Achtes Buch: 656 bis 676 ndFl
Der Beginn der Regierungszeit des Suppiluliumas lag auf jeden Fall noch vor dem Einzug Napchurias in Achet-Aton; denn aus dem Brief Nr. 41 (Suppiluliumas an Churia, was eindeutig Nap-Churia heißt) geht diese Reihenfolge zweifelsfrei hervor. Suppiluliumas gratulierte Napchuria zu seinem (neuerlichen) Regierungsantritt, frühestens im Jahre 663 ndFl. Offenbar kam aber Suppiluliumas, der bisher in Karkemisch residiert hatte und unter seinem Namen Kaschtiliaschu in Kar-Tukulti-Ninurta als Eponymos eingeschrieben worden war, als Nachfolger des Gyges-Huzziyas nach Hattusas, weil er ein freundschaftliches Verhältnis nicht nur zu seinem "Stiefvater" Sanherib, sondern auch zu Tuschratta hatte, dessen Sohn Mattiuwaza später (um 670 ndFl) eine Tochter des Suppiluliumas heiratete. Die Unterstützung durch seine Mutter Nakita-Nikalmati, die Gemahlin Sanheribs, trug mit Sicherheit noch zur Einsetzung des Suppiluliumas bei. Dieser unterstand zunächst dem Mitannikönig Tuschratta, was früher oder später zu Problemen führen musste.
Der Weg des Suppiluliumas zum Großkönig, zum "Labarnas", führt über Siege sowohl über die Mitanni-Meder als auch über die Urartäer und nicht zuletzt über die Assyrer. Die Erklärung dafür, weshalb Suppiluliumas nach der Ermordung seines Vaters Tudhaliyas nicht sogleich auf den Thron von Chatti-Land kam, liegt darin, dass er nicht der älteste Sohn des Tudhaliyas-Mursilis-Kurigalzu war, wie die vorstehende Auflistung erkennen lässt. Der Hethiterkönig Arnuwandas, der mit Burnaburiasch, dem König von Karduniasch, identisch ist, wird sowohl als Vorgänger als auch als Nachfolger seines Vaters Tudhaliyas in Hattusas gesehen. Er müsste demnach hier residiert haben, und zwar zuletzt in dem so genannten "verhängnisvollen Jahr", in dem der Sieg der Assyrer über die Hethiter von Karkemisch errungen wurde: 653 ndFl. In diesem Jahr starb er aber, so dass er als Nachfolger seines erst im Jahre 656 ndFl verstorbenen Vaters nicht mehr in Frage kommt. Konventionell war es wohl undenkbar, einen Sohn vor seinem Vater regieren zu lassen. An die Verteilung Kurigalzu-Tudhaliyas in Babylon und Burnaburiasch-Arnuwandas als dessen Unterkönig in Hattusas dachte man nicht. Man kennt sogar drei Träger des Namens Arnuwandas: +-----+ +-----+
Tudhaliyas II | Tudhaliyas III | | | | | | | Arnuwandas I | Arnuwandas II | Arnuwandas III | | | | | Hattusilis II | Suppiluliumas I | Mursilis II +-------------+ +-----------------+ (= Tudhaliyas) Der hier als Mursilis II aufgeführte König ist nicht der so bezeichnete Sohn des Suppiluliumas, sondern noch der erste Träger dieses Namens, nämlich Tudhaliyas. Arnuwandas regierte nach seinem Vater zu dessen Lebzeiten in Hattusas in Karduniasch, von wo aus er die Amarnabriefe schrieb; er residierte aber gleichzeitig auch vor seinem Vater hier, der ja bekanntlich nach Hattusas wieder zurückkehrte, als Arnuwandas jedoch schon tot war. Suppiluliumas folgte weder direkt auf seinen Vater Tudhaliyas noch auf seinen Bruder Arnuwandas. Sein Vorgänger in Hattusas war Huzziyas-Schuzigasch-Gyges. Als Suppiluliumas endlich auf dem Thron von Hattusas saß, war er zunächst ein Vasall des Mederkönigs. Erst als der große König von Chatti-Land schrieb er 669 ndFl an (Nap-)Churia. Folglich muss es zwischen seiner Thronbesteigung im Jahre 661 ndFl und seiner Korrespondenz mit Napchuria erneut zu Veränderungen in der politischen Landschaft gekommen sein. Thronwechsel in Ägypten Tuschratta korrespondierte sowohl mit Nimmuria als auch mit dessen Nachfolgerin Teje und mit Napchuria in dessen Amtszeit B in Achet-Aton. Demnach fand dieser Thronwechsel in Ägypten zu der Zeit des Tuschratta statt. Auf seine Korrespondenz wird ausführlicher im folgenden Kapitel eingegangen. An dem Brief Nr. 23 des Tuschratta an Nimmuria ist besonders interessant, dass er eine Jahreszahl angibt: Jahr 36, Monat 4 des Winters.
