Erstes Buch: Zeitalter, Katastrophen, Kalender

5. Kapitel: Zwischen Typhon 2 und der Sintflut

Für die klimatischen Gegebenheiten dieser Zeit bedeutete die Lage des Pols bei (ca.) 86° N / 150° O, dass für Europa auf einen langen Winter, nämlich die letzte Eiszeit, ein langer Sommer folgte: die nacheiszeitliche Warmperiode. Für Sibirien aber bedeutete sie den Beginn einer Epoche, die auch heute noch andauert: Dauerfrost im Norden und kurze Sommer im Süden sowie Regenarmut in den Steppen.

Beredtes Zeugnis für die Plötzlichkeit dieser Veränderung legen die in Sibirien und auf den Nordsibirischen Inseln zu Hunderttausenden schockgefrorenen Mammuts ab, die niemals in der Zwischenzeit wieder auftauten; denn das hätte zur Verwesung ihrer Kadaver geführt, und heute würde man bestenfalls noch ihre Knochenreste finden.

Die Suche nach der Erklärung für den plötzlichen Tod dieser Tiere bereitet den Verfechtern der Diskretionslehre erhebliches Kopfzerbrechen. Es hat aber keinen Sinn, die katastrophale Plötzlichkeit ihres Todes durch ein freiwilliges Wandern in polarkalte Gebiete und damit in einen sicheren Tod abzuschwächen. Denn selbst wenn diese Tiere, in deren Mägen noch Reste von solchen Pflanzen gefunden wurden, die nur in einem gemäßigten Klima gedeihen, den weiten Weg nach Norden aus irgendeinem unersichtlichen Grund unternommen hätten, dann wären die Blätter in ihren Mägen längst verdaut gewesen. Mit großer Geschwindigkeit konnten sie ohnehin nicht reisen, da sich unter den Eingefrorenen auch Kälber und trächtige Mammutkühe befinden. Hier richtet die Diskretionslehre gar nichts aus.

Der Norden des eurasischen Kontinents ging den Bewohnern, Menschen wie Tieren, weitgehend verloren. Weiter südlich, wo allerdings andere Stämme lebten, ließ es sich hingegen noch aushalten, und im Süden, in der heutigen Ukraine, der Kornkammer, dürfte es auch damals schon am besten ausgesehen haben. Hier verstärkte sich der Populationsdruck, der von den nördlichen Stämmen ausging, die massiv nach Süden drängten. Wir stehen am Beginn der indoarischen Wanderung. Die Namen der Völker dieser ersten Auswanderungswelle sind uns bekannt:

Die Germanen drangen über das Baltikum in Mitteleuropa ein und stießen hier auf die karischen Megalithiker. Besonders beeindruckend war für sie das allmähliche Abschmelzen des Eises. Die germanische Literatur enthält bekanntlich viele Erinnerungen an das Eis. Die Germanen erlebten, dass infolge der Nordverschiebung der wärmeren Zonen das Eis in Mitteleuropa schmolz und sich in den Urstromtälern in Form gewaltiger Wasserströme Bahn brach. Die Wassermassen konnten allerdings nicht sofort nach Norden abfließen, da dort das Eis noch den Weg zum Atlantik versperrte. Das Wasser muss sich zunächst in einem großen See gesammelt haben, der die baltischen Randzonen bedeckte und zum Zeitpunkt des Eintreffens der Germanen schon abzulaufen begonnen hatte.

In Europa und im ganzen Mittelmeerraum bestand damals eine bäuerliche Kultur, die man als Megalithikum bezeichnet. Die megalithische Bevölkerung waren so genannte Karer, die auch als großwüchsige und rundäugige (griech.: kyklops), in der Mythologie fälschlich auch als "einäugige" bezeichnete Kyklopen bekannt sind. Sie haben über Jahrtausende die Geschichte Europas, der afrikanischen Mittelmeerküsten und Vorderasiens bestimmt. Sie waren hervorragende Astronomen und Seefahrer und bauten bevorzugt mit großen Steinen, was ihnen den Namen eintrug: mega = griech. für groß und lithos = griech. für Stein. Sie verehrten die Fruchtbarkeitsgötter, die sie im Innern der Erde vermuteten und die gewissermaßen "die Halme von unten nachschoben", während die Arier ihre Fruchtbarkeitsspender im Himmel sahen, von wo herab Sonne und Regen kommen, die für Wachsen und Gedeihen unerlässlich sind.

Ich erwähnte die karischen Unterweltsgötter Hades und Gaia bereits im Zusammenhang mit ihrer feurigen Tochter Athene. Von Gaia, auch einfach Ge (= griech. für Erde) genannt, stammten die Söhne ab, die unter den Bezeichnungen Gaianten oder Giganten, also Riesen, für die großwüchsigen Karer selbst stehen. Ein typischer Sohn der Erdgöttin ist jener schlangengestaltige Erechthonios, der "Erdgeborene", dem die Athener wie seiner Schwester Athene auf der Akropolis einen Tempel bauten: das Erechtheion und den Tempel der Athena polias. Erechthonios ist der griechische Name für Adamah! Hieran schließen sich interessante Betrachtungen in einem späteren Kapitel an, die ich hier noch nicht vorwegnehmen möchte.

Die Karer brachten ihren Unterweltsgöttern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Menschenopfer dar; denn die in die Erde eingelassenen Fässer in Mykenä, die verharmlosend als Grab Agamemnons bezeichnet werden, waren vermutlich Stätten, an denen Menschen geopfert wurden. Sie gleichen hierin den vermeintlich "keltischen" Schachtgräbern in Frankreich. Die karischen Menschenopfer erinnern auch an die beabsichtigten und durch göttliches Eingreifen verhinderten Opferungen Isaaks und der Iphigenie. Mit der Unsitte der Menschenopfer machte in Hellas der Heiland Apis erst Schluss, der dem griechischen Tragödiendichter Aischylos zufolge (in seiner Tragödie Die Schutzflehenden) das menschenverzehrende Drachengeschlecht auf der Peloponnes ausrottete. Darauf komme ich zu gegebener Zeit wieder zurück.

