben Person: Aus Sealthi-el wurde nach dem Exil bzw. nach der Jahwe-Reform Peda-ja. Außerdem war der Vater des Esra-Serubabel = Schear-Jaschub niemand anderer als Jesaja (Jes. 10, 21.22), der an die Stelle des Jechonja gehört und mit Scheal-thiel und Pedaja identisch ist. Pedaja stand neben (seinem Sohn!) Esra, während dieser das Gesetz verlas (Neh. 8,4; 13,13), und er war der Ururgroßvater des Jojachin-Jechonja - welche Überraschung! So schließt sich der Kreis.
Daniel-Beltsazar = Marduk-balatsu-ussur-ikbi = Melischipak (letzter Name aus Balatsu-ikbi entstanden) ist der unter dem Namen Baladan (= Bel-iddin, Iddo-Dan, Adda-Dani) angeführte Vater des Merodach-Baladan = Marduk-apal-ussur-idin (2. Könige 20, 12), des Königs von Babylon zu der Zeit des Hiskia, des Königs von Juda in Jerusalem. Da nun - wie ich in einem späteren Kapitel zeigen werde - Merodach-Baladan mit Nabopolassar (= Nabu-apal-ussur) identisch ist, dem Vater des Nebukadnezar (= Nabu-ach-idin, Nabuchodonoser), so kann David I als der Urgroßvater des letzteren aufgefasst werden. Wenn nun Daniel-Baladan, was sehr wahrscheinlich ist, eine Tochter des Nebukadrezzur heiratete, dann war dieser ebenfalls ein Urgroßvater des Nebukadnezar. Aus dem AT geht nicht hervor, dass der Vater des Nebukadnezar Merodach-Baladan hieß. Eine andere jüdische Quelle lässt aber keinen Zweifel daran, dass Merodach-Baladan, Nebukadnezar und Belsazar eine direkte männlich Abstammungslinie bilden. Sowohl diese Quelle als auch das AT verbinden mit Merodach-Baladan direkt oder über seinen Zeitgenossen Hiskia den scheinbaren Sonnenstillstand des Jahres 676 ndFl. Da nun Nabopolassar ebenfalls damit verbunden wird, was jedoch konventionell nicht erkannt worden ist, so steht einer Identifizierung der beiden miteinander nichts im Wege. Von Nabopolassar ist nirgendwo ein Vater angegeben. Iddo-Daniel = Adda-Dani landete nach der Rückkehr aus dem (ersten) babylonischen Exil in Manahath (aramäisch: alu manchate). Als "Oberster von Halbmanasse" gilt auch der Exilrückkehrer Iddo, der mit "dem Schauer" gleichen Namens ebenso identisch ist wie mit dem "Obersten von Kasiphia", der sich zur Rückkehr Serubabel anschloss. Ein weiterer Begleiter Daniels war neben den drei Männern im Feuerofen sein Zwillingsbruder Chileab = Labaja-Josua, auf den ich hier noch nicht eingehen kann. Letzter Stand: 1.12.2011
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