Diese ägyptische Eintragung (Eingangsdatum) ist unter den Fachleuten nicht unumstritten. Ich meine aber, dass es sehr gut passen würde, wenn dieser Brief im Jahre 36 des ägyptischen Kalenders, also im Jahr (628 + 35 =) 663 ndFl,
in Ägypten eingegangen wäre, das heißt im Todesjahr des Pharaos Thutmoses-Manachpiria, in dem Nimmuria als Pharao Amenophis III Ramses VI Neb-maat-Re auf den Thron kam. Des weiteren erfahren wir aus dem Eingangsvermerk dieses Briefes, dass "der Hof war in der südlichen Burg" (Winterquartier im "Monat 4 des Winters"? oder wegen der Totenfeiern bzw. der Inthronisation des neuen Pharaos?). Brief Nr. 23 ist der letzte von Tuschratta an Nimmuria gerichtete. Sein nächster Brief ist an Teje, die Witwe des Sethos-Amenophis II User-A-cheperu-Re und jetzige Gemahlin des Amenophis III Neb-maat-Re (= Nimmuria) adressiert. Teje kann schon in Achet-Aton gewesen sein, während Nimmuria nach dem Tode seines Vaters in Theben zunächst noch die 70Tages-Frist11 wahrnahm. Er kehrte nicht mehr nach Achet-Aton zurück. Der neue Pharao Amenophis III Neb-maat-Re Ramses VI, der Sohn und Nachfolger des Thutmoses III/IV Men-cheper(u)-Re, regierte von 663 bis 669 ndFl. Wann aber zog Naphuria zum zweitenmal in Achet-Aton ein? Es wäre naheliegend, dass dies unmittelbar nach dem Umzug des Nimmuria als Pharao nach Theben geschah; denn es ist unumstritten, dass der Pharao Amenophis III Neb-maat-Re wie auch sein Vater in Theben residierte. Dadurch wurde die Hauptstadt des Königs von (Unter-)Ägypten, Achet-Aton, für einen neuen Vizekönig Napchuria frei. Die Tuschratta-Briefe legen indes eine andere Vermutung nahe. Danach ist zu vermuten, dass Teje während der ganzen Regierungszeit des Pharaos Amenophis-Nimmuria allein in Achet-Aton saß, während ihr leiblicher Sohn Napchuria-Takarka offenbar immer noch in Nubien weilte, wohin ihn sein Vater im Jahre 650 ndFl schon abkommandiert zu haben scheint. Das würde heißen, dass Taharka-Napchuria erst im Jahre 669 ndFl nach Achet-Aton und zu seiner Mutter zurückgekehrt sei. Es soll hier nicht weiter auf die ägyptische Geschichte dieser Zeit eingegangen werden, die dem Kapitel Assyrien und Ägypten vorbehalten ist. Uns interessiert zunächst nur der Wechsel von Nimmuria über Teje zu Napchuria in Achet-Aton unter dem Aspekt der mit diesen beiden geführten Korrespondenz, und zwar hauptsächlich der des Tuschratta. Bei dieser Betrachtung stellen wir nicht nur fest, dass Napchuria nicht sogleich nach dem Tode Manachpirias in Achet-Aton auf den Thron kam, sondern erst nach dem Tode des Nimmuria, sondern auch, dass Napchuria als dessen Sohn angesprochen wird. Das letztere verträgt sich nicht mit unserer Auffassung, wonach er der Sohn des Amenophis II Acheperure gewesen sein muss. Auf die hiermit verbundenen Überlegungen gehe ich erst in einem nachfolgenden Kapitel ein, da sie hier noch nicht relevant sind. Urartu Die Jahre von 663 bis 668 ndFl verliefen in Chatti-Urartu-Medien offenbar ruhig. Ob Argischti I zum Großkönig über Urartu-Chatti-Medien aufsteigen konnte, ist angesichts der Position des Tuschratta, wie sie sein Brief an Nimmuria erkennen lässt, unwahrscheinlich. Zu bedenken ist jedoch, dass Urartu auch Parsu-Masch ist, mithin das eigentliche Stammland der Perser, deren Könige von Darius in seiner Behistun-Inschrift als Herrscher von Par-uviyat aufgezählt werden:
Ohne Hystaspes, der kein König von Urartu gewesen zu sein scheint, wären das nur vier direkte königliche Vorgänger des Darius I gewesen; er spricht aber von neun Königen der Perser, die vor ihm waren. Die übrigen fünf wären demnach außer seinem Onkel Sarduri III, dem Sohn des Rusa III = Arsames, Vertreter der Seitenlinie des Darius gewesen, die ebenfalls von Ariaramnes-Menua abstammte: Argischti I, dessen Söhne Sarduri II und Rusa II sowie Sarduri IV, der Sohn des Sarduri II. Die Linie des Kyros, die über Sarduri (II) = "Kyros I" lief, den Sohn des Ischpuini-Teispes und Bruder des Menua-Ariaramnes, zählte Darius nicht zu seinen königlichen Vorfahren. Die Bedeutung der Parsa-Könige von Parsumasch-Urartu kann nicht gering gewesen sein. Aber offensichtlich bestand zur Zeit Herodots immer noch das Vorurteil, die Meder seien "vornehmer" als die Perser gewesen. Insofern ist wohl eher daran festzuhalten, dass die Macht des Mitannikönigs, des Meders Tuschratta, lange Zeit in dieser Region überwog. Wenn Argischti bereits sechs Jahre nach dem Bau der Stadt Irpuni, also im Jahre 648 ndFl, die Stadt Argischtichinili bauen konnte, dann gewiss nicht zu seiner eigenen Verherrlichung. Es sollte nicht übersehen werden, dass er sowohl die Erstellung der Horhor-Chronik als auch die Benamung der von ihm noch vor seiner Selbständigkeit errichteten Stadt erst in seiner Königszeit vorgenommen haben kann. König mit der Strahlenkrone, also selbständiger Herr von Urartu, konnte er erst nach dem Tode des Adad-narari werden, der im selben Jahre starb wie sein ehemaliger Gegner Tudhaliyas. Bei Patnos (nördlich des Vansees) untersuchte Kemal Balkan eine Anzahl Hügel. Auf dem