In Europa wurden die Megalithiker durch ihre "Steinzeit-Observatorien" in Stonehenge (Mittelengland) und in Carnac (Bretagne) bekannt sowie durch die vielen "Hünengräber" in Nordeuropa, die zweifellos von diesen großsteinschleppenden "Obelixen" angelegt worden sind. Außerdem ist vieles, was heute als "keltisch" gilt, der noch gar nicht so lange zurückliegenden Zeit der Megalith-Bauern zuzuschreiben. Dasselbe dürfte auch für die Steine von Glozel gelten, die in Frankreich für Aufsehen sorgten.1

Geradezu tragisch ist jenes Missverständnis, das die hellhaarigen, blauäugigen und hochgewachsenen Mitteleuropäer als "Germanen" ansieht. Sie sind vielmehr die Erbgutträger jener Kyklopen, während eher die Pykniker unserer Breiten das germanische Erbe repräsentieren, das wir auch bei den Wikingern zu erkennen glauben.

Über den Hindukusch zogen die Inder in den nach ihnen benannten Subkontinent. Ihre Sagen sind voll von Schilderungen der Kriege, die sie gegen eine mächtige Urbevölkerung zu bestehen hatten. Sie trafen zwar bessere Lebensbedingungen an als die Germanen, doch die mussten sich weniger kriegerisch durchsetzen - wie es den Anschein hat.

Das dritte Volk ist den wenigsten dem Namen nach bekannt. Es sind die Moscher, Mas(ch) oder Mesech, die über den Kaukasus abgedrängt wurden und auf die karischen Churriter der Araratgegend stießen. Von diesen übernahmen sie schon bald die Fertigkeiten in Eisenerzeugung und  -verarbeitung, den Steinbau und Kenntnisse in der Astronomie. Für unsere Betrachtungen ist dieses Volk das wichtigste, das vor der Sintflut aus Eurasien auswandern musste.

"Churri und Scheri" nannten die Hethiter später die beiden Stiere, mit denen ihre Geschichte begonnen haben soll. Die Mo-Scheri verehrten den Sonnengott Scha-Masch. Die Inder und die Germanen hatten ebenfalls ihre Götter, die sie in ihre neue Heimat mitbrachten. Es lassen sich nur dürftige Querverbindungen zwischen diesen Göttern untereinander und zu einem Gott mit Namen Dieus-Petér herstellen, einem arischen Fruchtbarkeitsgott, dessen Namen wir in dem des germanischen Ziu oder Thiu wieder finden; doch vermutlich war dieser ursprünglich nur ein Gott unter vielen gewesen.

Der Fruchtbarkeitsgott Dieus-Petér kam in Eurasien erst zu höchsten Ehren, als sich die Wetter- und Vegetationsbedingungen dort drastisch verschlechtert hatten. Erst als sich nach der Sintflut die zweite Auswanderungswelle auf die Suche nach günstigeren Lebensbedingungen machte, da brachten diese Völker ihren Fruchtbarkeits- und Wettergott mit.  Er hieß bei den Kelten Teutates, die Parsavölker, vornehmlich die Hethiter, nannten ihn Teschup, bei den dorischen Griechen hieß er Dion und bei den achäonischen Griechen Zeus. Die Römer ließen den Bestandteil -chup des Namens Tes-chup in dem Namen Jupiter fortleben, und die Kelten kannten für ihren Teuta-tes-chup-piter später auch den Namen Dispater. Von Te-Schuba leitet sich auch der Name des indischen Gottes Schiwa ab. Wischnu hingegen leitet seinen Namen von Schiuini ab, dem Sohn des Teschub. Alle Namen dieses Gottes lassen sich aus dem Phantasienamen Dieus-Petér ableiten, der von der Wissenschaft rückblickend aus seinen späteren Namen konstruiert wurde. Auch der spätere Sturmgott Adad der Assyrer leitet sich von ihm ab; selbst der jüdische Adam weist mit einem Teilaspekt seines Namens auf die Abstammung von diesem Gott hin.

Wie ich an anderer Stelle schon sagte, dachten sich die Arier ihren Fruchtbarkeitsgott, der auch ihr Wettergott war, über der Erde wohnend, während sich die Karer an ihre Fruchtbarkeitsgötter wandten, die sie unter der Erdoberfläche vermuteten. Alle diese Gottesvorstellungen, ob über oder in der Erde angesiedelt, waren zunächst Naturgottheiten ohne Fleisch und Blut. So war auch "Teut-Adad" eine reine "Gotteserfindung"; es hat ihn in persona nie gegeben. Ein Wandel trat ein, nachdem die Arier in Vorderasien Völker kennen gelernt hatten, die ihre Vorfahren göttlich verehrten. Von nun an personifizierten sie ihren Hauptgott ebenfalls mit einer bedeutenden Persönlichkeit aus ihrer Geschichte und "olympisierten" ihn samt seinem familiären Anhang. Vorbilder in dieser Hinsicht waren die Frühkanaaniter und die Sumerer, deren Auftreten wir bis vor die Sintflut zurückverfolgen können.


Geschichte vor der Sintflut

Um nun einen Einstieg in die Geschichte vor der Sintflut zu bekommen, wenden wir uns nach Mesopotamien. Nirgendwo sonst im "Geltungsbereich" unserer Geschichtsbetrachtung lässt sich zu einem so frühen Zeitpunkt ein Zipfel dieser vorsintflutlichen Geschichte erhaschen.

Die nach ihren Fundorten in Mesopotamien benannten Kulturen von Djemdet-Nasr und Samarra hatten ein hohes Niveau, wie den hervorragenden Keramiken zu entnehmen ist, die das einzige sind, was von diesen Kulturen übrig geblieben ist. Die Form- und Farbschönheit dieser an moderne Porzellanware erinnernden Arbeiten sind alles andere als vorsintflutlich in des Wortes geringschätziger Bedeutung. Gemessen an ihrer Vollendung ist nachsintflutliche Ware bisweilen ausgesprochen plump und primitiv.

An dem angeblichen Alter dieser Ware, deren Entstehung ins 7./6. Jahrtausend v.Chr. gelegt wird, muss allerdings stark gezweifelt werden. Ich würde sagen, dass diese Ware vorwiegend zwischen 3000 und 2000 v.Chr. entstand. Ihre Hersteller erlebten in Mesopotamien die Katastrophe Typhon 2, jedoch kaum noch die Sintflut (Typhon 3). Das Volk bzw. die Völker, die diese herrlichen Gegenstände schufen, wurden von einer aus Arabien eingewanderten Volksgruppe vertrieben oder sogar ausgerottet.

Als sich nämlich für die Bewohner der Arabischen Halbinsel die Lebensbedingungen nach Typhon 2 ebenfalls verschlechterten, als dort die Arabische Wüste allmählich immer mehr fruchtbares Weideland eroberte, da mussten sich die Hirten und Viehzüchter neue Weidegründe suchen. So brachen diese Frühkanaaniter in das angrenzende Mesopotamien auf, wo sie auf die Proto-Euphrater stießen, die Schöpfer der obigen Tonwaren. Es mag Kämpfe gegeben haben, mit Sicherheit auch die üblichen Betrugs- und Täuschungsaffären, wie sie später in der Geschichte immer wieder zu beobachten sind, sobald Völker unterschiedlicher Kulturstufen aufeinander treffen; doch am Ende waren die Ureinwohner Mesopotamiens dezimiert und womöglich sogar ausgetilgt.

Die Frühkanaaniter waren die Vorfahren der Sabäer, die wir später am mittleren Euphrat antreffen. Sie können als die eigentlichen Semiten angesehen werden. Lange dominierten die Frühkanaaniter in Mesopotamien, wo sie entweder eigene Städte bauten oder die von den Proto-Euphratern gebauten und verlassenen Städte bezogen. Wir tappen hier weitgehend im Dunkeln, da niemand bisher den Unterschied zwischen den Städtern und den Viehhirten, die in Zelten wohnten, überzeugend klarzumachen vermochte. Es liegt nahe, den Städtebau in eine spätere Zeit zu verlegen, nachdem eine weitere Erobererwelle, die diesmal von Süden kam, den Nomaden die Kenntnisse vermittelt hatte, die zum Bau von Häusern und Tempeln erforderlich waren.

Die ("semitische") Einwanderung der Frühkanaaniter ins Zweistromland kann bereits Jahrhunderte vor der Sintflut abgeschlossen gewesen sein. Ihre Idylle wurde im letzten Jahrhundert vor der Flut jedoch empfindlich gestört, als plötzlich "Ungeheuer aus dem Erythräischen Meer", also aus dem Persischen Golf, auftauchten, von denen gesagt wird, dass sie das Aussehen von Fischmenschen gehabt hätten. Es handelte sich hierbei um die ersten Sumerer.

Die Kenntnis von diesen frühen Begebenheiten entnehmen wir einem fragmentarischen Bericht des babylonischen Historiografen Berossos, der bei dem ebenfalls in hellenistischer Zeit schreibenden Historiografen Alexander Polyhistor erscheint. Berossos, ein Zeitgenosse Alexanders des Großen, berichtet über die Geschichte Babyloniens. Seine Arbeit ist nur noch in Zitaten einiger Historiografen des Altertums erhalten geblieben, die ihrerseits von Kirchenvätern und Mönchen im Mittelalter - nicht immer originalgetreu - "aufgearbeitet" worden sind. In dem besagten Fragment bei Alexander Polyhistor heißt es:2

Kahl und wasserlos war jener Teil Babyloniens, der an Arabien grenzt, der andere Landesteil gegenüber aber war fruchtbar. In Babylonien kamen damals Menschen aus aller Welt zusammen. Sie wohnten in Chaldäa und lebten ohne Gesetz und Ordnung wie die Tiere des Feldes. Im ersten Jahr tauchte aus einem Teil des Erythräischen Meeres, der an Babylonien grenzt, ein vernunftbegabtes Tier auf, das Oannes genannt wurde.

(Nach Apollodors Bericht) glich der gesamte Körper dieses Tieres dem eines Fisches, unter dem Fischkopf besaß es einen anderen Kopf, und unten am Körper hatte es auch Füße, ähnlich denen eines Menschen. Sie waren unterhalb des Fischschwanzes angewachsen. Auch seine Stimme und seine Sprache waren klar und menschlich, und noch bis auf den heutigen Tag bewahrt man eine Darstellung von ihm auf.

Tagsüber pflegte sich dieses Wesen unter den Menschen aufzuhalten, ohne irgendwelche Nahrung zu sich zu nehmen, und es brachte Bildung und Wissenschaft sowie jede Art der Kunst. Es lehrte die Menschen, Häuser zu bauen, Tempel zu begründen, Gesetze aufzustellen und setzte ihnen die Grundbegriffe der Geometrie(!) auseinander.

Diesen Bericht und die weiter unten noch zu besprechenden Berossos-Fragmente aus Apollodor und Abydenos habe ich dem Buch Das Sirius-Rätsel von Robert K.G. Temple entnommen, das eine Fülle hochinteressanten Materials enthält, dem ich mich jedoch hinsichtlich der Schlussfolgerung, die der Autor daraus zieht, in keiner Weise anschließen kann. In Temples Sicht kamen die Fischmenschen von einem Wasserplaneten im Sirius-System. Ich meine aber, dass es sich bei ihnen nicht unbedingt um Außerirdische gehandelt haben muss. Die Kostümierung der vorsintflutlichen Sumerer kann man mit einiger Phantasie auch noch heute aus der Bekleidung der so genannten "Wächterfiguren" vor assyrischen Palästen erkennen. Diese stellen Männer in Fischkleidung dar, die mit speziellen Attributen ausgestattet sind, über deren Bedeutung man sich heute noch nicht ganz einig ist.

Die eigentliche Aussage des vorstehenden Textes ist indes die, dass die Sumerer den "semitischen" Nomaden Mesopotamiens schon vor der Sintflut die Zivilisation brachten. Dazu gehörten mit Sicherheit auch der Lehrsatz des Pythagoras, der Thaleskreis und die Platonischen Körper; denn ohne all diese "Grundbegriffe der Geometrie" hätten die "Semiten" weder Tempel noch richtige, das heißt statisch und architektonisch einwandfrei geplante Häuser bauen können. Ihre Zelte, in denen die ersten Könige von Assur noch gewohnt hatten, konnten sie noch ohne diese Kenntnisse aufschlagen und wieder abbrechen.

Das Wissen der Sumerer und ihre Kenntnis der Welt, die sie sich auf ihren weiten Wanderungen erworben hatten, machten sie von vornherein den semitischen Viehhirten, auf die sie in Mesopotamien trafen, überlegen. Denen erschienen sie wie Fischmenschen, weil ihre Kleidung an einen Fischkörper erinnerte; ich denke dabei weniger an den schuppenartigen, bisweilen als Schafsfell interpretierten Kaunakes, der bis mindestens dreihundertfünfzig Jahre nach der Flut noch in Mode war, sondern mehr an die Möglichkeit, dass die seefahrenden Sumerer Häute von Großfischen als Sonnen-, Wasser- und Wetterschutz getragen haben könnten, wodurch ihr Aussehen an heutige Seefahrer erinnert hätte ("Südwester"). Passend hierzu hätte eine fischkopfförmige Kopfbedeckung aus Fischhaut den Eindruck eines Fisches verstärkt.