Anzavurtepe entdeckte er die Reste eines Tempels mit Inschriften des Menua und seines Sohnes Argischti I.12 Dieser Tempel kann durchaus in dem Gebiet liegen, das dem "Land des Aramu" entspricht, wenn darunter im engeren Sinne das heutige Armenien verstanden wird. Bezeichnend ist, dass es offensichtlich Menua war, der gemeinsam mit seinem Sohn Argischti, der noch nicht König zu sein braucht, mit Bauten in dieser Region begann. Pjotrowski meint zu der Zeit, in der Argischti I auf dem Thron von Urartu saß: Unter den Briefen von Kundschaftern während dieser Zeit findet sich ein Bericht über die Ankunft eines Boten des Argischti in Charda, einer Grenzstadt im oberen Tigristal in der Nähe der heutigen Stadt Diyarbakir. Dieser Bote widerrief einen zuvor ergangenen Befehl des Königs und gab die Anweisung, seine Pferde bis zur Ankunft eines zweiten Boten bereitzustellen.13 Es ist wohl nicht zuviel hineininterpretiert, wenn man in diesem Widerruf einen politischen Wechsel sieht. Argischti könnte die Seite gewechselt haben. Von welcher Seite auf welche Seite er gewechselt hat, ist nicht erkennbar. Es kann sich um das Jahr 656 ndFl handeln, in dem er sich selbständig machte; aber auch ein späteres Jahr ist denkbar, etwa ein Zusammenhang mit dem Halys-Krieg. Pjotrowski fährt fort: Es existiert auch ein Bericht über einen Streit in den Wäldern um einige Baumstämme, die fortzuschaffen die Urartäer den Assyrern nicht gestatten wollten. Ein dritter Brief berichtet, dass die urartäische Streitmacht bereits nach Charda vorgerückt war. Diese beiden Berichte lassen eher auf die Zeit nach dem Tode des Adad-narari schließen, als Argischti I zu einem mächtigen König aufstieg. An diesem Aufstieg lässt auch Pjotrowski keinen Zweifel: Am Ende der Regierung Argischtis I, in der Mitte des achten Jahrhunderts v.Chr., stand Urartu auf dem Höhepunkt seiner Macht. Seine Vorherrschaft im Norden, in Transkaukasien und im Vansee-Gebiet, war gesichert. Im Westen war er erfolgreich in hethitisches Gebiet vorgedrungen. Nordsyrien war von Urartu abhängig. Urartu kontrollierte die Hauptwege des Handels im westlichen Asien. Das urartäische Königreich versperrte der assyrischen Eroberung von Kleinasien den Weg.14 Es wird hier die Königszeit Argischtis I angesprochen, die von 656-668 ndFl reichte. Die Eroberung von Chatti, die in einen anderen Zusammenhang gehört, wird hiermit verquickt. Es ist wohl nicht das Verdienst des selbständigen Königs Argischti I gewesen, Chatti zu unterwerfen. Tatsache ist hingegen, dass es die Assyrer waren, die Chatti und einen großen Teil Syriens hinunter bis nach Palästina kontrollierten. Das alles gehörte zum Herrschaftsbereich des "Chatti-Assyrers" Assur-Uballit, dessen Regierungszeit mit dem Beginn der Zeit des Argischti I als Königs von Urartu übereinstimmt (bis 659 ndFl). Inwieweit und ob überhaupt Argischti mit Urartu nach dem Tode des Assur-Uballit ins mitannische oder hethitische Imperium eingegliedert war, ist nicht mit letzter Sicherheit zu bestimmen. Es gibt eine Inschrift, die der konventionellen Auffassung eher entgegenzukommen scheint als der Neuen Sicht: Durch Sargon II (Schar-ukin) wurde 711 v.Chr. der Kummuh (Kommagene) benachbarte Bereich von Gurgum (Maras) in eine assyrische Provinz umgewandelt. Gleichzeitig kam es zu einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen Mutallu von Kummuh und Sargon II, über die wir leider nur einseitig von dem assyrischen Herrscher informiert werden. Er berichtet über den Hergang der Geschehnisse: "Mutallu von Kummuh, ein gottloser Hethiter, der den Namen der Götter nicht fürchtet, der Böses geplant und voller Arglist ist, vertraute auf Hilfe von Argischti, König von Urartu, ein Verbündeter, der ihn nicht retten konnte, und beendete die jährlichen Tribut- und Steuerzahlungen und hielt seine Geschenke zurück. Mit Zorn im Herzen zog ich gegen ihn mit meinen Streitwagen und der Reiterei, die niemals den Platz der Gefahr (?) an meiner Seite verlässt. Er sah mich nahen, verließ seine Stadt und wurde nicht mehr gesehen. Diese Stadt belagerte ich und eroberte sie zusammen mit 62 starken Städten in seinem Land. Seine Frau, seine Söhne, seine Töchter, sein Vermögen, Waren und alle Arten von Schätzen in seinem Palast, schließlich auch das Volk seines Landes - alles führte ich hinweg, kein einziger entkam. Ich organisierte das Gebiet neu. Das Volk von Bit-Yakin, das ich selbst erobert hatte, siedelte ich dort an; meinen Beamten setzte ich als Gouverneur über sie ein. Ich legte das Joch meiner Herrschaft über sie. 150 Streitwagen, 1.500 Reiter, 20.000 Bogenschützen, 1.000 Schild- und Lanzenträger wählte ich unter ihnen aus und stellte sie unter seine (des Gouverneurs) Kontrolle."15 Da Dörner die Regierungszeit Sargons II mit 721-705 v.Chr. angibt, so wäre 711 v.Chr. das 11. Jahr Schar-ukins = 677 ndFl, das Jahr, in dem Schar-ukin seinen Vater Sanherib ermordete und nach Urartu fliehen musste. Das scheint mir nicht das richtige Umfeld für die oben geschilderte Aktion zu sein. Es erweist sich