Die Fischwesen brachten zudem die gesamte Getreide-, Obst- und Gemüseanbaulehre mit, auch die Gesetze und vermutlich auch die gesamte bürokratische Ordnung, von der die Viehzüchter vorher keine Ahnung gehabt hatten.

Auf die weit verzweigte Wortspielerei mit dem Namen der Stadt Ninive, der sich von dem Wort nin oder nun herleitet, das Fisch bedeutet, das aber auch in den Namen Nun-ki und Ninurta = Nimrod enthalten ist wie auch in dem Fisch, der Jona nach Ninive verfrachtete, kann ich hier nicht ausführlicher eingehen.

Von wo kamen die Sumerer? Ich wage zu behaupten, dass sie aus dem Industal kamen, wo sie an der Errichtung der so genannten Induskultur (Mohendjodaro) zumindest ihren Anteil gehabt haben könnten. Hier wiederum waren sie vermutlich bereits kurz nach Typhon 2 aufgetaucht, und zwar - wie allgemein angenommen wird - von Osten kommend. Es ergibt sich hierbei der aufregende Aspekt, dass sie die Gegner der über den Hindukusch einfallenden arischen Inder gewesen sein könnten, von denen sie nach langen und heftigen Kämpfen, über die uns in der altindischen Literatur berichtet wird, verdrängt wurden. Doch das ist hypothetisch; hierüber ist zu wenig bekannt.

Einiges mehr wissen wir über die ersten Begegnungen der Semiten mit den Sumerern. Sumerische Epen haben festgehalten, was kurz vor, während und in der ersten Zeit nach der Sintflut geschah. Ich will versuchen, aus diesen Mythen und Legenden ein historisch glaubhaftes Geschehen herzuleiten. Dabei gehe ich davon aus, dass auch die sumerischen Götter ursprünglich Menschen aus Fleisch und Blut waren. Sie waren die "Wegbereiter" oder Anführer auf den Wanderungen von Osten zum (persischen) Hochland von Aratta bis hinunter in die Mesopotamische Tiefebene gewesen.

Auf strikte Ablehnung stößt bei den Historikern das Ansinnen, die Liste der Könige vor der Sintflut als geschichtliches Quellenmaterial anzusehen. Dazu besteht sicherlich mancherlei Berechtigung. Am meisten stört an dieser Liste, dass sie Regierungslängen enthält, die jeglichen Anspruch auf ernsthafte Betrachtung verwirken. Ich frage mich nur, welchen Sinn diese Liste denn gehabt haben soll, und warum sie sich über Jahrhunderte halten konnte; immerhin ist ihre letzte Fassung nicht annähernd so alt wie die Sintflut, geschweige denn vorsintflutlich.

Die Einwanderung der "Fischmenschen" nach Mesopotamien ist die früheste Begebenheit in der Geschichte, über die wir unterrichtet sind; denn alle bisher besprochenen Ereignisse sind entweder himmels- oder katastrophenbezogen oder basieren auf Ausgrabungsfunden, die keine Texte enthalten, oder sie sind mehr oder weniger vorsichtig rekonstruiert. Bei den Königen vor der Flut werden uns darüber hinaus zum erstenmal Namen mitgeliefert, und das auch noch zu einem Zeitpunkt, der definitiv als vor der (Sint-)Flut bezeichnet ist. Um es gleich vorweg zu sagen: Die in den Kapiteln 1. Mose 4 und 5 erwähnten Nachfahren Adams und Evas, die schon vor der Flut gelebt haben sollen, gehören ebenso wenig in diese Zeit wie das ebenfalls durchaus historische Paar Adam und Eva selbst, wie ich in einem späteren Kapitel noch zeigen werde.

Die Könige vor der Flut
Name Stadt Dauer
1. A-lu-Lim / Aloros Nun-ki 8 x
2. A-la(l)-gar / Alaparos Nun-ki 10 x
3. En-me-en-lu-an-na /
Amelon / Amillaros
Bad-tabira
Pautibiblon
12 x
4. En-me-en-gal-an-na
Ammenon / Megaloros
Bad-tabira
Pautibiblon
8 x
5. Dumuzi, der Schäfer
Daos / Daonos
Bad-tabira
Pautibiblon
10 x
6. En-sib-zi-an-na /
Amempsinos
Larak
Laranchai
8 x
7. En-me-en-dur-an-na /
Euedoreschos /
Euedoranchos
Sippar
?
Pauti-biblon (!)
5 5/6 x
8. (?)-du-du Schuruppak 5 1/6 x

Die Königsnamen in Normalschrift sind sumerisch gefasst; es gibt auch Listen, in denen die griechischen Namen (kursiv) der Könige vor der Flut enthalten sind, in denen sich aber meistens leicht die sumerischen entdecken lassen. Aus der Namensform zu "5. Dumuzi" lässt sich ableiten, dass diese Könige keine Sumerer, sondern "Semiten" waren. Wir haben es hier also mit den frühkanaanitischen Stadtfürsten zu tun, die nicht (mehr) in Zelten wohnten und die schon vor den Sumerern in Mesopotamien ihren Wohnsitz hatten. Zu ihrer Zeit erfolgte die Einwanderung der "Fischmenschen", also der Sumerer, wie aus den noch zu besprechenden Texten weiter unten hervorgeht.

Eine so lange Überlieferung wie die der Königsliste birgt natürlich die Gefahr in sich, dass dem überkommenen Material Fehler anhaften, die sich im Laufe der Zeit - mutwillig oder auch unbeabsichtigt - in die Liste eingeschmuggelt haben. So wird für <x> konventionell die Zahl 3600 eingesetzt, was zu unglaubhaften, horrenden Regierungslängen führt (z.B. 8 mal 3600 = 28800 Jahre!).

Der entscheidende Fehler in der Königsliste, wodurch diese so unglaubwürdig erscheint, beruht demnach auf der Fehlinterpretation der Bezeichnung <x>, die mit den Zahlen zu den Regierungslängen verbunden war. Die vordringlich zu beantwortende Frage lautet daher: Wie groß ist x?

Am einfachsten wäre es, für die Bezeichnung <x> die Dimension <Jahre> einzusetzen. Das werde ich auch tun; denn offenbar hatte sich in der Überlieferung ein schwerer sinnentstellender Fehler eingeschlichen, auf den schon einige Interpreten dieser Liste in hellenistischer Zeit hereingefallen sind, so zum Beispiel auch der Babylonier Berossos, dessen Angaben zu den Königen vor der Flut in zwei Fragmenten aus späthellenistischer Zeit auf uns überkommen sind. Die beiden Verfasser dieser Textfragmente, Apollodor und Abydenos, bedienen sich der griechischen Fassungen der Königsnamen. Die Regierungslängen der Könige vor der Flut weichen allerdings in allen drei Versionen zum Teil voneinander ab. Auch sonst lassen sich bei beiden Verfassern einige Widersprüche erkennen, woran sich die Gefahr ermessen lässt, durch die Länge der Überlieferungszeit und durch ungenaue Abschriften oder durch mündliche Traditionen zu teilweise erheblich entstellten Ergebnissen zu kommen.

Wegen der großen Ähnlichkeit dieser Listen, die trotz der Widersprüche anzuerkennen ist, halte ich es für möglich, eine vorsichtige Rehistorifizierung dieser Herrscher vor der Sintflut anbieten zu können. Doch zunächst zurück zu der Bezeichnung <x>.

Berossos machte seine Angaben zu den Regierungslängen vermutlich schon in saroi. Da 1 saros dem Zahlenwert 60 x 60 entspricht, kommen 10 saroi dem Wert 36.000 gleich. Weshalb das genau so viele Jahre bedeuten soll, wie allgemein interpretiert wird, ist mir nicht klar; deshalb bestreite ich das auch.

Viel einleuchtender als von übertrieben langen Regierungszeiten auszugehen wäre doch die Auslegung gewesen, dass unter einem saros = 3600 die Anzahl der Tage statt der Jahre zu verstehen gewesen sei, nämlich 10 Jahre zu je 360 Tagen (was für die Jahreslänge in der Zeit nach der Sintflut zutreffend ist). Auf diese Weise wären 10 saroi auf 100 Jahre geschrumpft, was allerdings die Regierungszeit eines einzelnen Herrschers immer noch unglaubhaft übersteigt. Daher möchte ich annehmen, dass in der Originalliste, die wir nicht vorliegen haben, eine Dimension hinter den Zahlen stand, die Jahre bedeutete und die sich anhörte wie saros oder so ähnlich, so dass es zu der (beabsichtigten?) Verwechslung kommen konnte. Alle anderen Erklärungen können meines Erachtens nur weniger glaubwürdig sein.

Zwei bedeutende Ereignisse gehören zu den Königen vor der Flut; das eine ist natürlich die Flut selbst, die jedoch nicht von allen aufgeführten Herrschern mehr erlebt worden ist, und das andere ist das Auftauchen der oben bereits angekündigten "Ungeheuer", ein Vorgang, der sich über eine längere Zeitspanne erstreckt zu haben scheint; denn aus den anderen Listen geht hervor, dass schon vor dem ersterwähnten König, der in beiden Listen Aloros der Chaldäer genannt wird, ein gewisser Oannes (bei Abydenos) dem Meer entstieg, und dass vierzig Jahre später, entweder im ersten Regierungsjahr des Chaldäers Ammenon (Apollodor und Polyhistor zufolge) oder schon unter Amillaros von Pautibiblon (Abydenos zufolge) zum zweiten Male ein Annedotos aus dem Meer gekommen sei, der dem Mysaros (= Ungeheuer, Halbdämon) Oannes sehr ähnlich gewesen sei: eine Mischung aus Fisch und Mensch.

Es ist denkbar, dass Aloros (= Alulim von Nun-ki), der behauptete, er sei von Gott zum Hirten seines Volkes ernannt worden, von dem Mysaros Oannes, dem Anführer des Vortrupps der Sumerer, in Bad-tabira = Pauti-Biblon = Babylon eingesetzt wurde als der Verbindungsmann zwischen den Neuangekommenen und den "Semiten". Schließlich war Oannes, der an anderer Stelle auch Ea(nnes) genannt wird, der sumerische Wasser- und ursprüngliche Hauptgott. Der spätere Hauptgott der Sumerer war der Himmelsgott Anu, der der Annedotos des zweiten Zuges gewesen sein dürfte, der unter Enmenluanna = Amillaros bzw. Amelon (bei Apollodor) in Mesopotamien eintraf, vielleicht auch erst unter Enmengalanna = Megaloros, der zuversichtlich mit Ammenon bzw. Ammemon (bei Abydenos) identisch ist.

Ein dritter Trupp doppelgestaltiger Wesen, deren Namen mit Euedokos (= Enkidu?), Eneugamos (= Enki?), Eneuboulos und Anementos angegeben werden, traf z.Zt. Daos' des Hirten im Zweistromland ein (Abydenos zufolge). Der Hirte Daos oder Daonos (bei Apollodor) war zweifellos der Schäfer Dumuzi aus Bad-tabira = "Pauti-Babylon" und der letzte Herrscher in Babylon vor der Flut. Die Angaben weichen bei den erwähnten Historiografen geringfügig voneinander ab. Einig sind sie sich darin, dass ein vierter Auftritt zur Zeit des Königs Euedoranchos (bei Apollodor) = Euedoreschos (bei Abydenos), der mit dem Sipparer Enmenduranna identisch ist, stattgefunden habe.

Hier liegt jedoch ein Missverständnis vor. Da die letzten Könige nämlich nicht hinter-, sondern nebeneinander zu sehen sind, betrifft das Erscheinen des Anodaphos (gemäß Abydenos) bzw. des Odakon (bei Apollodor) den dritten Auftritt z.Zt. des Dumuzi; denn wie aus der Königsliste hervorgeht, regierte der eine, Dumuzi, in Bad-tabira und der andere, Enmenduranna, in Sippar. Der Name Anodaphos dürfte eine Zusammenfassung aller vier Namen der zu dieser Zeit eingetroffenen Sumerer sein, während Odakon mit Euedokos identisch sein könnte.

Besonders ergiebig für die Rekonstruktion der vorsintflutlichen Geschichte ist Dumuzi der Schäfer bzw. Dao(no)s der Hirte. Er taucht in der nachsintflutlichen Liste Kisch I unter dem Namen Etana der Schäfer als einer der ersten Könige nach der Sintflut wieder auf. Er gilt als derjenige, der auf einem Adler fliegend dem Südwind die Flügel gebrochen habe. Im Klartext heißt das, dass er die aus dem Süden hereingebrochene Sturmflut überlebte: E-dao-nos oder Etana, Da-on, Dagon bzw. DAG-an ist auch Mar-DUK, jener "Fünfzignamige", der später als Universalgott der Fruchtbarkeit, des immer wieder sich erneuernden Lebens, also der Natur schlechthin, verehrt wurde. Sein Kultort unter seinem Namen Marduk war Babylon (= Bad-ta-biblon), wo er auch den ersten "Turm zu Babel" baute. Nach der Flut war Babylon von der Landkarte verschwunden. Der Euphrat floss 30 km weiter östlich von der Stelle, an der Pauti-Babylon gestanden hatte, vorbei. Dort wurde die Stadt Kisch als erste Stadt nach der Sintflut gegründet, und zwar von niemand anderem als von Daos = Etana-Dumuzi.