jetzt als Problem, dass die konventionell für Schar-ukin angegebenen Regierungsjahre nicht mit den tatsächlichen übereinstimmen: von 721 bis 705 sind nur 16 Jahre, von 667 (1. Jahr Feldherrnjahr Schar-ukins) bis 689 ndFl (Vertreibung aus Ninive) sind es 22 Jahre. Da nun Schar-ukin drei von den fünf Jahren seines Exils in Urartu (677-682 ndFl während der Königszeit seines Bruders Asarhaddon-Salmanassars) nicht zu seinen Jahren rechnet (er zählte 677 ndFl als 11. und 682 als 12. Jahr), so kommen nur 19, aber auch keine 16 Jahre in seinen Kalender. Aus zwei Gründen halte ich es daher für richtiger, die Strafexpedition gegen Mutallu von Kummuch in das 1. Jahr = 667 ndFl zu verlegen; denn erstens kann Argischti I im 11. Jahr (677 ndFl) nicht mehr regiert haben, und zweitens ist mit dem Volk von Bit-Yakin das Haus Jakob gemeint, nämlich die Juden bzw. Israeliten, die Schar-ukin in seinem ersten Feldherrnjahr (667 ndFl) deportierte, als noch Argischti I regierte. Die Aktion gegen Mutallu hatte vermutlich ihre Ursache darin, dass dieser die Schwierigkeiten der Assyrer in Amurru-Kanaan auszunutzen gedachte, um sich mit Hilfe Argischtis von den Assyrern loszusagen. Als er erfuhr, dass man Fremdlinge in sein Land deportieren wollte, war das Maß seines Unmuts voll. Das Jahr 667 ndFl bietet sich allein schon wegen des Volkes von Bit-Yakin für diese Aktion an; denn wo sollten sich die in diesem Jahr aus Israel Deportierten bis zum Jahre 677 ndFl aufgehalten haben? Im Jahre 677 gab es keine Deportation. Bei Mutallu kann es sich nicht um Nergal-Muwatallis handeln, der im Jahre 667 ndFl noch gar nicht geboren war. Sollte es sich bei der hier von Dörner geschilderten um dieselbe Aktion des Schar-ukin handeln, von der Pjotrowski berichtet, dann gehört sie in ein anderes Jahr: Erst 708 v.Chr., 6 Jahre nach dem Urartu-Feldzug, konnte Sargon (Schar-ukin) sich dem König von Kummuch widmen, der einen jährlichen Tribut an Argischti II für Unterstützung entrichtete.16 Wenn 708 v.Chr. "sechs Jahre nach dem Urartu-Feldzug" bedeutet, dann müsste dieser 714 v.Chr. stattgefunden haben, im achten (Feldherrn-)Jahr Schar-ukins, das dem Jahr 674 ndFl entsprechen würde, und der Zug gegen den König von Kumuch, bei dem es sich doch wohl um Mutallu handelt, gehörte ins Jahr 680 ndFl, als Schar-ukin sich im urartäischen Exil befand. Es kann sich daher bei diesem Feldzug nur um den des Jahres 667 ndFl handeln. Die unterschiedlichen Datierungen bei Dörner und Pjotrowski sind ohnehin nicht vertrauenerweckend; gegen Mutallu kann Schar-ukin nur ein einziges Mal vorgegangen sein, wie aus dem Dörner-Text zu folgern ist. Außerdem handelt es sich bei dem im Pjotrowski-Text erwähnten Argischti um I statt um II. Schar-ukin war erst im vorletzten Jahr des Argischti I als Heerführer eingesetzt worden (667 ndFl). Folglich kann er in seinem 11. Jahr nicht mehr parallel zu diesem Urartäer regiert haben. Argischti II hat überhaupt nicht oder nur ganz kurze Zeit regiert. Daher kann das meiste, was mit Argischti II verbunden worden ist, Argischti I, dem Sohn des Menua, zugerechnet werden. Es existiert von Argischti II nur eine einzige Inschrift, die ihn als Sohn des Rusa erwähnt, ohne dass damit eine Aussage über eine Tätigkeit als Herrscher verbunden ist. Argischti II ist der Spargapises des Herodot, gegen den Kyros (angeblich gemeinsam mit Kroisos) zu Felde zog. Herodot lässt diesen "gewaltigen Krieg" am Ende des Lebens des Kyros II stattfinden; in Wirklichkeit war dieser Sieg im Jahre 686 ndFl der Beginn der Karriere des Kyros II, des Großen, als Neubegründer des von seinem Ururgroßvater Achaimenes geschaffenen Perserreichs. Auf diese Vorgänge wird zu gegebener Zeit ausführlich einzugehen sein. Eine Gleichzeitigkeit von Argischti I mit Mutallu einerseits und Schar-ukin andererseits ist für 667 ndFl noch gegeben. Schar-ukin sagt in beiden obigen Texten nicht, dass er gegen Argischti Krieg geführt habe; aber es ist nicht zu vermeiden, die Anwesenheit dieses Verbündeten - nicht Oberherrn! - des Mutallu von Kommagene in der Zeit Schar-ukins zu akzeptieren, und dies ist eben nur in seinen beiden ersten Feldherrnjahren vertretbar. Außerdem muss davon ausgegangen werden, dass Kommagene nicht zu Urartu, sondern den Assyrern gehörte. Das geht aus den assyrischen Tributlisten eindeutig hervor: Kuschtaschpi bzw. Kundaschpi = Hystaspes von Kommagene zahlte nach den bekannten Listen zuletzt noch im Jahre 659 ndFl Tribut an Assyrien. Zwischen 659 und 667 ndFl muss Hystaspes Kommagene verlassen haben. Wer sein Nachfolger Mutallu war, ist nicht eindeutig zu klären. Er kam auf jeden Fall aus der hethitischen Verwandtschaft: "ein gottloser Hethiter", der möglicherweise gleichzeitig mit Suppiluliumas auf den Thron kam (661 ndFl). In den urartäischen Inschriften ist bei der Angabe des Vaters so gut wie nie dessen Vater miterwähnt worden. So konnten die Historiker selbst festlegen, welcher Argischti jeweils als Vater gemeint ist, wenn von einem König gesagt wird, er sei der Sohn des Argischti gewesen. Das nachstehende Schema soll den Wirrwarr verdeutlichen, der durch die konventionellen falschen Identifizierungen der Könige Argischti, Rusa und Sarduri entstanden ist:
Der konventionelle Irrtum offenbart sich auch in folgender Einschätzung Pjotrowskis: Aus den Keilinschriften erfahren wir von intensiver Bautätigkeit Argischtis (Eig.Anm.: Pjotrowski meint auch hier den Zweiten) in Zentral-Urartu, besonders in den Gegenden, durch die die Armee Sargons (Schar-ukins) marschiert war. In der Nähe der heutigen Stadt Erciç an der Nordküste des Vansees erbaute er die Stadt Titumnia, legte einen künstlichen See an und grub einen Kanal. In dieser Gegend liegt eine Anzahl alter Festungen. Dort wurden einige hervorragende Kunstwerke gefunden.17 Es dürfte sich bei dem Erbauer um Argischti I handeln, bei den Bauten allerdings vornehmlich um solche, die von ihm erst in seiner Zeit als König von Urartu errichtet wurden; denn diese Gegend gehörte bis zum Jahre 660 ndFl seinem Onkel Sarduri (II). Nur für die konventionelle Sicht liegt die Zerstörung Urartus durch Schar-ukin bereits zurück, weil davon ausgegangen wird, dass es sich bei dem Bauherrn um Argischti II handelt. Pjotrowski fährt fort: Es ist möglich, dass auch ein Relief auf mehreren Steinblöcken mit der Darstellung des Gottes Teischeba, der auf einem Stier steht - offenbar eine Figur aus einer Prozession -, aus dieser Zeit datiert. Dieses Relief stammt von einem monumentalen Gebäude, das nicht erhalten ist.18 Möglicherweise meint Pjotrowski dasselbe Relief, das er an einer anderen Stelle bereits beschrieben hat: Besonders interessante Ergebnisse wurden bei Adilcevac an der Nordküste des Vansees erzielt. Hier war ein großes Relief des Gottes Teischeba, auf mehrere Steinblöcke eingemeißelt, gefunden worden. Der Gott war auf einem Stier stehend dargestellt.19 Scharukin zog erst später durch diese Gegend und zerstörte diese Bauwerke, die danach vermutlich nicht mehr aufgebaut wurden. Pjotrowski fährt fort: Zu derselben Zeit, als Argischti diese neuen Städte und Festungen baute, begann er mit dem Bau einer neuen Stadt bei Tuschpa auf dem Hügel Toprakkale. Dieses Vorhaben konnte jedoch erst sein Sohn vollenden.20 Auf dem Hügel Toprakkale wurde die Stadt Rusachinili, die Stadt des Rusa, gebaut. Es scheint, als sei diese Stadt gleichzeitig mit "der neuen Stadt Tuschpa" entstanden, das heißt also in der "Gründerzeit" Urartus. Dann allerdings wurde sie von Rusa I, dem Sohn des Sarduri (II), gebaut, dem Vetter des Argischti I, der hier am Vansee zu Hause war. Die Möglichkeit, dass sie von Rusa II, dem Sohn des Argischti I, gebaut wurde, setzt voraus, dass auch Tuschpa von ihm - und zwar in seiner Eigenschaft als König von ganz Urartu (677-685 ndFl) - neu erbaut wurde. Wie wenig dem zweiten Argischti an Bauten zuzuschreiben ist, geht aus folgender Äußerung Pjotrowskis hervor: Argischti, der Sohn des Rusa (Eig.Anm.: das wäre Argischti II), scheint während der ganzen Regierungszeit Sanheribs (705-681 v.Chr.), des Sohnes Sargons (Eig.Anm.: in Wirklichkeit natürlich der Vater Sargons = Schar-ukins), König gewesen zu sein. Jedoch schweigen die assyrischen Annalen dieser Zeit sich über die Ereignisse in Urartu aus. Sanherib war vorwiegend mit Kriegen gegen Babylon, Syrien und Palästina und mit Vorbereitungen für einen Feldzug gegen Ägypten beschäftigt. Darum vermied er offenen Krieg mit seinem nördlichen Nachbarn, obwohl die urartäische Grenze zu dieser Zeit nicht sehr weit von Zentral-Assyrien entfernt war. Nach Ausweis der Inschriften Sanheribs lag der Berg Tas (heute Bavian), wo der assyrische König einen Jagdpark besaß, "an der Grenze von Urartu".21 Argischti I war es, der neun Jahre parallel mit Sanherib regierte, der natürlich nicht der Sohn des Schar-ukin war, sondern dessen Vater. Am wichtigsten ist in diesem Zusammenhang die Feststellung, dass die Urartäer, speziell der König Argischti, so gut wie gar nicht in den assyrischen Annalen erscheinen. Argischti war - unangefochten von den Assyrern und allen übrigen Nachbarn - der König mit der sternenförmigen Tiara seiner Gottheit, bis er neun Jahre vor Sanherib verstarb. Auch die Annalen Salmanassars (III) sollten daraufhin geprüft werden, ob nicht zu seiner Feldherrnzeit, die ja mit der Königszeit des Argischti I für einige Jahre parallel verläuft, Verbindungen irgendwelcher Art mit Urartu zu der Zeit Argischtis I bestanden. Es müsste sich, wenn 649 ndFl Salmanassars Feldherrnjahr 1 ist - um seine Jahre 8 bis 19 entsprechend 656 bis 668 ndFl handeln: Bei Salmanassar III finden wir - wie in dieser konventionellen Zeitphase allgemein - unterschiedliche Regierungsdaten. Ich ziehe diejenigen heran, die seine "Regierungszeit" ab 860 v.Chr. zählen: 860 1. Jahr = 649 ndFl: Aramu bei Sugunia;
858 3. Jahr = 651 ndFl: Aramu bei Arzaschku; 855 6. Jahr = 654 ndFl: Syrien: Karkar-Schlacht; 853 8. Jahr = 656 ndFl: Babylon-Intervention; 851 10. Jahr = 658 ndFl: Israel; 850 11. Jahr = 659 ndFl: Israel; 847 14. Jahr = 662 ndFl: Israel; 843 18. Jahr = 666 ndFl: Israel.
Pjotrowski, Urartu, Seite 138: In vielen Vorratsräumen fand man Reste von Türen. Sie waren aus starken Holzplanken hergestellt und wurden mit einer eingehängten bronzenen Krampe verschlossen. Auf einer von ihnen wurde 1945 eine kurze Keilinschrift entdeckt: "Die Festung (wörtlich 'Rüstkammer') der Stadt Teischebaïni, Eigentum des Königs Rusa, des Sohnes Argischtis." Es ist demnach lediglich ein "Schlüssel" gefunden worden zu den hier befindlichen Speichern dieser Stadt, die mit Tuschpa am Vansee identisch sein dürfte. Die Speicherstadt wurde von Rusa, dem Sohn des Argischti, gebaut. 1. Sarduri I, der Sohn des Lutipri: 550-572 ndFl; Wegen der engen Beziehungen seines Hauses zu Tuschpa-Van in Zentral-Urartu halte ich Sarduri (II), den Sohn des Teispes-Ischpuini und wesentlich jüngeren (und deshalb gewiss auch Halb-)Bruder des Aramu-Menua, für den Verfasser der 22jährigen Annalen. Es kann unterstellt werden, dass er diese mit dem Gründungsjahr des Königreiches Urartu begann, gewissermaßen als die "Horhor-Chronik des Sarduri". In dem Fall müsste, falls eine 22jährige Dauer als gegeben vorausgesetzt werden kann, das Endjahr 22 + 638 = 660 ndFl gewesen sein, in dem Sarduri (II) starb. Von der zweiten Stele, die die erfolgreichen Kriege Sarduris gegen Assyrien berichtet, sind nur Fragmente geblieben ... Diese zweite Stele enthielt Nachrichten über das Land Arme im oberen Tigristal, das nach dem Zusammenbruch Urartus zur Keimzelle ... der Armenier wurde.33 Erfolgreiche Kriege gegen Assyrien kann man mit keinem der in Frage kommenden Sarduris verbinden. Sarduri (II) wurde von Tiglath-Pileser in seinem dritten (643 ndFl) und im elften Jahr (651 ndFl) besiegt. Nur dieser Sarduri kann gemeint sein. Der einzige Sieg, den ein Sarduri über die Assyrer errungen haben könnte, wäre die Erstreitung der Unabhängigkeit des Argischti im Jahre 656 ndFl gewesen. Aber auch hieran könnten beide zweiten Sarduris beteiligt gewesen sein. Das Land Arme ist natürlich das "Land des Aramu". Es ist auch das Land Erme des Tarkundimme von Erme, des Ischtar-Chundu = Tarkondemos = Rusa IV, nämlich des Kyros II, des Großen, des Sohnes des Kambyses I = Tarchundaraba = Rusa I, des Sohnes des Kyros I = Sarduri (II). Dagegen sind die im folgenden beschriebenen Bauunternehmungen guten Gewissens Sarduri II, dem Sohn des Argischti, des Sohnes des Aramu-Menua, zuzuschreiben: Inschriften Sarduris II, die auf seine neuen Bauunternehmungen hinweisen, sind in Irpuni gefunden worden. Die an der Westküste des Sewansees (= Armenien, Nord-Urartu) wohnenden Stämme waren unterworfen und neue Festungen in diesem Gebiet errichtet worden. Argischtichinili erlebte weiterhin Wohlstand, und Sarduri verwendete viel Aufmerksamkeit auf seine Förderung.34 Während die Familie des Sarduri (II) als Herrscher über das Land Aza-Arzawa in Tuschpa residierte, saß die Familie seines Bruder Aramu-Menua als Herrscher des Landes Erme-Irem-Armenien zunächst in Sugunia im Norden. Diese von den Assyrern zerstörte Stadt übergab Aramu-Menua seinem Sohn Argischti, der sie unter dem Namen Irpuni wieder aufbaute. Später hatte auch dessen Sohn Sarduri hier seine Residenz. Die Linie des Aramu-Menua-Ariyaramnes über Rusa III = Uasi bzw. Ursa-Uassurme-Arsames bis hin zu Darius-Telipinus ist schließlich in Kommagene ansässig geworden. In einem späteren Abschnitt zählt der (Louvre-)Text einige große Kupfer-(oder besser Bronze-)Skulpturen (aus der Beute, die Schar-ukin in Mussassir machte) auf, die im Tempel standen ...: eine Statue in Gebetshaltung des Sarduri, des Sohnes des Ischpuini, des Königs von Urartu, ... einen Stier und eine Kuh mit Kalb, die Sarduri, der Sohn des Ischpuini, hatte gießen ... lassen ... Auf beiden Seiten des Tempeleingangs (in Mussassir) standen ... und rechts die Kuh mit Kalb, von Sarduri, dem Sohn des Ischpuini, gegossen.35 Wenn Sarduri, der Sohn des Ischpuini, eindeutig als König von Urartu ausgewiesen wird, dann verwundert es doch sehr, dass es konventionell keine Synchronizitäten dieses Königs mit Assyrien gibt. Er müsste konventionell zwischen seinem Vater Ischpuini und seinem Sohn Rusa einerseits und andererseits zwischen Samsi-Adad (V) und Salmanassar (V) regiert haben. Sein Fehlen in dieser Phase der Geschichte dürfte ein Beweis dafür sein, dass die Geschichte falsch ist und die "Löcher", die sich in der Gegenüberstellung Urartu/Assyrien dartun, interpretationsfähig sind. Das heißt, dass solche Könige von Urartu, die keine synchrone Erwähnung mit Assyrien verbindet, durchaus auch zu Zeiten regiert haben können, in denen konventionell andere Könige in Assyrien gesehen werden. Für viele Zeitabschnitte besitzen wir keine Informationen aus schriftlichen Quellen. Das gilt zum Beispiel auch für die letzten Jahre der Regierung Sarduris und den Beginn