Wenn Dumuzi die Sintflut überlebte, dann kann nach ihm und vor der Flut kein weiterer König in Babylon auftauchen. Für ihn stimmen nicht nur die Regierungsjahre in allen drei Listen überein (10 Jahre), sondern er wird auch ganz klar in der Königsliste als letzter König von Babylon = Pauti-Biblon angegeben. Die Sintflut überraschte Dumuzi in seinem 11. Regierungsjahr. Damit liegen auch die Daten für seine Vorgänger in Babylon und letztlich für die Auftritte der Sumerer fest.

In chronologischer Hinsicht ist der Hinweis bei Polyhistor darauf, dass der Fischmensch Oannes "im ersten Jahr" gekommen sei, also den Kalender mitbrachte und der erste Sumerer überhaupt war, der in Mesopotamien an Land ging, am wichtigsten.

In Verbindung mit den Interpretationen der Angaben in den Königslisten bei Apollodor und Abydenos, in denen die Regierungslängen nicht immer genau mit denen in der oben wiedergegebenen Königsliste übereinstimmen, lässt sich rekonstruieren, wann dies der Fall war. Im Jahre 80 vor der Sintflut, entsprechend dem Jahr (879 + 80 =)

959 vor Christi Geburt

betraten die Sumerer unter Führung ihres Wegbereiters und Wassergottes Oannes mesopotamischen Boden.

Das war fast 2000 Jahre später als von der Schulwissenschaft angegeben wird. Konventionell fällt dieses Datum in eine Zeit, die in den Geschichtsbüchern als das Zeitalter der Wirrnisse bezeichnet wird. In Assyrien, Babylonien, Ägypten und Palästina herrscht in diesen Jahren ein chronologisches Chaos unvorstellbaren Ausmaßes, wie der Leser weiß, der sich bereits mit diesen Dingen beschäftigt hat. In meiner neuen Sicht der Altertumsgeschichte verschwinden alle diese Ungereimtheiten.

Es versteht sich, dass die nachstehend aufgeführte "erste Dynastie von Babylon" nicht die älteste "semitische" oder "chaldäische" Dynastie in Mesopotamien war. Weiter zurück als bis zum Regierungsantritt des "von Gott zum Hirten seines Volkes ernannten" Aloros reichen die Angaben eben nicht. Es ist bemerkenswert, dass Aloros offensichtlich nicht sogleich nach der Ankunft des Oannes zum "Hirten seines Volkes" ernannt wurde. Das wird auch in der Überlieferung klar; denn die "Erziehung" durch die Sumerer scheint eine geraume Zeit in Anspruch genommen zu haben.

Die erste Dynastie von Babylon
 Oannes (Ea) 80 vor der Flut (vdFl) dem Meer entstiegen
                       setzt in Pauti-Babylon/Bad-tabira
 Aloros      65 vdFl - 55 vdFl (10 Jahre) zum Hirten ein
 Alaparos    55 "    - 52 "    ( 3   "  )              
 Amillaros   52 "    - 39 "    (13   "  )              
 Ammenon     39 "    - 27 "    (12   "  ) möglicherweise
                                          identisch mit
 Megaloros   27 "    -  9 "    (18   "  )              
 Dumuzi-Etana 9 "    - Flut im Jahre 879 v.Chr.        


Zudem ist "Chaldäer" eine irreführende Bezeichnung, da sie nicht zu einer "semitischen" Volksgruppe gehört, sondern - wie ich zeigen werde - zu einer indoarischen. Da die arischen Chaldäer aber später die Herrschaft über Babylonien antraten, kam die Bezeichnung "Chaldäer" in die Liste der "semitischen" Könige Pauti-biblons hinein.

Wie ich schon sagte, war der Wassergott Ea (Oannes) vermutlich der ursprüngliche Hauptgott der mesopotamischen Sumerer. Er war möglicherweise der Vater des Anu(dotos). Die Seefahrer wurden in Mesopotamien zu Ackerbauern, und damit verlagerte sich die Priorität des Hauptgottes vom Wasser aufs Land. Nach dem Tode der Herren Anu und seines Sohnes Enlil, der allerdings nicht wie sein Vater auf den Königsthron gekommen war, wurde Anu erstrangig vergöttlicht, und seine Nachkommenschaft stellte auch nach der Flut die Könige. Darauf komme ich weiter unten natürlich zurück. Zunächst bleiben wir in der Zeit vor der Flut.

Anu-dotos, der Gründer von An-schan, der Königsstadt auf dem Persischen Hochland, war später der Himmelsgott Anu, dem die Attribute "zeitlich-ewig" und "räumlich-unendlich" beigegeben wurden. Noch später war er der Herr, von dessen Name man anfing zu predigen zur Zeit des Enos (1. Mose 4, 26). Er erhielt damals - es war um das Jahr 440 ndFl - den arisierten Namen Ja-Anu, woraus Janus (Gott der Ewigkeit mit den zwei Gesichtern, eins ganz normal vorn am Kopf und ein anderes am Hinterkopf), Ur-anus (Himmelsgott) und bei den Persern Zav-an (Gott der Ewigkeit mit den zwei Gesichtern übereinander auf der Brust) wurden.

Auch der Name des Gottes der Juden, Ja-hue bzw. Jahwe ist zu der Zeit des Enos (= Anu-s! 1. Mose 4, 26) entstanden. Sowohl Jahwe als auch der originäre Anu mit seinem Gottessohn Enlil haben bis in unsere Zeit hinein die christliche Gottesvorstellung entscheidend geprägt.

Der Sohn des Anu(dotos), besagter Enlil (auch Ellil), war so eine Art Jung-Siegfried und Casanova in einer Person. Er dürfte bei der Ankunft mit seinem Vater etwa 30 oder 35 Jahre alt gewesen, mithin um 70 vdFl geboren sein. Anu ist vermutlich erst nach oder auch mit seinem Sohn Enlil verstorben, und zwar noch vor der Flut; denn der Sohn des Enlil, der Sonnengott Ut(u)-Napischtim, saß zum Zeitpunkt der Flut bereits auf dem Thron in der Königsstadt An-Schan auf dem Hochland von Aratta, dem späteren Persischen Hochland.

Ein anderer Sohn Enlils war der Mondgott Nannar (= Nammu), dessen Mutter eine semitische Prinzessin aus der Stadt Nippur war, die En-Lilith hieß. Nippur war später die heilige Stadt des Enlil. Hier stand sein Tempel Ekur oder Escharra, der mit dem Stein des Nachthimmels, mit Lapislazuli, ausgekleidet war. Vermutlich war Enlil hier Statthalter bzw. Wesir seines Vaters Anu gewesen; denn auch später, nachdem Anu tot und vergöttlicht war, liefen die Bittgesuche an ihn über seinen Sohn Enlil (vgl. "ora pro nobis!"), der ebenfalls in den Götterstand erhoben wurde (vgl. "Gottvater und -sohn"!).

(En-)Lilith war in späterer Zeit die Todesgöttin der Mesopotamier. Als sie nämlich mit Nannar niederkam, da wäre der Mond beinahe in der Unterwelt geboren worden, was die Götter in helle Aufregung versetzte und für den Mond natürlich peinlich gewesen wäre. Lilith starb offenbar bei der Geburt des Knaben. Der Mond wurde jedoch noch in der Oberwelt geboren. Ein anderer Name für Enlilith scheint Ninchursag gewesen zu sein. Diese war im Mythos die ewige Gegenspielerin der Inanna, der Gemahlin des Dumuzi, der wie En-Lilith ebenfalls ein "Semit" war.

Oannes wird vielfach mit Enki (Eneugamos?) gleichgesetzt oder zumindest in Verbindung gebracht, der ebenfalls in der ersten sumerischen Stadt Mesopotamiens residierte, in der Hafenstadt Eridu, wo das Königtum sowohl vor als auch wieder nach der Flut seinen Anfang genommen haben soll, nachdem es vom Himmel herabgestiegen war. Nicht zu verwechseln mit Enki ist Enki-du, der Bauer. Er könnte der spät eingetroffene Euedokos gewesen sein, ein Altersgenosse Dumuzis also, mit dem er in Konkurrenz stand. Sein verwandtschaftliches Verhältnis zur Herrscherdynastie ist nicht eindeutig zu klären. Für Enki hingegen dürfte feststehen, dass er zwar zum Königshause gehörte, aber selbst nie König geworden war. Er war "vom Himmel herabgestiegen" bzw. von Anschan auf dem Hochland von Aratta heruntergezogen nach Eridu, das bis zur Flut die Hauptstadt des Statthalters von Mesopotamien gewesen zu sein scheint.

Endlich muss ich jetzt aber auch eine Dame aus dem Königshause vorstellen: Inanna, die Schwester des liebenswürdigen Enki, die noch bis ins achte nachsintflutliche Jahrhundert eine göttliche Verehrung genoss, die an keine Rasse oder Volksgruppe gebunden war. Um sie warben Dumuzi, der Hirte, und der oben ebenfalls schon erwähnte Bauer Enkidu.

Die Sumerer waren Ackerbauer. Sie hatten das südmesopotamische Sumpfland, auf dem sich seit Urzeiten der aus dem Norden angespülte fruchtbare Schlamm deponiert hatte, durch den Bau weit verzweigter Entwässerungskanäle kultiviert. Sie lehrten auch die Semiten den Umgang mit Saatpflanzen, wovon reine Viehzüchter meist nicht viel Ahnung haben. Während nun die Hirten, denen der sumpfige Süden aus vielerlei Gründen immer unsympathisch gewesen war, das Weideland des Nordens nutzten, wogten im Süden die sumerischen Getreidefelder.

Inanna fragte ihren Bruder Enki, für welchen der beiden um sie werbenden Freier sie sich entscheiden solle. Enki riet ihr dazu, den Bauern zu wählen, was im Hinblick auf die Unterschiedlichkeit beider Volksgruppen auch verständlich ist. Dumuzi war zwar auch ein König, aber er war eben kein Sumerer. Vergleiche mit Normannen und Angelsachsen drängen sich da auf. Eigentlich hätte es nach dieser Abweisung zum Streit zwischen "Kain und Abel" kommen müssen; aber diesen Konflikt zwischen dem Ackerbauer Kain und dem Viehzüchter Abel hat es in der überlieferten Form nicht gegeben; es hat auch hier eine Übertragung aus dem sumerischen Kulturkreis in das Alte Testament stattgefunden. In der sumerischen Kain-und-Abel-Version kam es nicht zu Mord und Totschlag.

Der Schlichter Enki vermittelte zwischen "Abel"-Dumuzi und "Kain"-Enkidu, indem er dem Hirten zugestand, dass er seine Herden auf den abgeernteten Feldern der Sumerer weiden lassen durfte. Das war für beide Seiten ein gelungener Komproniss; denn so konnten sich die Weidegründe im Norden in der Zeit erholen, in der die Herden im Süden den Sumerern die Äcker düngten.

Inanna und Enki waren Kinder des Mondgottes Nannar. Möglicherweise war Enkidu der Sohn des regierenden älteren Bruders Nannars, des Sonnengottes Ut(u)-Napischtim. Enkidu wurde selbst nie König. Der Nachfolger Utnapischtims war (der jüngere Bruder Enkidus?) Meski-agga-scheir, der Sohn des Sonnengottes. Meski und sein Vater Utu = Utnapischtim überlebten die Flut, bei der Utus mutmaßlicher Sohn Enkidu allerdings zu Tode gekommen zu sein scheint. Sicher ist dies jedoch nicht; denn nach der Flut taucht ein merkwürdiger Tier-Mensch namens Enkidu auf, der aber wiederum zu alt gewesen wäre, um noch der Gefährte des Gilgamesch zu werden, wenn es sich bei ihm immer noch um denselben "Bauern" Enkidu gehandelt hätte, der - noch vor der Flut - der erste Gemahl der Inanna wurde.

Inanna und Enkidu bekamen ca. 5 vdFl einen Sohn, der den Namen Enmerkar erhielt. Er ist der erste Mensch, über den wir historische Zeugnisse besitzen. Da er nicht vergöttlicht worden zu sein scheint, geht er konventionell als geschichtliche Person durch, und zwar als der Erfinder der Schrift. Eingehender werde ich mich mit ihm erst nach der Sintflut befassen.