der seines Sohnes Rusa.36 Konventionell wurde der Fehler gemacht, den Vater Sarduri des Rusa als Sohn des Argischti I auszusehen. Derjenige Sarduri, der der Vater dieses Rusa I war, ist jedoch Sarduri (II), der Sohn des Ischpuini. Erleichtert wurde diese Fehleinschätzung durch die falsche Reihenfolge der assyrischen Könige und die Tatsache, dass die Assyrer niemals den Vater eines von ihnen namentlich erwähnten urartäischen Königs angaben. Ganz besonders erleichtert wurde diese Fehleinschätzung aber dadurch, dass Rusa I, der Sohn des Sarduri, tatsächlich auf beide Sarduris folgte, wovon der eine sein Vater Sarduri (II) war, neben dem er schon seit 641 ndFl als Unterkönig regiert hatte, bevor er im Jahre 660 ndFl nach dessen Tod als Unterkönig des Argischti I in Tuschpa-Van folgte. Der andere, Sarduri II, wurde im Jahre 670 ndFl noch zu der Regierungszeit des Rusa I abgesetzt, der seine Funktion übernahm. Rusa II war der Sohn Argischtis I, nicht des Argischti II. Er regierte allerdings weder unmittelbar nach seinem Vater noch sogleich nach seinem Bruder Sarduri II; dazwischen saßen noch zwei andere auf dem Thron. Rusa II, der Sohn des Argischti I, ist identisch mit Rusa, dem Vater des Argischti II. Diese Gleichzeitigkeit der Herrscher hat zu den konventionellen Missverständnissen beigetragen. (vgl. dazu das Schema weiter oben). Suppiluliumas, der bis zum Jahre 669 ndFl ein mächtiger König von Chatti-Land geworden war, setzte Sarduri II ab und seinen Schwager Rusa I, den "Kambyses I" des Herodot und Sohn des Sarduri (II), des "Kyros' I" des Herodot, als König von Urartu ein. Das wäre im Jahre 670 ndFl gewesen, ein Jahr vor dem von Suppiluliumas in Medien inszenierten Revirement, auf das ich weiter unten zurückkommen werde. Rusa I, der Sohn des Sarduri (II), des Sohnes des Ischpuini, hatte spätestens im Jahre 644 ndFl eine Tochter des Tudhaliyas geheiratet und war im Jahre 645 ndFl Vater des Rusa IV geworden, des späteren Kyros II. Rusa I gehört demnach in die Filiation nach Argischti gar nicht hinein, obwohl er als König von Urartu in diese Zeit gehört. Ereignisse, die mit dem Sohn Rusa I des Sarduri verbunden sind, mit der Zeit nach Argischti I zu verbinden, ist deshalb - zumindest teilweise - korrekt. Falsch ist es indes, die Zeit des Rusa I mit der Verwüstung Urartus durch "Sargon" = Scharukin in Zusammenhang zu bringen, da dies erst nach der Regierung des Rusa I geschah. Ebenfalls ist es falsch, Rusa I, den Sohn des Sarduri, mit jenem Ursa zu identifizieren, den assyrische Inschriften erwähnen. Wenn aber Rusa I, der nicht der Enkel sondern ein erheblich jüngerer Vetter des Argischti I war und als gleichaltrig mit dessen Sohn Sarduri anzusehen ist, diesen, seinen Neffen zweiten Grades, auf dem Thron von Urartu nach nur zweijähriger Regierung schon ablöste, dann muss zwischenzeitlich etwas geschehen sein, das ihm diesen Aufstieg erleichterte. Um das zu erhellen, werfen wir noch einmal einen Blick über den urartäischen Zaun. Im Jahre 660 ndFl war Rusa, der Sohn des Sarduri, auf seinen Vater Sarduri (II) als Vizekönig im "Königreich von Tuschpa-Van" gefolgt. Die Regierungszeit seines übergeordneten Königs Argischti I von Gesamt-Urartu war für dieses Land eine Phase innen- und außenpolitischer Beständigkeit, wirtschaftlicher Prosperität mit reger Bautätigkeit und militärischer Stärke. Für einen Putsch bot sich für Rusa I daher keine Gelegenheit. Dasselbe kann für Babylonien gelten, wo Nabonassar 14 Jahre lang (657-671 ndFl) problemlos regierte, und für Medien, wo Tuschratta noch mindestens bis zum Jahre 669 ndFl, vermutlich sogar noch bis 672 ndFl das Heft in der Hand hielt. Durch den von Gyges provozierten Zwischenfall, den ihm der Meder gehörig heimzahlte, kam im Jahre 661 ndFl Uman-Igasch = Suppiluliumas auf den Thron von Elam-West = Chatti-Land. Die Assyrer waren in dieser Zeit vorwiegend mit Syrien-Palästina beschäftigt. Im Jahre 667 ndFl kam der 648 ndFl geborene Sohn Scharukin des Tiglath-Pileser in Kalach als Feldherr und Unterkönig auf den Thron. Ab diesem Jahr werden konventionell seine Regierungsjahre gezählt (722-704 v.Chr.). Die Aktivitäten des Scharukin begannen demnach schon zu einer Zeit, als sich sein Vater noch als Großkönig Sanherib-Assurbanipal bester Gesundheit erfreute. Konventionell ist er sowohl nach dem Tode seines Vaters Tiglath-Pileser als auch seines Bruders Salmanassar und vor seinem angeblichen Sohn Sanherib eingeordnet worden. Daraus ergeben sich wieder die bekannten Missverständnisse, zumal seine Feldherrnjahre mit seinen Regierungsjahren als König von Assyrien gleichgesetzt werden. Als im Jahre 668 ndFl Argischti I, der Sohn des Menua, im Alter von über 70 Jahren verstarb, stieg sein Sohn Sarduri II auf den Thron von Urartu. Im Jahre 670 ndFl einigten