Die "Götterdynastie" sähe, wenn die Annahme richtig sein sollte, dass der Sonnengott Utu-Napischtim wie der Mondgott Nannar ein Sohn Enlils war, folgendermaßen aus:


Die "Gottkönige" Sumers
Oannes = Ea   * ca. 110 vdFl regierte ca. 80 - 40 vdFl

An(u-dotos)   * ca.  90 "    "        ca. 40 -  5 vdFl   

Enlil         * ca.  70 "    "        nicht; starb ca. 5 vdFl   

Utnapischtim  * ca.  45 "    "        ca. 5 vdFl - 30 ndFl

Meski-Humbaba * ca.  20 "    "        ca. 30 - 55/60 ndFl



Diese waren die "Gottkönige" über Sumer. Gilgamesch war mit Sicherheit - das geht aus dem Epos hervor - ein Nachfahre des Utnapischtim. Sein Vater war aber nicht Meski, wie zu gegebener Zeit deutlich gemacht wird. Zu seinen Vorfahren gehörte zweifellos auch Inanna, die um 20 vdFl geborene Schwester Enkis, der einige Jahre älter gewesen sein dürfte. Ihr Gemahl und mutmaßlicher Vetter Enkidu wurde ca. 25 vdFl geboren.

Die Königsliste enthält nicht nur die Namen der Könige von Pauti-Babylon, sondern auch die von anderen mesopotamischen Städten. Einige dieser Stadtkönige werden ebenfalls mit den Sumerern in Beziehung gebracht. Von besonderem Interesse ist darunter natürlich die Stadt, aus der der biblische Noah hervorgegangen sein soll: Schuruppak. Vermutlich ist dies jedoch eine nachträgliche Ergänzung; denn das AT erwähnt die Stadt Noahs nicht. Weshalb sollte Noah aber ausgerechnet aus dieser Stadt stammen?

Der letzte Herrschername der oben wiedergegebenen sumerischen Form der Königsliste ist verstümmelt ([?]-du-du aus Schuruppak). Bei Abydenos fehlt er sogar ganz. Apollodor nennt an achter Stelle Amempsinos von Laranchai, der der Vater der Nummer 9 gewesen zu sein scheint, des Xisuthros, der bei Abydenos an der zehnten Stelle erscheint und hier Seisithros heißt. Im sumerischen Sintflut-Epos trägt er den Namen Ziusudra.

Apollodor zufolge hat sich zu der Zeit des Xisuthros die große Flut ereignet, und Abydenos berichtet, dass der Gott Kronos dem Seisithros verkündet habe, am 15. Tage des Monats Desios werde es Wolkenbrüche geben. Deshalb befahl ihm der Gott, er solle sämtliche Schriften, die sich in seinem Besitz befänden, in der Sonnenstadt der Sipparer niederlegen (in einen festen Turm einschließen).

"Noah" müsste in der Stadt des Xisuthros, Seisithros oder Ziusudra seine Residenz gehabt haben; denn einen separaten Noah speziell für des AT hat es nicht gegeben. Im sumerischen Epos ist Ziusudra sogar noch deutlicher als "Kastenbauer" zu erkennen als bei Abydenos und bei Apollodor, so dass man sagen kann, die Noah-Geschichte sei direkt aus dem sumerischen Mythos in das AT übernommen worden.

Der Name Noah bedeutet im Hebräischen "Trost". Dies ist eine für das AT überaus typische Wortspielerei. Der Vater des Noah ist nach 1. Mose 5 Lamech, der mit dem Lamech aus 1. Mose 4 zweifellos identisch ist, dessen Kinder jedoch völlig andere Namen tragen als im Kapitel 5. Hier ist sehr deutlich zu erkennen, dass die Noah-Geschichte im AT an einer Stelle untergebracht worden ist, an die sie generationsmäßig gar nicht hingehört. Um welche historisch echte Person es sich bei Noah tatsächlich handelt, will ich hier noch nicht vorwegnehmen.

Aus der Aufforderung an Seisithros, er solle sämtliche Schriften in Sippar in einen festen Turm einschließen, könnte hergeleitet werden, dass "Noah" in Wirklichkeit in Sippar beheimatet war statt in Schuruppak; denn dieser Ort steht in der Königsliste zwar an letzter Stelle, aber ohne dass zu erkennen wäre, wie der König geheißen hat, der hier zuletzt herrschte. In der Liste des Apollodor wird (ohne Ortsangabe) Xisuthros als Sohn des Amempsinos von Laranchai ausgewiesen, der mit dem Ensibzianna von Larak aus der Königsliste identisch ist, und Abydenos gibt weder den Vater noch den Vorgänger des Seisithros an. Auch den Namen der Stadt des Euedoreschos verschweigt er, während Apollodor seinen Euedoranchos in Pauti-biblon wohnen lässt.

Da beide Könige mit dem Enmenduranna der Königsliste identisch sind, der aus Sippar stammte, und da nach Da(on)os-Dumuzi kein Euedoranchos mehr in Babylon gewohnt haben kann, so kann davon ausgegangen werden, dass die Liste des Apollodor in diesem Punkt ungenau ist.

Ich behaupte, dass "Noah" = Xisu-thro-s = Seisi-thro-s = Ziusu-dra mit Eue-dor-eschos und mit Enmen-dur-anna von Sippar identisch und der Sohn des Ensibzianna von Larak gewesen ist. Es liegt daher nahe, Sippar mit Schuruppak zu identifizieren und die beiden Namen für zwei verschiedene Lesarten zu halten. Aus welcher Stadt der biblisch-sumerische Flutüberlebende bzw. Kastenbauer tatsächlich stammte, bleibt dennoch ungeklärt. Immerhin überlebte ja auch der Babylonier Dumuzi-Marduk von Pauti-Biblon die Flut.

Wenn man bedenkt, wie wenige Fragen noch offen geblieben und wie viele Ungereimtheiten ausgeräumt worden sind, dann ist das Ergebnis dieser Rekonstruktion der vorsintflutlichen Geschichte doch sehr zufrieden stellend, erst recht in Anbetracht der Ungenauigkeiten im überkommenen Material.

Nachdem wir nun die Positionen sowohl im sumerischen als auch im semitischen Lager kennen gelernt haben, können wir uns der Sintflut zuwenden.

 Letzter Stand: 27. Juni 2012


 

1 Robert Charroux, Phantastische Vergangenheit, F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung, München; Lizenzausgabe für die Mitglieder des Deutschen Bücherbundes Stuttgart Hamburg München.
2 Robert K.G. Temple, Das Sirius-Rätsel, Umschau-Verlag

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