sich Rusa I, der Sohn des Sarduri (II), und sein Schwager Suppiluliumas darauf, in Urartu einen Regierungswechsel durchzuführen. Man geht gewiss nicht fehl in der Annahme, darin einen Affront gegen die Allianz Medien-Assyrien zu sehen. Sarduri, der Sohn des Argischti, war vermutlich mit den Assyrern befreundet gewesen, zu denen er sich offenbar absetzen konnte: Von seinem Sohn Sarduri III wird berichtet, dass er im Jahr 639 v.Chr. nach Assyrien kam.37 Pjotrowski bezeichnet Sarduri, den vermeintlichen Sohn des Rusa II, als Sarduri III. Aus den assyrischen Unterlagen kann nicht hervorgehen, dass es sich bei Sarduri III um den Sohn des Rusa handelt. Diese Filiation hat Pjotrowski aufgrund der Gleichzeitigkeit dieses Sarduri mit Assurbanipal vorgenommen. Sie ist zu verwerfen; denn Sarduri III, der Sohn des Rusa (III statt II), kann im Jahre 670 ndFl, das dem Jahr 639 v.Chr. als 30. Jahr Assurbanipals (konv. 668-626 v.Chr., berichtigt 641-677 ndFl = 239-203 v.Chr.) entspricht, noch nicht in Erscheinung treten. Bei seiner Thronbesteigung bekam Rusa I Unterstützung aus dem Lande der Stadt Ardini = Mussassir, das wahrscheinlich dem Metsamor anderer Quellen entspricht, einem ehemaligen Hüttendistrikt und Astronomiezentrum am Ararat. Hier saß Urzana von Mussassir. Er ist ebenfalls ein Rusa, und zwar der Sohn des Erimena. Urzana = Rusa III, der Herrscher über das Land Uasi in der Hauptstadt Mussassir, war nach der Flucht der Familie seines Neffen Sarduri II im Jahre 670 ndFl auch der "Erbe" der Region um den Ararat und den Sewansee, also des Landes Armenien, das nach seinem Vater Erimena benannt war. In der konventionellen Geschichte Urartus regierte dieser Rusa III viel später, etwa in der Zeit zwischen Assurbanipal und Nebukadnezar. Seine genaue Datierung steht noch aus, was im Hinblick auf die ohnehin falsche Chronologie unerheblich ist. Konventionell wurde zudem nicht erkannt, dass sein Vater Erimena mit Aramu-Menua identisch ist. Rusa III ist auch Arsames (persisch Arschama), der Sohn des Ariaramnes und der Vater des Hystaspes-Kuschtaschpi, des Vaters von Darius I. Arsames war vor seinem Sohn Kuschtaschpi-Hystaspes (persisch lautet der Name Vischtaschpu) schon Herrscher von Kommagene (Kummuch). Er erscheint in den Tributlisten des Tiglath-Pileser unter dem Namen Uassurme von Tabal. Zu prüfen ist, ob erstens Tabal = Tubal und ob zweitens Mussassir die Hauptstadt der Mossynoiken, Massageten, Muskai-Moscher bzw. Mesech ist. Im positiven Falle hätte dann Urzana-Uassurme von Tabal-Mussassir = Tubal-Mesech = Parsumasch von hier aus Tribut an die Assyrer geleistet. Abraham Meister38 sagt zu Tubal: Tibarener; ein Volk in dem nachmaligen Königreiche Pontus in Kleinasien westlich von Mesech; zu Mesech: LXX und Vulgata haben "Mosoch"; assyrisch heißt es "Muski" = "Moschien, Muskai-Moscher". Ein Volk, das die moschischen Gebirge zwischen Iberien, Armenien und Kolchis bewohnte; mit Kedar (= "schwarzes Land") verbundener Stamm. Folgt man diesen Vorgaben, dann könnte es sich bei Tubal-Mesech um die Provinz Kedar = Schwarzes Land, das Schmiedeland der Hethiter handeln. Tabal ist demnach eine Nachbarprovinz von Welikuchi-Kolchis-Punt. Es bestehen enge Beziehungen zwischen Tubal-Tabal und Mesech, das zwischen Armenien und Kolchis gesehen wird. Mesech schließt aber offenbar auch Armenien ein; denn Herodot beschreibt das Land der Massageten (= Mesech) als "jenseits des Araxes-Flusses" (heute Aras Nehri) gelegen, und das trifft auf Transkaukasien und weite Teile Armeniens zu. Es ist davon auszugehen, dass die Ägypter in ihren besten Kolonialjahren nicht nur die Apotheke Punt-Kolchis, sondern auch die erzreichen, die Eisen- und Stahl erzeugenden Gebiete des "Schwarzen Landes" unter Kontrolle hatten: Bit-(A)Gusi = Haus (Land) der Ägypter. Dem Namen Ardini entspricht in den assyrischen Inschriften der Name Mussassir, das die Hauptstadt des Landes Uasi gewesen sein könnte, was zu dem Namen Uasi hinführen würde, der in assyrischen Unterlagen für Rusa (III = Arsames) erscheint. Das Land Uasi mit der Hauptstadt Ardini-Mussassir ist, wenn Mussassir = Metsamor ist, in unmittelbarer Nähe von Irpuni-Eriwan, unweit des Ararat und des Sewansees, zu suchen. Urzana von Ardini-Mussassir = Mesech kann demnach bedenkenlos mit Uassurme von Tabal = Tubal gleichgesetzt werden als Herrscher von Kedar, dem Schwarzen Land, wo das eri-nuchustum = Eisen produziert wurde. Dafür spricht auch eine unten noch zu besprechende Angabe, wonach Ursa mit einem Eisendolch, den er stets an seiner Seite trug, seinem Leben ein Ende gemacht habe. Außerdem ist Urzana-Uasi-Rusa identisch mit demjenigen Rusa, der konventionell mit dem in assyrischen Inschriften Ursa und "Herrscher von Uasi" bezeichneten gleichgesetzt wird.
Letzter Stand: 18. Juli 2013
|